"Wenn Mutti früh zur Arbeit geht ..." - Dokumentation der Frauentagsveranstaltung
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PROLOG<br />
Der 8.März war in <strong>der</strong> DDR von Seiten <strong>der</strong> Staatsführung und <strong>der</strong> Funktionärer <strong>der</strong> Tag, um<br />
den Frauen Dank und Anerkennung auszusprechen. Der Tag wurde zelebriert, als Tag <strong>der</strong><br />
Gleichberechtigung gefeiert und den Frauen waren Auszeichnungen und Veranstaltungen gewidmet.<br />
Man feierte die Frau in ihrer Doppelrolle: Beruflich und gesellschaftlich engagiert und als Mutter,<br />
die mit Liebe und Fürsorge die Kin<strong>der</strong> zu bewussten Bürgern des Staates erzieht und in einer erfüllten<br />
Partnerschaft lebt. War das wirklich ihre Rolle? Gleichberechtigt? Anerkannt? Raum <strong>zur</strong><br />
Selbstentfaltung?<br />
Freya Klier lässt in dem Film "<strong>Wenn</strong> <strong>Mutti</strong> <strong>früh</strong> <strong>zur</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>geht</strong>" Frauen aus Stadt und Land sich<br />
erinnern. Ein Film, <strong>der</strong> den Spagat zwischen Berufstätigkeit und Kin<strong>der</strong>betreuung aufzeigt,<br />
<strong>der</strong> auch persönliche Emotionen aufkommen lässt. Für Freiheit e.V. ein Anlass, dies<br />
einem breiten Publikum, Mitglie<strong>der</strong>n unseres Vereins sowie Zeitzeugen, zuteil werden zu lassen.<br />
Die Frau im Mittelpunkt, die Frau in <strong>der</strong> DDR und ihre Emanzipation, die doch eher nur auf<br />
dem Papier verankert war. Wir haben Frauen einladen, die es selbst miterlebt haben; Kin<strong>der</strong>,<br />
die sich vage erinnern können und auch Männer wurden angesprochen. Wir strebten einen<br />
generationsübergreifenden Austausch und damit auch einen Austausch mit unterschiedlich<br />
historischen Kontext behaftetem Publikum an. Nach dem Film bestand die Möglichkeit zum<br />
Gedankenaustausch mit Freya Klier - mo<strong>der</strong>iert von Dorit und Tabea Bause - über die vergangene<br />
Zeit und über den "Meinungsspagat" zwischen Ostalgie und Verteuflung.<br />
Gleichsam aber auch ein Blick in unsere Zeit: Sind Frauen heute gleichberechtigt? Bietet die<br />
Gesellschaft Freiraum <strong>zur</strong> Entfaltung? Müssen sich Frauen doppelt im Job beweisen? Gibt es<br />
genügend Kita-Plätze? Bieten <strong>Arbeit</strong>geber Möglichkeiten für eine flexible <strong>Arbeit</strong>szeitgestaltung?<br />
Hat sich das Rollenverständnis des Mannes geän<strong>der</strong>t? Sind Rollenklischees noch aktuell? Ist<br />
Emanzipation etwas Utopisches? Problemfel<strong>der</strong>, die nicht typisch ostdeutsch sind, Nein - diese<br />
Problematik sollte in ganz Deutschland thematisiert werden und weiterhin im Fokus unserer<br />
Gesellschaft stehen. Ist Feminismus vielleicht aber auch wie<strong>der</strong> gefragt?<br />
O<strong>der</strong>: Sind Frauen heute nicht doch so erfolgreich wie nie - Bildungsabschlüsse und Erwerbsquoten<br />
steigen, Frauen in Führungspositionen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist<br />
juristisch etabliert.<br />
Diskussionsfel<strong>der</strong>, die eine mehrperspektivische Herangehensweise zulassen und vielleicht sogar<br />
einen Blick in die deutsche Geschichte ermöglichen in Bezug auf die Rolle <strong>der</strong> Frau - des<br />
Wilhelmini-schen Zeitalters, <strong>der</strong> Weimarer Republik und <strong>der</strong> Zeit des Nationalsozialismus.<br />
Dabei wollten wir den Anwesenden den Hintergrund für eine eigene Meinungs- und Urteilsbildung<br />
geben und über die Veranstaltung hinaus, Argumente für ein gleichberechtigtes Miteinan<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> beiden Geschlechter in einer demokratisch geprägten Gesellschaft bieten.<br />
Unsere Situationszeichnerin hat die Gefühlsregungen, die Emotionen während des Films und<br />
<strong>der</strong> Diskussion festgehalten und diese findet man hier in dieser Broschüre. Bil<strong>der</strong>, die zum<br />
Nachdenken und Diskutieren, auch im Nachgang, anregen sollen. Bil<strong>der</strong>, die auch Reflektieren<br />
und zeigen, wie ergriffen, betroffen, verneinend o<strong>der</strong> zustimmend, vielleicht auch lächelnd o<strong>der</strong><br />
schmunzelnd und sogar wütend Menschen auf das Gesehene im Film und die Diskussion<br />
reagierten.<br />
Iris Pfaff<br />
1
Die Veranstaltung<br />
Im Jahr 2017 fand in Leinefelde, Eichsfeld, eine Veranstaltung <strong>der</strong> Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
statt: Filmpräsentation und Gesprächsrunde „<strong>Wenn</strong> <strong>Mutti</strong> <strong>früh</strong> <strong>zur</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>geht</strong> …“.<br />
Freya Klier stellte ihren gemeinsam mit <strong>der</strong> Tochter erstellten Film vor und stand im Anschluss<br />
für Fragen zum Film, insbeson<strong>der</strong>e <strong>zur</strong> Stellung <strong>der</strong> Frau in <strong>der</strong> DDR <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
Vorwiegend Frauen, ca. 50 Leute waren gekommen, berichteten von ihren Erlebnissen, jüngere<br />
Teilnehmer erinnerten sich an ihre Kindheit und die Rolle <strong>der</strong> Mutter.<br />
Solch eine Veranstaltung wäre auch etwas für unsere Mitglie<strong>der</strong>, für unsere Unterstützer, für politisch<br />
und historisch Interessierte, für die Frauen und Männer - davon Dorit Bause, die ehemalige<br />
Vorsitzende des Vereins überzeugt.<br />
In Kooperation mit <strong>der</strong> Konrad-Adenauer-Stiftung wurde dann eine ähnlich gestaltete Filmvorführung<br />
und Diskussionsrunde geplant.Mit ihnen wollten wir zum Nachdenken anregen, sich mit<br />
<strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Frau in <strong>der</strong> Gesellschaft auseinan<strong>der</strong>zusetzen, zu vergleichen und zu hinterfragen,<br />
wie heute die Frau in unserer demokratischen Gesellschaft eine Gleichberechtigung erfährt.<br />
Am 08.03.2018 bildet <strong>der</strong> Kubus in <strong>der</strong> Gedenkstätte Andreasstraße die Kulisse für die Filmpräsentation<br />
und die anschließende Podiumsrunde. Mo<strong>der</strong>iert wurden sie von Dorit und Tabea<br />
Bause. 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten Interesse an <strong>der</strong> Thematik. Man ließ sich<br />
auf eine Zeitreise in die DDR mitnehmen, erfuhr von den Unterschieden <strong>der</strong> Stellung <strong>der</strong> Frau<br />
auf dem Land und in <strong>der</strong> Stadt. Im Anschluss bot sich die Möglichkeit für einen regen Informationsaustausch.<br />
2
Begrüßung durch Maja Eib<br />
(Landesbeauftragte Thüringen undLeiterin des Politischen Bildungsforums Thüringen <strong>der</strong><br />
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.)<br />
Sehr geehrte Frau Klier, liebe Dorit und Tabea Bause,<br />
guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Gäste,<br />
sehr herzlich begrüße ich Sie im Namen <strong>der</strong> Konrad-Adenauer-Stiftung und freue mich, dass Sie<br />
unserer gemeinsamen Einladung mit Freiheit e.V. <strong>zur</strong> Filmvorstellung<br />
„<strong>Wenn</strong> <strong>Mutti</strong> <strong>früh</strong>´s <strong>zur</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>geht</strong> Frauen in <strong>der</strong> DDR“ mit <strong>der</strong> Regisseurin, Autorin und ehe<br />
maligen Bürgerrechtlerin Freya Klier gefolgt sind.<br />
Mein Dank <strong>geht</strong> an dieser Stelle insbeson<strong>der</strong>e an Frau Bause und dem Verein Freiheit e.V. für<br />
die gemeinsame Vorbereitung und Organisation des Abends.<br />
Genau vor einem Jahr, als wir mit Freya Klier den Film im Frauenzentrum Leinefelde gezeigt<br />
haben, haben wir uns verabredet in diesem Jahr den Film hier in Erfurt zu präsentieren.<br />
Und wann hätte man besser den DDR-Frauen-Film von Freya Klier zeigen können, wenn nicht<br />
am internationalen Frauentag an dem Themen rund um die Frauen natürlich immer bewegen<br />
und diskutiert werden!<br />
Blicken wir auf die DDR so hatten die Frauen „offiziell“ gute Voraussetzungen für ihre Lebens-<br />
gestaltung: Berufstätigkeit, eine flächendeckende Kin<strong>der</strong>betreuung, <strong>der</strong> Haushaltstag und das<br />
Frauenson<strong>der</strong>studium... alle Möglichkeiten standen ihnen dem Scheine nach offen.<br />
3
Dennoch erlebten viele Frauen täglich die große Kluft zwischen dem politisch verordneten<br />
Frauenbild <strong>der</strong> SED und <strong>der</strong> Alltagswirklichkeit. Bis heute scheiden sich am Spannungsverhältnis<br />
von Berufstätigkeit und Kin<strong>der</strong>betreuung - nicht nur in <strong>der</strong> DDR - die Geister. In Intervallen<br />
kocht das Thema hoch und damit auch die Emotionen: Kritik am Frauenprogramm <strong>der</strong> DDR<br />
mündet oft in undifferenzierte Verteidigung. Erst recht, wenn es um die Betreuung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />
<strong>geht</strong>.<br />
Sehr geehrte, liebe Freya Klier vielen Dank, dass Sie heute in Erfurt unser Gast sind und nach<br />
<strong>der</strong> Filmvorführung auch zum Gespräch <strong>zur</strong> Verfügung stehen - mo<strong>der</strong>iert von Dorit und Tabea<br />
Bause - zwei Frauen, zwei Generationen mit doppelten Blick auf das gestern und heut.<br />
Für ihre Entschlossenheit <strong>zur</strong> Aufklärung und Aufarbeitung bei<strong>der</strong> deutscher Diktaturen und<br />
<strong>der</strong>en Folgen ist Freya Klier bekannt.<br />
1950 in Dresden geboren, wurde sie wegen versuchter „Republikflucht“ 1968 zu 16 Monaten<br />
Gefängnis verurteilt. Später arbeitete sie als Schauspielerin und Theater-regisseurin, 1980 war<br />
sie Mitbegrün<strong>der</strong>in <strong>der</strong> DDR-Friedensbewegung.<br />
1985 tritt sie gemeinsam mit Stephan Krawczyk in evangelischen Kirchen <strong>der</strong> DDR auf und veröffentlicht<br />
erste Prosaarbeiten. 1986 arbeitet sie an einem Buch über „Jugend und Erziehungswesen<br />
in <strong>der</strong> DDR“ was zunehmend die Verfolgung durch staatliche Stellen <strong>zur</strong> Folge hat.<br />
1988 wurde sie zusammen mit an<strong>der</strong>en Bürger-rechtlern verhaftet und unfreiwillig ausgebürgert.<br />
Seit dem ist Freya Klier unermüdlich „Botschafterin für Demokratie und Toleranz“, 2009 erhielt -<br />
sie die gleichnamige Auszeichnung im Rahmen des „Einheitspreis 2009“ von <strong>der</strong> Bundeszentrale<br />
für Politische Bildung, neben zahlreichen weiteren Preisen und Ehrungen nahm sie 2012 zum<br />
Tag <strong>der</strong> Deutschen Einheit das Bundesverdienstkreuz entgegen und erhielt vor zwei Jahren den<br />
“Franz-Werfel-Menschenrechtspreis” in <strong>der</strong> Paulskirche zu Frankfurt.<br />
Schon in den 80er Jahre bewegte Freya Klier das Thema „Gleichberechtigung <strong>der</strong> Frauen in <strong>der</strong><br />
DDR“ und sie startete eine Umfrage unter 200 Frauen, die sie allerdings NICHT veröffentlichen<br />
durfte.<br />
Differenziert und sensibel greift Sie nun in ihrem aktuellen Dokumentarfilm das Thema auf und<br />
zeigt, welchen Spagat die Frauen zwischen Berufsleben und Familie leisten mussten. Vor allem<br />
aber scheute Sie sich NICHT davor auch die Fragen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung und die hohen Zahlen<br />
<strong>der</strong> Schwangerschaftsabbrüche anzu-sprechen und kritisch das WIE und WARUM zu<br />
thematisieren.<br />
Sehr geehrte, liebe Freya Klier wir sind gespannt auf Ihren Film und das anschließende<br />
Gespräch.<br />
4
Der Film<br />
„<strong>Wenn</strong> <strong>Mutti</strong> <strong>früh</strong> <strong>zur</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>geht</strong> …“ | 2017 | Freya Klier (Autorin und Regisseurin) sowie<br />
Nadja Klier (Fotografin und Produzentin) | Koproduktion von Ostwind Filmproduktion<br />
Klier & Klier GbR und dem Rundfunk Berlin-Brandenburg, geför<strong>der</strong>t mit Mitteln <strong>der</strong> Bundesstiftung<br />
Aufarbeitung <strong>der</strong> SED-Diktatur<br />
© Wolfgang Gregor<br />
Als nach 1989 das Leben in <strong>der</strong> DDR beurteilt wurde, gehörte die Situation <strong>der</strong> Frauen zu<br />
den positiv bewerteten Seiten des Lebens in <strong>der</strong> Diktatur, im Unterschied zu vielen an<strong>der</strong>en<br />
Bereichen. Die Gleichberechtigung <strong>der</strong> Frau wurde oftmals als Musterbeispiel gelungener<br />
Frauenpolitik dargestellt. Aber wie lebten Frauen in <strong>der</strong> DDR tatsächlich?<br />
Waren sie wirklich gleichberechtigt - o<strong>der</strong> stand dies lediglich auf dem Papier? Berufstätigkeit,<br />
Kind, Familie, erfüllte Partnerschaft, Selbstverwirklichung… Auch in <strong>der</strong> DDR waren<br />
dies Aufgaben und Ansprüche, mit denen Frauen wie überall auf <strong>der</strong> Welt täglich jonglieren<br />
mussten.<br />
Freya und Nadja Klier haben Frauen aus verschiedenen DDR-Generationen und aus Stadt<br />
und Land um ihre Erinnerungen gebeten. Sie haben Originalmaterial des DDR-Fernsehens<br />
herangezogen und Experten wie etwa Prof.Dr. Hildegard Maria Nickel von <strong>der</strong> Humboldt-<br />
Universität Berlin um Einschätzungen gebeten. Entstanden ist eine differenzierte <strong>Dokumentation</strong>,<br />
die persönliche Einblicke in ein Frauenleben in <strong>der</strong> DDR gibt.<br />
Quelle: http://www.freya-klier.de/homepage/filme.html<br />
5
Freya Klier<br />
Dorit Bause<br />
6
Podiumsrunde<br />
Dorit Bause | Freya Klier | Tabea Bause | Maja Eib<br />
7
Klaus-M. von Keussler<br />
(Assessor iur. | Vereinsvorsitzen<strong>der</strong> FREIHEIT e.V.[seit 03/2018] |<br />
Mitglied im Beirat für Aufarbeitung <strong>der</strong> Stiftung Ettersberg)<br />
„Gleich“ war nicht immer „gleich“<br />
An <strong>der</strong> Thematik rund um die Gleichberechtigung <strong>der</strong> Frauen in <strong>der</strong><br />
DDR scheiden sich die Geister bis heute. Der gekonnte und zum<br />
Teil berührende Film von Freya und Nadja Klier macht deutlich, dass<br />
die Situation <strong>der</strong> Frau vor allem im Nachhinein sehr unterschiedlich<br />
wahrgenommen wird. Berufstätigkeit, Kind, Familie, erfülltes Eheleben,<br />
Selbstverwirklichung - viele Frauen erlebten täglich die große<br />
Kluft zwischen dem politisch verordneten Frauenbild <strong>der</strong> SED und<br />
<strong>der</strong> Alltagswirklichkeit!<br />
Die bei je<strong>der</strong> sich bietenden Gelegenheit herausgestrichene führende Rolle <strong>der</strong> DDR bei <strong>der</strong><br />
Gleichstellung von Mann und Frau machte allerdings nicht nur beim beruflichen Aufstieg und <strong>der</strong><br />
Besetzung von Führungspositionen, son<strong>der</strong>n auch und gerade bei <strong>der</strong> Entlohnung Halt! Ende <strong>der</strong><br />
1980er Jahre waren immer noch ¾ <strong>der</strong> unterbezahlten Werktätigen Frauen.<br />
Der Hinweis im Film, dass in <strong>der</strong> DDR von 1974 1989 fast 1,5 Mio. ungeborene Leben abgetrieben<br />
wurden, führte in <strong>der</strong> anschließenden Diskussion zu interessanten Ergänzungen. Die<br />
Volkskammer hatte schon 1972 mit Gegenstimmen - das Gesetz über eine Fristenlösung bei<br />
Schwangerschaftsunterbrechungen verabschiedet: Dieses erlaubte erstmalig die vorher verbotene<br />
Abtreibung innerhalb <strong>der</strong> ersten drei Monate - die Antibabypille war ja nicht erhältlich.<br />
Auf die Frage einer (west-sozialisierten) Mutter mit drei Kin<strong>der</strong>n, ob nicht auch die häusliche Betreuung<br />
eine kindgerechte Alternative gewesen wäre, verwies Freya Klier darauf, dass es <strong>der</strong><br />
DDR vorrangig um die sozialistische Planerfüllung gegangen sei. An einer familienpolitischen Anerkennung<br />
von Müttern, die ihre Kin<strong>der</strong> zu Hause großzogen, habe es gefehlt. Bekanntlich hatten<br />
sich seit 1965 die rückläufige Geburtenzahl und <strong>der</strong> Trend <strong>zur</strong> Ein-Kind-Familie sowie die<br />
„Republikfluchten“ negativ auf das <strong>Arbeit</strong>skräftepotential ausgewirkt. Über die flächendeckende<br />
Versorgung mit Krippen und Kin<strong>der</strong>gärten sollte nicht das Selbstbestimmungsrecht <strong>der</strong> Mütter<br />
gestärkt, son<strong>der</strong>n die weibliche Erwerbstätigkeit gesteigert werden.<br />
Meine ironisch-launige Feststellung, die DDR-Männer<br />
hätten doch wohl nach ihrem 8-Stunden-Tag<br />
im Betrieb keine <strong>Arbeit</strong> im Haushalt mehr leisten können,<br />
weil sie in SED- o<strong>der</strong> Gewerkschaftsversammlungen<br />
zu erscheinen hatten, erntete massiven Protest im<br />
weiblichen Publikum: auch die Frauen hätten nach<br />
Rückkehr von <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong> oft ihren dahingehenden<br />
gesellschaftspolitischen Beitrag geleistet!<br />
Übrigens:<br />
Das hatte schon <strong>der</strong> Wolf <strong>der</strong> Gebrü<strong>der</strong> Grimm<br />
bei den sieben Geißlein erfahren müssen…<br />
Karikatur Manfred Bofinger<br />
(1941-2006)<br />
8
Alrun Tauché<br />
(Leiterin <strong>der</strong> BStU-Außenstelle Erfurt)<br />
Die Veranstaltung am *Internationalen Frauentag* war in vielerlei Hinsicht ein spannendes<br />
Erlebnis, denn nicht nur <strong>der</strong> gezeigte Dokumentarfilm, son<strong>der</strong>n auch die anschließende<br />
Diskussion zeigten, wie vielschichtig das Thema ist und wie differenziert es betrachtet werden<br />
muss.<br />
Denn: Waren Frauen in <strong>der</strong> DDR wirklich gleichberechtigt - o<strong>der</strong> lediglich auf dem Papier?<br />
Berufstätigkeit, Familie, Selbstverwirklichung, Beeinflussung von Partei und Ideologie ...<br />
Waren das nicht am Ende zu viele Faktoren, mit denen Frauen täglich klarkommen mussten?<br />
An diesem Spannungsverhältnis von Berufstätigkeit und Kin<strong>der</strong>betreuung streiten sich bis<br />
heute die Zeitzeugen und Experten.<br />
Die Filmemacherinnen Freya Klier und Nadja Klier haben Frauen aus verschiedenen<br />
DDR-Generationen um ihre Erinnerungen gebeten, aus verschiedener Perspektive, aus Stadt<br />
und Land, und dokumentarisch in einem Film festgehalten. Wichtige Botschaften waren und<br />
sind:<br />
Der Anteil <strong>der</strong> berufstätigen Frauen war mit 91,3 Prozent Mitte <strong>der</strong> Achtziger Jahre einer<br />
<strong>der</strong> höchsten <strong>der</strong> Welt nur 50 Prozent arbeiteten damals im Westen Deutschlands.<br />
Alles hat eine Kehrseite: DDR-Frauen waren in mancher Hinsicht nur auf dem Papier emanzipiert,<br />
denn Führungspositionen waren zumeist mit Männern besetzt. Doch dann steuert die<br />
<strong>Dokumentation</strong> schnell auf ihre Kernthese zu:<br />
Viele Frauen litten aufgrund ihrer Berufstätigkeit an <strong>der</strong> Doppelbelastung. Dies wurde jedoch<br />
auf ganz unterschiedlichen Wegen versucht zu bewältigen und an einzelnen Beispielen aufgezeigt.<br />
Auch die anschließende Diskussion zeigte, dass das Thema noch längst nicht genug wissenschaftlich<br />
aufgearbeitet ist, aber viele Menschen nach wie vor sehr bewegt.<br />
9
Tabea Bause<br />
(Lehramtsanwärterin | Gymnasium Deutsch/Geschichte<br />
Vereinsmitglied FREIHEIT e.V.)<br />
Ein Film, viele Eindrücke.<br />
Ein Abend am Weltfrauentag an einem historischen Ort, Erinnerungen mehrerer<br />
Generationen zum Thema Frau sein <strong>früh</strong>er und heute. Ein multiperspektivischer<br />
Blick auf die Vergangenheit - so kann Geschichte das Gestern,<br />
Heute und Morgen verbinden.<br />
Mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in <strong>der</strong> DDR hat sich Freya Klier<br />
gemeinsam mit ihrer Tochter, Nadja Klier, in ihrer 43-minütigen <strong>Dokumentation</strong> „<strong>Wenn</strong> <strong>Mutti</strong><br />
<strong>früh</strong> <strong>zur</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>geht</strong> ... Frauen in <strong>der</strong> DDR“ auseinan<strong>der</strong>gesetzt.<br />
Es wird ein differenziertes Bild von dem Leben <strong>der</strong> Frauen in dem sozialistischen deutschen<br />
Staat gezeichnet. Viele Frauen laugte eine dreifache Belastung von Beruf, Familie und Haushalt/<br />
Ehe aus. Sie hatten eine große Last zu tragen. Nicht zuletzt deshalb, weil ihre <strong>Arbeit</strong>skraft in<br />
den Betrieben benötigt wurde, sie gleichzeitig jedoch angehalten waren, Kin<strong>der</strong> zu bekommen,<br />
um durch Nachwuchsden Fortbestand <strong>der</strong> DDR zu sichern.<br />
Man konnte lachen, schmunzeln und den Aussagen <strong>der</strong> <strong>Dokumentation</strong> zustimmen. Aber neben<br />
den positiven Emotionen und Erinnerungen wurde auch mit kritischen Fragen bzw. realen Fakten<br />
die an<strong>der</strong>e Seite <strong>der</strong> Medaille beleuchtet. Ein toller Beitrag, <strong>der</strong> we<strong>der</strong> ein zu positives, noch ein<br />
zu negatives Bild von <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Frauen in <strong>der</strong> DDR zeichnet aber dennoch jeden Besucher<br />
an dem Abend auf unterschiedliche Art und Weise berührt und die verschiedensten Erinnerungen<br />
wachgerufen werden. So auch bei mir und meiner Mutter, Dorit Bause.<br />
Ich bin gemeinsam mit ihr in die Gedenkstätte nach Erfurt gereist, um an einem Gespräch<br />
mit mehreren Generationen teilzunehmen und dieses zu mo<strong>der</strong>ieren.<br />
Meine Mutter, selbst in <strong>der</strong> DDR geboren und aufgewachsen, später politisch in <strong>der</strong> DDR<br />
inhaftiert, heute als Bindeglied Familie, Job und Haushalt vereinend hat ihre eigenen<br />
Erfahrungen als Frau in <strong>der</strong> DDR und heute sammeln können. Ich selbst, geboren 1991 im<br />
vereinten Deutschland, wohlbehütet aufgewachsen und nun Referendarin vor <strong>der</strong> Entscheidung,<br />
Kind o<strong>der</strong> doch erst arbeiten und Geld verdienen. Ähnlich wie mir <strong>geht</strong> es vielen jungen Frauen<br />
heute.<br />
Wir können dankbar sein, so viele Möglichkeiten zu haben, das Leben selbst und unabhängig<br />
zu gestalten. Diese Wahl ist nicht selbstverständlich, so wie wir es aus <strong>früh</strong>ster Vergangenheit<br />
wissen. Diese Wahl kann Segen aber auch Fluch bedeuten. Man stellt sich oft unter gesellschaftlichem<br />
Druck vielen Fragen, wie Was soll man machen- Karriere o<strong>der</strong> doch Familie?<br />
Je<strong>der</strong> muss Antworten auf seine eigenen Lebensfragen finden. Möglich ist beides und machbar<br />
ebenso. Wichtig ist allerdings einfach zu machen den Mut zu beweisen, dem eigenen Willen,<br />
Verstand und Herzen zu folgen.<br />
Als Vertreterinnen zweier Generationen setzten wir uns mit <strong>der</strong> Thematik Frau sein - <strong>früh</strong>er und<br />
heute im Gespräch mit dem Publikum auseinan<strong>der</strong> und es entstand ein differenziertes<br />
Meinungsbild, getragen von den anwesenden Frauen und Männern, alle Zeitzeugen <strong>der</strong><br />
eigenen Zeit. Das war wun<strong>der</strong>bar und die Zeit, mit den verschiedenen Generationen zu<br />
kommunizieren, sollte man vielmehr nutzen. Denn so schnell kann das Jetzt zu Gestern werden<br />
und das Morgen bereits die Schwelle überschritten haben.<br />
Die Frau stellte sich in <strong>der</strong> Vergangenheit immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung, Familie und Beruf<br />
zu vereinen hat für Rechte gekämpft, muss jene auch heute noch verteidigen ist aber stets<br />
willensstark und souverän daran sollten wir uns erinnern und den Mut <strong>der</strong> Frauen egal ob in<br />
<strong>der</strong> DDR, BRD, <strong>früh</strong>er o<strong>der</strong> heute anerkennen.<br />
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Skizzen von <strong>der</strong> Veranstaltung<br />
Gabriele Stötzer (Künstlerin und Schriftstellerin)<br />
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Impressum:<br />
Freiheit För<strong>der</strong>verein Gedenkstätte Andreasstraße e.V.<br />
Andreasstraße 37a<br />
99084 Erfurt<br />
E-Mail: freiheit@andreasstrasse-erfurt.de<br />
URL: www.andreasstrasse-erfurt.de<br />
Kooperationsveranstaltung mit:<br />
Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
Politisches Bildungsforum Thüringen<br />
Andreasstraße 37b<br />
99084 Erfurt<br />
Quellennachweis:<br />
Die Statements wurden für diese Publikation angefertigt und unterliegen dem Urheberrecht.<br />
Der Text zum Film und die Grafik sind auf Seite 5 gekennzeichnet.<br />
Fotos:<br />
Cover: Privat, von Freya Klier freigegeben<br />
Seiten 2/3/6/7: Daniel Braun (Konrad-Adenauer-Stiftung)<br />
Seite 8: Mit freundlicher Erlaubnis von Gabi Bofinger<br />
Seite 9: Martin Jehnichen<br />
Seiten 8/10: Iris Pfaff<br />
Alle Skizzen: Gabriele Stötzer<br />
Diese Veranstaltung wurde geför<strong>der</strong>t von<br />
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