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Mensch und Landschaftsarchitektur

ISBN 978-3-86859-405-8 https://www.jovis.de/en/books/product/mensch-und-landschaftsarchitektur.html

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<strong>Mensch</strong> <strong>und</strong> <strong>Landschaftsarchitektur</strong><br />

Hochschule Osnabrück<br />

Studienbereich <strong>Landschaftsarchitektur</strong><br />

Studiengang Freiraumplanung<br />

Herausgegeben von<br />

Juliane Feldhusen <strong>und</strong> Sebastian Feldhusen


Abb. 1 <strong>und</strong> 2 Proportionszeichnungen von Leonardo da Vinci (um 1490)


Abb. 3 Proportionszeichnung von Albrecht Dürer (1528)


Juliane Feldhusen <strong>und</strong> Sebastian Feldhusen <strong>Mensch</strong> <strong>und</strong> <strong>Landschaftsarchitektur</strong>.<br />

Einleitung 17<br />

Profession, Haltung, Vermittlung<br />

Jürgen Milchert Herrschaft, Integration <strong>und</strong> Dialog. Gärten <strong>und</strong> Parks 31<br />

Verone Stillger Bürgerbeteiligung in der <strong>Landschaftsarchitektur</strong>.<br />

Inhalt<br />

Nur eine Frage der richtigen Methode ? 51<br />

Cornelie Stoll <strong>Landschaftsarchitektur</strong> vom <strong>Mensch</strong>en. Entwurfsidee <strong>und</strong><br />

Ausführung 77<br />

Herbert Zucchi Lebenslandschaften. Mosaik aus Raum <strong>und</strong> Zeit 89<br />

Gespräche<br />

Cornelia Müller <strong>Landschaftsarchitektur</strong> ist ein weites Feld. Beobachtungen<br />

<strong>und</strong> Eindrücke 105<br />

Klaus Thierer Wir brauchen Orte, wo <strong>Mensch</strong>en wohnen, einkaufen,<br />

feiern <strong>und</strong> leiden können 119<br />

Bedürfnis, Interesse, Absicht<br />

Norbert Müggenburg Der öffentliche Raum – <strong>und</strong> wenn der <strong>Mensch</strong><br />

mal muss ? Konzepte zu einer WC-Anlage in Osnabrück 139<br />

Dirk Manzke Brunnen <strong>und</strong> Wasserstellen. Für eine Kultur des frei<br />

fließenden Trinkwassers in Sarajevo 153<br />

Ole Oßenbrink <strong>und</strong> Cord Petermann <strong>Landschaftsarchitektur</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit.<br />

Aufforderungscharakter <strong>und</strong> Motivation in therapeutischen Außenräumen 179


Sebastian Feldhusen Ordnungen des Raumes. Zur Bedeutung von<br />

<strong>Landschaftsarchitektur</strong> für das Erleben von Freiräumen 197<br />

Gespräche<br />

Hubertus von Dressler Keine Landschaft ohne <strong>Mensch</strong>en 215<br />

Dirk Junker <strong>Mensch</strong>en haben eine gr<strong>und</strong>legende Beziehung zum Freiraum,<br />

eine Art Urempfindung 233<br />

Inhalt<br />

Entwerfen, Probieren, Sensibilisieren<br />

Jürgen Bouillon <strong>und</strong> Dorothee Rehr Wahrnehmung von Bäumen im<br />

Entwurfsprozess. Ein Experiment mit der räumlichen Darstellung 249<br />

Rüdiger Weddige Formal, ökologisch, sozial. Konjunkturen in der<br />

<strong>Landschaftsarchitektur</strong> seit den 1950 er-Jahren 263<br />

Rüdiger Wormuth Der <strong>Mensch</strong> als Bestandteil einer Bildidee. Caspar David<br />

Friedrichs Landschaften im Kontext der Malerei seiner Zeit 273<br />

Juliane Feldhusen Kritik der Hegemonie des Sehens. Über Juhani Pallasmaas<br />

Die Augen der Haut 291<br />

Anhang<br />

Veranstaltungen 309<br />

Autoren 313<br />

Sach- <strong>und</strong> Personenregister 315<br />

Abbildungsnachweis 323<br />

Impressum 334


<strong>Mensch</strong> <strong>und</strong> <strong>Landschaftsarchitektur</strong>.<br />

Einleitung<br />

Juliane Feldhusen <strong>und</strong> Sebastian Feldhusen<br />

Wozu überhaupt <strong>Landschaftsarchitektur</strong>? In der Fachwelt lautet die Antwort<br />

einhellig : für den <strong>Mensch</strong>en. Doch wer ist damit gemeint? Die Gesellschaft,<br />

die Bewohner 1 einer Stadt, eines Quartiers, eines Hauses? Ist ein durchschnittlicher,<br />

idealer oder ein individueller <strong>Mensch</strong> gemeint, wenn Freiräume wie<br />

Gärten, Plätze, Parks <strong>und</strong> Promenaden entworfen, realisiert, vermittelt oder<br />

kritisiert werden ? Und welche Rolle spielt der Landschaftsarchitekt selbst dabei<br />

als <strong>Mensch</strong> ? Wir berühren <strong>Landschaftsarchitektur</strong> <strong>und</strong> werden zugleich<br />

von ihr berührt. Die Art <strong>und</strong> Intensität dieser Berührung wird unterschiedlich<br />

gedeutet <strong>und</strong> bewertet. Wie sehen diese Deutungen <strong>und</strong> Bewertungen<br />

aus? Die Beiträge des vorliegenden Buches gehen diesen <strong>und</strong> weiteren Fragen<br />

zum Verhältnis von <strong>Mensch</strong> <strong>und</strong> <strong>Landschaftsarchitektur</strong> nach – experimentell,<br />

beschreibend, theoretisch.<br />

17 Feldhusen <strong>und</strong> Feldhusen<br />

Der <strong>Mensch</strong> als Ursprung <strong>und</strong> Ziel des Entwerfens<br />

»Alles fängt im <strong>Mensch</strong>en an. Alles liegt am <strong>Mensch</strong>en. Durch <strong>Mensch</strong> wird<br />

Symbol lebendig.« Das schrieb Hans Scharoun Ende der 1920er-Jahre in einem<br />

Brief an die Mitglieder der Gläsernen Kette, eine von Bruno Taut initiierte<br />

Korrespondenz mit Architektenkollegen. Scharoun weiter: »Erzwingen<br />

wir reinstes Schaffen, durch Ueberlegung, durch Erkenntnis? – – nein – – der<br />

<strong>Mensch</strong> sei Mittelpunkt, Erstrebtes um uns sich wölbend gleich dem Firmament.<br />

Erkenntnis, auf schmalen Weg uns führend, erfüllt uns nicht.« 2 Heute<br />

1 Wenn nicht ausdrücklich formuliert, sind immer alle <strong>Mensch</strong>en gemeint, unabhängig ihrer geschlechtlichen<br />

Identität. Eine weitere Vorbemerkung: In einigen Zitaten gibt es Wörter, die in<br />

eckigen Klammern stehen. Hierbei handelt es sich um Ergänzungen der Autoren.<br />

2 Scharoun 1996 [1919/1920] : 39.


Profession, Haltung, Vermittlung<br />

»Aktuell könnte der Stadtpark im Sinn<br />

eines sichtbaren, grün gewordenen<br />

Toleranzediktes in der heutigen dramatischen<br />

Bevölkerungsentwicklung einen<br />

neuen Weg der Integration aufzeigen.<br />

Selbstverständlich brauchen die nach<br />

Mitteleuropa kommenden Flüchtlinge<br />

<strong>und</strong> Asylanten zunächst Essen <strong>und</strong> Unterkunft.<br />

Aber es muss auch Räume geben,<br />

in denen ein friedliches <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>liches<br />

Nebeneinander der Kulturen ein gelebtes<br />

<strong>und</strong> sichtbares Programm ist. Leider vermitteln<br />

unsere neuen Parks noch kaum<br />

diese Botschaft.«<br />

31 Milchert Herrschaft, Integration <strong>und</strong> Dialog


Herrschaft, Integration <strong>und</strong> Dialog.<br />

Gärten <strong>und</strong> Parks<br />

Jürgen Milchert<br />

Ein wesentliches Motiv, Gärten <strong>und</strong> Parks anzulegen, lag <strong>und</strong> liegt darin, Herrschaft<br />

zu inszenieren <strong>und</strong> Macht <strong>und</strong> Prestige auszudrücken. Der machtpolitische<br />

Hintergr<strong>und</strong> des Parks ist mit seiner Programmatik <strong>und</strong> Gestaltung<br />

verb<strong>und</strong>en. Diese Funktion wartet aber immer noch auf eine gartengeschichtliche<br />

Würdigung. So war die Anlage von Parks bis ins 18. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein<br />

ein Adelsprivileg, zwar nicht, wie die Jagd, rechtlich ausdrücklich sanktioniert,<br />

doch faktisch blieb der Lustgarten den herrschenden Feudalschichten<br />

vorbehalten. Das Parkprivileg ist die kultivierte Seite des feudalistischen Jagdprivilegs,<br />

gesellschaftlich also bedeutsam.<br />

Wie wichtig der Park als Schauseite von Herrschaft ist, mag man daran ermessen,<br />

dass Ludwig der XIV. seinen Finanzminister Nicolas Fouquet ins Gefängnis<br />

brachte, als er feststellen musste, dass dieser mit seinem Park des Schlosses<br />

Vaux-le-Vicomte die königlichen Gärten in den Schatten stellte. Daraufhin<br />

wurden sein Parkarchitekt André Le Nôtre, einige im Park tätige Künstler <strong>und</strong><br />

Kunstwerke nach Versailles gebracht, um hier eine nie gekannte Herrschaftslandschaft<br />

zu errichten, die einem selbst ernannten »Sonnenkönig« <strong>und</strong> seinen<br />

Repräsentationspflichten entsprach. Die Gärten des Schlosses Versailles entwickelten<br />

sich zum machtpolitischen Alpharaum des Absolutismus <strong>und</strong> wurden<br />

von vielen Provinzdespoten eifrig nachgeahmt. Absolutistische Parks waren<br />

machtpolitische Ritualräume, in denen sich das Zeremoniell kultivierter Unterdrückung<br />

nach mechanistischen Gesetzmäßigkeiten abspulte. Das Gartentor<br />

wurde zum Triumphbogen. Der Rausch der Ordnung bleibt aber eingezwängt<br />

in das selbst verordnete höfische Korsett. Im absurden Uhrwerk seiner Theaterrolle<br />

war hier jeder als Schauspieler gefangen, vom König bis zum Lakaien.<br />

Mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft gewann die Bourgeoisie<br />

nicht nur wirtschaftlich, sondern auch machtpolitisch an Einfluss. Ausdruck<br />

33 Milchert


54<br />

Stillger<br />

Warum, was, wann, wer, welche … Bürgerbeteiligung ?<br />

Warum beschäftigt das Thema Bürgerbeteiligung Fachleute <strong>und</strong> Laien ? Die<br />

Planung von großen Infrastrukturprojekten wird nicht erst seit Stuttgart 21<br />

von Protesten <strong>und</strong> Widerstand begleitet. Bürger möchten mitreden, mitgestalten<br />

<strong>und</strong> mitentscheiden. Dies gilt nicht nur für die großen <strong>und</strong> bekannten<br />

Projekte wie die Entwicklung des Tempelhofer Feldes in Berlin oder die Revitalisierung<br />

der Isar in München. Benjamin Häger <strong>und</strong> Matthias Wiesrecker<br />

schreiben : »Sie [die Bürger] wollen sich vor allem bei Entwicklungen ihres<br />

unmittelbaren Lebensumfeldes sowie bei gesellschaftsrelevanten Infrastrukturprojekten<br />

umfassend <strong>und</strong> möglichst verbindlich beteiligen.« 2 Max Frisch,<br />

der oft politisch Stellung bezog, formulierte es so : »Demokratie heißt, sich in<br />

die eigenen Angelegenheiten einzumischen.« In einem Positionspapier der<br />

Akademie für Raumforschung <strong>und</strong> Landesplanung wird im Zusammenhang mit der<br />

Planung von Infrastrukturprojekten festgestellt :<br />

»Doch auch unabhängig vom möglichen Nutzen einer verstärkten Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

müssen sich Vorhabenträger wie Genehmigungsbehörden<br />

dem Anspruch nach mehr Partizipation stellen. Eine aufgeklärte,<br />

gut gebildete Bürgerschaft, die dank neuer Kommunikationstechnologien<br />

vernetzungsfähig <strong>und</strong> reaktionsstark ist, fordert ihre Einbindung in Entscheidungs-<br />

<strong>und</strong> Planungsprozesse ein <strong>und</strong> wird durch Funk, Fernsehen,<br />

Presse <strong>und</strong> Internet in ihren Anliegen unterstützt.« 3<br />

Nach einer Umfrage der Forsa 4 im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2015 – Zukunftsstadt<br />

vom Juni 2015 sind 58 Prozent der Bürger in Deutschland dafür, die kommunale<br />

Bürgerbeteiligung auszubauen. 5 Die Befragten, die sich mehr Einfluss<br />

auf Entscheidungen in ihrer Kommune wünschen, nennen als wichtige Themen<br />

Verkehrsplanung (71 Prozent) <strong>und</strong> Bauprojekte (65 Prozent). 6<br />

Im Arbeitsfeld der <strong>Landschaftsarchitektur</strong> gibt es vielfältige Aufgaben mit<br />

Beteiligung in formellen <strong>und</strong> informellen Zusammenhängen. Ein Unterschied<br />

bei Beteiligungsverfahren sind die Art <strong>und</strong> der Umfang der rechtlichen Vorgaben.<br />

In der Bauleitplanung gibt es die Verpflichtung zu einer Bürgerbeteiligung<br />

durch die förmliche Auslegung von Bauleitplänen nach Baugesetzbuch:<br />

2 Häger <strong>und</strong> Wiesrecker 2014 : 1.<br />

3 Akademie für Raumforschung <strong>und</strong> Landesplanung 2014 a : 2.<br />

4 Gesellschaft für Sozialforschung <strong>und</strong> statistische Analysen.<br />

5 Forsa 2015 : 5.<br />

6 A. a. O. : 6


»Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung <strong>und</strong> den nach<br />

Einschätzung der Kommune wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen<br />

Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen.<br />

[…] Die fristgemäß abgegebenen Stellungnahmen sind zu prüfen;<br />

das Ergebnis ist mitzuteilen.« 7<br />

In diesem Beitrag geht es nicht um solche rechtlich vorgeschriebenen Beteiligungen,<br />

wie sie bei Umweltverträglichkeitsprüfungen, Planfeststellungsverfahren<br />

oder Strategischen Umweltprüfungen vorgegeben sind. Die Rahmenbedingungen<br />

<strong>und</strong> notwendigen Schritte sind in diesen Fällen vorgegeben<br />

<strong>und</strong> erprobt, in der Wahrnehmung vieler Beteiligter aber auch weit weg von<br />

den Bürgern.<br />

Informelle Beteiligungsverfahren sind inhaltlich <strong>und</strong> methodisch meist<br />

offen, da sie nicht auf einer konkreten gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage basieren. Der<br />

Begriff »informell« wird in der Umgangssprache anders verwendet : ohne Auftrag,<br />

Formalitäten <strong>und</strong> Vorgaben. Im Fachkontext sind Regelungen <strong>und</strong> Verabredungen<br />

notwendig. Sie sind nur nicht von außen vorgegeben <strong>und</strong> damit<br />

je nach Situation <strong>und</strong> Anlass gestaltbar. Dabei wird Bürgerbeteiligung aktuell<br />

unterschiedlich gesehen. Carlo W. Becker bewertet sie 2015 als eingeführt,<br />

aber noch ausbaufähig : »Auch Partizipation wird nun integraler Bestandteil<br />

jeder Planung, obwohl auch hier noch Luft nach oben ist.« 8 Dagegen konstatiert<br />

Markus Miessen bereits 2012 in einer kritischen Darstellung unter dem<br />

Titel Albtraum Partizipation »die jüngste Übersättigung <strong>und</strong> Verwendung des<br />

Wortes Partizipation in der Welt der Architektur <strong>und</strong> Planung.« 9<br />

55 Stillger<br />

Bürgerbeteiligung – was ist das <strong>und</strong> seit wann wird beteiligt ?<br />

Ist Beteiligung das Gleiche wie Partizipation ? Das Digitale Wörterbuch der deutschen<br />

Sprache nennt als Synonymgruppe eine Vielzahl von Begriffen: Anteilnahme,<br />

Beteiligtsein, Beteiligung, Einbindung, Einschluss, Mitwirkung, Partizipation,<br />

Teilhabe, Teilnahme, aber auch Verstrickung, Verwicklung.10 Partizipation<br />

oder Bürgerbeteiligung wird hier als jede Form der aktiven Teilnahme<br />

an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen verstanden.<br />

7 Baugesetzbuch 2014 : Paragraph 3, Absatz 2, ohne Seitenangabe.<br />

8 Becker 2015 : 4.<br />

9 Miessen 2012 : 31.<br />

10 Vgl. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften 2015: Stichwort »Beteiligung«.


Abb. 3 Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Interessen dargestellt als »Flussregeln«


»Im Spannungsfeld wachsender Ansprüche <strong>und</strong> Konkurrenzen – Stichworte<br />

sind hier zum Beispiel Hochwasserschutz, Gewässerökologie, Städtebau,<br />

Naherholung oder Landwirtschaft – geht es vor allem darum, im<br />

Verb<strong>und</strong> der Flussanrainer klug kombinierte Maßnahmen zu entwickeln,<br />

die Synergien zwischen den verschiedenen Interessen schaffen. Dies erfordert<br />

kooperative Verfahren <strong>und</strong> neue, kreative Wege der Umsetzung.<br />

R<strong>und</strong> ein Jahr haben deshalb viele Vertreter der Kommunen, Fachbehörden,<br />

Wasserverbände, Landwirte <strong>und</strong> weitere Akteure sich […] intensiv<br />

mit den Perspektiven für die Gewässerlandschaft zwischen Lippe <strong>und</strong><br />

Vechte, Stever <strong>und</strong> Issel beschäftigt.«33<br />

So formuliert es Uta Schneider in einer Veröffentlichung von 2012 der Regionale<br />

2016 Agentur . Charakteristisch sind eine Vielzahl von Wahrnehmungen<br />

<strong>und</strong> Interessen, zum Beispiel : der Wasserwerker sieht die Trinkwasserqualität,<br />

die Landwirtin ihren Ertrag beim Mais- <strong>und</strong> Getreideanbau, der Angler<br />

den Fischreichtum, der Limnologe die Gewässergüteklasse, die Mitarbeiterin<br />

der Wasserbehörde die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, der Naturschützer<br />

den Artenreichtum bei Flora <strong>und</strong> Fauna, die Anwohnerin das drohende<br />

Hochwasser nach Starkregen, der Heimatforscher die Spuren der Landschaftsgeschichte,<br />

die Erholungssuchenden das Radwegenetz in Sichtweite der Gewässer.<br />

Mit verschiedenen Beteiligungsformaten wie Flussreisen, Flussdiskussionen,<br />

Pläneschmieden <strong>und</strong> Workshops zur Gesamtperspektive gelang mit<br />

insgesamt etwa 150 Beteiligten eine Hinwendung zu gemeinsamen Interessen<br />

<strong>und</strong> dahinter liegenden Bedürfnissen. Abbildung 3 zeigt die als »Flussregeln«<br />

formulierten Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Interessen. Daraus entstanden<br />

vier planerisch-gestalterische Flussraumtypen als Visionen. Aus Einzelansichten<br />

wurde in diesem Beteiligungsverfahren eine verbindende Flussgeschichte<br />

entwickelt. 34<br />

69 Stillger<br />

Was eine Beteiligungskultur braucht<br />

Eine Schlussfolgerung über dieses vorgestellte Projekt hinaus lautet: Es ist notwendig,<br />

verschiedene Disziplinen <strong>und</strong> Interessen zusammenzubringen, zu<br />

analysieren, nicht über Probleme, sondern über fachliche Rahmenbedingun-<br />

33 Vgl. Regionale 2016: ohne Seitenangabe.<br />

34 Vgl. a. a. O. : 28 ff. <strong>und</strong> 53 ff.


»Also wie ist das mit der Landschaft ? – Ist<br />

sie ein Teil der Erdoberfläche, der durch<br />

Faktoren wie Relief, Boden, Klima, Vegetation<br />

<strong>und</strong> Tierwelt in einheitlicher <strong>und</strong><br />

charakteristischer Weise geprägt ist ? Ja,<br />

schon, aber meine Kinderzeitlandschaft,<br />

die sich aus Bergland <strong>und</strong> Tiefebene,<br />

Wald <strong>und</strong> Heide, Marsch <strong>und</strong> Küste,<br />

Meer <strong>und</strong> Insel zusammensetzt, ist nur<br />

komplett mit den Eltern, den Großeltern,<br />

dem Volksschullehrer Niemeyer, dem<br />

Bauern Onkel Gustav, dem Wolken- <strong>und</strong><br />

Sternenhimmel, dem Vogelgesang, dem<br />

Meeresrauschen, dem Geschmack der<br />

Pfifferlinge mit Rührei, Vaters <strong>und</strong> Opas<br />

M<strong>und</strong>harmonikaspiel, den vom Pflug ausgehenden<br />

Geräuschen beim Umbrechen<br />

des kalksteinreichen Bodens, dem Geruch<br />

des Herbstes in Nordhessen. Die Landschaft<br />

ist anders als von jedem anderen<br />

<strong>Mensch</strong>en.«<br />

Profession, Haltung, Vermittlung<br />

89 Zucchi Lebenslandschaften


Zucchi<br />

94<br />

Abb. 2 Karte der Umgebung des Großeltern-Elternhauses des Autors: »Wir«, unten Mitte (1960)<br />

Abb. 3 Beobachtungsheft des Autors ( Auszug, 1960)


er Niemeyer, der immer propagierte, dass man jeden Bissen 32 mal kauen<br />

müsse <strong>und</strong> der dies mit uns Kindern in den vier Gr<strong>und</strong>schuljahren trainiert<br />

hat. Mit ihm haben wir erste Versuche gemacht, die heimatliche Landschaft<br />

beziehungsweise kleine Ausschnitte davon als Landkarte darzustellen, was<br />

ich dann privat weitergeführt habe ( Abb. 2). ( 3.) Die zahllosen Tage, an denen<br />

ich mit meinem Bauern Onkel Gustav unterwegs war. Sicher bin ich mit<br />

ihm viele h<strong>und</strong>ert Kilometer hinter dem Pflug, der Egge, der Walze, der Sämaschine,<br />

dem Kartoffelroder, alle von den Pferden Bella <strong>und</strong> Flora gezogen,<br />

hergestapft <strong>und</strong> habe dabei steinreiche Böden auf Kalk, rote Erde auf Buntsandstein<br />

<strong>und</strong> Lehmböden in der Niederung kennengelernt. Auch das ist eine<br />

Dimension von Landschaft. ( 4.) Ferienaufenthalte in der Lüneburger Heide<br />

bei den Großeltern mütterlicherseits, Flüchtlinge aus Ostpreußen. Auf der<br />

Fahrt mit dem Eilzug von Kassel nach Winsen an der Luhe wurden die Berge<br />

immer kleiner, die Landschaft immer flacher, <strong>und</strong> der lange Weg durch diese<br />

Landschaft bekam beim Halt des Zuges so w<strong>und</strong>ersame Namen wie »Salzderhelden«,<br />

»Unterlüss« <strong>und</strong> »Celle«. In Lübberstedt in der Nordheide angekommen,<br />

stand dann der tief in der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft sowie der<br />

Jagd verwurzelte Ostpreußenopa im Mittelpunkt. Bei den Wanderungen mit<br />

ihm in die Moränenlandschaft um das 300-Seelen-Dorf wuchs das Wissen<br />

um Pflanzen, Tiere <strong>und</strong> die Landschaft stetig, wenn auch nicht immer verstanden,<br />

zum Beispiel die Aussage, dass die zu findenden Feuersteine vom Eis<br />

aus dem hohen Norden mitgebracht worden sind. Wie kann Eis Steine mitbringen<br />

? Wie hoch war dieser Norden <strong>und</strong> wo lag er ? Man konnte die Landschaft<br />

der Lüneburger Heide bei den Großeltern schmecken: Im Bickbeerkuchen,<br />

in Pfifferlingen mit Rührei, im Heidehonig. ( 5.) Im Jahr 1959 – mit<br />

neun Jahren – die erste Begegnung mit der Marschenlandschaft Ostfrieslands,<br />

mit der Küste, dem Meer <strong>und</strong> der Insel Borkum mit ihrer grandiosen Dünenlandschaft<br />

<strong>und</strong> dem weiten Ostland. Und wie anders, wie w<strong>und</strong>erbar roch<br />

<strong>und</strong> klang diese Landschaft, »[w]o de Nordseewellen trecken an de Strand« !<br />

Also wie ist das mit der Landschaft ? Ist sie ein Teil der Erdoberfläche, der<br />

durch Faktoren wie Relief, Boden, Klima, Vegetation <strong>und</strong> Tierwelt in einheitlicher<br />

<strong>und</strong> charakteristischer Weise geprägt ist ? Ja, schon, aber meine Kinderzeitlandschaft,<br />

die sich aus Bergland <strong>und</strong> Tiefebene, Wald <strong>und</strong> Heide, Marsch<br />

<strong>und</strong> Küste, Meer <strong>und</strong> Insel zusammensetzt, ist nur komplett mit den Eltern, den<br />

Großeltern, dem Volksschullehrer Niemeyer, dem Bauern Onkel Gustav, dem<br />

Wolken- <strong>und</strong> Sternenhimmel, dem Vogelgesang, dem Meeresrauschen, dem<br />

95 Zucchi


<strong>Landschaftsarchitektur</strong> ist ein weites Feld.<br />

Beobachtungen <strong>und</strong> Eindrücke<br />

Cornelia Müller im Gespräch mit Juliane Feldhusen<br />

Feldhusen Was fällt dir zu diesen Bildern ein (Seite 110 <strong>und</strong> 114 )?<br />

107 Müller<br />

Müller Wenn ich mir die Bilder angucke, sehe ich eine Vielfalt, die Teil eines<br />

Konzeptes ist. Ich verstehe das Konzept als Versuch zu sagen, dass man nicht<br />

nur Freiräume für <strong>Mensch</strong>en entwirft, die man oberflächlich als »normal«<br />

oder »extravagant« bezeichnet, sondern dass man Freiräume für die Spezies<br />

<strong>Mensch</strong> entwickelt, der sehr unterschiedliche Charaktere angehören. Ich<br />

empfinde das als Bereicherung. Aber nach meinem Gusto könnte es in diesen<br />

Bildern noch etwas wilder zugehen.<br />

Feldhusen Aber schaut man sich Perspektiven in Wettbewerben an, sieht man<br />

häufig <strong>Mensch</strong>en, die schlank sind <strong>und</strong> gut aussehen. Kinder sind nie am Weinen<br />

<strong>und</strong> haben immer Luftballons in der Hand.<br />

Müller Ja, das stimmt. Diese Tatsache ist anstrengend. Die Perspektiven werden<br />

häufig zu einem Zeitpunkt gemacht, wenn noch nicht einmal das Konzept<br />

steht. Das führt dazu, dass viele Darstellungen beliebig <strong>und</strong> deshalb wenig<br />

hilfreich sind, um die Qualität von Entwürfen in Wettbewerben zu beurteilen.<br />

Besonders problematisch ist das Thema aber, da die Perspektiven eine<br />

Welt suggerieren, die nur in der Werbebranche vorkommt. Die Realität hingegen<br />

kennt auch subsidiäre Nutzer. Abgesehen davon, verstehe ich auch nicht<br />

die Notwendigkeit von Hochglanzperspektiven, da zur Vermittlung der Idee<br />

auch andere Herangehensweisen möglich sind, als Bilder zu entwickeln, bei<br />

denen man nicht genau weiß, was Planung oder Realität ist. Ich möchte jetzt<br />

nicht zu allgemein werden, aber ich denke, dass es auch damit zusammenhängt,<br />

dass wir uns als Landschaftsarchitekten möglichst politisch korrekt <strong>und</strong>


Ebenso gibt es mehrheitlich Orte, die aufgeräumt wirken. Dieses Nebeneinander<br />

macht doch den Reiz der Stadt aus. Ich finde es aber besonders spannend,<br />

wenn die Grenze zwischen formal <strong>und</strong> informal thematisiert wird, also<br />

eine anhaltende Spannung von beiden erzeugt <strong>und</strong> hergestellt wird.<br />

Feldhusen Wir haben gerade über die Beteiligung von <strong>Mensch</strong>en an der Planung<br />

für den Freiraum gesprochen. Davon losgelöst wurde in den letzten Jahren<br />

deutlich, dass sich <strong>Mensch</strong>en auch abseits von Planungen stärker für den<br />

Freiraum engagieren. Das äußert sich zum Beispiel in Phänomen wie Urban<br />

Gardening. Macht es die <strong>Landschaftsarchitektur</strong> überflüssig?<br />

Müller Erst einmal finde ich Urban Gardening wichtig, weil es lebensbejahend<br />

ist. Es ist schön, wenn <strong>Mensch</strong>en auf Dächern <strong>und</strong> anderswo Gemüse ziehen<br />

<strong>und</strong> dieses zur Selbstversorgung nutzen. Urban Gardening ersetzt aber keinesfalls<br />

<strong>Landschaftsarchitektur</strong>. Ich finde auch, dass Urban Gardening keine<br />

<strong>Landschaftsarchitektur</strong> ist, sondern etwas Prozesshaftes, was dann am interessantesten<br />

ist, wenn man es nicht plant, es nicht zu durchdacht wirkt <strong>und</strong> es<br />

nicht in Tabellen <strong>und</strong> Nutzungssatzungen gepresst wird. Das Tempelhofer Feld<br />

in Berlin ist eines dieser Beispiele, wo jetzt Verordnungen eingeführt wurden.<br />

Ich sehe Urban Gardening als temporäre, wenig reglementierte sowie längerfristige<br />

Intervention, also keinen dauerhaft urbanen Freiraum. Andernfalls<br />

entspricht es dem traditionellen Kleingarten, der klar durch Satzungen definiert<br />

ist. Dieser hat zurzeit auch ein Revival bei jungen Familien.<br />

115 Müller<br />

Feldhusen Neben dem zunehmenden Interesse an Urban Gardening <strong>und</strong> Kleingärten<br />

kann auch beobachtet werden, dass der Freiraum immer stärker als Ort<br />

für sportliche Aktivitäten genutzt wird. Wie reagiert ihr darauf?<br />

Müller Ein Freiraum sollte stets Angebote für Bewegung bieten, damit die<br />

<strong>Mensch</strong>en nicht in Fitnessstudios rennen müssen. Für mich ist das ein relevantes<br />

Thema, aber auch ein selbstverständliches. Im Stadtteilpark Rabet in<br />

Leipzig zum Beispiel haben wir eine einen Kilometer lange Amöbe als Laufweg<br />

durch den Park entworfen. »Rabet« bedeutet im Slavischen Brombeere.<br />

Deshalb wurde der Laufweg aus brombeerrotem Tartan hergestellt, rotblättrige<br />

Baumcluster <strong>und</strong> fünf verschiedene Sorten von Brombeeren als ruderaler<br />

Akzent gepflanzt. Das ist ein Beispiel dafür, wenn ich davon rede, dass


Thierer<br />

124<br />

Abb. 3 Schweben ist ein Balanceakt<br />

Abb. 4 Man muss sich auch auf das Nachempfinden des Schwebens einlassen


Feldhusen Das war ausführlich. Die Arbeit untersucht, wie man mit Mitteln der<br />

<strong>Landschaftsarchitektur</strong> ein Gefühl von Schweben realisieren könnte.<br />

Thierer Ich gestehe, das habe ich so nicht gesehen. Die Materialität beziehungsweise<br />

die Gr<strong>und</strong>ausstattung der verschiedenen Modelle bilden derart<br />

eindrückliche Situationen, dass die darin befindlichen <strong>Mensch</strong>en für mich<br />

erst an zweiter Stelle wahrgenommen wurden. Vielleicht könnte man auch<br />

sagen, dass mir zuerst das Flächenhafte <strong>und</strong> erst anschließend das Punktuelle<br />

ins Auge gefallen ist. Erst nachdem der Ort erfasst wurde, beschäftigt<br />

man sich mit dem Detail.<br />

Feldhusen Ausgehend von dieser Arbeit möchten wir dann fragen: Muss sich<br />

Gestaltung auch mal gegen die Bedürfnisse des <strong>Mensch</strong>en stellen, um im Umkehrschluss<br />

neue Sichtweisen zu eröffnen, sich zu spüren, neue Handlungsmöglichkeiten<br />

zu eröffnen oder sozialen Kontakt zu knüpfen? Kann das auch<br />

ein Motiv einer Gestaltung sein?<br />

125 Thierer<br />

Thierer Ja, vielleicht. Zu dieser Herangehensweise fällt mir etwas von Theodor<br />

W. Adorno ein, der sich in dem Sinne äußerte, dass es die Aufgabe von Kunst ist,<br />

Chaos in die Ordnung zu bringen <strong>und</strong> Willkür im Unwillkürlichen herzustellen.<br />

Vielleicht gibt es in Deutschland ein paar Landschaftsarchitekten, denen<br />

ich diese Herausforderung zutrauen würde. Wir als Profession sind dazu aber<br />

nicht in der Lage, diesem Motiv qualitativ Rechnung zu tragen. Wir sollten<br />

die Finger davon lassen, denn diese Art des Gestaltens bedarf eines ungeheuren<br />

Könnens, damit es seine Wirkung nicht verfehlt. Dieses sollte man <strong>Mensch</strong>en<br />

überlassen, die etwas davon verstehen, die sich im Metier der Provokation<br />

bewegen <strong>und</strong> durch intensive Auseinandersetzung mit dem Sein oder<br />

mit der Gesellschaft auch ausloten können, was zumutbar ist. Nichts spricht<br />

dagegen, Künstler in Projekte mit einzubinden. Aber möchte ich im Freiraum<br />

ständig provoziert oder zum Nachdenken angeregt werden? Hält das Leben<br />

nicht schon genügend Herausforderungen für die <strong>Mensch</strong>en bereit?<br />

Wohnungsnahe Freiräume sollten liebenswert <strong>und</strong> alltagstauglich sein sowie<br />

die gr<strong>und</strong>sätzlichen Bedürfnisse der <strong>Mensch</strong>en befriedigen. Dort möchten<br />

sie zur Ruhe kommen, sich entspannen, die Seele baumeln lassen. Überfrachtete<br />

Freiräume führen zu Unzufriedenheit, zu mangelnder Identifikation, zu<br />

Ablehnung <strong>und</strong> möglicherweise zu Zerstörung. So liegt die Kunst in der Ge-


in der Landwirtschaft, ist Phosphor nicht zu ersetzen. Dabei gehen die weltweiten<br />

<strong>und</strong> verfügbaren Reserven dem Ende entgegen. Vielleicht werden die<br />

öffentlichen Toilettenanlagen für die Weltbevölkerung zukünftig zu Orten der<br />

Rohstoffrückgewinnung. 18 Bislang ist das Recycling im Kosten-Nutzen-Vergleich<br />

noch nicht wirtschaftlich. Dennoch dürfte es nicht mehr sehr lange<br />

dauern, bis die Recyclingverfahren effizient sind <strong>und</strong> der Mangel an vorrätigen<br />

Phosphaten durch aufbereiteten Urin <strong>und</strong> Kot ausgeglichen werden muss. 19<br />

148<br />

Müggenburg<br />

Werkstattprojekt<br />

Im Rahmen des Moduls Werkstattprojekt im Bachelorstudiengang Freiraumplanung<br />

der Hochschule Osnabrück, das sich über einen Zeitraum von vier<br />

Wochen spannt, wurde das Thema der öffentlichen Toiletten von Studenten<br />

für die Stadt Osnabrück untersucht. Die entwurfliche Methode des Modellbaus<br />

sollte dabei helfen, komplexe Lösungsansätze zu finden sowie Standort<br />

<strong>und</strong> Charakter der Anlagen anschaulich zu durchdenken <strong>und</strong> herauszuarbeiten.<br />

Für die Entwürfe waren schließlich zwei Kriterien maßgebend: die Lage<br />

der Toilettenanlage sowie Gestalt <strong>und</strong> Funktion der Anlage, auch hinsichtlich<br />

ihres Ortsbezuges. Insgesamt wurden folgende Standorte gewählt: Bürgerpark,<br />

Schlossgarten, Hasefriedhof, Domplatz beziehungsweise Theaterplatz, Neumarkt,<br />

Platz am Kamp <strong>und</strong> am Haarmannsbrunnen. 20<br />

Beispielhaft werden hier zwei Projektarbeiten beschrieben, die zu den Fragestellungen<br />

von Standort <strong>und</strong> Qualität der Anlage schlüssige <strong>und</strong> eindeutige<br />

Antworten entwickelt <strong>und</strong> bis ins notwendige Detail am Modell erläutert haben.<br />

Bedürfnisanstalt im Hasepark ( Hasefriedhof ) Osnabrück<br />

von Paul Deventer <strong>und</strong> Leo Soeteber<br />

Nördlich der Osnabrücker Altstadt <strong>und</strong> in unmittelbarer Nähe des Bürgerparks<br />

liegt der Hasefriedhof. Mit einer Fläche von etwa zehn Hektar soll er zum Ende<br />

des Jahres in einen Park umgewidmet werden. Die gesamte Anlage steht unter<br />

Denkmalschutz. Bereits heute ist dort eine vielfältige Parknutzung zu erleben,<br />

da schon seit Längerem keine Beisetzungen mehr stattfinden. Die tenden-<br />

18 Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits in Städten.<br />

19 In diesem Zusammenhang ein nochmaliges Danke an den Kollegen Dimo Daum, der sich bereit<br />

erklärt hatte, einen kleinen Vortrag im Rahmen des Werkstattprojektes zum Thema des Düngemitteleinsatzes<br />

<strong>und</strong> der Rohstoffrückgewinnung zu halten.<br />

20 Die Suche nach dem Standort war Teil der Aufgabenstellung.


Wickeltisch <strong>und</strong><br />

barrierefreie Toilette<br />

Stehtoiletten<br />

Veranda<br />

Kiosk<br />

Spiegel- <strong>und</strong><br />

Waschraum<br />

149<br />

Müggenburg<br />

Kammer<br />

Unisextoiletten<br />

Abb. 1 Gr<strong>und</strong>riss für die WC- Anlage Bedürfnisanstalt im Hasepark ( Hasefriedhof ) Osnabrück von<br />

Paul Deventer <strong>und</strong> Leo Soeteber<br />

Abb. 2 Eingang in die WC- Anlage Bedürfnisanstalt im Hasepark (Hasefriedhof) Osnabrück


Manzke<br />

172<br />

Abb. 11 Wasserstelle unter einer schattigen Birke<br />

Abb. 12 Spontanes Engagement an einer Wasserstelle durch Osnabrücker<br />

Studenten auf einer Exkursion<br />

Abb. 13 Nach dem Pflanzen gemeinsames Grillen


173<br />

Abb. 14 Wasser entnehmen<br />

Manzke<br />

Abb. 15 Wasser trinken<br />

Abb. 16 Trockene Wasserstelle in der Peripherie


Treppenkopf<br />

Piazza della Trinità dei Monti<br />

Piazza di Spagna<br />

Treppenfuß<br />

Fontana della Barcaccia<br />

Abb. 2 Lageplan der Spanischen Treppe, rot markiert sind die hier betrachteten »Blöcke«<br />

← Norden


Welche Bedeutung 1 hat die <strong>Landschaftsarchitektur</strong> für das Erleben von Freiräumen?<br />

Über dieses Erleben zu sprechen, hat zwei Besonderheiten, auf die<br />

zuerst kurz eingegangen wird.<br />

Erstens ist das Erleben vorsprachlich. Die Besonderheit besteht also darin,<br />

über etwas zu reden, das nicht sprachlich vorliegt, sondern erst zur Sprache<br />

gebracht werden muss. Zweitens führt das Nachdenken über das Erleben<br />

von <strong>Landschaftsarchitektur</strong> unweigerlich zu Konzepten, die in anderen Diskursen<br />

auf Begriffe gebracht wurden, etwa in kunstwissenschaftlichen, philosophischen,<br />

psychologischen oder soziologischen. Die Diskurse wurden<br />

besonders in der Anthropologie, Architektur-, Gestalt- <strong>und</strong> Umweltpsychologie,<br />

Architektursoziologie, Ethnologie, Kunstgeschichte <strong>und</strong> -theorie, Phänomenologie<br />

<strong>und</strong> der sozialwissenschaftlichen Freiraumplanung geführt. Auf<br />

ihre Konzepte gehe ich in diesem Text nur an wenigen Stellen ein, zumeist in<br />

Fußnoten. Stattdessen nähere ich mich dem Thema primär durch die Auseinandersetzung<br />

mit dem eigenen Erleben der Spanischen Treppe. 2<br />

201 Feldhusen<br />

Beispiel Spanische Treppe in Rom<br />

Ich konzentriere mich auf den unteren Bereich der Treppe. In Abbildung 2<br />

sind zwei segmentierte Doppellinien zu erkennen, die in Längsausrichtung<br />

der Treppe verlaufen (rot markiert). In Abbildung 1 <strong>und</strong> 3 wird deutlich, dass<br />

die Doppellinien dreidimensionale Objekte aus Stein sind, die an ein diagonal<br />

durchgeschnittenes Rechteck erinnern. Ich bezeichne diese Objekte oder<br />

Rechtecke als »Blöcke«. Sie sind so breit wie die Brüstungen, etwa 80 Zentimeter.<br />

Ich hebe nun zehn Aspekte der Blöcke <strong>und</strong> in dessen Umfeld hervor,<br />

um herauszustellen, welche Bedeutung die <strong>Landschaftsarchitektur</strong> für das<br />

Erleben des Freiraumes hat. Wenn beim Lesen die Abbildungen 1 bis 3 angeschaut<br />

werden, erleichtert dies das Verständnis des Textes.<br />

Erstens gliedern die Blöcke die Treppe in drei Bereiche. Die seitlichen Bereiche<br />

links <strong>und</strong> rechts sind gleich groß, der mittlere Bereich ist etwa ein-<br />

1 Den Begriff »Bedeutung« verwende ich in diesem Text alltagssprachlich.<br />

2 Roland Günter, Adriaan Wessel Reinink <strong>und</strong> Janne Günter haben 1978 eine Untersuchung mit dem<br />

Titel Rom – Spanische Treppe veröffentlicht. Diese Untersuchung hat diesem Text Stichworte gegeben.<br />

Ich habe die Untersuchung der drei Autoren als Position gelesen, die kunstgeschichtliche Interpretation<br />

von Architektur durch sozialwissenschaftliche Aspekte der Nutzung zu ergänzen. Mir<br />

geht es in diesem Text darum, exemplarisch zu zeigen, welche Bedeutung die <strong>Landschaftsarchitektur</strong><br />

für das Erleben des Freiraumes hat (vgl. dieselben 1978 ).


Abb. 2 <strong>Mensch</strong> <strong>und</strong> Landschaft I von Maren Lioba Lutz, Holzschnitt 21 × 30 Zentimeter


anderen diese dann möglichst so platziert, dass entweder Akzente in der Landschaft<br />

gesetzt oder bestehende landschaftliche Strukturen unterstützt werden.<br />

Eine Verständigung über die Frage, in welcher Landschaft wollen wir leben,<br />

muss früher <strong>und</strong> unabhängig von den Einzelvorhaben in den Regionen<br />

geführt werden. Ergänzend dazu, aber das liegt außerhalb unserer Kompetenz<br />

als Landschaftsplaner, sollte man Anwohner an dem Betrieb von Anlagen<br />

in ihrem Umfeld beteiligen. Dann wird erfahrungsgemäß die Akzeptanz<br />

höher. Energieeinsparung <strong>und</strong> eine dezentrale Gestaltung der Energiewende<br />

sind übrigens weitere wichtige, aber heute weitgehend in den Hintergr<strong>und</strong><br />

gedrängte Ziele der Energiewende. Wobei ich auch hinzufügen möchte, dass<br />

die Akzeptanz von Windkraftanlagen auch altersabhängig ist: Jüngere <strong>Mensch</strong>en<br />

haben da häufig weniger Probleme mit Anlagen als ältere <strong>Mensch</strong>en.<br />

223 von Dressler<br />

Feldhusen Bei diesem Thema möchten wir gr<strong>und</strong>sätzlicher fragen: Wie würdest<br />

du das Verhältnis von menschlichen Bedürfnissen <strong>und</strong> den sogenannten<br />

Belangen des Naturschutzes bezeichnen?<br />

von Dressler Ich sehe das Verhältnis nicht als Gegensatz. Es geht um die Frage,<br />

welchen Stellenwert wir dem Erhalt von Lebewesen <strong>und</strong> dem unserer natürlichen<br />

Lebensgr<strong>und</strong>lagen geben. Und das ist eine menschliche Setzung, über<br />

die man sich verständigen muss. Die Zieldimensionen des Naturschutzes sind<br />

nicht separat zu sehen, sondern sie beziehen sich immer aufeinander. So gehört<br />

es für mich zu einem guten Leben dazu, dass wir eine Tier- oder Pflanzenart<br />

auch einfach mal als Glück empfinden können <strong>und</strong> nicht nur als ein<br />

Teil eines ökologischen Gleichgewichtes <strong>und</strong> als notwendige Lebensgr<strong>und</strong>lage<br />

schützen. Viele Arten schützen wir weniger aus existenziellen, sondern<br />

aus emotionalen Bindungen. Der Schutz dieser Arten ist uns wichtig, da wir<br />

sie als schön empfinden, weil wir gerne ihren Gesang hören oder uns an ihren<br />

Flugbewegungen erfreuen. Wie beim Thema Landschaftsbild sollten wir<br />

uns auch beim Artenschutz zu unserer eigentlichen Motivation bekennen.<br />

Feldhusen Aus vielen ländlichen Regionen Deutschlands wandern <strong>Mensch</strong>en<br />

ab. In Großstädten wie Berlin, München <strong>und</strong> Hamburg werden es immer<br />

mehr <strong>Mensch</strong>en. Flapsig gefragt: Was bedeutet es, wenn es zum Beispiel in<br />

Brandenburg bald mehr Wölfe als <strong>Mensch</strong>en gibt? Und was heißt das für die<br />

<strong>Landschaftsarchitektur</strong>?


keitsentwicklung wichtig, dass Kinder auf dem Spielplatz zum Beispiel einen<br />

Kuchen aus Sand backen. Ausgehend von diesem Kuchen entwickeln sich Kinder<br />

eine Geschichte. Die Kinder spielen Kochen oder Verkaufen, sie entwickeln<br />

Spielszenen, der Sandkuchen wird fiktiv getestet <strong>und</strong> für lecker bef<strong>und</strong>en.<br />

Damit sie die Geschichte entwickeln können, lassen sie ihrer Fantasie<br />

freien Lauf. Im Gegensatz dazu ist bei Videospielen meistens alles vorgedacht.<br />

Du musst nichts in eine fantastische Welt übertragen, was letztlich Fantasie bedeutet.<br />

Alles ist schon da oder kann im Videospielladen als perfekter Kuchen<br />

beschafft werden. Und genau das empfinde ich als eine Verarmung, keine Bereicherung.<br />

Ich sehe in dieser digitalen Entwicklung die Notwendigkeit, sich<br />

damit kritisch auseinanderzusetzen <strong>und</strong> die analoge Welt nicht zu vergessen.<br />

Hierbei spielt der Freiraum eine wichtige Rolle. Er ist das Umfeld für die reale<br />

Interaktion <strong>und</strong> sollte den Raum für fantasievolle Kommunikation zwischen<br />

realen <strong>Mensch</strong>en bieten, in der Sandkiste oder auf der Wiese im Park.<br />

243 Junker<br />

Feldhusen Wir möchten mit den folgenden Fragen Themen aufgreifen, die in<br />

diesem Buch behandelt werden, zuerst ein Thema, das Herbert Zucchi aufwirft:<br />

Er beschreibt, dass sein Beruf eine professionelle Beschäftigung mit dem<br />

ist, was ihn als Kind schon interessiert hat. Wie war das bei dir ?<br />

Junker Das ist eine schwierige Frage, weil mein Weg in die <strong>Landschaftsarchitektur</strong><br />

eher ein zufälliger war. Obwohl ich als Kind auch viel im Wald gespielt habe,<br />

hatte ich nie einen so intensiven Bezug zu Tieren <strong>und</strong> Pflanzen. Ich bin eher<br />

ein Stadtkind. Dennoch fesselt mich die <strong>Landschaftsarchitektur</strong>, da sie so<br />

vielfältig ist. Es geht um Fragen der Wahrnehmung, des Gestaltens, der Interkulturalität<br />

<strong>und</strong> um Emotionen von <strong>Mensch</strong>en. Das finde ich faszinierend.<br />

Die Kehrseite dieses Berufes in all seiner Vielfalt ist aber, dass man nie wieder<br />

losgelassen wird: Immer <strong>und</strong> überall auf dieser Welt gibt es etwas W<strong>und</strong>erbares<br />

oder Bemerkenswertes zu entdecken, das einen packt. Diese Entdeckungen<br />

werden dann häufig in Beziehung zur eigenen Tätigkeit gebracht.<br />

Feldhusen Cord Petermann beschäftigt sich in einem Forschungsprojekt mit<br />

Therapiegärten. In seinem Beitrag, den er mit Ole Oßenbrink verfasst hat,<br />

wird herausgestellt, dass Therapiegärten <strong>Mensch</strong>en dazu motivieren sollen,<br />

etwas zu tun. Aber gilt das nicht für alle Freiräume ?


256<br />

Bouillon <strong>und</strong> Rehr<br />

fließenden sowie den ruhenden Verkehr in einen Stadtplatz einzubetten <strong>und</strong><br />

dem Straßenraum somit einen neuen Charakter zu verleihen. Hierfür wurde<br />

der gesamte Bodenbelag, in Anspielung auf den Namen des Platzes, mit rotgrauem<br />

Ortbeton eingefärbt. 18 Als Bepflanzung wurden feinlaubige Gleditsia<br />

triacanthos f. inermis (Gleditschie) <strong>und</strong> Rosa rugosa (Kartoffelrose) als Unterpflanzung<br />

unregelmäßig auf der Platzfläche verteilt (Abb. 3). Die Anordnung<br />

der Bäume <strong>und</strong> ihr lockerer Habitus sollen eine Offenheit <strong>und</strong> Richtungslosigkeit<br />

innerhalb des Platzes generieren. 19 In Richtung Sutthauser Straße verdichten<br />

sich die Gleditschien zu einem Hain, in dessen Mitte sich ein kleiner<br />

Brunnen befindet. Auf einen klassischen Straßenbaumcharakter – wie auch<br />

immer dieser definiert sein mag – versuchten die Gestalter zu verzichten. 20<br />

An alle Seiten des Platzes grenzen drei- bis vierstöckige Gebäude mit weitgehend<br />

homogenen Fassaden (Abb. 4). Neben Wohnungen sind auch Arztpraxen,<br />

eine Schule, eine Kita sowie weitere Nutzungsformen in den Gebäuden<br />

untergebracht. Die einzelnen Gebäude stehen dicht aneinander, ohne Versatz,<br />

<strong>und</strong> bilden eine optisch geschlossene, durchgehende Fläche.<br />

Im zeichnerischen Versuch werden folgende Aspekte gegenübergestellt: (1.)<br />

Die bestehenden Gleditschien werden im aktuellen Entwicklungsstand (etwa<br />

15 Standjahre) sowie in einer höheren Altersklasse (etwa 25 bis 30 Jahre) gezeigt<br />

(Abb. 5 <strong>und</strong> 6). Ziel ist es, eine Tendenz bezogen auf die räumliche Wirkung<br />

der Gleditschien zu visualisieren <strong>und</strong> sich an zukünftige Stärken oder<br />

Schwächen heranzuarbeiten. (2.) Außerdem wird eine Auswahl an Gehölzarten<br />

(Ginkgo biloba, Koelreuteria paniculata, Tilia tomentosa <strong>und</strong> Zelkova serrata) am<br />

Rosenplatz visuell überprüft <strong>und</strong> mit den Gleditschien verglichen.<br />

Die weiteren Arten werden im Alter von etwa 15 bis 20 Jahren eingezeichnet<br />

(Abb. 7 – 10). Sie sind an städtische Standortbedingungen angepasst, bringen<br />

einen eigenen Charakter <strong>und</strong> Habitus mit. Für die Zeichnungen wird ein<br />

Blickpunkt ausgewählt, von dem aus der gepflanzte Hain sowie die Bäume<br />

entlang der Durchgangstraße einsehbar sind. Dieser Punkt liegt auf der angrenzenden<br />

Sutthauser Straße, in den Platz hineinblickend. Die Standorte<br />

<strong>und</strong> die Anzahl der Bäume werden nicht verändert.<br />

18 Vgl. Diekmann 2015.<br />

19 Vgl. PSA Publishers 2015.<br />

20 Vgl. Competitionline 2015.


Diskussion<br />

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen experimentellen Ansatz zur Auseinandersetzung<br />

mit Gehölzen als lebende Objekte <strong>und</strong> dem sie umgebenden<br />

Raum (Abb. 5 – 10). Es wird daher keine Empfehlung ausgesprochen, nach wie<br />

vielen Zeichnungen ein Ergebnis in Bezug auf die Artenauswahl zu erwarten<br />

ist. Auch die Wahl der Baumarten, die in dieser Arbeit betrachtet wurden, ist<br />

nicht abschließend. Rückwirkend betrachtet, war es interessant, mehrere Arten<br />

zwar abstrahiert, jedoch fokussiert auf ihren Habitus, an einem gezielten<br />

257 Bouillon <strong>und</strong> Rehr<br />

Abb. 3 Lageplan zur Neugestaltung des Rosenplatzes<br />

Abb. 4 Blick zur Durchgangsstraße, gewählter Ausschnitt für die Abbildungen 5 – 10


Weddige<br />

266<br />

Abb. 1 Fünfzigerjahre: Außenanlagen der Liebfrauenschule in Köln von Herta Hammerbacher<br />

Abb. 2 Sechzigerjahre: Außenanlage in Amsterdam von Mien Ruys


267 Weddige<br />

Abb. 3 Siebzigerjahre: Außenanlage am Architekturgebäude der Technischen Universität Berlin von Herta<br />

Hammerbacher<br />

Abb. 4 Achtzigerjahre: Ökokathedrale im niederländischen Mildam von Louis le Roy


Weddige<br />

268<br />

Abb. 5 Neunzigerjahre: Einfluss des Parc de la Villette in Paris von Bernard Tschumi auf die<br />

<strong>Landschaftsarchitektur</strong>, bereits 1983 fertigestellt<br />

Abb. 6 Anfang des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts: Visualisierung Hans Tavsens Park in Kopenhagen von SLA


Aber dann endlich auch Pflanzen <strong>und</strong> Entwerfen. In der sogenannten Hochbauübung<br />

wurde ein damals aktueller Flachdachwinkelbungalow entworfen<br />

<strong>und</strong> dazu in – ich glaube das hieß damals so – »Grünplanung« ein passender<br />

Garten. Es gab bei unserem Professor nur rechte Winkel. Wege, Beete, Rasenflächen<br />

<strong>und</strong> auch das obligate Schwimmbecken, alles gerade <strong>und</strong> rechtwinkelig.<br />

Die Gartenbilder, die ich aus den 1950 er-Jahren im Kopf hatte, mit geschwungenen<br />

Wegen, Polygonplatten auf den Terrassen, Natursteinmäuerchen,<br />

Birken, Wachholder <strong>und</strong> Heidekraut waren nicht mehr aktuell.<br />

Siebzigerjahre<br />

Die 68er-Bewegung erreichte Hannover mit leichter Verspätung. Die Verstrickungen<br />

des Berufsstandes in der Nazizeit wurden bekannt, <strong>und</strong> es stellte sich<br />

heraus, dass auch einige unserer Professoren <strong>und</strong> ihre Mentoren die Eroberungen<br />

der Wehrmacht im Osten Europas mit rassistischen Veröffentlichungen<br />

<strong>und</strong> menschenverachtenden Planungen unterstützt hatten. Die Folge war,<br />

dass sich ein Großteil der Studenten nicht nur gegen die Professoren, sondern<br />

auch gegen Inhalte <strong>und</strong> Methoden wandte. Das Meister-Schüler-Verhältnis<br />

hatte ausgedient. Die politische Arbeit in den Gremien wurde enorm wichtig<br />

<strong>und</strong> zum Teil auch als Studienleistung anerkannt. Das führte zu einer Vernachlässigung<br />

von Fachwissen <strong>und</strong> Entwurfsfähigkeiten. Ästhetische Fragen<br />

spielten keine Rolle, das Interesse an Pflanzen war suspekt <strong>und</strong> Gärten entwerfen<br />

– vielleicht auch noch für Reiche – verwerflich. Ich selbst brauchte<br />

einige Jahre, bis ich die Ereignisse einordnen konnte <strong>und</strong> den unschätzbaren<br />

Gewinn für die Entwicklung der b<strong>und</strong>esrepublikanischen Gesellschaft <strong>und</strong><br />

auch für meine Haltung zu meinem Beruf sehen konnte.<br />

In den 1970 er-Jahren ist meines Erachtens mehr an positiver, wenn auch<br />

schmerzhafter Veränderung geschehen als in den Jahrzehnten danach bis<br />

heute. Kritisches Hinterfragen des eigenen Tuns (was mache ich da eigentlich,<br />

muss das so sein <strong>und</strong> wem nutzt das? ) führte in diesen Jahren zu einem<br />

Perspektivenwechsel – fort vom künstlerischen Entwurf hin zum Nutzer. In<br />

den 1970 er-Jahren sollten die Ansprüche der Bevölkerung an Grün- <strong>und</strong> Freiflächen<br />

mit sozialwissenschaftlichen Methoden erforscht <strong>und</strong> definiert werden.<br />

Und das alles möglichst wissenschaftlich <strong>und</strong> in Tabellen <strong>und</strong> Kurven<br />

festgehalten. Damals wurde aber schnell klar: Wenn man die Daten alle hat,<br />

ist noch kein Park oder Spielplatz entworfen. Nutzerbedürfnisse <strong>und</strong> technische<br />

sowie ästhetische Ansprüche müssen zusammengeführt werden, um<br />

269 Weddige


Wormuth<br />

284<br />

Abb. 7 Mann <strong>und</strong> Frau in Betrachtung des Mondes (um 1824) von Caspar David Friedrich<br />

Abb. 8 Blick auf die Kathedrale von Durham (1829) von Felix Mendelssohn Bartholdy (stark beschnitten)


285 Wormuth<br />

Abb. 9 Zwei Männer in Betrachtung des Mondes (um 1820) von Caspar David Friedrich<br />

Abb. 10 Heidelberger Schloss mit der schönen Ferne (1817) von Carl Philipp Fohr


Abb. 7 Eindrücke von den Veranstaltungen am Hochschulstandort Osnabrück-Haste


lich, dass bei Skript keine hochglänzende Auswahl von studentischen Arbeiten<br />

präsentiert wird. Vielmehr wird mit der Ausstellung auf vernachlässigte Themen,<br />

drängende Probleme <strong>und</strong> spannende Methoden hingewiesen. Der Name<br />

»Skript« spielt auf das Vorlesungsskript an: Material wird gesammelt, gegliedert<br />

<strong>und</strong> in Form gebracht. Die Ausstellung wird durch einen Gastvortrag eines<br />

externen Referenten eröffnet.<br />

Planer-Leben<br />

Seit 2006 folgen einmal jährlich Landschaftsarchitekten, Unternehmer des Garten-<br />

<strong>und</strong> Landschaftsbaus, Autoren, Mitarbeiter von Institutionen im Bereich der<br />

Architektur <strong>und</strong> Hochschullehrer der Einladung der Freiraumplanung für das öffentliche<br />

Podiumsgespräch Planer-Leben. Die Themen des Gespräches fokussieren<br />

auf das Berufsfeld praktizierender Landschaftsarchitekten. Ein Anliegen der<br />

Veranstaltung ist es, den Studenten Ein- <strong>und</strong> Ausblicke in die Berufspraxis zu<br />

eröffnen. Zudem bekommen die Studenten die Gelegenheit, Kontakte mit den<br />

anwesenden Gästen zu knüpfen. Auswahl von Themen: Wettbewerbe; Großprojekte;<br />

Arbeiten im Ausland. Das Planer-Leben wurde von Dirk Junker initiiert <strong>und</strong><br />

wird seitdem maßgeblich von ihm kuratiert.<br />

311 Veranstaltungen<br />

Werkstattgespräche<br />

Getragen von dem Wunsch nach einer Auseinandersetzung mit Themen aus der<br />

<strong>Landschaftsarchitektur</strong>, dem Städtebau, der Architektur, dem Design <strong>und</strong> der<br />

Kunst, werden seit 2006 die Werkstattgespräche in der Modellbauwerkstatt des<br />

Studienbereiches <strong>Landschaftsarchitektur</strong> veranstaltet. Zur Anregung des Gespräches<br />

findet anfangs eine Erörterung des Themas durch Studenten statt. Danach<br />

besteht insbesondere für alle anderen anwesenden Studenten die Möglichkeit,<br />

ihre eigenen Zugänge, Meinungen <strong>und</strong> Positionen zum Thema zur Diskussion<br />

zu stellen. Hierbei ist es wichtig, Gedanken so zu verbalisieren, dass sie auch<br />

von anderen verstanden wird. Das Gespräch ist also auch eine Übung an der<br />

eigenen Sprache. Auswahl von Themen: Mobile Kommunikation im Freiraum; Im<br />

Freiraum spielen; Videokunst im öffentlichen Raum. Die Veranstaltung wird fachlich<br />

maßgeblich von Norbert Müggenburg begleitet.<br />

AFA. Architekturfilmabend<br />

Beim AFA. Architekturfilmabend werden Filme gezeigt, die sich mit <strong>Landschaftsarchitektur</strong>,<br />

Städtebau, Architektur, Design <strong>und</strong> Kunst auseinandersetzen. Nach


Autoren<br />

Alle Autoren waren oder sind Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter<br />

oder Studenten im Studienbereich <strong>Landschaftsarchitektur</strong> der Hochschule<br />

Osnabrück.<br />

313 Autoren<br />

Jürgen Bouillon Professor für Gehölzverwendung <strong>und</strong> Vegetationstechnik<br />

Hubertus von Dressler Professor für Landschaftsplanung<br />

Juliane Feldhusen ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

Sebastian Feldhusen ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

Maike Jungvogel ehemalige Studentin der Freiraumplanung<br />

Dirk Junker Professor für Freiraumplanung<br />

Maren Lioba Lutz ehemalige Studentin der Freiraumplanung<br />

Dirk Manzke Professor für Städtebau <strong>und</strong> Freiraumplanung<br />

Jürgen Milchert Professor für Freiraumplanung<br />

Norbert Müggenburg Professor für Zeichnen <strong>und</strong> Modellieren<br />

Cornelia Müller Professorin für Gehölzverwendung <strong>und</strong> Gestaltung


Ole Oßenbrink wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

Cord Petermann Professor für Sozioökonomie der räumlichen Entwicklung<br />

Dorothee Rehr ehemalige Studentin der Freiraumplanung<br />

Verone Stillger Professorin für Landschaftsplanung <strong>und</strong> Regionalentwicklung<br />

(im Ruhestand)<br />

314<br />

Autoren<br />

Cornelie Stoll Professorin für Landschaftsbau (im Ruhestand)<br />

Klaus Thierer wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

Rüdiger Weddige Professor für Freilandpflanzenk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bepflanzungsplanung<br />

(im Ruhestand)<br />

Rüdiger Wormuth Professor für Freiraumplanung, Kunstgeschichte,<br />

Städtebau (im Ruhestand)<br />

Herbert Zucchi Professor für Zoologie <strong>und</strong> Tierökologie (im Ruhestand)


Abb. 11 Park am Gleisdreieck in Berlin

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