Betriebsrat und Mitbestimmung
Betriebsrat und Mitbestimmung | Praxiswissen für kleine Gremien und nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder
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INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
rechtsprechung<br />
Arbeitnehmer muss Überst<strong>und</strong>en beweisen<br />
LAG Rheinland-Pfalz 8.5.2018 – 8 Sa 14/18<br />
vergütung Arbeitnehmer haben nur dann einen Anspruch auf die Bezahlung von<br />
Überst<strong>und</strong>en, wenn der Arbeitgeber diese anordnet, billigt, duldet oder sie notwendig<br />
sind, um die zugewiesene Arbeit erledigen zu können. Darlegen <strong>und</strong> beweisen muss<br />
das jeweils der Arbeitnehmer.<br />
Der Beschäftigte schuldete der Arbeitgeberin<br />
eine monatliche Arbeitsleistung von 160 St<strong>und</strong>en.<br />
Ausgehend von einer Fünf-Tage- Woche<br />
<strong>und</strong> acht Arbeitsst<strong>und</strong>en pro Tag. Nachdem<br />
sein Arbeitsverhältnis beendet war, verlangte<br />
er von der Arbeitgeberin die Zahlung für<br />
insgesamt 111 geleistete Überst<strong>und</strong>en. Die<br />
Arbeitgeberin bestreitet die Überst<strong>und</strong>en. Jedenfalls<br />
habe sie keine angeordnet.<br />
Das sagt das Gericht<br />
Verlangt der Arbeitnehmer die Vergütung von<br />
Überst<strong>und</strong>en muss er darlegen <strong>und</strong> beweisen,<br />
dass er seine Arbeit in einem »die Normalarbeitszeit<br />
übersteigenden zeitlichen Umfang«<br />
verrichtet hat – so die ständige Rechtsprechung<br />
des BAG. Dabei ist im Einzelnen darzulegen,<br />
an welchen Tagen <strong>und</strong> zu welchen<br />
Tageszeiten über die übliche Arbeitszeit hinaus<br />
gearbeitet worden ist.<br />
Die Überst<strong>und</strong>en müssen vom Arbeitgeber<br />
angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls<br />
zum Erledigen der geschuldeten Arbeit<br />
notwendig gewesen sein. Die Darlegungs- <strong>und</strong><br />
Beweislast hierfür trägt der Arbeitnehmer.<br />
überst<strong>und</strong>en<br />
Hinweis zur <strong>Mitbestimmung</strong><br />
Der <strong>Betriebsrat</strong> hat bei der »vorübergehenden<br />
Verlängerung der betriebsüblichen<br />
Arbeits zeit« ein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht<br />
(§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Das bedeutet:<br />
Will ein Arbeitgeber Überst<strong>und</strong>en<br />
anordnen oder dulden, muss er vorher die<br />
Zustimmung des <strong>Betriebsrat</strong>s einholen.<br />
Verweigert dieser die Zustimmung, muss<br />
der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen.<br />
Das gilt auch in Eilfällen. Nur in echten<br />
Notfällen (z.B. Brand, Explosionsgefahr,<br />
Überschwemmung) kann der Arbeitgeber<br />
die Zustimmung (unverzüglich) nachholen.<br />
Im konkreten Fall hat der Beschäftigte weder<br />
in der Klageschrift noch im Prozess irgendwelche<br />
Angaben dazu gemacht, wer wann auf<br />
welche Weise wie viele Überst<strong>und</strong>en angeordnet<br />
hat. Eine pauschale Behauptung, die Überst<strong>und</strong>en<br />
seien »auf Anordnung der Arbeitgeberin<br />
entstanden«, ist nicht ausreichend.<br />
Möglich wäre noch eine »konkludente<br />
Anordnung« von Überst<strong>und</strong>en durch den<br />
Arbeitgeber. Hierfür hätte der Arbeitnehmer<br />
aber darlegen müssen, dass eine bestimmte<br />
angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit<br />
nicht zu leisten war. Oder dass ihm<br />
zum Erledigen der angewiesenen Arbeit ein<br />
bestimmter Zeitraum vorgegeben war, der nur<br />
durch Überst<strong>und</strong>en einzuhalten war.<br />
Der Beschäftigte hat hier auch nicht ausreichend<br />
dargelegt, dass der Arbeitgeber die<br />
Überst<strong>und</strong>en geduldet hat. Dulden bedeutet,<br />
dass der Arbeitgeber in Kenntnis der Überst<strong>und</strong>enleistung<br />
diese hinnimmt <strong>und</strong> keine<br />
Vorkehrungen trifft, sie zu unterbinden.<br />
Da der Arbeitnehmer hier die Überst<strong>und</strong>en<br />
nicht beweisen konnte, hat er keinen Anspruch<br />
auf Vergütung.<br />
Das bedeutet es für Sie<br />
Leisten Beschäftigte in Ihrem Betrieb Überst<strong>und</strong>en,<br />
sollten Sie klären, ob diese auch<br />
wirklich angeordnet worden sind <strong>und</strong> der<br />
Arbeitgeber Kenntnis davon hat. Achten<br />
Sie unbedingt darauf, dass die Betroffenen<br />
schriftlich festhalten, an welchem Tag sie<br />
zu welcher Zeit auf wessen Anordnung hin<br />
Überst<strong>und</strong>en geleistet haben. Am besten sollten<br />
die Beschäftigten die Notiz vom Arbeitgeber<br />
unterschreiben lassen. Hilfreich sind auch<br />
Kollegen, die die Überst<strong>und</strong>en vor Gericht<br />
bezeugen können. Diese potenziellen Zeugen<br />
sollte der Beschäftigte immer namentlich<br />
notieren. So lassen sich die Überst<strong>und</strong>en im<br />
Streitfall gut beweisen. v<br />
Leslie Schilling, Volljuristin mit Schwerpunkt<br />
Arbeitsrecht, B<strong>und</strong>-Verlag, Frankfurt am Main.<br />
TIPP<br />
Als <strong>Betriebsrat</strong><br />
sollten Sie ein<br />
Auge darauf haben,<br />
welche Arbeitnehmer<br />
in Ihrem<br />
Betrieb Überst<strong>und</strong>en<br />
leisten. Ist die<br />
zugeteilte Arbeit für<br />
den Arbeitnehmer<br />
in der vertraglich<br />
vereinbarten<br />
Arbeits zeit nicht zu<br />
schaffen, sollten Sie<br />
zusammen mit dem<br />
Betroffenen <strong>und</strong><br />
dem Arbeitgeber<br />
darüber beraten, wie<br />
sich das Arbeitspensum<br />
reduzieren<br />
lässt. Fallen in einer<br />
Abteilung vermehrt<br />
Überst<strong>und</strong>en an,<br />
kann das ein Indiz<br />
für eine personelle<br />
Unterbesetzung<br />
sein. Hier sollte<br />
der <strong>Betriebsrat</strong> auf<br />
Neueinstellungen<br />
hinwirken.<br />
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