Betriebsrat und Mitbestimmung
Betriebsrat und Mitbestimmung | Praxiswissen für kleine Gremien und nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder
Betriebsrat und Mitbestimmung | Praxiswissen für kleine Gremien und nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder
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<strong>Betriebsrat</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Mitbestimmung</strong><br />
SCHNELL<br />
INFORMIERT<br />
online unter:<br />
br-mitbestimmung.de<br />
1. JAHRGANG<br />
ISSN 2568-2520<br />
praxiswissen für kleine gremien <strong>und</strong><br />
nicht freigestellte betriebsratsmitglieder 12 | 2018<br />
betriebsratsarbeit<br />
Das müssen Sie zur<br />
<strong>Betriebsrat</strong>ssitzung wissen | Seite 2<br />
mitbestimmung<br />
So bestimmen Sie bei den<br />
Arbeitsbedingungen mit | Seite 5<br />
Aktuelles: Urlaub verfällt<br />
nicht immer | Seite 8<br />
7 Fragen zur Erreichbarkeit im<br />
Weihnachtsurlaub | Seite 9<br />
} Exklusiv für Sie als Abonnent:<br />
Ihre Online- Datenbank unter<br />
www.br-mitbestimmung.de<br />
Das müssen Sie jetzt wissen<br />
Dr. Christiane Jansen,<br />
Redakteurin <strong>und</strong> Autorin,<br />
Diplom-Juristin,<br />
Beratung <strong>und</strong> Seminare<br />
für Betriebsräte<br />
Leslie Schilling,<br />
Redakteurin,<br />
Volljuristin, B<strong>und</strong>-Verlag<br />
betriebsratssitzung<br />
Den Arbeitgeber müssen Sie zu<br />
Ihren <strong>Betriebsrat</strong>ssitzungen nur<br />
dann einladen, wenn er die Sitzung<br />
selbst einberufen hat (§ 29<br />
Abs. 4 BetrVG). Oder wenn Sie<br />
es ausdrücklich für notwendig<br />
erachten. Ein eigenes Anrecht<br />
auf Teilnahme an allen Sitzungen<br />
hat der Arbeitgeber keinesfalls.<br />
Lassen Sie sich da nichts<br />
anderes einreden!<br />
erreichbarkeit<br />
Urlaub soll der Erholung dienen.<br />
Trotzdem sind 64 Prozent der<br />
Beschäftigten auch während<br />
ihres Urlaubs für den Chef<br />
<strong>und</strong> Kollegen telefonisch oder<br />
über E-Mail erreichbar. So eine<br />
Umfrage des Digitalverbands<br />
Bitkom. Unser Tipp: Genießen<br />
Sie die Weihnachtstage <strong>und</strong><br />
schalten Sie die Geräte einmal<br />
vollständig ab!<br />
arbeitsweg<br />
17,6 Prozent der Berufstätigen<br />
pendeln täglich 25 Kilometer<br />
<strong>und</strong> mehr zur Arbeit. Auf unter<br />
10 Kilometer kommt mit 52<br />
Prozent gut die Hälfte. So die<br />
Zahlen des B<strong>und</strong>es instituts für<br />
Bevölkerungs forschung. Das hat<br />
negative Folgen. Pendler klagen<br />
häufiger über psychische <strong>und</strong><br />
körperliche Beschwerden <strong>und</strong><br />
Müdigkeit.
etriebs ratsarbeit<br />
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
WICHTIG<br />
Für die Teilnahme<br />
an der <strong>Betriebsrat</strong>ssitzung<br />
brauchen<br />
Sie keine Erlaubnis<br />
des Arbeitgebers.<br />
Sie müssen sich nur<br />
von Ihrer Arbeit<br />
abmelden <strong>und</strong> wieder<br />
zurückmelden,<br />
damit der Arbeitgeber<br />
Ihre Arbeit<br />
ggf. umorganisieren<br />
kann.<br />
TIPP<br />
Der Vorsitzende<br />
kann die Informationen<br />
<strong>und</strong> Unterlagen<br />
zu Themen der<br />
Tages ordnung bereits<br />
am Tag vor der<br />
Sitzung in einer entsprechenden<br />
Mappe<br />
im <strong>Betriebsrat</strong>sbüro<br />
zur Einsicht<br />
auslegen. So lassen<br />
sich zeitaufwändige<br />
Diskussionen in der<br />
Sitzung oft vermeiden.<br />
<strong>Betriebsrat</strong>smitglieder<br />
haben<br />
jederzeit das Recht<br />
in alle <strong>Betriebsrat</strong>sunterlagen<br />
Einsicht<br />
zu nehmen (§ 34<br />
Abs. 3 BetrVG).<br />
Das müssen Sie zur<br />
<strong>Betriebsrat</strong>ssitzung wissen<br />
betriebsratsarbeit Die Sitzung des <strong>Betriebsrat</strong>s bildet den Kern seiner Arbeit.<br />
Hier kommt das ganze Gremium zusammen, bildet sich eine Meinung <strong>und</strong> entscheidet<br />
gemeinsam über wichtige Themen. Eine gut vorbereitete <strong>und</strong> strukturierte Sitzung ist die<br />
Voraussetzung für eine gelungene <strong>Betriebsrat</strong>sarbeit.<br />
Eine <strong>Betriebsrat</strong>ssitzung im Sinne des BetrVG<br />
liegt vor, wenn die <strong>Betriebsrat</strong>smitglieder persönlich<br />
zusammenkommen. Das ist in der<br />
Regel während der Arbeitszeit der Fall (§ 30<br />
BetrVG). Eine virtuelle Sitzung (z.B. Telefon-<br />
oder Videokonferenz) ersetzt nicht die<br />
persönliche Anwesenheit. Daher kann der<br />
<strong>Betriebsrat</strong> in einer Telefon- bzw. Videokonferenz<br />
oder im Umlaufverfahren keine wirksamen<br />
Beschlüsse fassen.<br />
Teilnahme an der Sitzung<br />
Die Teilnahme an den <strong>Betriebsrat</strong>ssitzungen<br />
gehört zu den Pflichten eines jeden <strong>Betriebsrat</strong>smitglieds.<br />
Im Fall einer Verhinderung muss<br />
Übersicht:<br />
Verhinderungsfälle<br />
}}<br />
Eine rechtliche Verhinderung liegt vor,<br />
wenn das Gremium in der Sitzung über<br />
die Kündigung des <strong>Betriebsrat</strong>smitglieds<br />
berät <strong>und</strong> beschließt. Steht dagegen die<br />
Bewerbung eines <strong>Betriebsrat</strong>smitglieds auf<br />
eine ausgeschriebene Stelle auf der Tagesordnung,<br />
stellt das keinen Verhinderungsgr<strong>und</strong><br />
dar. (BAG 24.4.2013 – 7 ABR 82/11)<br />
}}<br />
Urlaub des <strong>Betriebsrat</strong>smitglieds gilt<br />
als Verhinderungsgr<strong>und</strong>, sofern das Mitglied<br />
nicht ausdrücklich erklärt, an<br />
der Sitzung teilnehmen zu wollen.<br />
(BAG 27.9.2012 – 2 AZR 955/11 <strong>und</strong><br />
BAG 8.9.2011 – 2 AZR 388/10)<br />
}}<br />
Krankheit gilt als Verhinderungsgr<strong>und</strong>,<br />
solange das <strong>Betriebsrat</strong>smitglied nicht ausdrücklich<br />
erklärt trotz Arbeitsunfähigkeit<br />
rechtsprechung<br />
der <strong>Betriebsrat</strong>svorsitzende ein Ersatzmitglied<br />
einladen. Häufiges unentschuldigtes Fehlen<br />
kann als grobe Pflichtverletzung oder Behinderung<br />
der <strong>Betriebsrat</strong>sarbeit gewertet werden.<br />
Das kann einen Ausschluss aus dem Amt<br />
oder gar ein Strafverfahren nach sich ziehen.<br />
Die Sitzungen des <strong>Betriebsrat</strong>s sind nicht öffentlich.<br />
Das Gremium kann sich aber Gäste<br />
zu bestimmten Tagesordnungspunkten oder<br />
zur gesamten Sitzung einladen.<br />
Da in der <strong>Betriebsrat</strong>sarbeit immer wieder<br />
Fristen zu beachten sind, (z.B. bei Einstellungen,<br />
Versetzungen oder Kündigungen) empfiehlt<br />
sich ein regelmäßiger (z.B. wöchentlicher)<br />
Sitzungsturnus. So kann der <strong>Betriebsrat</strong><br />
sicherstellen, dass er aufkommende Themen<br />
an der Sitzung teilnehmen zu wollen.<br />
(BAG 5.9.1986 – 7 AZR 175/85<br />
<strong>und</strong> BAG 15.11.1984 – 2 AZR 341/83)<br />
}}<br />
Eine weit entfernte Dienstreise kann<br />
einen Verhinderungsgr<strong>und</strong> darstellen, wenn<br />
der Aufwand <strong>und</strong> die Kosten für die Anreise<br />
zur Sitzung unverhältnis mäßig hoch wären.<br />
(BAG 24.6.1969 – 1 ABR 6/69)<br />
}}<br />
Elternzeit stellt einen Verhinderungsgr<strong>und</strong><br />
dar, außer das <strong>Betriebsrat</strong>smitglied erklärt<br />
den Wunsch an den Sitzungen teilnehmen<br />
zu wollen (BAG 25.5.2005 – 7 ABR 45/04).<br />
Zeiten des Mutterschutzes sind dagegen<br />
immer ein Verhinderungsgr<strong>und</strong>.<br />
}}<br />
Nach herrschender Rechtsmeinung stellt<br />
die Teilnahme an Schulungsveran staltungen<br />
nach § 37 Abs. 6 <strong>und</strong> 7 BetrVG ebenfalls einen<br />
Verhinderungsgr<strong>und</strong> dar. (vgl. Däubler/<br />
Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG Kommentar,<br />
16. Auflage 2018, § 25 Rn. 19)<br />
2
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
betriebs ratsarbeit<br />
<strong>und</strong> Probleme zeitnah behandelt <strong>und</strong> keine<br />
Fristen versäumt. Das Gremium muss beim<br />
Festlegen der Sitzungen auf die betrieblichen<br />
Notwendigkeiten Rücksicht nehmen <strong>und</strong> den<br />
Sitzungszeitpunkt vorab dem Arbeitgeber bekannt<br />
geben (§ 30 BetrVG).<br />
Vorbereitung der Sitzung<br />
Der <strong>Betriebsrat</strong>svorsitzende ist verpflichtet, die<br />
<strong>Betriebsrat</strong>smitglieder rechtzeitig unter Mitteilung<br />
der Tagesordnung zur Sitzung einzuladen<br />
(§ 29 Abs. 2 BetrVG). Rechtzeitig bedeutet,<br />
dass alle <strong>Betriebsrat</strong>smitglieder die Einladung<br />
erhalten können <strong>und</strong> noch die Zeit haben,<br />
sich inhaltlich auf die Sitzung vorzubereiten<br />
(z.B. Unterlagen einsehen, Fragen stellen oder<br />
Informationen einholen). Je nach betrieblichen<br />
Abläufen empfiehlt sich eine rechtzeitige<br />
Einladung mit Tagesordnung 2–3 Tage vor der<br />
Sitzung. Dazu kann es eine entsprechende Regelung<br />
in der Geschäftsordnung geben.<br />
Damit der <strong>Betriebsrat</strong> die Themen der Tagesordnung<br />
in der Sitzung zügig behandeln<br />
kann, sollten alle Informationen <strong>und</strong> Unterlagen<br />
zur Sache vorliegen <strong>und</strong> die Gespräche<br />
mit den Betroffenen vor der Sitzung geführt<br />
worden sein. Der <strong>Betriebsrat</strong> kann den Arbeitgeber<br />
darauf hinweisen, dass Anträge oder<br />
Themen bis zu einem festgelegten Zeitpunkt<br />
vorliegen müssen, damit er sie in der nächsten<br />
turnusmäßigen Sitzung behandeln kann<br />
(z.B. regelmäßige Sitzung am Donnerstag ab<br />
13 Uhr, Versenden der Einladung mit Tagesordnung<br />
am Dienstag um 13 Uhr, Eingabe von<br />
Anträgen des Arbeitgebers bis Dienstag 10<br />
Uhr). Hält der Arbeitgeber die Frist nicht ein,<br />
hat das zur Folge, dass das Gremium das Thema<br />
erst in der darauffolgenden Sitzung oder<br />
einer außerordentlichen Sitzung behandelt.<br />
Damit der <strong>Betriebsrat</strong> in der Sitzung ordnungsgemäße<br />
Beschlüsse fassen kann (siehe<br />
dazu ausführlich in »<strong>Betriebsrat</strong> <strong>und</strong> <strong>Mitbestimmung</strong>«<br />
Ausgabe 6/2018), muss der Vorsitzende<br />
im Fall der Verhinderung eines <strong>Betriebsrat</strong>smitglieds<br />
nach § 29 Abs. 2 BetrVG<br />
ein Ersatzmitglied einladen. Nach den Gr<strong>und</strong>sätzen<br />
des BAG liegt eine zeitweilige Verhinderung<br />
im Sinne des § 25 Abs. 1 BetrVG immer<br />
dann vor, wenn ein <strong>Betriebsrat</strong>smitglied<br />
aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen<br />
nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben.<br />
Die Einladung der Ersatzmitglieder erfolgt<br />
nach Mehrheit der Stimmen, wenn die <strong>Betriebsrat</strong>swahl<br />
als Persönlichkeitswahl durchgeführt<br />
worden ist. Gab es bei der Wahl eine<br />
Listenwahl, erfolgt das Nachladen von Ersatzmitgliedern<br />
entsprechend der Sitzverteilung<br />
praxistipp<br />
Das Gremium kann sich »Spielregeln«<br />
für das Verhalten in der Sitzung geben:<br />
··<br />
Pünktliches Erscheinen, Teilnahme bis<br />
zum Schluss<br />
··<br />
Nur wer sich meldet, darf reden<br />
··<br />
Keine Zwiegespräche<br />
··<br />
Keine Mobiltelefone oder Laptops<br />
der Listen. Zu achten ist immer auf die Besetzung<br />
der Mindestsitze für das Minderheitengeschlecht.<br />
Damit der <strong>Betriebsrat</strong>svorsitzende<br />
möglichst frühzeitig über Verhinderungsfälle<br />
informiert ist <strong>und</strong> Ersatzmitglieder einladen<br />
kann, empfiehlt sich eine Jahresplanung. Dort<br />
kann das Gremium alle regelmäßigen Termine<br />
für <strong>Betriebsrat</strong>ssitzungen, Betriebsversammlungen,<br />
Sitzungen des Wirtschaftsausschusses,<br />
<strong>Betriebsrat</strong>sseminare <strong>und</strong> planbare Abwesenheitszeiten<br />
der <strong>Betriebsrat</strong>smitglieder<br />
(z.B. Urlaub, längere Dienstreisen, Elternzeit)<br />
eintragen. So können sich die entsprechenden<br />
Ersatzmitglieder frühzeitig auf ihre aktive Zeit<br />
im <strong>Betriebsrat</strong> einstellen.<br />
Ablauf der <strong>Betriebsrat</strong>ssitzung<br />
Nicht voll freigestellte <strong>Betriebsrat</strong>smitglieder<br />
müssen sich vor dem Verlassen des Arbeitsplatzes<br />
für die Teilnahme an der Sitzung bei<br />
ihrem direkten Vorgesetzten abmelden. Bei<br />
einer regelmäßigen Sitzung kann es genügen<br />
den Vorgesetzten zu Beginn der Amtszeit auf<br />
diesen Sitzungsturnus hinzuweisen. Für die<br />
Abmeldung gibt es keine Formvorschriften.<br />
Auch für den Ablauf der <strong>Betriebsrat</strong>ssitzung<br />
gibt es im BetrVG keine Vorschriften.<br />
Das Gesetz sagt nur, dass die Sitzungsleitung<br />
beim <strong>Betriebsrat</strong>svorsitzenden liegt. Ein üblicher<br />
Sitzungsverlauf kann beispielsweise wie<br />
folgt aussehen:<br />
• Begrüßung <strong>und</strong> Organisatorisches (z.B. Anwesenheitsliste<br />
persönlich unterschreiben<br />
lassen)<br />
• Feststellung der Beschlussfähigkeit (mehr<br />
als die Hälfte aller <strong>Betriebsrat</strong>smitglieder<br />
sind anwesend)<br />
• Frage über Ergänzungen zur Tagesordnung<br />
(der Aufnahme von neuen Themen müssen<br />
alle anwesenden <strong>Betriebsrat</strong>smitglieder zustimmen)<br />
• Verlesen des Protokolls der letzten Sitzung<br />
mit der Frage nach Ergänzungen<br />
• Einstieg in die Tagesordnungspunkte: Kurze<br />
Darstellung des jeweiligen Sachverhalts,<br />
EXPERTENRAT<br />
Als <strong>Betriebsrat</strong>smitglied<br />
sollten Sie zu<br />
Beginn der Amtszeit<br />
mit dem Vorgesetzten<br />
besprechen,<br />
wie eine Abmeldung<br />
sinn voll ist<br />
(mündlich, schriftlich,<br />
elektronisch,<br />
telefonisch etc.).<br />
So vermeiden Sie<br />
spätere Konflikte<br />
<strong>und</strong> Missverständnisse.<br />
Eine<br />
Abmeldung mit<br />
einem schriftlichen<br />
Formblatt müssen<br />
Sie als <strong>Betriebsrat</strong><br />
nicht akzeptieren.<br />
WICHTIG<br />
Die Sitze für das<br />
Minderheitenge<br />
schlecht sind<br />
bei der Wahl des<br />
<strong>Betriebsrat</strong>s im<br />
Wahlausschreiben<br />
festgelegt worden<br />
<strong>und</strong> während der gesamten<br />
Amtszeit zu<br />
beachten. Erst wenn<br />
keine Vertreter<br />
des Minderheitengeschlechts<br />
mehr im<br />
<strong>Betriebsrat</strong> vertreten<br />
sind, können Sie<br />
den Platz mit einem<br />
Vertreter des anderen<br />
Geschlechts<br />
besetzen.<br />
3
etriebs ratsarbeit<br />
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
TIPP<br />
Den Sitzungsturnus<br />
können Sie in der<br />
Geschäftsordnung<br />
per Beschluss fest<br />
vereinbaren: »Der<br />
<strong>Betriebsrat</strong> tritt regelmäßig<br />
an jedem<br />
… (Wochentag) um<br />
… (Uhr) zu einer<br />
Sitzung zusammen.«<br />
EXPERTENRAT<br />
Die Form der Einladung<br />
<strong>und</strong> Tagesordnung<br />
ist im BetrVG<br />
nicht näher beschrieben.<br />
Sie kann daher<br />
mündlich, elektronisch<br />
oder schriftlich<br />
erfolgen. Dabei sollten<br />
Sie insbesondere<br />
den Datenschutz<br />
<strong>und</strong> die Vertraulichkeit<br />
sowie eine<br />
spätere Beweiskraft<br />
berücksichtigen.<br />
HINWEIS<br />
Die Themen in einer<br />
<strong>Betriebsrat</strong>ssitzung<br />
sind im BetrVG<br />
nicht konkretisiert.<br />
Sie ergeben sich<br />
einerseits aus den<br />
gesetzlich definier<br />
ten Aufgaben<br />
des Betriebs rats<br />
(z.B. aus §§ 80<br />
Abs. 1, 87 Abs. 1<br />
oder 90 BetrVG),<br />
anderer seits aus<br />
der Themen vielfalt<br />
des § 45 BetrVG<br />
zur Betriebs versammlung.<br />
Stand der Informationen, Diskussion im<br />
Gremium, Festhalten offener Fragen, Vergabe<br />
von Aufträgen an einzelne <strong>Betriebsrat</strong>smitglieder,<br />
Aufträge aus der letzten Sitzung<br />
nachverfolgen, ggf. Beschlussfassung<br />
• Unter »Verschiedenes / Sonstiges«: Sammeln<br />
von Themen für das Monatsgespräch<br />
mit dem Arbeitgeber, Berichte aus den Abteilungen,<br />
Anfragen an das Gremium<br />
Im Rahmen der Sitzungsleitung erteilt der <strong>Betriebsrat</strong>svorsitzende<br />
in der Reihenfolge der<br />
Wortmeldungen den Gremienmitgliedern das<br />
Wort. Auch wenn der Vorsitzende jederzeit das<br />
Wort ergreifen darf, sollten alle Mitglieder die<br />
Möglichkeit haben, sich aktiv an der Diskussion<br />
zu beteiligen. Der Vorsitzende kann eine<br />
Diskussion beenden, wenn die Teilnehmer keine<br />
neuen Argumente oder Fragen einbringen.<br />
Nachbereitung der Sitzung<br />
Damit sich die Themen, Diskussionen <strong>und</strong><br />
Vereinbarungen aus der <strong>Betriebsrat</strong>ssitzung<br />
nachvollziehen lassen, ist über jede Sitzung<br />
ein Protokoll anzufertigen (§ 34 Abs. 1<br />
BetrVG). Dem Protokoll ist die persönlich<br />
unterschriebene Anwesenheitsliste beizufügen.<br />
Sobald das Protokoll vom <strong>Betriebsrat</strong>svorsitzenden<br />
<strong>und</strong> einem weiteren <strong>Betriebsrat</strong>smitglied<br />
unterzeichnet worden ist, dürfen<br />
in dem Dokument keine Änderungen mehr<br />
vorgenommen werden. Einwendungen oder<br />
Ergänzungen zum Protokoll müssen schriftlich<br />
erfolgen <strong>und</strong> sind dem Protokoll beizufügen<br />
(§ 34 Abs. 2 BetrVG). v<br />
Dr. Christiane Jansen, Sachverständige für<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Betriebsverfassungsrecht, Kempten.<br />
<strong>Betriebsrat</strong>ssitzung – Einladung mit Tagesordnung<br />
Einladung zur <strong>Betriebsrat</strong>ssitzung mit Tagesordnung<br />
Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen,<br />
hiermit lade ich Euch zu unserer nächsten turnusmäßigen <strong>Betriebsrat</strong>ssitzung am… um … in den<br />
Raum … ein. Die Sitzung ist bis … Uhr vorgesehen. Ich bitte um eine Teilnahme während des<br />
gesamten Zeitraums.<br />
Tagesordnung:<br />
1. Genehmigung der Tagesordnung<br />
arbeitshilfe<br />
2. Genehmigung der Niederschrift der letzten Sitzung (siehe Anlage)<br />
3. Geplante Betriebsvereinbarung »Einheitliche Arbeitskleidung« (Entwurf dazu siehe Anlage)<br />
4. Personenbedingte Kündigung der Kollegin Beate Lorenz (Vertrieb)<br />
5. Beschlussfassung über die Teilnahme der <strong>Betriebsrat</strong>smitglieder Berner <strong>und</strong> Grabow<br />
an dem Seminar »Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>Betriebsrat</strong>sarbeit 1«<br />
6. Beschwerden von Kollegen aus der Endmontage über Geruchsbelästigung<br />
7. Bericht aus der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses<br />
8. Bericht über den aktuellen Stand der Tarifverhandlungen<br />
9. Berichte aus den Abteilungen <strong>und</strong> Verschiedenes<br />
Werden Ergänzungen zu dieser Tagesordnung gewünscht, bitte ich um umgehende Benachrichtigung,<br />
damit ich diese den <strong>Betriebsrat</strong>smitgliedern noch vor der Sitzung mitteilen kann.<br />
Bitte gebt mir unverzüglich eine Rückmeldung, falls Ihr an der <strong>Betriebsrat</strong>ssitzung nicht<br />
teilnehmen könnt. Hohes Arbeitsaufkommen ist kein Verhinderungsgr<strong>und</strong>.<br />
Bitte meldet Euch vor dem Verlassen des Arbeitsplatzes bei Eurem Vorgesetzten ab.<br />
.................................................................................................<br />
(Datum <strong>und</strong> Unterschrift des <strong>Betriebsrat</strong>svorsitzenden)<br />
Diese Arbeitshilfe finden Sie online unter: www.br-mitbestimmung.de<br />
4
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
mitbestimmung<br />
So bestimmen Sie bei den<br />
Arbeitsbedingungen mit<br />
mitbestimmung Möchte der Arbeitgeber die Ordnung im Betrieb regeln, muss er Sie als<br />
<strong>Betriebsrat</strong> anhören <strong>und</strong> Ihre Zustimmung einholen. Diese Regelung schützt die Beschäftigten<br />
<strong>und</strong> berechtigt den <strong>Betriebsrat</strong>, die wichtigsten Arbeitsbedingungen mitzugestalten.<br />
Das <strong>Mitbestimmung</strong>srecht zu Fragen der<br />
Ordnung des Betriebs <strong>und</strong> zum Verhalten<br />
der Arbeitnehmer, ergibt sich aus § 87 Abs. 1<br />
Nr. 1 BetrVG. Das BAG unterscheidet hier<br />
zwischen einem Arbeitsverhalten ohne <strong>Mitbestimmung</strong>srechte<br />
<strong>und</strong> einem mitbestimmungspflichtigen<br />
Ordnungsverhalten (BAG<br />
vom 18.4.2000 – 1 ABR 22/99).<br />
<strong>Mitbestimmung</strong> beim Ordnungsverhalten<br />
Unter dem sogenannten »Ordnungsverhalten«<br />
versteht man das Schaffen allgemeingültiger,<br />
verbindlicher Verhaltensregeln, die das<br />
Verhalten der Beschäftigten beeinflussen <strong>und</strong><br />
die Ordnung des Betriebs aufrechterhalten.<br />
Unter das Ordnungsverhalten fallen u.a. Regelungen<br />
über<br />
• Alkohol- <strong>und</strong> Rauchverbot (auch elektronische<br />
Zigaretten),<br />
• Anwesenheitskontrollen <strong>und</strong> das An- <strong>und</strong><br />
Abmeldeverfahren,<br />
• Desksharing oder flexibles Office (weniger<br />
Arbeitsplätze als Beschäftigte)<br />
• Einführung, Gestaltung <strong>und</strong> Benutzung<br />
von Dienstausweisen,<br />
• Benutzung von Wasch- <strong>und</strong> Umkleideräumen,<br />
• Tor-, Taschen- <strong>und</strong> Schrankkontrollen,<br />
• Tragen von bestimmter Arbeitskleidung<br />
(Funktionalität, Farbe),<br />
• private Nutzung von Betriebstelefonen<br />
<strong>und</strong> die Nutzung des Internets,<br />
• privates Nutzen von Firmenfahrzeugen,<br />
• dienstliche Nutzung von privaten Geräten<br />
(»bring your own device«),<br />
• Mitnahme von Arbeitsunterlagen nach<br />
Hause,<br />
• IT-Sicherheitsrichtlinien,<br />
• Compliance- <strong>und</strong> Ethikrichtlinien, wenn<br />
Anforderungen an die Beschäftigten<br />
definiert sind (z.B. Nichtannahme von<br />
Geschenken).<br />
Vereinbarungen zum Ordnungsverhalten dürfen<br />
die Beschäftigten weder diskriminieren<br />
(vgl. § 75 Abs. 1 BetrVG) noch in ihre Persönlichkeitsrechte<br />
eingreifen. Dies könnte<br />
beispielsweise bei Regeln zu Bekleidungsvorschriften<br />
oder zum äußeren Erscheinungsbild<br />
der Fall sein (z.B. Form <strong>und</strong> Schnitt der Unterwäsche<br />
oder Färben der Haare).<br />
Arbeitsverhalten ohne <strong>Mitbestimmung</strong><br />
Nicht mitbestimmungspflichtig ist hingegen<br />
das sogenannte »Arbeitsverhalten«. Dieses<br />
umfasst arbeitsbezogene Einzelanweisungen<br />
des Arbeitgebers, mit denen dieser die Arbeitspflicht<br />
des einzelnen Arbeitnehmers unmittelbar<br />
konkretisiert. Darunter fallen Anweisungen<br />
im Rahmen des Direktionsrechts,<br />
mit denen der Arbeitgeber bestimmen kann,<br />
welche Arbeiten in welcher Art <strong>und</strong> Weise zu<br />
verrichten sind.<br />
In der Praxis verschmelzen Ordnungs<strong>und</strong><br />
Arbeitsverhalten oftmals. Das ist immer<br />
dann der Fall, wenn die unmittelbare Anweisung<br />
des Arbeitgebers auch auf das Ordnungsverhalten<br />
der Beschäftigten abzielt. In<br />
diesen Fällen ist das <strong>Mitbestimmung</strong>srecht<br />
des <strong>Betriebsrat</strong>s gegeben. Wie knifflig die Prüfung<br />
im Einzelfall sein kann, zeigt das folgende<br />
Beispiel.<br />
beispiel<br />
Der Arbeitgeber einer Bäckereifiliale<br />
weist die Arbeitnehmer an, die K<strong>und</strong>en<br />
fre<strong>und</strong>lich zu begrüßen <strong>und</strong> auch wieder<br />
zu verabschieden. Streng genommen<br />
könnten die Beschäftigten die Arbeitsleistung<br />
aber auch ohne Fre<strong>und</strong>lichkeit<br />
erbringen. Damit ist das Ordnungsverhalten<br />
betroffen. Eine Abwägung, ob es<br />
sich um Ordnungs- oder Arbeitsverhalten<br />
handelt, ist nahezu immer vorzunehmen.<br />
In Grenzfällen bleibt dem <strong>Betriebsrat</strong> oft<br />
nichts anderes übrig, als die Streitfrage<br />
gerichtlich klären zu lassen.<br />
HINWEIS<br />
Der Arbeitgeber<br />
muss das Persönlich<br />
keitsrecht der<br />
Arbeit nehmer<br />
beachten. Deshalb<br />
kann er ihnen lediglich<br />
dann Vorschriften<br />
für ihr Äußeres<br />
machen, wenn<br />
spezifische betriebliche<br />
Belange dies<br />
zwingend erfordern.<br />
GESETZ<br />
Nach § 75 Abs. 1<br />
BetrVG haben<br />
Arbeitgeber <strong>und</strong><br />
<strong>Betriebsrat</strong> darauf<br />
zu achten dass jede<br />
Diskriminierung<br />
aufgr<strong>und</strong> von Rasse,<br />
Abstammung,<br />
ethnischer oder<br />
sonstiger Herkunft,<br />
Nationalität, Religion,<br />
Weltanschauung,<br />
Behinderung,<br />
Alter, politischer<br />
oder gewerkschaftlicher<br />
Betätigung<br />
oder Einstellung, des<br />
Geschlechts oder<br />
sexueller Identität<br />
unterbleibt.<br />
5
mitbestimmung<br />
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
HINWEIS<br />
Ihr <strong>Mitbestimmung</strong>srecht<br />
besteht<br />
unabhängig davon,<br />
in welcher Form<br />
der Arbeitgeber<br />
seine Maßnahme<br />
durchführen will.<br />
Es spielt z.B. keine<br />
Rolle, ob er eine<br />
Betriebsvereinbarung<br />
anstrebt oder<br />
dies durch Zusätze<br />
zu den Arbeitsverträgen<br />
erreichen<br />
möchte.<br />
HINWEIS<br />
Ihr <strong>Mitbestimmung</strong>srecht<br />
erstreckt sich<br />
auch auf Regeln<br />
zum Mitbringen von<br />
Haustieren <strong>und</strong> zur<br />
Pflege mitgebrachter<br />
Pflanzen an den<br />
Arbeitsplatz.<br />
BEISPIEL<br />
Die Anweisung zum<br />
Tragen eines Haarnetzes<br />
einer langhaarigen<br />
Kolle gin<br />
an einer Ständerbohrmaschine<br />
ist<br />
eine individuelle<br />
Maßnahme. Bei einer<br />
Tragepflicht von<br />
Haarnetzen in der<br />
Lebensmittelherstellung<br />
handelt es<br />
sich um eine kollektive<br />
Maßnahme.<br />
Von der <strong>Mitbestimmung</strong> nach § 87 Abs. 1<br />
Nr. 1 BetrVG erfasst, sind auch Strafen, Sanktionen<br />
oder Folgen, die das Verhalten der<br />
Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche<br />
Ordnung beeinflussen. Darunter fallen z.B.<br />
betriebliche Sanktionssysteme, die darauf<br />
gerichtet sind die betriebliche Ordnung sicherzustellen<br />
(z.B. Entzug von Flugvergünstigungen<br />
als Reaktion auf Verstöße gegen die<br />
betriebliche Ordnung). Auch diese Bußen darf<br />
der Arbeitgeber nur verhängen, wenn vorher<br />
eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien<br />
zustande gekommen ist.<br />
Umfang des <strong>Mitbestimmung</strong>srechts<br />
Möchte der Arbeitgeber die Ordnung im Betrieb<br />
oder das Verhalten der Arbeitnehmer regeln,<br />
ist das <strong>Mitbestimmung</strong>srecht zu wahren.<br />
Der Arbeitgeber darf eine Maßnahme nicht<br />
durchführen, solange der Sachverhalt nicht<br />
mit dem <strong>Betriebsrat</strong> in einer Betriebsvereinbarung<br />
geregelt ist.<br />
Ebenso kann der <strong>Betriebsrat</strong> in diesen Angelegenheiten<br />
die Initiative ergreifen <strong>und</strong> dem<br />
Arbeitgeber Vorschläge zur Regelung der betrieblichen<br />
Ordnung sowie zum Verhalten der<br />
Arbeitnehmer unterbreiten. Man spricht daher<br />
auch von »Initiativrecht« des <strong>Betriebsrat</strong>s.<br />
Kommt eine Einigung über den Sachverhalt<br />
nicht zustande, besteht für beide Betriebsparteien<br />
die Möglichkeit die Einigungsstelle<br />
anzurufen (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Der Spruch<br />
der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen<br />
den Betriebsparteien <strong>und</strong> entfaltet die<br />
gleiche Wirkung wie eine Betriebsvereinbarung.<br />
Grenzen der <strong>Mitbestimmung</strong><br />
Zur Wahrnehmung des <strong>Mitbestimmung</strong>srechts<br />
muss es sich jedoch um eine kollektive<br />
Maßnahme handeln. Diese ist gegeben, wenn<br />
es sich um eine allgemeine Regelung oder<br />
um eine Maßnahme handelt, die mehrere Beschäftigte<br />
(z.B. Schichtarbeitende, Akkordarbeitende,<br />
kaufmännische Angestellte) betrifft.<br />
Hierzu zählen auch Regelungen für bestimmte<br />
Arbeitsplätze oder einzelne Arbeitsplätze,<br />
sofern diese unabhängig von der Person des<br />
dort Beschäftigten gelten sollen.<br />
Ein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht des <strong>Betriebsrat</strong>s<br />
ist nicht gegeben, wenn der zu regelnde<br />
Sachverhalt bereits von einem Gesetz,<br />
oder durch einen Tarifvertrag abschließend<br />
erfasst ist. Räumt das Gesetz oder der Tarifvertrag<br />
den Betriebsparteien hingegen weitere<br />
Gestaltungs- <strong>und</strong> Regelungsspielräume<br />
rechtsprechung<br />
Das sagen<br />
die Gerichte:<br />
··<br />
Ein generelles Verbot, TV-, Video- <strong>und</strong><br />
DVD-Geräte in den Räumen des Betriebs<br />
zu nutzen, unterliegt der <strong>Mitbestimmung</strong><br />
durch den <strong>Betriebsrat</strong>. (LAG Köln<br />
12.4.2006 – 7 TaBV 68/05)<br />
··<br />
Die Einführung, Ausgestaltung <strong>und</strong><br />
Durchführung eines allgemeinen Rauchverbots<br />
ist mitbestimmungspflichtig.<br />
(LAG Hamm 8.10.2004 – 10 TaBV 21/04)<br />
··<br />
Will der Arbeitgeber den betrieblichen<br />
Parkraum auf einzelne Personen aufteilen,<br />
hat der <strong>Betriebsrat</strong> ein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht.<br />
(LAG Köln 12.5.2010 –<br />
8 TaBV 4/10)<br />
··<br />
Laufzettel, die der Arbeitgeber zur Erfassung<br />
empfangener Arbeitsmittel <strong>und</strong><br />
Berechtigungen verwendet, regeln nicht<br />
das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer,<br />
sondern das mitbestimmungspflichtige<br />
Ordnungsverhalten. (LAG Schleswig-<br />
Holstein 18.5.2011 – 6 TaBV 11/11)<br />
··<br />
Für die Durchführung des betrieblichen<br />
Eingliederungsmanagements kann der<br />
<strong>Betriebsrat</strong> die Einführung von Verfahrensregelungen<br />
nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 <strong>und</strong><br />
7 BetrVG verlangen <strong>und</strong> ggf. über die<br />
Einigungsstelle nach § 87 Abs. 2 BetrVG<br />
durchsetzen. (LAG Nürnberg 16.1.2013 –<br />
2 TaBV 6/12)<br />
··<br />
Bei der Regelung einer einheitlichen<br />
Dienstkleidung der Mitarbeiter hat der<br />
<strong>Betriebsrat</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich ein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht.<br />
(LAG Köln 18.8.2010 –<br />
3 TaBV 15/10)<br />
ein, bleibt das <strong>Mitbestimmung</strong>srecht des <strong>Betriebsrat</strong>s<br />
bestehen. Dies wird im § 77 Abs. 3<br />
BetrVG deutlich mit dem dort beschriebenen<br />
Tarifvorrang herausgestellt, der sowohl<br />
in Betrieben mit als auch ohne Tarifvertrag<br />
gilt. v<br />
Matti Riedlinger, B.A. Sozialökonomie,<br />
Wirtschafts- <strong>und</strong> Arbeitsrecht, Augsburg.<br />
6
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
mitbestimmung<br />
arbeitshilfe<br />
Dienstkleidung – Muster-Betriebsvereinbarung<br />
§ 1 Präambel<br />
··<br />
Welche gr<strong>und</strong>sätzlichen Ziele sollen mit dieser Vereinbarung verfolgt werden (z.B. einheitliches<br />
Auftreten, angemessenes Vertreten der Firma nach außen, Arbeitsschutz, Hygiene,<br />
Unfallverhütung)?<br />
··<br />
Welche Gesetze oder tariflichen Regelungen sind betroffen <strong>und</strong> bedürfen daher besonderer<br />
Beachtung (Persönlichkeitsrechte betroffen? Schutz vor Diskriminierung)?<br />
··<br />
Bei Kauf oder Anmietung der Arbeitskleidung kann bei der Auswahl des Dienstleisters auf<br />
Arbeitsbedingungen geachtet werden, die den eigenen Unternehmensrichtlinien entsprechen.<br />
§ 2 Geltungsbereich<br />
Diese Betriebsvereinbarung gilt<br />
··<br />
räumlich (Bezeichnung der Betriebsstätte)<br />
··<br />
persönlich (für alle Beschäftigten sowie Auszubildende, oder nur einzelne Abteilungen?)<br />
··<br />
sachlich (für das Tragen von Dienstkleidung während der Arbeitszeit, im Außendienst, bei<br />
bestimmten Tätigkeiten)<br />
§ 3 Gr<strong>und</strong>sätze der Nutzung<br />
··<br />
Ist das Tragen von Arbeitskleidung freiwillig oder verpflichtend?<br />
··<br />
Was soll getragen werden? (Muster der Kleidungsstücke im Anhang)<br />
··<br />
Werden unterschiedliche Bekleidungselemente zur Auswahl angeboten (B<strong>und</strong>hose, Latzhose,<br />
lange/kurze Röcke/Kleider, knielange Hose für den Sommer)?<br />
··<br />
Wo soll die Kleidung getragen werden? (Entsprechende Abteilung oder Sachgebiete)<br />
··<br />
Wann soll die Kleidung getragen werden? (Während der Arbeitszeit oder bei K<strong>und</strong>enkontakt?)<br />
··<br />
Gleichstellung fördern (geeignete Arbeitskleidung für Frauen <strong>und</strong> Männer)<br />
··<br />
Sollen zusätzliche Dinge an der Arbeitskleidung angebracht <strong>und</strong> getragen werden? (Namensschilder,<br />
Krawattennadeln, Firmenpins)<br />
··<br />
Wird eine Testphase vereinbart, um die Arbeitskleidung einem Praxistest zu unterziehen?<br />
§ 4 Anzahl, Ersatz <strong>und</strong> Kosten<br />
··<br />
Wer trägt die Kosten der Anschaffung, der Reparatur oder Reinigung?<br />
··<br />
Wem gehört die Arbeitskleidung?<br />
··<br />
Was passiert zum Ende des Arbeitsverhältnisses?<br />
··<br />
Wie viel Stück/Sets werden pro Arbeitnehmer angeschafft?<br />
··<br />
Was passiert bei Defekt oder Größenwechsel?<br />
§ 5 Umkleidezeit<br />
··<br />
Wo müssen sich die Beschäftigten umkleiden (im Betrieb oder zuhause)?<br />
··<br />
Stehen im Betrieb geeignete Umkleideräume zur Verfügung?<br />
··<br />
In welchem Umfang wird die Umkleidezeit bezahlt?<br />
§ 6 Rechte des <strong>Betriebsrat</strong>s<br />
··<br />
Bei Änderungen der angebotenen Arbeitskleidung ist der <strong>Betriebsrat</strong> erneut zu beteiligen.<br />
··<br />
Der <strong>Betriebsrat</strong> hat Kontrollrechte bei der Bereitstellung der Umkleidemöglichkeiten sowie<br />
der Vergütung der Umkleidezeit.<br />
§ 7 Schlussbestimmungen<br />
··<br />
Umgang mit Konflikten<br />
··<br />
Härtefallregelung (wenn Beschäftigte keine Arbeitskleidung tragen können)<br />
··<br />
Beginn der Betriebsvereinbarung, Laufzeit<br />
··<br />
Kündigungsmöglichkeit <strong>und</strong> Nachwirkung<br />
DEFINITION<br />
Eine Öffnungsklausel<br />
in einem Gesetz<br />
oder Tarifvertrag<br />
gestattet es Ihnen,<br />
im definierten<br />
Umfang eine betriebliche<br />
Regelung<br />
abzu schlie ßen.<br />
Sie können z.B.<br />
in einer Betriebsvereinbarung<br />
eine abweichende<br />
Regelung über<br />
den Zeitpunkt der<br />
Auszahlung einer<br />
Sondervergütung<br />
regeln.<br />
HINWEIS<br />
Ihr <strong>Mitbestimmung</strong>srecht<br />
erstreckt sich<br />
auch auf das Verwenden<br />
von Formularen<br />
zu Arztbesuchen,<br />
auf Regeln<br />
zur Anzeige- <strong>und</strong><br />
Nachweispflicht für<br />
Krankheiten <strong>und</strong> auf<br />
ein Verkürzen des<br />
Vorlagezeitraums<br />
für ärztliche Beschei<br />
nigungen.<br />
Ort, Datum<br />
............................................ ............................................<br />
Unterschrift Arbeitgeber Unterschrift <strong>Betriebsrat</strong><br />
Diese Arbeitshilfe finden Sie online unter: www.br-mitbestimmung.de<br />
7
aktuelles<br />
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
Urlaub verfällt nicht immer<br />
urlaubsrecht Bis zum Jahresende muss jeder seinen Urlaub genommen haben. Sonst<br />
verfällt er. Ein Übertragen auf das Folgejahr ist die Ausnahme. Nun hat der EuGH entschieden:<br />
Hat der Beschäftigte gar keinen Urlaubsantrag gestellt, so bleibt der Urlaub erhalten.<br />
EXPERTENRAT<br />
Durch das neue<br />
EuGH- Urteil (siehe<br />
Infokasten) ist<br />
die Beweislage<br />
zu Guns ten der<br />
Beschäf tig ten<br />
deutlich besser<br />
geworden. Solange<br />
der Arbeit geber<br />
sie nicht explicit<br />
aufge fordert hat,<br />
den Urlaub auch zu<br />
nehmen, sind sie auf<br />
der sicheren Seite.<br />
Denn automatisch<br />
erlischt der<br />
Anspruch nicht<br />
mehr!<br />
Dass der Urlaub im laufenden Jahr zu nehmen<br />
ist, steht so in § 7 Abs. 3 des B<strong>und</strong>esurlaubsgesetzes<br />
(BUrlG). Der Urlaub dient der<br />
physischen <strong>und</strong> psychischen Regeneration<br />
der Arbeitnehmer. Daher ist wichtig, dass jeder<br />
seinen vollen Urlaub in jedem Jahr nimmt<br />
<strong>und</strong> sich erholt. Ein Übertragen des Urlaubs<br />
auf das Folgejahr ist – geht man streng nach<br />
Gesetz – nur im Ausnahmefall möglich. Es<br />
müssen »dringende betriebliche oder persönliche<br />
Gründe« vorliegen, damit Urlaub übertragen<br />
werden kann. Auch dann verfällt der<br />
Urlaub spätestens am 31. März.<br />
Gesetzliche Übertragungsgründe<br />
An die »dringenden betrieblichen Gründe« ist<br />
ein strenger Maßstab anzulegen. Es gelten:<br />
• Plötzlicher Arbeitsanfall<br />
• Hoher Krankenstand<br />
• Termin- oder saisongeb<strong>und</strong>ene Aufträge,<br />
die dem Urlaub entgegen stehen<br />
• Technische Probleme im Betriebsablauf<br />
Aber auch »persönliche Gründe« des Arbeitnehmers<br />
können ein Übertragen notwendig<br />
<strong>und</strong> sinnvoll erscheinen lassen. Der alleinige<br />
Wunsch des Arbeitnehmers auf Übertragung<br />
reicht nicht aus. Persönliche Gründe sind beispielsweise:<br />
aktuelles<br />
Wichtiges EuGH-Urteil<br />
Was passiert, wenn der Arbeitnehmer<br />
gar keinen Urlaubsantrag gestellt hat?<br />
Bisher verfiel auch dann der Urlaub.<br />
Nun hat der EuGH die Rechte der Arbeitnehmer<br />
deutlich gestärkt. Der Urlaubsanspruch<br />
verfällt nur dann, wenn der<br />
Arbeit geber nachweisen kann, dass er seine<br />
Angestellten aufgeklärt hat <strong>und</strong> in die<br />
Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen.<br />
Ist das nicht der Fall, bleiben der Urlaubsanspruch<br />
– oder bei Ausscheiden aus dem<br />
Betrieb – der Abgeltungsanspruch erhalten<br />
(EuGH 6.11.2018 – C-684/16).<br />
• Arbeitsunfähigkeit<br />
• Niederkunft der Ehefrau<br />
• Familienurlaub<br />
• Erkrankung eines Angehörigen<br />
• Erkrankung eines Partners, mit dem der<br />
Urlaub verbracht werden sollte<br />
Abweichende Regelungen sind möglich<br />
Allerdings gibt es – vor allem in der Praxis –<br />
vielfältige Ausnahmen von dieser gesetzlich<br />
relativ strengen Regelung. Die Arbeitsvertragsparteien<br />
(also Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer)<br />
können beispielsweise ohne weiteres vereinbaren,<br />
dass der Arbeitnehmer auch ohne Vorliegen<br />
bestimmter Gründe den Urlaub im gesamten<br />
Folgejahr noch nehmen kann. Damit ist<br />
auch die gesetzliche Vorgabe, dass der Urlaub<br />
allerspätestens bis zum 31. März des Folgejahres<br />
zu nehmen ist, hinfällig. Viele Tarifverträge<br />
sehen Übertragungsmöglichkeiten vor, ohne<br />
dass besondere Gründe vorliegen müssen. Da<br />
im Arbeitsrecht das Günstigkeitsprinzip gilt,<br />
muss dann – gegenüber der strengen gesetzlichen<br />
Regelung – immer die für den Arbeitnehmer<br />
günstige Regelung herangezogen werden.<br />
Bei Krankheit gibt es weitere Ausnahmen<br />
Große Probleme ergeben sich immer dann,<br />
wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft erkrankt<br />
<strong>und</strong> deshalb den Urlaub nicht nehmen kann.<br />
Jahrelang hatte die deutsche Rechtsprechung<br />
die Meinung vertreten, dass der Urlaub auch<br />
bei Krankheit bis zum 31. März genommen<br />
werden muss <strong>und</strong> sonst verfällt. Diese Rechtsprechung<br />
ist vom Europäischen Gerichtshof<br />
(EuGH) gekippt worden. Seither gilt: Kann<br />
der Arbeitnehmer seinen Urlaub aufgr<strong>und</strong><br />
einer Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des<br />
Übertragungszeitraums nicht nehmen, bleibt<br />
der Urlaubsanspruch als Freizeitanspruch zunächst<br />
erhalten. Dieser muss allerdings bis 15<br />
Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahrs<br />
genommen werden, damit er nicht<br />
ins Unermessliche anwächst. v<br />
Bettina Frowein, Volljuristin, Programmleitung,<br />
B<strong>und</strong>-Verlag, Frankfurt am Main.<br />
8
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
7 fragen<br />
7 Fragen zur Erreichbarkeit im<br />
Weihnachtsurlaub<br />
erholungsurlaub Weihnachten gehört der Familie <strong>und</strong> den Lieben. Niemand will in<br />
dieser Zeit von seinem Chef gestört werden. Doch was ist, wenn der Vorgesetzte im<br />
Urlaub anruft? Muss der Arbeitnehmer reagieren? Muss er das Diensthandy auch über die<br />
Feiertage einschalten? Wir haben Ihnen 7 wichtige Fragen beantwortet.<br />
1. Müssen Beschäftigte im Urlaub<br />
erreichbar sein?<br />
Nein. Urlaub dient der Erholung. Jeder Beschäftigte<br />
hat nach § 1 B<strong>und</strong>esurlaubsgesetz<br />
(BUrlG) Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.<br />
Eine Erholung ist dann nicht gewährleistet,<br />
wenn der Beschäftigte ständig damit rechnen<br />
muss, zur Arbeit abgerufen zu werden.<br />
Auch das Beantworten von Telefonaten <strong>und</strong><br />
E-Mails ist Arbeit <strong>und</strong> beeinträchtigt die Erholung.<br />
Nach dem BUrlG müssen Beschäftigte<br />
an ihren freien Tagen von der Arbeit komplett<br />
entb<strong>und</strong>en sein. Fazit: Niemand muss im Urlaub<br />
erreichbar sein, auch dann nicht, wenn er<br />
ein Diensthandy hat. Urlaub ist Urlaub.<br />
2. Was passiert, wenn im Arbeitsvertrag<br />
»ständige Erreichbarkeit« geregelt ist?<br />
Vermehrt finden sich in Arbeitsverträgen Klauseln,<br />
die eine permanente Erreichbarkeit des<br />
Beschäftigten auch an seinen freien Tagen zur<br />
Pflicht machen – oder jedenfalls für ein paar<br />
St<strong>und</strong>en pro Urlaubstag. Eine gern verwendete<br />
Klausel besagt, dass der Beschäftige einmal<br />
täglich die Mailbox abhören oder in einer<br />
bestimmten Zeit telefonisch erreichbar sein<br />
muss. Diese Vorgehensweise ist nicht zulässig<br />
– so das BAG (20.6.2000 – 9 AZR 405/99).<br />
Dies gilt jedenfalls für die 24 Werktage, die jedem<br />
Angestellten als gesetzlicher Mindesturlaub<br />
zustehen. An allen zusätzlichen, vom<br />
Arbeitgeber freiwillig gewährten Urlaubstagen<br />
kann es allerdings vertraglich Sonderregeln<br />
geben. Klauseln im Arbeitsvertrag, die eine<br />
Erreichbarkeit an diesen Tagen vorsehen, sind<br />
nicht unzulässig. Der Chef dürfte dann permanente<br />
Erreichbarkeit verlangen.<br />
3. Gilt etwas anders für Rufbereitschaft<br />
oder Bereitschaftsdienst?<br />
Ja. In beiden Fällen muss der Beschäftigte<br />
permanent erreichbar sein, egal wo er sich<br />
gerade aufhält. Beides muss aber mit dem Arbeitgeber<br />
ausdrücklich vereinbart sein.<br />
Rufbereitschaft bedeutet, dass der Arbeitnehmer<br />
jederzeit für den Arbeitgeber erreichbar<br />
sein muss, um auf Abruf die Arbeit<br />
aufnehmen zu können. Bereitschaftsdienst ist<br />
dann gegeben, wenn sich der Arbeitnehmer<br />
an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort<br />
innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufhalten<br />
muss, um bei Bedarf unverzüglich seine<br />
Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können.<br />
In beiden Fällen dürfen die Mitarbeiter<br />
nicht im Urlaub sein. Rufbereitschaft oder<br />
Bereitschaftsdienst <strong>und</strong> Urlaub schließen sich<br />
aus.<br />
4. Kann der Chef den Arbeitnehmer in<br />
Notfällen kontaktieren?<br />
Ja. Es gibt ganz wenige Notfälle oder Ausnahmesituationen,<br />
in denen der Arbeitgeber<br />
den Mitarbeiter im Urlaub anrufen oder kontaktieren<br />
darf. Das ist der Fall, wenn der Beschäftigte<br />
ein Passwort kennt, das der Betrieb<br />
dringend benötigt oder wenn sonst irgendein<br />
echter Notfall eintritt. Allerdings gilt hier,<br />
dass die Zeit der Erledigung der Anfrage für<br />
den Beschäftigten Arbeitszeit ist. Die muss<br />
der Arbeitgeber vergüten.<br />
5. Was gilt für Führungskräfte?<br />
Im Prinzip gilt auch für Führungskräfte rechtlich<br />
nichts anderes. Auch wenn sie ein Diensthandy<br />
haben, brauchen sie es im Urlaub nicht<br />
zu benutzen. Dienstliche Anrufe oder Mails<br />
können sie ignorieren. Auch für Führungskräfte<br />
gilt das B<strong>und</strong>esurlaubsgesetz – <strong>und</strong> damit<br />
ist Urlaub arbeitsfreie Zeit.<br />
Allerdings kann es sein, dass es im Interesse<br />
der leitenden Angestellten oder Führungskräfte<br />
liegt, dass die Geschäfte auch während<br />
ihrer Abwesenheit weiter laufen. Aber das<br />
müssen sie dann selbst entscheiden – eine<br />
rechtliche Verpflichtung gibt es nicht.<br />
WICHTIG<br />
Rufbereitschaft<br />
gilt nur dann als<br />
Arbeitszeit, wenn<br />
der Arbeitnehmer<br />
tatsächlich zur<br />
Ar beit kommen<br />
muss. Bereitschaftsdienst<br />
ist immer<br />
Arbeits zeit.<br />
9
7 fragen<br />
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
GESETZ<br />
Zwischen Arbeitsende<br />
<strong>und</strong> Arbeitsbeginn<br />
am nächsten<br />
Tag muss eine Ruhezeit<br />
(ohne Arbeit<br />
oder Arbeitsbereitschaft)<br />
von mindestens<br />
11 St<strong>und</strong>en<br />
liegen (§ 5 Abs. 1<br />
ArbZG). In bestimmten<br />
Betrieben (z.B.<br />
Krankenhäusern<br />
oder Gaststätten)<br />
kann die Ruhezeit<br />
um eine St<strong>und</strong>e<br />
verkürzt sein, wenn<br />
innerhalb eines<br />
Monats ein entsprechender<br />
Ausgleich<br />
stattfindet (§ 5<br />
Abs. 2 ArbZG).<br />
6. Müssen Lehrkräfte während der<br />
Schulferien erreichbar sein?<br />
Ja. Schulferien sind für angestellte Lehrkräfte<br />
im Allgemeinen eine unterrichtsfreie, aber<br />
keine arbeitsfreie Zeit. Die Lehrkraft bleibt<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich zur Erledigung aller arbeitsvertraglich<br />
geschuldeten Tätigkeiten verpflichtet.<br />
Der Arbeitgeber kann der Lehrkraft im Rahmen<br />
billigen Ermessens i.S.v. § 106 Satz 1<br />
GewO verbindlich die Weisung erteilen, während<br />
der Schulferien zur Erfüllung bestimmter<br />
Aufgaben in der Schule anwesend zu sein.<br />
Anderes gilt nur, wenn die Weisung höherrangiges<br />
Recht verletzt, weil etwa die<br />
Höchstarbeitszeit überschritten oder der Urlaubsanspruch<br />
der Lehrkraft beeinträchtigt<br />
ist (BAG 16.10.2007 – 9 AZR 144/07).<br />
arbeitshilfe<br />
7. Kann der Arbeitgeber dem<br />
Arbeit nehmer kündigen, wenn er<br />
nicht erreichbar ist?<br />
Nein. Keinesfalls. Selbst wer als urlaubender<br />
Angestellter den Anruf oder die Kontaktaufnahme<br />
verweigert, muss keine Sorge haben,<br />
dass ihn nach der Rückkehr aus dem Urlaub<br />
die Kündigung erwartet. Denn es käme hierbei<br />
nur eine verhaltensbedingte Kündigung<br />
in Frage. Diese verlangt immer eine vorherige<br />
Abmahnung. Dem Arbeitnehmer muss<br />
ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten<br />
vorgeworfen werden, was aber im Falle eines<br />
Urlaubs nicht möglich ist. v<br />
Bettina Frowein, Volljuristin, Programmleitung,<br />
B<strong>und</strong>-Verlag, Frankfurt am Main.<br />
Erreichbarkeit – Checkliste zur Begrenzung<br />
der ständigen Erreichbarkeit<br />
Damit Arbeitnehmer nicht r<strong>und</strong> um die Uhr erreichbar sind, sollten Betriebsräte »Spielregeln«<br />
entwickeln, die das Nutzen mobiler Geräte außerhalb der Arbeitszeit eingrenzen <strong>und</strong> unterbinden.<br />
Hierfür bieten sich folgende Überlegungen an:<br />
1. Bestandsaufnahme<br />
··<br />
In welchem Umfang werden die mobilen Datengeräte außerhalb der Arbeitszeit genutzt?<br />
··<br />
Geschieht dies mehr auf Initiative der Vorgesetzten (dringende Anfragen am Wochenende?)<br />
oder der Arbeitnehmer?<br />
··<br />
Ist die Arbeitsbelastung so hoch, dass Arbeitnehmer sich »gezwungen« fühlen, die mobilen<br />
Datengeräte außerhalb der Arbeitszeit zu nutzen um die Arbeit zu bewältigen?<br />
··<br />
Wie nehmen die betroffenen Arbeitnehmer dies wahr? Umfrage <strong>und</strong> ergänzende Workshops<br />
mit Betroffenen zur Vorbereitung einer Regelung<br />
2. Regelungsmöglichkeiten<br />
··<br />
Gibt es Unternehmensgr<strong>und</strong>sätze, Führungsleitlinien o. ä., die festlegen, dass es keine<br />
Erwartungshaltung geben darf, dass Arbeitnehmer immer erreichbar sind?<br />
··<br />
Helfen Diskussionen <strong>und</strong> Verabredungen um das Nutzen der mobilen Datengeräte außerhalb<br />
der normalen Arbeitszeit zu begrenzen?<br />
··<br />
Technische Begrenzung der ständigen Erreichbarkeit durch Nichtweiterleitung von<br />
Mails/SMS zu bestimmten Zeiten (nach 20.00 Uhr, am Wochenende); soll die Telefonfunktion<br />
nutzbar bleiben?<br />
··<br />
Welche Ausnahmen sind für Not- <strong>und</strong> Eilfälle notwendig? Welche bei internationaler<br />
Ausrichtung der Arbeit über verschiedene Zeitzonen?<br />
··<br />
Wenn Arbeitnehmer mit Hilfe von Smartphones bzw. mobilen Datengeräten außerhalb<br />
der normalen Arbeitszeit <strong>und</strong> außerhalb des Betriebs arbeiten: Wie wird diese Arbeitszeit<br />
erfasst <strong>und</strong> mit den tariflichen Arbeitszeiten sowie den gesetzlichen Höchstarbeitszeiten<br />
in Einklang gebracht? Selbstaufschreibung, technische Erfassung?<br />
Quelle: Däubler/Klebe/Wedde (Hrsg.): Arbeitshilfen für den <strong>Betriebsrat</strong>, 4. Auflage 2018, B<strong>und</strong>-Verlag<br />
Diese Arbeitshilfe finden Sie online unter: www.br-mitbestimmung.de<br />
10
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
rechtsprechung<br />
Arbeitnehmer muss Überst<strong>und</strong>en beweisen<br />
LAG Rheinland-Pfalz 8.5.2018 – 8 Sa 14/18<br />
vergütung Arbeitnehmer haben nur dann einen Anspruch auf die Bezahlung von<br />
Überst<strong>und</strong>en, wenn der Arbeitgeber diese anordnet, billigt, duldet oder sie notwendig<br />
sind, um die zugewiesene Arbeit erledigen zu können. Darlegen <strong>und</strong> beweisen muss<br />
das jeweils der Arbeitnehmer.<br />
Der Beschäftigte schuldete der Arbeitgeberin<br />
eine monatliche Arbeitsleistung von 160 St<strong>und</strong>en.<br />
Ausgehend von einer Fünf-Tage- Woche<br />
<strong>und</strong> acht Arbeitsst<strong>und</strong>en pro Tag. Nachdem<br />
sein Arbeitsverhältnis beendet war, verlangte<br />
er von der Arbeitgeberin die Zahlung für<br />
insgesamt 111 geleistete Überst<strong>und</strong>en. Die<br />
Arbeitgeberin bestreitet die Überst<strong>und</strong>en. Jedenfalls<br />
habe sie keine angeordnet.<br />
Das sagt das Gericht<br />
Verlangt der Arbeitnehmer die Vergütung von<br />
Überst<strong>und</strong>en muss er darlegen <strong>und</strong> beweisen,<br />
dass er seine Arbeit in einem »die Normalarbeitszeit<br />
übersteigenden zeitlichen Umfang«<br />
verrichtet hat – so die ständige Rechtsprechung<br />
des BAG. Dabei ist im Einzelnen darzulegen,<br />
an welchen Tagen <strong>und</strong> zu welchen<br />
Tageszeiten über die übliche Arbeitszeit hinaus<br />
gearbeitet worden ist.<br />
Die Überst<strong>und</strong>en müssen vom Arbeitgeber<br />
angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls<br />
zum Erledigen der geschuldeten Arbeit<br />
notwendig gewesen sein. Die Darlegungs- <strong>und</strong><br />
Beweislast hierfür trägt der Arbeitnehmer.<br />
überst<strong>und</strong>en<br />
Hinweis zur <strong>Mitbestimmung</strong><br />
Der <strong>Betriebsrat</strong> hat bei der »vorübergehenden<br />
Verlängerung der betriebsüblichen<br />
Arbeits zeit« ein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht<br />
(§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Das bedeutet:<br />
Will ein Arbeitgeber Überst<strong>und</strong>en<br />
anordnen oder dulden, muss er vorher die<br />
Zustimmung des <strong>Betriebsrat</strong>s einholen.<br />
Verweigert dieser die Zustimmung, muss<br />
der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen.<br />
Das gilt auch in Eilfällen. Nur in echten<br />
Notfällen (z.B. Brand, Explosionsgefahr,<br />
Überschwemmung) kann der Arbeitgeber<br />
die Zustimmung (unverzüglich) nachholen.<br />
Im konkreten Fall hat der Beschäftigte weder<br />
in der Klageschrift noch im Prozess irgendwelche<br />
Angaben dazu gemacht, wer wann auf<br />
welche Weise wie viele Überst<strong>und</strong>en angeordnet<br />
hat. Eine pauschale Behauptung, die Überst<strong>und</strong>en<br />
seien »auf Anordnung der Arbeitgeberin<br />
entstanden«, ist nicht ausreichend.<br />
Möglich wäre noch eine »konkludente<br />
Anordnung« von Überst<strong>und</strong>en durch den<br />
Arbeitgeber. Hierfür hätte der Arbeitnehmer<br />
aber darlegen müssen, dass eine bestimmte<br />
angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit<br />
nicht zu leisten war. Oder dass ihm<br />
zum Erledigen der angewiesenen Arbeit ein<br />
bestimmter Zeitraum vorgegeben war, der nur<br />
durch Überst<strong>und</strong>en einzuhalten war.<br />
Der Beschäftigte hat hier auch nicht ausreichend<br />
dargelegt, dass der Arbeitgeber die<br />
Überst<strong>und</strong>en geduldet hat. Dulden bedeutet,<br />
dass der Arbeitgeber in Kenntnis der Überst<strong>und</strong>enleistung<br />
diese hinnimmt <strong>und</strong> keine<br />
Vorkehrungen trifft, sie zu unterbinden.<br />
Da der Arbeitnehmer hier die Überst<strong>und</strong>en<br />
nicht beweisen konnte, hat er keinen Anspruch<br />
auf Vergütung.<br />
Das bedeutet es für Sie<br />
Leisten Beschäftigte in Ihrem Betrieb Überst<strong>und</strong>en,<br />
sollten Sie klären, ob diese auch<br />
wirklich angeordnet worden sind <strong>und</strong> der<br />
Arbeitgeber Kenntnis davon hat. Achten<br />
Sie unbedingt darauf, dass die Betroffenen<br />
schriftlich festhalten, an welchem Tag sie<br />
zu welcher Zeit auf wessen Anordnung hin<br />
Überst<strong>und</strong>en geleistet haben. Am besten sollten<br />
die Beschäftigten die Notiz vom Arbeitgeber<br />
unterschreiben lassen. Hilfreich sind auch<br />
Kollegen, die die Überst<strong>und</strong>en vor Gericht<br />
bezeugen können. Diese potenziellen Zeugen<br />
sollte der Beschäftigte immer namentlich<br />
notieren. So lassen sich die Überst<strong>und</strong>en im<br />
Streitfall gut beweisen. v<br />
Leslie Schilling, Volljuristin mit Schwerpunkt<br />
Arbeitsrecht, B<strong>und</strong>-Verlag, Frankfurt am Main.<br />
TIPP<br />
Als <strong>Betriebsrat</strong><br />
sollten Sie ein<br />
Auge darauf haben,<br />
welche Arbeitnehmer<br />
in Ihrem<br />
Betrieb Überst<strong>und</strong>en<br />
leisten. Ist die<br />
zugeteilte Arbeit für<br />
den Arbeitnehmer<br />
in der vertraglich<br />
vereinbarten<br />
Arbeits zeit nicht zu<br />
schaffen, sollten Sie<br />
zusammen mit dem<br />
Betroffenen <strong>und</strong><br />
dem Arbeitgeber<br />
darüber beraten, wie<br />
sich das Arbeitspensum<br />
reduzieren<br />
lässt. Fallen in einer<br />
Abteilung vermehrt<br />
Überst<strong>und</strong>en an,<br />
kann das ein Indiz<br />
für eine personelle<br />
Unterbesetzung<br />
sein. Hier sollte<br />
der <strong>Betriebsrat</strong> auf<br />
Neueinstellungen<br />
hinwirken.<br />
11
echtsprechung<br />
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
RECHT<br />
SPRECHUNG<br />
Ob der Arbeitgeber<br />
Auslandsdienstreisen<br />
kraft seines<br />
Direktionsrecht<br />
anordnen darf,<br />
hängt davon ab, ob<br />
die im Arbeitsvertrag<br />
»versprochenen<br />
Dienste« ihrer<br />
Natur nach mit<br />
gelegentlichen<br />
Auslandseinsätzen<br />
verb<strong>und</strong>en sein<br />
können. Dies dürfte<br />
angesichts der<br />
zunehmenden Internationalisierung<br />
im Wirtschaftsleben<br />
für einen Großteil<br />
der Berufsbilder<br />
zutreffen. (LAG<br />
Baden-Württemberg<br />
6.9.2017 – 4 Sa 3/17)<br />
Dienstreise ist als Arbeitszeit zu vergüten<br />
BAG 17.10.2018 – 5 AZR 553/17 (PM des BAG Nr. 51/18)<br />
arbeitszeit Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend zur<br />
Arbeit ins Ausland, sind die für Hin- <strong>und</strong> Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit<br />
zu vergüten. Das gilt aber nicht für private Zwischenstopps.<br />
Der Arbeitnehmer ist bei einem Bauunternehmen<br />
als technischer Mitarbeiter beschäftigt<br />
<strong>und</strong> arbeitsvertraglich dazu verpflichtet,<br />
auf wechselnden Baustellen im In- <strong>und</strong> Ausland<br />
zu arbeiten.<br />
Für knapp 3 Monate entsandte die Arbeitgeberin<br />
den Beschäftigten auf eine Baustelle<br />
nach China. Auf seinen Wunsch buchte die<br />
Arbeitgeberin für die Hin- <strong>und</strong> Rückreise statt<br />
eines Direktflugs in der Economy-Class einen<br />
Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp<br />
in Dubai.<br />
Für die vier Reisetage zahlte die Arbeitgeberin<br />
die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung<br />
für jeweils acht St<strong>und</strong>en, insgesamt<br />
1.149,44 Euro brutto. Der Arbeitnehmer verlangt<br />
die Bezahlung für weitere 37 St<strong>und</strong>en<br />
mit der Begründung, die gesamte Reisezeit von<br />
seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle<br />
<strong>und</strong> zurück sei wie Arbeit zu vergüten.<br />
Das sagt das Gericht<br />
Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer<br />
vorübergehend ins Ausland, erfolgen die<br />
Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle <strong>und</strong> von<br />
dort zurück ausschließlich im Interesse des<br />
Arbeitgebers <strong>und</strong> sind deshalb in der Regel<br />
wie Arbeit zu vergüten. Erforderlich ist dabei<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich die Reisezeit, die bei einem<br />
Flug in der Economy-Class anfällt. Mangels<br />
ausreichender Feststellungen der Vorinstanz<br />
(LAG Rheinland-Pfalz) zum Umfang der tatsächlich<br />
erforderlichen Reisezeiten des Klägers,<br />
konnte das BAG hier nicht abschließend<br />
über die Höhe des Anspruchs entscheiden.<br />
Es hat deshalb das Urteil der Vorinstanz aufgehoben<br />
<strong>und</strong> zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong><br />
Entscheidung an das LAG Rheinland-Pfalz<br />
zurückverwiesen.<br />
Das bedeutet es für Sie<br />
Das BAG hat klargestellt, dass die Hin- <strong>und</strong><br />
Rückreise zu einer Arbeitsstelle im Ausland<br />
allein im Interesse des Arbeitgebers erfolgt<br />
<strong>und</strong> deshalb als Arbeitszeit zu vergüten ist.<br />
Entscheidet sich ein Arbeitnehmer für einen<br />
Upgrade in die Business-Class muss ihm klar<br />
sein, dass er die »Mehrkosten« selbst tragen<br />
muss. Das Gleiche gilt, wenn er die Reise mit<br />
einem privaten Zwischenstopp verbindet<br />
<strong>und</strong> sich die Reisezeit dadurch verlängert.<br />
Die Zeiten sollte der Betroffene genau notieren.<br />
So lässt sich im Streitfall schnell klären,<br />
wie viele St<strong>und</strong>en der Arbeitgeber vergüten<br />
muss. v<br />
Leslie Schilling, Volljuristin mit Schwerpunkt<br />
Arbeitsrecht, B<strong>und</strong>-Verlag, Frankfurt am Main.<br />
12<br />
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