Society 363 / 2013
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KOSOVO<br />
Kommentar<br />
•<br />
Wunschkatalog<br />
Diese Voraussetzungen sind nun erfüllt.<br />
Die EU-Kommission empfiehlt demnach in<br />
ihrem Fortschrittsbericht mit Belgrad die<br />
Aufnahme von Beitrittsverhandlungen<br />
und mit Pristina die Eröffnung von Verhandlungen<br />
über ein Stabilisierungs- und<br />
Assoziierungsabkommen. Eine heikle politische<br />
Klippe wurde in der Vereinbarung<br />
umschifft. Serbien muss den Kosovo nicht<br />
explizit anerkennen. Beide Staaten haben<br />
aber auch konkrete Wünsche.<br />
Dem Kosovo geht es um eine breitere<br />
politische Anerkennung. Der Kosovo-Premier<br />
forderte umgehend die Aufnahme<br />
seines Landes in die UNO und in die OSZE.<br />
Serbien konnte sich bisher auf das Vetorecht<br />
Russlands stützen. Zur Erinnerung:<br />
Selbst fünf EU-Staaten – Spanien, die<br />
Slowakei, Rumänien, Griechenland und<br />
Zypern – haben „das europäische Kind“<br />
nicht anerkannt. Pristina hofft überdies<br />
auf eine Liberalisierung des Visa-Regimes.<br />
•<br />
Zum Erflog verdammt<br />
Inzwischen setzen Verhandlungsführer<br />
ihre Politik der kleinen zähen Schritte<br />
unbeirrt fort. Denn für die EU steht fest:<br />
Das europäische Experiment Kosovo muss<br />
gelingen.<br />
In Pristina und in Belgrad stimmten<br />
die Regierungen währenddessen dem Umsetzungsplan<br />
zu. Die serbische Regierung<br />
will aber sicherstellen, dass die Kosovo-<br />
Serben auch künftig serbische Personalpapiere<br />
benützen dürfen. Das könnte für<br />
die im Herbst angesetzten kosovarischen<br />
Lokalwahlen von Bedeutung sein. Die<br />
Abhaltung dieser Lokalwahlen wird aller<br />
Voraussicht nach zu einer Nagelprobe für<br />
die Betreiber der Normalisierung werden.<br />
Wenn der Norden mitmacht und nicht<br />
wie bisher die Urnengänge boykottiert,<br />
wäre dies ein positives Signal des neuen<br />
Verbundes serbischer Gemeinden.<br />
Serbiens Premier Dacic zeigte sich<br />
pragmatisch. Selbst ein Boykott durch die<br />
Kosovo-Serben würde die Umsetzung der<br />
Vereinbarung nicht gefährden. Notfalls<br />
werde die mit Pristina erzielte Nordkosovo-Regelung<br />
auch ohne die dortige serbische<br />
Volksgruppe umgesetzt. In einem<br />
Interview mit dem „Kurier“ betonte Dacic:<br />
„Die Zukunft des Balkans liegt in der EU.“<br />
An der Kriegsvergangenheit könne man<br />
nichts mehr ändern; es gelte, die Zukunft<br />
zu gestalten. Allerdings müsse auch die<br />
EU das Ihre dazu beitragen, indem sie den<br />
EU-Skeptikern in Serbien mit einer Aufnahme<br />
von Beitrittsverhandlungen den<br />
Wind aus den Segeln nehme.<br />
Auf kosovarischer Seite wollte Außenminister<br />
Enver Hoxhaj die Tatsache, dass<br />
Serbien den Kosovo nicht formal anerkennt,<br />
nicht überbewertet wissen. Das in<br />
Brüssel erzielte Abkommen sei deshalb<br />
so wichtig für Pristina, weil Serbien darin<br />
die Realität eines unabhängigen Kosovo,<br />
seine Verfassung und seine Institutionen<br />
anerkenne. Vor nationalistischen Tönen<br />
aus Tirana warnte im Zuge der Diskussion<br />
auch Serbiens Premier Dacic, der eine klare<br />
Reaktion der EU dazu einforderte.<br />
Auf die diplomatischen Investitionen<br />
müssen wirtschaftliche folgen. Sowohl<br />
Serbien als auch der Kosovo haben einen<br />
Aufschwung nötig, vor allem Auslandsinvestitionen<br />
auf politisch abgesichertem<br />
Terrain. Der Kosovo kämpft mit hoher<br />
Arbeitslosigkeit. Belgrad muss seine Wirtschaftsprobleme<br />
anpacken und könnte<br />
Finanzmittel aus Brüssel gut brauchen.<br />
Aufgrund der Euro-Krise sind Kreditgeber<br />
risikoscheuer geworden; das bekommt gerade<br />
die Balkan-Region zu spüren. •<br />
<strong>Society</strong> 1_<strong>2013</strong> | 79