CMS Stiftungsmagazin RADAR Nr. 6: Wie wohnen im Alter?

Dieses RADAR vermittelt Ihnen einen Überblick über Forschungsresultate zum Thema «Leben und Wohnen im Alter, lässt Expertinnen und Experten zu Wort kommen – und hat sechs ganz unterschiedliche Menschen aus drei Generationen zu ihren Vorstellungen befragt. Dieses RADAR vermittelt Ihnen einen Überblick über Forschungsresultate zum Thema «Leben und Wohnen im Alter, lässt Expertinnen und Experten zu Wort kommen – und hat sechs ganz unterschiedliche Menschen aus drei Generationen zu ihren Vorstellungen befragt.

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04.12.2018 Aufrufe

Nachgefragt MIRA RAUSCHER, 19 Schweizerin, Biologiestudentin im ersten Semester, lebt mit der Familie im Gotthelfquartier WENN SIE ALT UND GEBRECHLICH SIND: WELCHE UNTERSTÜTZUNG ERWARTEN SIE VON IHREN KINDERN, FREUNDEN, VOM STAAT? WIE OFT TREFFEN SIE SICH MIT FAMILIE UND FREUNDEN? AHMAD Ich wohne ja noch zu Hause und sehe meine Familie immer. Richtige Freunde habe ich hier keine. Ich meine richtige Freunde, die immer für dich da sind. Ein richtiger Freund ist mein Cousin, der im Kriegsgebiet in Syrien lebt. Aber nette Kollegen habe ich schon, und die sehe ich auch häufig. Zweimal pro Woche im Fussballtraining – und auch liebe Kollegen aus meiner ehemaligen Schule hier. MIRA Ich wohne noch zu Hause und sehe meine Familie täglich. Auch meine Freundinnen und Freunde treffe ich jeden Tag. Entweder im Zusammenhang mit meinen Hobbys Fasnacht und Volleyball – oder in der Stadt, an Partys, Konzerten und Festivals. Das wird, je nach Belastung im Studium, sicher abnehmen in Zukunft. EMANUEL Meine Tochter sehe ich natürlich regelmässig. Mittags esse ich oft mit meinen Künstlerkolleginnen und -kollegen und koche auch gerne für Freunde. Zwei meiner Geschwister leben in der Region, die treffe ich regelmässig. SILVIA Ich gehe jede Woche meine betagten Eltern besuchen, und am Freitag und Samstag gehe ich immer mit Freunden in den Ausgang. Ich tanze sehr gerne! HANS Rund einmal pro Woche besuche ich eines meiner vier Kinder und deren Familien in Zürich und Basel. Dazwischen verabrede ich mich auch mit Freunden, zum Wandern zum Beispiel. Und ich besuche regelmässig meine Freundin, die in Deutschland lebt. ANITA Meinen Bruder und meine Schwägerin treffe ich regelmässig oder telefoniere mit ihnen. Und ebenso oft meine Freundinnen und Freunde. Mit den Kindern meiner ehemaligen Pflegekinder fahre ich manchmal mit meinem elektrischen Rollstuhl aus. Die steigen dann auf den Rollstuhl auf und fahren mit – und wir finden das alle sehr lustig! WEN BITTEN SIE UM HILFE, WENN SIE EINE SCHWERE GRIPPE HABEN? AHMAD Meine Familie natürlich, meine Mutter vor allem. MIRA Meine Familie, mit der ich zusammenwohne und die mich umsorgt. EMANUEL Ich kann es mir kaum leisten, krank zu werden, und bin es zum Glück auch selten. Ich versuche darum zu meinem Körper zu schauen. Im Notfall würde ich auch Freunde oder Leute im Haus um Hilfe bitten. SILVIA Vor ein paar Jahren hätte ich noch meine Mutter gefragt, aber sie ist mit ihren 82 Jahren jetzt zu alt und braucht selber Hilfe. Ich habe einen guten Freundeskreis, da hilft man sich gegenseitig. HANS Meine Ex-Frau, die mir eine vertraute Freundin geblieben ist. ANITA Für Kleinigkeiten frage ich meine Nachbarinnen. Wenn es etwas Ernsteres ist: meinen Bruder und meine Schwägerin oder meine Nichten und Neffen. AHMAD In unserer Kultur ist es selbstverständlich, dass sich die Familie um ältere Menschen kümmert. Bei uns geht niemand in ein Altersheim. Aber ich finde das schon ok hier, dass die Menschen im Altersheim sind. Wenn Bewohnerinnen und Bewohner zum Beispiel dement sind und die Verwandten keine Zeit haben, muss sich ja jemand um sie kümmern. MIRA Wenn ich vielleicht mal Kinder habe, würde ich nicht von ihnen verlangen, dass sie mich unterstützen oder pflegen. Ich möchte diese Verpflichtung auch gegenüber meinen Eltern nicht eingehen müssen. Dafür gibt es heute und wohl auch in Zukunft Menschen, die dafür ausgebildet und auch bezahlt werden. Vom Staat? Ich denke, ich werde mal genug verdienen, dass staatliche Unterstützung nicht nötig sein wird. EMANUEL Meiner Tochter möchte ich möglichst nichts aufbürden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich je in ein Altersheim gehen würde. Generationenübergreifende Alters-Wohnprojekte finde ich zwar gut – aber ich bin sozial nicht durchwegs kompatibel. Ich könnte mir Alternativen vorstellen, etwa in ein Kloster zu gehen. SILVIA Kinder habe ich keine. Ich möchte mal in eine Alters-WG ziehen, sodass man sich gegenseitig helfen kann: Der eine kann vielleicht nicht mehr gut laufen, die andere sieht vielleicht nicht mehr gut. Vielleicht ziehe ich auch mit meiner Schwester zusammen. Vom Staat? Ich habe immer geschaut, dass ich gut versichert bin und mein Leben möglichst selbst bestreiten kann. HANS Meine Kinder haben ihre eigenen Familien und sind beruflich sehr gefordert. Und solche Freunde habe ich nicht, von denen ich Unterstützung oder Hilfe erwarten würde. Ich werde wohl mal auf Spitex und Essen auf Rädern zurückgreifen. Im Moment hätte ich sehr gerne Unterstützung bei der Wohnungssuche, denn ich muss wegen der Treppen wohl in absehbarer Zeit raus aus meiner Wohnung. Es fehlt mir aber an Energie dafür. ANITA Ich habe keine Kinder. Wenn es mir wirklich schlecht geht, dann höre ich einfach auf zu essen und zu trinken. Dann werde ich schwach und schlafe nur noch. Die Nebenwirkungen überwacht mein Hausarzt, zu dem ich grosses Vertrauen habe – und er wird die entsprechenden Massnahmen treffen. 10

Nachgefragt HANS LENGSFELD, 81 Deutscher, pensionierter Mitarbeiter eines grossen Basler Pharmaunternehmens, lebt allein in der Innenstadt, vier erwachsene Kinder und sieben Grosskinder WIE GUT KOMMEN SIE KLAR MIT IHREM HEUTIGEN EINKOMMEN? REICHT ES FÜR HEUTE UND AUCH MORGEN? AHMAD Ich verdiene ein bisschen und gebe zu Hause etwas ab. Aber ich werde sicher mal einen guten Job haben als Krankenpfleger und werde dann hoffentlich genug verdienen. MIRA Ich habe eben mein Studium begonnen und rechne damit, dass ich einmal einen gut qualifizierten und bezahlten Job haben werde, der mir Freude macht und mich auch im Alter gut abstützt. Im Moment jobbe ich und verdiene mir einen Zustupf zu meinem Studium. EMANUEL Eigentlich reicht es heute schon nicht. Deshalb mache ich mir manchmal grosse Sorgen, wie das wird, wenn meine körperlichen Kräfte weiter schwinden. Aber irgendwie ging es ja immer. Ich hoffe natürlich immer wieder, dass ich auch Kunstobjekte verkaufen kann. SILVIA Ich lebe bescheiden und halte mich an mein Budget. Wenn etwas mehr in der Kasse ist, reserviere ich das für schlechtere Zeiten. HANS Ich habe mehr als dreissig Jahre lang bei einem der grossen Basler Pharmaunternehmen gearbeitet und habe eine gute Pension und natürlich AHV. Es reicht – auch in Zukunft, hoffe ich. ANITA Es reicht gut. Aber ich brauche auch nicht viel. Meine Haare schneide ich mir zum Beispiel selber und spare so auch Geld für den Coiffeur. Ich schnipple einfach ab, was raussteht. Und sehe doch immer elegant aus – nicht wahr? WORAN DENKEN SIE, WENN SIE AN IHRE LETZTE LEBENSPHASE DENKEN – UND WAS MACHT IHNEN DABEI AM MEISTEN SORGEN? AHMAD Vor Schmerzen habe ich Angst. Oder dass ich dement werde und dann vielleicht unhöflich werde und Menschen verletze. MIRA Wenn ich mal dement und sehr krank werden sollte, würde ich nicht weiterleben wollen. Dann käme für mich Sterbehilfe schon infrage. EMANUEL Dass ich nicht genügend aufgeräumt habe und dass meine Tochter meine Wohnung oder mein Atelier räumen müsste. Vielleicht gehe ich, wenn es nicht mehr geht, in den Wald und lebe in der Natur und mit Tieren und sterbe dann dort einen natürlichen Tod. Vorstellbar ist für mich auch ein Freitod. Das Leben selbst zu beenden ist meiner Meinung nach ein Grundrecht. Ich hoffe und denke, dass meine Tochter diese Entscheidung akzeptieren würde. SILVIA Ich hoffe, dass ich möglichst lange gesund bleibe, beschwerdefrei gehen kann und nicht blind werde. HANS Die Unplanbarkeit des Alters beschäftigt mich. Und dass ich meine geistige Autonomie verlieren könnte und dement werde. Ich bin unentschlossen: Exit ist für mich ein Thema, wenn es so weit ist. Andererseits war es für mich sehr wichtig, das natürliche Lebensende meiner Grosseltern und Eltern mitzuerleben. Um diese Erfahrung möchte ich meine Kinder und Enkel eigentlich nicht bringen. ANITA Mir macht gar nichts Sorgen! Ich weiss, was ich will – und ich kann mich auch wehren. Und ins Spital lasse ich mich auch nicht mehr einliefern. In letzter Zeit habe ich das Vertrauen in diese Institutionen verloren. Dasselbe gilt für Pflegeheime. WIE ALT MÖCHTEN SIE WERDEN? AHMAD 150! Ich möchte in die Zukunft sehen können und wissen, wie das dann sein wird. Ob es dann immer noch Kriege gibt und die Menschen sich um Öl streiten. Ich hoffe, es wird dann nur noch ein Land geben, nämlich das Land Erde – und nicht so viele Länder, die sich bekriegen. MIRA Ich möchte so alt werden, dass ich mich noch gesund und fit fühle und das Leben noch geniessen kann. EMANUEL Ich habe mit der Instanz ‹oben› mal 86 abgemacht. Wenn ich aber schon früher nicht mehr frei sein kann, möchte ich nicht auf dieser Zahl beharren. Natürlich hoffe ich, dass ich die Zeichen der Zeit frühzeitig erkennen und danach handeln kann. SILVIA Hundert Jahre alt! Das wollte ich schon als Kind. HANS So alt, solange mein Verstand mich nicht im Stich lässt. ANITA Ich sagte früher: Ich will mal 124 Jahre alt werden. Heute sage ich: Ich will noch so lange leben, solange ich noch Freude am Leben habe. Sobald ich abhängig werde, will ich nicht mehr weiterleben. 11

Nachgefragt<br />

HANS LENGSFELD, 81<br />

Deutscher, pensionierter Mitarbeiter<br />

eines grossen Basler Pharmaunternehmens,<br />

lebt allein in der Innenstadt, vier erwachsene<br />

Kinder und sieben Grosskinder<br />

WIE GUT KOMMEN SIE KLAR<br />

MIT IHREM HEUTIGEN<br />

EINKOMMEN? REICHT ES FÜR<br />

HEUTE UND AUCH MORGEN?<br />

AHMAD Ich verdiene ein bisschen und gebe<br />

zu Hause etwas ab. Aber ich werde sicher<br />

mal einen guten Job haben als Krankenpfleger<br />

und werde dann hoffentlich genug verdienen.<br />

MIRA Ich habe eben mein Studium begonnen<br />

und rechne damit, dass ich einmal einen<br />

gut qualifizierten und bezahlten Job haben<br />

werde, der mir Freude macht und mich auch<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong> gut abstützt. Im Moment jobbe ich<br />

und verdiene mir einen Zustupf zu meinem<br />

Studium.<br />

EMANUEL Eigentlich reicht es heute schon<br />

nicht. Deshalb mache ich mir manchmal<br />

grosse Sorgen, wie das wird, wenn meine<br />

körperlichen Kräfte weiter schwinden. Aber<br />

irgendwie ging es ja <strong>im</strong>mer. Ich hoffe natürlich<br />

<strong>im</strong>mer wieder, dass ich auch Kunstobjekte<br />

verkaufen kann.<br />

SILVIA Ich lebe bescheiden und halte mich<br />

an mein Budget. Wenn etwas mehr in der<br />

Kasse ist, reserviere ich das für schlechtere<br />

Zeiten.<br />

HANS Ich habe mehr als dreissig Jahre lang<br />

bei einem der grossen Basler Pharmaunternehmen<br />

gearbeitet und habe eine gute Pension<br />

und natürlich AHV. Es reicht – auch in<br />

Zukunft, hoffe ich.<br />

ANITA Es reicht gut. Aber ich brauche auch<br />

nicht viel. Meine Haare schneide ich mir zum<br />

Beispiel selber und spare so auch Geld für<br />

den Coiffeur. Ich schnipple einfach ab, was<br />

raussteht. Und sehe doch <strong>im</strong>mer elegant aus<br />

– nicht wahr?<br />

WORAN DENKEN SIE,<br />

WENN SIE AN IHRE LETZTE<br />

LEBENSPHASE DENKEN –<br />

UND WAS MACHT IHNEN<br />

DABEI AM MEISTEN SORGEN?<br />

AHMAD Vor Schmerzen habe ich Angst.<br />

Oder dass ich dement werde und dann vielleicht<br />

unhöflich werde und Menschen verletze.<br />

MIRA Wenn ich mal dement und sehr krank<br />

werden sollte, würde ich nicht weiterleben<br />

wollen. Dann käme für mich Sterbehilfe<br />

schon infrage.<br />

EMANUEL Dass ich nicht genügend aufgeräumt<br />

habe und dass meine Tochter meine<br />

Wohnung oder mein Atelier räumen müsste.<br />

Vielleicht gehe ich, wenn es nicht mehr geht,<br />

in den Wald und lebe in der Natur und mit<br />

Tieren und sterbe dann dort einen natürlichen<br />

Tod. Vorstellbar ist für mich auch ein<br />

Freitod. Das Leben selbst zu beenden ist<br />

meiner Meinung nach ein Grundrecht. Ich<br />

hoffe und denke, dass meine Tochter diese<br />

Entscheidung akzeptieren würde.<br />

SILVIA Ich hoffe, dass ich möglichst lange<br />

gesund bleibe, beschwerdefrei gehen kann<br />

und nicht blind werde.<br />

HANS Die Unplanbarkeit des <strong>Alter</strong>s beschäftigt<br />

mich. Und dass ich meine geistige<br />

Autonomie verlieren könnte und dement<br />

werde. Ich bin unentschlossen: Exit ist für<br />

mich ein Thema, wenn es so weit ist. Andererseits<br />

war es für mich sehr wichtig, das<br />

natürliche Lebensende meiner Grosseltern<br />

und Eltern mitzuerleben. Um diese Erfahrung<br />

möchte ich meine Kinder und Enkel eigentlich<br />

nicht bringen.<br />

ANITA Mir macht gar nichts Sorgen! Ich<br />

weiss, was ich will – und ich kann mich auch<br />

wehren. Und ins Spital lasse ich mich auch<br />

nicht mehr einliefern. In letzter Zeit habe ich<br />

das Vertrauen in diese Institutionen verloren.<br />

Dasselbe gilt für Pflegehe<strong>im</strong>e.<br />

WIE ALT MÖCHTEN<br />

SIE WERDEN?<br />

AHMAD 150! Ich möchte in die Zukunft<br />

sehen können und wissen, wie das dann<br />

sein wird. Ob es dann <strong>im</strong>mer noch Kriege<br />

gibt und die Menschen sich um Öl streiten.<br />

Ich hoffe, es wird dann nur noch ein Land<br />

geben, nämlich das Land Erde – und nicht so<br />

viele Länder, die sich bekriegen.<br />

MIRA Ich möchte so alt werden, dass ich<br />

mich noch gesund und fit fühle und das<br />

Leben noch geniessen kann.<br />

EMANUEL Ich habe mit der Instanz ‹oben›<br />

mal 86 abgemacht. Wenn ich aber schon<br />

früher nicht mehr frei sein kann, möchte ich<br />

nicht auf dieser Zahl beharren. Natürlich<br />

hoffe ich, dass ich die Zeichen der Zeit frühzeitig<br />

erkennen und danach handeln kann.<br />

SILVIA Hundert Jahre alt! Das wollte ich<br />

schon als Kind.<br />

HANS So alt, solange mein Verstand mich<br />

nicht <strong>im</strong> Stich lässt.<br />

ANITA Ich sagte früher: Ich will mal 124<br />

Jahre alt werden. Heute sage ich: Ich will<br />

noch so lange leben, solange ich noch<br />

Freude am Leben habe. Sobald ich abhängig<br />

werde, will ich nicht mehr weiterleben.<br />

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