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KEM Konstruktion Systems Engineering 01.2017

Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; KEM Porträt: Eplan- und Cideon-Chef Maximilian Brandl, Cideon-Entwicklungsleiter Rolf Lisse und Eplan-Serviceleiter Bernd Schewior erläutern Details zum Syngineer; KEM Perspektiven: Das Internet of Production für agile Unternehmen

Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; KEM Porträt: Eplan- und Cideon-Chef Maximilian Brandl, Cideon-Entwicklungsleiter Rolf Lisse und Eplan-Serviceleiter Bernd Schewior erläutern Details zum Syngineer; KEM Perspektiven: Das Internet of Production für agile Unternehmen

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Das<br />

<strong>Engineering</strong><br />

Magazin<br />

01 2017<br />

www.kem.de<br />

Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Titelstory Seite 26<br />

Zukunft der Entwicklung<br />

ist modellbasiert<br />

Kooperation<br />

ist sehr wichtig<br />

Henning Kagermann<br />

im Interview – Seite 16<br />

Programmieren<br />

für das IoT<br />

Steuerungsplattform<br />

von morgen – Seite 54<br />

Internet of<br />

Production<br />

Aachener WZL greift nach<br />

der Cloud – Seite 62<br />

Im Gespräch | „Schneller kommunizieren per Syngineer“<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 1<br />

Maximilian Brandl, Vorsitzender der Geschäftsführung von Eplan und Cideon – Seite 34


Industrie<br />

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2 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017<br />

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konradin.de/industrie<br />

media.industrie.de


EDITORIAL<br />

Produkt und Produktion<br />

zwei Seiten einer Medaille<br />

Dass das Model-Based <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (MBSE) eine tragende Säule der<br />

Produktentwicklung sein wird, zeigte sich Ende 2016 deutlich bei der Vorstellung<br />

der Ergebnisse des Verbundprojekts mecPro 2 (siehe Titelstory ab S. 26). Im Fokus<br />

stand dabei die modellbasierte Entwicklung von cybertronischen Produkten und<br />

Produktionssystemen – zwei Seiten einer Medaille, die zukünftig untrennbar miteinander<br />

verbunden sein werden, „ohne intelligente Produkte kann es auch keine<br />

intelligente Produktion geben“. Aus der Praxis bestätigt dies Dr. Oliver Riedel, der<br />

jetzt an Uni Stuttgart und Fraunhofer IAO lehrt und davor lange bei Audi für die<br />

Steuerung der Planungsprozesse und die Koordination produktionsrelevanter IT verantwortlich<br />

war (siehe Interview S. 20). „Eigentlich müsste man ein System wie ein<br />

Auto mit den Methoden des MBSE sowohl aus Sicht der Entwicklung als auch aus<br />

Sicht der Produktion modellieren, das heißt, man bräuchte Informationen aus beiden<br />

Fraktionen – aber das scheitert noch oft an den Systemgrenzen.“<br />

Herauszufinden, ob sich diese Aufgabe lösen lässt, war Ziel von mecPro 2 – und sie<br />

wurde gelöst, folgt man den Protagonisten Prof. Martin Eigner als Initiator des Projekts<br />

und Konsortialführer Dr. Walter Koch von der Schaeffler Gruppe (siehe Interview<br />

ab S. 30). „Das wichtigste Ergebnis ist die Beschreibungssystematik cybertronischer<br />

Produkte und Produktionssysteme in SysML“, betont Eigner. Interessant<br />

war zudem die Erkenntnis, dass sich die Entwicklung cybertronischer Systeme in<br />

bestehenden PLM-Lösungen abbilden lässt. Folgern lässt sich aber auch: Themen<br />

wie Industrie 4.0 und Internet of Things (IoT) werden auch für Ingenieure und<br />

Konstrukteure aus der Produktentwicklung eine hohe Relevanz haben – und künftig<br />

werden nur diejenigen erfolgreich sein, denen es gelingt, den Graben zwischen<br />

Produkt- und Produktionsentwicklung zu überwinden.<br />

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Dipl.-Ing. Michael Corban<br />

Chefredakteur<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong><br />

michael.corban@konradin.de<br />

Tel. +49 8542 1680<br />

www.micro-epsilon.de/opto


Inhalt<br />

Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

01 2017<br />

TITELSTORY<br />

Zukunft der Entwicklung<br />

ist modellbasiert<br />

Cybertronische Systeme kommunizieren über das Internet<br />

miteinander. Das vom BMBF geförderte Verbundprojekt<br />

mecPro 2 hat nun untersucht, welchen Beitrag MBSE<br />

zu solchen Systemen leisten kann und wie es sich am<br />

besten in PLM-Systeme und -Prozesse integrieren lässt.<br />

16<br />

Deutschlands moderner industrieller Kern<br />

garantiert Arbeitsplätze, meint Henning<br />

Kagermann, Präsident der Deutschen<br />

Akademie der Technikwissenschaft<br />

Acatech. Damit das so bleibt, seien<br />

Kooperationen von großer Bedeutung.<br />

62<br />

Daten für das ‚Internet of Production für agile Unternehmen‘ könnten<br />

Anwender auf der ganzen Welt liefern – und dafür Zugang zu Expertenwissen<br />

erhalten. Die spannende Frage wird sein: Wer ist letztlich<br />

im Besitz dieses Know-hows und kann dies nutzen?<br />

34<br />

<strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Ansätze erfordern häufig eine<br />

lange Vorbereitung. Damit Mittelständler schneller<br />

loslegen können, bieten Eplan und Cideon den<br />

Syngineer an.<br />

Menschen und Unternehmen<br />

Meldungen<br />

NI arbeitet zusammen mit Spark Cognition und IBM am IIoT ......... 6<br />

Was im IoT möglich ist und möglich sein wird, zeigt Bosch ............ 7<br />

T-<strong>Systems</strong> und Eaton kooperieren branchenübergreifend ................ 8<br />

Ein Report von Kaspersky Lab macht Sicherheitslücken sichtbar .... 9<br />

Unternehmen<br />

Siemens PLM Software: Rückblick auf die PLM Europe 2016 ....... 10<br />

Future Work Lab macht Arbeit 4.0 erlebbar .................................... 12<br />

Aus dem MES D.A.CH Verband‘ .................................................... 14<br />

Veranstaltungen/Publikationen<br />

Cebit rückt Chancen der digitalen Transformation in den Fokus ..... 15<br />

Köpfe der Innovationsförderung<br />

Henning Kagermann, Präsident der<br />

Deutschen Akademie der Technikwisschenschaft Acatech ............ 16<br />

Dr. Oliver Riedel, Leiter des ISW an der Uni Stuttgart<br />

und Institutsdirektor des Fraunhofer IAO ..................................... 20<br />

<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> im Fokus<br />

Aus der Fachgruppe SE: <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> auch für KMU ....... 22<br />

Aus der GfSE: 20 Jahre internationale Vernetzung ........................ 24<br />

Methoden<br />

Titelstory<br />

Ergebnisse des BMBF-Verbundprojekts mecPro² .......................... 26<br />

MBSE/PLM<br />

Nachgefragt: Was hat das Verbundprojekt mecPro² gebracht? ...... 30<br />

Serie <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Teil 6: Effiziente Entwicklung<br />

von Hochleistungs-Stromspeichern ............................................... 38<br />

Datenvernetzung<br />

Die vernetzte Zukunft von PLM ..................................................... 40<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong> Porträt<br />

„Der Syngineer fördert interdisziplinäre Kommunikation“<br />

Eplan und Cideon stellen Kommunikationsplattform vor ............... 34<br />

4 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


Industrie<br />

26<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong><br />

finden Sie auch<br />

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keosk !<br />

Tools<br />

Datenmanagement/PLM<br />

Die Digital <strong>Engineering</strong> Journey von PTC .................................. 43<br />

Anforderungsmanagement<br />

Disposition 4.0 für die smarte Fabrik ......................................... 46<br />

Systementwicklung/CAD<br />

CAD-Umstieg ohne Produktivitätseinbruch ................................ 49<br />

Programmiersysteme<br />

Von der Projektierung bis zur fertigen Schaltanlage ................... 52<br />

Die PLCnext Technology als Basis<br />

für eine neue, offene Steuerungsplattform ................................ 54<br />

Anwendungen<br />

IT-Infrastruktur<br />

Die Trends im Rechenzentrum 2017 ........................................... 57<br />

Kommunikation/Security<br />

Safety ohne Security geht nicht ................................................. 58<br />

Industrie 4.0<br />

Erfolgsfaktor Kundennähe .......................................................... 60<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong> Perspektiven<br />

Das ‚Internet of Production für agile Unternehmen‘<br />

„Ein Laboratorium ist nicht genug –<br />

deswegen wird die Welt zum Labor“ ........................................ 62<br />

Jetzt<br />

lesen!<br />

Rubriken<br />

Editorial ........................................................................................ 3<br />

Wir berichten über ....................................................................... 8<br />

Cartoon ...................................................................................... 66<br />

Vorschau ..................................................................................... 66<br />

Inserentenverzeichnis ................................................................ 66<br />

Impressum ................................................................................. 66<br />

Weitere Informationen finden Sie unter:<br />

www.keosk.de/de/ee05ab3255/archive/


MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

MELDUNGEN<br />

Bild: NI<br />

NI: Zusammenarbeit mit Spark Cognition und IBM<br />

Weiterentwicklung des IIoT<br />

National Instruments gibt die Zusammenarbeit mit Spark Cognition und IBM am<br />

Condition Monitoring and Predictive Maintenance Testbed bekannt.<br />

Das Condition Monitoring and Predictive Maintenance Testbed nutzt maschinelle Lernalgorithmen<br />

und -modelle, um Maschinenausfälle im Vorfeld zu erkennen, Wartungskosten zu senken und einen<br />

sicheren Betrieb zu gewährleisten<br />

Da in vielen Industriebereichen bessere<br />

Verfahren benötigt werden, um alternde<br />

Anlagen zu verwalten und die Lebensdauer<br />

zu verlängern, soll durch die Zusammenarbeit<br />

am Testbed ein Höchstmaß an Inter -<br />

operabilität zwischen Betriebs- (OT Operational<br />

Technology) und Informationstechnik (IT<br />

Information Technology) sichergestellt werden.<br />

Aus den gesammelten Rohdaten lassen<br />

sich wichtige Erkenntnisse ableiten, um Anlagen<br />

sowie den Betrieb und die Prozesse zu<br />

optimieren. Zudem können Prognosen, die<br />

auf künstlicher Intelligenz basieren, Komponentenausfälle<br />

im Vorfeld erkennen, nicht optimale<br />

Betriebsbedingungen identifizieren,<br />

und es können Ursachenanalysen durchgeführt<br />

werden. Das Condition Monitoring and<br />

Predictive Maintenance Testbed basiert auf<br />

der offenen, softwarezentrierten Plattform<br />

von NI und schöpft die aktuellen Möglichkeiten<br />

im Bereich des maschinellen Lernens<br />

aus. Anwender können mit den von Spark<br />

Cognition entwickelten kognitiven Analysefunktionen<br />

Ermüdungserscheinungen und<br />

Ausfälle bei kritischen Anlagen proaktiv verhindern,<br />

da sie wichtige Einblicke in den Zustand<br />

ihrer Anlagen sowie Lösungsvorschläge<br />

für potenzielle Probleme erhalten. ik<br />

www.ni.com<br />

Intel: Strategie zur künstlichen Intelligenz<br />

Die Vorteile der<br />

Technologien maximieren<br />

Im Rahmen des AI (Artificial Intelligence) Day<br />

Ende 2016 hat Intel in San Francisco seine<br />

neue Strategie im Bereich ‚künstliche Intelligenz‘<br />

vorgestellt. In den kommenden Jahren<br />

möchte das Unternehmen die Entwicklung<br />

von AI-Lösungen maßgeblich vorantreiben,<br />

sie einer größeren Zielgruppe zugänglich<br />

machen und so die gesellschaftlichen Vorteile<br />

künstlicher Intelligenz maximieren. Zu diesem<br />

Zweck kündigte das Unternehmen unter<br />

anderem mit der Intel-Nervana-Plattform<br />

ein umfassendes Datacenter-Computing-<br />

Portfolio für die Industriebranche an. „Intel<br />

kann entscheidende Technologien liefern, um<br />

die Revolution der künstlichen Intelligenz voranzubringen.<br />

Aber letztendlich müssen wir<br />

als Industrie – und auch als Gesellschaft –<br />

zusammenarbeiten, um das hohe Potenzial<br />

der künstlichen Intelligenz voll ausnutzen zu<br />

können“, erklärte dazu Doug Fisher, Senior<br />

Vice President und General Manager der<br />

Software and Services Group bei Intel. ik<br />

www.intel.de<br />

Xilinx: FPGA-basierte Plattform für intelligente Cloud-Applikationen<br />

Beschleunigung der Learning-Applikationen<br />

Victor Peng, Executive Vice President<br />

und General Manager der Programmable<br />

Products Group bei Xilinx<br />

Bild: Xilinx<br />

Mit Baidu Inc. verwendet ein führender chinesischer<br />

Internet-Suchdienstanbieter Xilinx-<br />

FPGAs zur Beschleunigung von Machine-<br />

Learning-Applikationen in seinen Datenzentren.<br />

Beide Unternehmen kooperieren, um<br />

den großvolumigen Einsatz der FPGA-basiert<br />

beschleunigten Plattformen stetig zu erweitern.<br />

Das rasche Wachstum neu entstehender<br />

Applikationen erhöht zunehmend die<br />

Auslastung der Rechnerkapazitäten. Deshalb<br />

setzen Datenzentren vermehrt Akzeleratoren<br />

für ihre Applikationen ein, um mit der Nachfrage<br />

nach größerem Durchsatz bei geringer<br />

Latenz Schritt zu halten und einen praktikablen<br />

Energieverbrauch zu bewahren. Xilinx-<br />

FPGAs bieten die Energie-Effizienz für den<br />

Einsatz von Akzeleratoren in Datenzentren<br />

und erzielen dabei eine 10- bis 20-fache<br />

Verbesserung der Performance pro Watt Leistung.<br />

Die für Baidu optimierten FPGA-Plattformen<br />

sind auf Machine-Learning-Applikationen<br />

wie Bild- und Sprachverarbeitung abgestimmt.<br />

„Wir begrüßen Baidus Innovation,<br />

Expertise und Kreativität bei der Markteinführung<br />

fortschrittlicher Applikationen“, sagt<br />

Victor Peng, Executive Vice President und<br />

General Manager der Programmable Products<br />

Group bei Xilinx.<br />

ik<br />

www.xilinx.com<br />

6 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


MELDUNGEN<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

Autonomik für Industrie 4.0: Praxisnahe Projekte vorgestellt<br />

Digitale Innovationen für die Industrie<br />

Bosch: Zentraler Content-Hub gestartet<br />

IoT-Lösungen im Fokus<br />

Das im Rahmen der Konferenz „Digitale<br />

Innovationen für die Industrie“ gezeigte<br />

Projekt Smart Face zeigt die dezentrale<br />

Produktionssteuerung für die Automobilindustrie<br />

Bild: Siemens<br />

Fünfzehn praxisnahe Technologieprojekte von<br />

Unternehmen und Forschungseinrichtungen<br />

aus dem Technologieprogramm „Autonomik<br />

für Industrie 4.0“ zeigten auf der Konferenz<br />

„Digitale Innovationen für die Industrie“ im<br />

Oktober 2016 in Berlin, wie das Konzept von<br />

Industrie 4.0 umsetzbar ist. Stefan Schnorr,<br />

Abteilungsleiter Digital- und Innovationspolitik<br />

im Bundesministerium für Wirtschaft und<br />

Energie, betonte in seiner Eröffnungsrede,<br />

dass rund 15 Mio. Arbeitsplätze in Deutschland<br />

von der Industrie und der Fertigung ab-<br />

Siemens: IoT-Ecosystem auf der Cloud-Plattform<br />

Ohne Installations- oder Wartungsaufwand<br />

Das Unternehmen plant, das offene IoT-Ecosystem<br />

Mind Sphere im Laufe des Jahres<br />

2017 auf der Microsoft-Cloud-Plattform Azure<br />

verfügbar zu machen. Mind Sphere ermöglicht<br />

es Industrieunternehmen, die Leistungsfähigkeit<br />

von Anlagen durch das Erfassen<br />

sowie die Analyse großer Mengen von Produktionsdaten<br />

zu verbessern. Die Plattform<br />

und zugehörige Anwendungen sollen zukünftig<br />

auf Microsoft Azure angeboten werden.<br />

Durch die Nutzung der Public-Cloud-Dienste<br />

hingen und die Digitalisierung Prognosen<br />

zufolge bis 2025 Produktionssteigerungen<br />

von bis zu 30 % ermögliche.<br />

Auf der Konferenz wurde in vier<br />

thematischen Schwerpunkten diskutiert<br />

und in einer begleitenden Ausstellung<br />

anschaulich demonstriert,<br />

welche anwendungsnahen Lösungen für die<br />

industrielle Produktion bereits Realität sind.<br />

Dabei lag ein besonderes Augenmerk auf der<br />

Konzeption und Realisierung autonomer Systeme.<br />

Präsentiert wurden neben technischen<br />

Lösungen wie neue <strong>Engineering</strong>konzepte,<br />

autonome Logistiksysteme und Servicerobotik<br />

auch Veränderungen in Organisationsstrukturen<br />

und Qualifikationsprofilen. Als<br />

nächster Schritt steht nun an, die erzielten<br />

Ergebnisse auf dem Markt anzubieten. ik<br />

Bild: BMWi/Boening<br />

www.autonomik.40.de<br />

Das offene IoT-Ecosystem<br />

Mind Sphere von Siemens wird im<br />

Laufe des Jahres auf der Microsoft-<br />

Cloud-Plattform Azure verfügbar<br />

entfällt der Installations- und Wartungsaufwand,<br />

den eine eigene<br />

IT-Infrastruktur mit sich bringt.<br />

Zudem ermöglichen die Azure-<br />

Infrastruktur-Dienste eine skalierbare<br />

Verfügbarkeit, indem nur die<br />

tatsächlich benötigte Rechenleistung<br />

eingesetzt und abgerechnet<br />

wird. Unternehmen, die ihre Anwendungen<br />

in der Public Cloud entwickeln<br />

und bereitstellen möchten, sollen zukünftig<br />

zwischen Microsoft-Rechenzentren an unterschiedlichen<br />

Standorten weltweit wählen<br />

können. Mit Azure Stack sollen sie außerdem<br />

Azure-Dienste im eigenen Rechenzentrum<br />

einsetzen können. Anwender profitieren so<br />

ebenfalls von der Skalierbarkeit und dem effizienten<br />

Management einer Public-Cloud-<br />

Lösung.<br />

ik<br />

www.siemens.com<br />

Bild: Bosch<br />

Bosch zeigt, was im Internet der Dinge möglich ist<br />

bzw. zukünftig möglich sein wird<br />

Schon heute kommunizieren Milliarden<br />

Dinge miteinander, tauschen Informationen<br />

aus und agieren selbständig. Für die Bosch-<br />

Gruppe ist Vernetzung zentraler Teil der Unternehmensstrategie<br />

und damit auch ein<br />

wesentlicher inhaltlicher Schwerpunkt der<br />

Unternehmenskommunikation. Deshalb hat<br />

das Unternehmen nun einen zentralen<br />

Content-Hub gestartet und richtet sich damit<br />

an Meinungsführer und Medienschaffende<br />

sowie interessierte Endkunden. „Der Nutzen<br />

von IoT-Lösungen muss stärker in den Vordergrund<br />

rücken. Wir müssen uns offen mit den<br />

Herausforderungen der neuen Technologie<br />

auseinandersetzen und dabei vor allem die<br />

Potenziale aufzeigen“, sagt Dr. Christoph Zemelka,<br />

Leiter der Bosch-Unternehmenskommunikation.<br />

Folgerichtig soll die Connected<br />

World in den kommenden Monaten zu einer<br />

zentralen Anlaufstelle im Netz für das Thema<br />

IoT werden. Die Plattform wird weiter wachsen<br />

und das umfassende Produkt- und Serviceangebot<br />

von Bosch in aller Breite darlegen.<br />

Gleichzeitig werden externe Experten<br />

und Vordenker als Thought Leader auf ihr zu<br />

Wort kommen. Darüber hinaus aggregiert die<br />

Seite zahlreiche Diskussionen und Beiträge<br />

in sozialen Netzwerken wie Facebook und<br />

Twitter. Bei der Konzeption der Plattform lag<br />

ein besonderes Augenmerk auf der Content-<br />

Marketing-Strategie: Ein Storytelling-Ansatz<br />

dient dazu, den Nutzer in das IoT-Universum<br />

von Bosch zu ziehen und gleichzeitig das breite<br />

Produkt- und Leistungsportfolio zu zeigen.<br />

„Wir bieten zum ersten Mal einen zentralen<br />

Überblick über das IoT-Geschäft von Bosch“,<br />

so Dr. Christoph Zemelka weiter.<br />

ik<br />

www.bosch.com<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 7


MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

MELDUNGEN<br />

Eaton: Industrielle Anwendungen vernetzen<br />

IoT für deutsche Maschinen- und Anlagenbauer<br />

Bild: Eaton<br />

T-<strong>Systems</strong> und Eaton kooperieren branchenübergreifend<br />

beim Internet der Dinge (IoT)<br />

und bieten Maschinen- und Anlagenbauern<br />

sichere IoT-Lösungen zur Vernetzung ihrer<br />

Systeme in der Cloud. Dabei ermöglichen die<br />

Automatisierungskomponenten des Energiemanagement-Unternehmens<br />

Eaton die einfache<br />

Anbindung an die Multi-IoT-Plattform der<br />

Telekom-Tochter auf Basis des OPC-UA-Stan-<br />

Christof Spiegel, Geschäftsführer<br />

bei Eaton Industries GmbH, und<br />

Wilfried Bauer, Leiter Systemintegration<br />

für digitale Lösungen, Cloud,<br />

Internet der Dinge bei T-<strong>Systems</strong>,<br />

arbeiten gemeinsam daran, dass<br />

deutsche Maschinen in Zukunft IoTready<br />

sind (v.l.)<br />

dards. Über diesen Lösungsansatz können<br />

Maschinenbauer künftig komplette Anlagen<br />

direkt von der Cloud aus überwachen,<br />

vorausschauend warten sowie Verschleiß,<br />

Betriebskosten und Produktivität der Maschinen<br />

im Fertigungsprozess durch intelligente<br />

Datenauswertung optimieren. Ein wesentlicher<br />

Vorteil besteht hier in den Möglichkeiten,<br />

die mit der Analyse von umfassenden<br />

„Gerade mittelständische<br />

Betriebe<br />

sollten auf<br />

vertrauens volle<br />

Partnerschaften<br />

setzen.“<br />

Maschinendaten über den gesamten<br />

Lebenszyklus einer oder auch mehrerer<br />

Maschinen unabhängig vom Standort verbunden<br />

sind. Beide Unternehmen wollen<br />

gemeinsam mit Pilotkunden IoT-Services auf<br />

Basis von aktuellen Daten aus der laufenden<br />

Produktion entwickeln. Je nach Szenario sollen<br />

sich individuelle Parameter vom Anwender<br />

bestimmen und nutzen lassen. „Gerade<br />

mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer<br />

haben meist nicht die Möglichkeit und<br />

die Mittel, in sichere, leistungsfähige IoT- und<br />

Cloud-Technologie zu investieren“, sagt<br />

Stefan Selke, MOEM Segment Marketing<br />

Manager EMEA bei Eaton. „Um sich erfolgreich<br />

für die Zukunft aufzustellen, sollten sie<br />

auf vertrauensvolle Partner setzen.“ ik<br />

www.eaton.de<br />

Wir berichten über<br />

IST Austria: Mathematische Analysemethoden<br />

Die Jagd auf Computerfehler<br />

Acatech .............................................. 16<br />

Accumotive ........................................ 38<br />

Audi .................................................... 20<br />

Autonomik für Industrie 4.0 ................. 7<br />

BMW ................................................. 40<br />

Bosch .............................................. 7, 40<br />

Bosch Rexroth ..................................... 9<br />

BT ........................................................ 9<br />

Cideon ............................................... 34<br />

Contact Software ......................... 26, 30<br />

Continental AG ................................... 26<br />

Conweaver ......................................... 40<br />

Daimler .............................................. 26<br />

Dassault Systèmes ............................ 22<br />

Deutsche Messe ................................ 15<br />

Deutsche Post DHL ........................... 62<br />

DFKI ................................................... 15<br />

Digital in NRW ................................... 22<br />

e.GO Mobile ...................................... 62<br />

Eaton ................................................... 8<br />

Elha Maschinenbau Liemke ............... 22<br />

:em engineering methods ................. 26<br />

Eplan .................................................. 34<br />

Ernst & Young .................................... 40<br />

Fraunhofer IAO ............................. 12, 20<br />

Fraunhofer IEM ............................ 22, 38<br />

Fraunhofer IPA ................................... 12<br />

Fraunhofer IPT ................................... 62<br />

Friedrich Remmert ............................. 22<br />

GfSE ...................................... 22, 24, 26<br />

Harting Applied Technologies ............. 22<br />

Hewlett Packard Enterprise ................ 15<br />

Inneo Solutions .................................. 49<br />

Intel ...................................................... 6<br />

IST Austria ............................................ 8<br />

ISW an der Universität Stuttgart ........ 20<br />

it‘s OWL ............................................. 38<br />

Kaspersky Lab ..................................... 9<br />

Lünendonk & Hossenfelder ............... 15<br />

MES D.A.CH Verband ......................... 14<br />

Microsoft ............................................. 7<br />

National Instruments ........................... 6<br />

Opel ................................................... 40<br />

OWL Maschinenbau .......................... 22<br />

OWL ViProSim ................................... 22<br />

Phoenix Contact ................................ 54<br />

PLMportal .......................................... 43<br />

PTC .............................................. 43, 49<br />

Rittal ................................................... 57<br />

Rockwell Automation ........................... 9<br />

Schaeffler Gruppe ........................ 26, 30<br />

SCT Supply<br />

Chain Technologies ............................ 46<br />

Siemens ................................... 7, 26, 30<br />

Siemens PLM Software ............... 10, 26<br />

SSV Software <strong>Systems</strong> ...................... 58<br />

Streetscooter ..................................... 62<br />

TOX Pressotechnik ............................. 49<br />

Trend Micro .......................................... 9<br />

T-<strong>Systems</strong> ............................................ 8<br />

TU Berlin ............................................ 26<br />

TU Kaiserslautern ........................ 26, 30<br />

Unisys ................................................ 15<br />

Unity .................................................. 26<br />

Wago ................................................. 52<br />

Weidmüller ........................................ 60<br />

WZL der RWTH Aachen ..................... 62<br />

Xilinx .................................................... 6<br />

Um die Sicherheit von Computerprogrammen<br />

und der Hardware<br />

zu erhöhen, werden mathematische<br />

Analysemethoden benötigt.<br />

Ein Forscherteam um den Computerwissenschaftler<br />

Krishnendu<br />

Chatterjee hat nun innerhalb<br />

eines vom Wissenschaftsfonds<br />

FWF finanzierten Projekts Möglichkeiten<br />

gefunden, diese Methoden<br />

in Zukunft deutlich zu beschleunigen.<br />

„Es gibt seit langer<br />

Zeit Versuche, eine formale Basis<br />

zu finden, um korrekte Systeme<br />

zu designen“, erklärt Chatterjee,<br />

der Professor am IST Austria ist.<br />

Das mittlerweile beendete Projekt<br />

war sehr erfolgreich: Es gelang,<br />

mehrere seit den Neunzigerjahren<br />

bestehende Schranken<br />

für die Geschwindigkeit bestimmter<br />

Verifikationsalgorithmen<br />

zu durchbrechen, etwa im<br />

Bereich sogenannter „Markov<br />

Decision Processes“. Das sind<br />

Modelle, die mehrere Auswahlmöglichkeiten<br />

und ein Zufallselement<br />

beinhalten. Für viele Anwendungen<br />

ist die Beantwortung<br />

der Frage zentral, welche<br />

Ereignisse in so einem Modell<br />

mit absoluter Sicherheit eintreten.<br />

„Der bisher effizienteste Algorithmus<br />

dafür war von 1995<br />

und hatte quadratische Komplexität“,<br />

sagt Chatterjee. Damit ist<br />

gemeint, dass die Algorithmus-<br />

Laufzeit mit der Größe des untersuchten<br />

<strong>Systems</strong> quadratisch<br />

steigt – ein doppelt so großes<br />

System braucht also die vierfache<br />

Laufzeit. „In unserem Projekt<br />

konnten wir diese Grenze<br />

mit Graph-algorithmischen Techniken<br />

überwinden.“ Er betont<br />

aber auch, dass es sich um ein<br />

reines Grundlagenprojekt handelte.<br />

„Unsere erste Arbeit war<br />

sehr theoretisch. Nun wollen wir<br />

sehen, wie sich diese Zugänge in<br />

der Praxis umsetzen lassen.“ ik<br />

www.ist.ac.at<br />

8 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


MELDUNGEN<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

BT: Umfassende Security-Services<br />

Kooperation für mehr<br />

Sicherheit in der Cloud<br />

Der Netzwerk- und IT-Dienstleister BT (British<br />

Telecommunications) und Trend Micro, ein<br />

Anbieter im Bereich Cybersecurity, arbeiten<br />

zukünftig zusammen, um die Sicherheit von<br />

Cloud- Lösungen zu verbessern. Deep Security,<br />

die Sicherheitslösung für Rechenzentren<br />

von Trend Micro, ist deshalb nun auf der<br />

Cloud Compute-Plattform von BT verfügbar.<br />

Die Funktionen von Deep Security umfassen<br />

die Abwehr von Schadsoftware, eine Hostbasierte<br />

Firewall, Intrusion Detection and<br />

Prevention, eine Integritätsüberwachung, die<br />

Prüfung von Logfiles sowie vertrauenswürdige<br />

SSL-Zertifikate. Nutzer können sich damit<br />

beispielsweise vor Ransomware, zielgerichteten<br />

Attacken und Advanced Persistent<br />

Threats (APT) schützen. Aktiviert werden<br />

kann der Service bei der Bestellung von<br />

Cloud Compute über das Compute Management<br />

System (CMS) von BT. Dabei können<br />

die benötigten Module für alle oder nur für<br />

bestimmte Teile der Cloud-Infrastruktur freischalten<br />

werden.<br />

ik<br />

www.bt.com/de<br />

Kaspersky Lab: Gefährlicher DDoS-Trend<br />

Attacken aus dem Internet der Dinge<br />

Im vierten Quartal des Jahres 2016 haben<br />

sich DDoS-Attacken (Distributed Denial of<br />

Service) deutlich weiterentwickelt. Die<br />

Angriffsmethoden werden immer anspruchsvoller<br />

und das Internet der Dinge (IoT) bietet<br />

Cyberkriminellen neue – oft unzureichend<br />

geschützte – Geräte, über die sie Botnetzbasierte<br />

DDoS-Angriffe durchführen können.<br />

Diese Erkenntnisse gehen aus dem aktuellen<br />

DDoS-Report von Kaspersky Lab hervor. Im<br />

vierten Quartal des vergangenen Jahres verzeichnete<br />

das DDoS Intelligence System von<br />

Kaspersky Lab in 80 Ländern weltweit solche<br />

Attacken, die über Botnetze durchgeführt<br />

Die Verteilung der DDoS-<br />

Attacken nach ihrer<br />

Dauer in Stunden – aus<br />

dem aktuellen DDoS-<br />

Report von Kaspersky Lab<br />

Bild: Kaspersky Lab<br />

wurden – im vorherigen Quartal waren noch<br />

67 Länder betroffen. Deutschland liegt<br />

sowohl hinsichtlich der Verteilung der DDoS-<br />

Attacken nach Ländern als auch, was die einzelnen<br />

Zielobjekte betrifft, im weltweiten Vergleich<br />

unter den Top-10. Der größte Anteil der<br />

weltweit von Kaspersky Lab gemessenen<br />

Attacken dieser Art zielte im betrachteten<br />

Zeitraum auf China ab – vor den USA und<br />

Südkorea. Die längste DDoS-Attacke im vierten<br />

Quartal dauerte 292 Stunden an und<br />

stellte damit den Rekord für die langwierigste<br />

DDoS-Attacke im Jahr 2016 dar. ik<br />

www.kaspersky.de<br />

Bosch Rexroth: Ausbau des Mechatronik-Trainingssystems<br />

Einsatzmöglichkeiten der i4.0-Minifabrik erweitert<br />

Rockwell Automation: 5-Punkte-Programm<br />

Chance zur Differenzierung<br />

Industrie 4.0 zum Anfassen und Erleben:<br />

Das Trainingssystem mMS 4.0 von Bosch<br />

Rexroth kommt in zahlreichen Berufs- und<br />

Hochschulen sowie Ausbildungsbetrieben<br />

zum Einsatz. Ob zur Mechatronik-Ausbildung<br />

oder zur Weiterqualifizierung – das auf Standardkomponenten<br />

basierende und modular<br />

erweiterbare Trainingssystem vermittelt anschaulich<br />

und praxisorientiert wegweisende<br />

Industrie 4.0-Technologien. Nun hat Rexroth<br />

das Einsatzspektrum der Minifabrik aufs<br />

Neue erweitert: Neben der Einbindung der<br />

kollaborierenden Roboter APAS von Bosch<br />

lässt sich das Trainingssystem jetzt auch mit<br />

der PPM (Production Performance Manager)<br />

Software vernetzen. Bei APAS (Automatischer<br />

Produktions-Assistent) handelt es sich<br />

um mobile Automatisierungsgeräte für den<br />

Einsatz in der vernetzten Fertigung<br />

der Zukunft. Durch die Anbindung<br />

an die Production<br />

Performance Manager-Software<br />

(PPM) gestattet das System<br />

zukünftig ein umfassendes Monitoring,<br />

mit dem ein weltweiter<br />

Zugriff auf die Maschinendaten<br />

der Anlage ermöglicht wird. ik<br />

www.boschrexroth.com<br />

Bild: Bosch Rex rot<br />

oth<br />

Zukünftig noch vielfältiger einsetzbar:<br />

Das Trainingssystem mMS 4.0<br />

lässt sich nun um einen kollaborierenden<br />

Roboter APAS von Bosch<br />

erweitern<br />

Hersteller und Industrieunternehmen sehen<br />

sich in Zeiten von Industrie 4.0 mit konstant<br />

wachsenden Anforderungen an die Mitarbeiter<br />

sowie einer Flut an neuen Technologien<br />

konfrontiert. Entsprechend müssen Führungskräfte<br />

ihre Strategien überdenken.<br />

Rockwell Automation hat hierfür ein 5-Punkte-<br />

Programm erarbeitet: Zu den entsprechenden<br />

Empfehlungen gehören die Verbesserung<br />

des Maschinendesigns unter Berücksichtigung<br />

von Ergonomie und Sicherheitsrisiken<br />

für Mitarbeiter, der Aufbau eines Connected<br />

Enterprise zur Verbesserung von Produktivität<br />

und Effizienz durch einen informationsgestützten<br />

Betrieb sowie die Schulung der<br />

Arbeitskräfte zum Erhalt und zur Weitergabe<br />

des Wissens des erfahrenen Personals.<br />

Reiner Wippermann, Business Manager<br />

Integrated Architecture bei Rockwell Automation:<br />

„Hersteller sollten ihren Personalentwicklungsbedarf<br />

als eine Chance zur Differenzierung<br />

vom Wettbewerb nutzen und nicht als<br />

Option für Kosteneinsparungen.“<br />

ik<br />

www.rockwellautomation.de<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 9


MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

UNTERNEHMEN<br />

Siemens stellte auf der Anwendertagung<br />

„PLM Europe 2016“ in Berlin<br />

einige interessante Lösungen vor,<br />

unter anderem eine neue durchgehende<br />

Lösung für die additive<br />

Fertigung<br />

Bild: Siemens<br />

Rückblick auf die PLM Europe 2016<br />

Geschlossene Prozesskette<br />

Siemens PLM Software hat auf dem Weg zur Digitalen Fabrik einen weiteren Schritt genommen:<br />

Auf der Anwendertagung „PLM Europe 2016“ im Oktober 2016 stellte das Unternehmen eine neue<br />

Lösung für die additive Fertigung vor. Kernelement dieser durchgehenden Lösung von der <strong>Konstruktion</strong><br />

bis hin zur Fertigung ist die CAD/CAM/CAE-Software NX11. Auch für Konstrukteure bietet NX11<br />

interessante neue Optionen.<br />

Stefan Graf, Fachjournalist, Darmstadt<br />

Es ist schon viele Jahre ein Thema: Eine durchgehende Prozesskette<br />

vom CAD-System bis hin zur Fertigungsmaschine. Viele<br />

Lösungen sind auch auf dem Markt. Eine integrierte Lösung aus einer<br />

Hand hingegen ist schon lange der Wunschtraum vieler Verantwortlicher<br />

in den Bereichen <strong>Konstruktion</strong> und Fertigung. Siemens<br />

PLM hat nun auf der Anwendertagung „PLM Europe 2016“ in Berlin<br />

eine solche Lösung angekündigt. Zentrales Element hierbei ist das<br />

CAD/CAM/CAE-System NX 11. Die Tagung war übrigens so gut besucht<br />

wie noch nie – rund 1100 Interessierte fanden den Weg in die<br />

Hauptstadt.<br />

Die neue Lösung für die additive Fertigung soll ab Januar 2017 erhältlich<br />

sein und besteht aus integrierter Software für <strong>Konstruktion</strong>,<br />

Simulation, digitale Fertigung sowie Daten- und Prozessmanagement.<br />

Mit dem Angebot können Anwender die Vorteile aktueller<br />

Technologie für additive Fertigung beziehungsweise 3D-Druck besser<br />

nutzen. Bei der neuen Lösung kommen über alle Phasen hinweg<br />

intelligente Produktmodelle zum Einsatz, ohne Daten zwischen<br />

Prozessen und Anwendungen konvertieren oder übersetzen zu<br />

müssen. Dadurch ist es möglich, ein Generative Design automatisiert<br />

zu erstellen, und zwar auf Basis neuer Funktionen für optimierte<br />

Topologien. So entstehen häufig organische Formen, auf die ein<br />

Konstrukteur von sich aus wohl kaum käme und die mit herkömmlichen<br />

Fertigungsmethoden nur sehr kompliziert oder gar nicht zu fertigen<br />

wären.<br />

Neue Wege für die additive Fertigung<br />

Die Technologie in Kombination mit der neuen Software für additive<br />

Fertigung von Siemens könnte Unternehmen in die Lage versetzen,<br />

die Produktgestaltung völlig neu zu definieren und dadurch eine<br />

bessere Performance bei geringeren Kosten zu erreichen. Darüber<br />

hinaus könnte durch 3D-gedruckte, formoptimierte Bauteile die An-<br />

zahl der Teile in einer Baugruppe sinken. Das sorgt für geringeres<br />

Gewicht bei höherer Festigkeit. Im Endeffekt ergibt sich dadurch<br />

enormer Mehrwert für Branchen wie den Automobilbau, die Luftfahrtindustrie<br />

oder die Medizintechnik.<br />

Mehr konstruktive Kreativität<br />

Konstrukteure entwickeln Bauteile aufgrund ihrer Ausbildung mit<br />

herkömmlichen Produktionstechnologien im Hinterkopf. Das<br />

schränkt Kreativität und Innovationsgeist ein. Heute werden Teile in<br />

der Fertigung noch gestanzt, tiefgezogen, gegossen oder maschinell<br />

hergestellt. Mit einer völlig neuen Art, Teile zu konstruieren und<br />

zu fertigen, hilft Siemens Ingenieuren und Konstrukteuren dabei, eine<br />

neue Generation von Produkten neu zu denken. Anwender können<br />

<strong>Konstruktion</strong>en mit deutlich besserem Verhältnis von Festigkeit<br />

zu Gewicht erstellen. Mit hoch entwickelten, integrierten Technologien<br />

für Simulation und Analyse lässt sich das Verhalten der <strong>Konstruktion</strong><br />

vorausberechnen. Diese neue Technologie mit ihrem hohen<br />

Veränderungspotential wird innovative <strong>Konstruktion</strong>sansätze<br />

fördern.<br />

Die neue Lösung für additive Fertigung umfasst die Software NX<br />

von Siemens für integriertes Computer Aided Design, Manufacturing<br />

und <strong>Engineering</strong> (CAD/CAM/CAE), das neu vorgestellte Simcenter-Portfolio,<br />

ein Paket an Simulationssoftware und Testlösungen,<br />

Teamcenter für die Datenverwaltung sowie Simatic IT Unified<br />

Architecture Discrete Manufacturing und Simatic WinCC. Beide gehören<br />

zum Manufacturing Operations Management (MOM)-Portfolio<br />

für Produktionsausführung und automatisierte Fertigung.<br />

Zu den neuen Technologien, die in die Lösung eingeflossen sind, gehören<br />

auch Convergent Modeling und Topologieoptimierung. Beide<br />

Technologien ermöglichen automatisiertes <strong>Konstruktion</strong>en basierend<br />

auf dem Generative-Design-Ansatz:<br />

10 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


UNTERNEHMEN<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

• Convergent Modeling wurde zusammen mit der aktuellen Version<br />

von NX angekündigt. Dabei handelt es sich um die erste Technologie<br />

ihrer Art. Ingenieure können damit Bauteilkonstruktionen<br />

optimal an den 3D-Druck anpassen und den gesamten <strong>Konstruktion</strong>sprozess<br />

beschleunigen. Mit einer Scan-to-Print Funktion<br />

wird Reverse <strong>Engineering</strong> noch effizienter. Dieses neue Modellierparadigma<br />

vereinfacht die Arbeit mit Geometrien deutlich, die<br />

aus einer Kombination von Facetten, Flächen und Volumenkörpern<br />

bestehen. Zeitaufwändiges Konvertieren von Daten soll so<br />

entfallen.<br />

• Die zweite neue Technologie<br />

ist die Topologieoptimierung.<br />

Damit sind<br />

Berechner in der Lage,<br />

den iterativen Prozess<br />

beim Konstruieren und<br />

Optimieren von Bauteilen<br />

für Multiphysik-Anwendungen<br />

zu automatisieren.<br />

Das umfasst Vibration,<br />

Strömungsdynamik<br />

und Wärmeübertragung.<br />

Die integrierten<br />

Funktionen für Simulation<br />

und Predictive <strong>Engineering</strong><br />

machen es einfacher,<br />

die <strong>Konstruktion</strong> auf ihre Produzierbarkeit zu prüfen.<br />

Dadurch steigt das nötige Vertrauen, um <strong>Konstruktion</strong>en für die<br />

additive Fertigung weiterzuentwickeln.<br />

3D-Druck mit Kunststoff oder Metall<br />

Zusätzlich zu diesen Technologien stellt Siemens auch eine neue Lösung<br />

zum Vorbereiten von 3D-Drucken für Kunststoff- und Metallteile<br />

vor. Sie verwendet dieselben intelligenten Produktmodelle, die<br />

schon in der <strong>Konstruktion</strong>s- und Simulationsphase zum Einsatz kommen,<br />

um Änderungen an der <strong>Konstruktion</strong> zu automatisieren und<br />

den gesamten Prozess schlanker zu gestalten. Die neue Lösung unterstützt<br />

Operatoren beim Vorbereiten von Teilen für Pulverbett- und<br />

Multi-Jet Modeling-Verfahren. Für Metallteile aus dem 3D-Drucker<br />

bietet NX Möglichkeiten, Teile für das Laserauftragsschweißen und<br />

die NC-Programmierung vorzubereiten. Dazu gehört auch die Simulation<br />

hybrider additiver Maschinenwerkzeuge, die Metallauftrag<br />

und abtragende Verfahren in einer Maschine vereinen. Für extrudierte<br />

Werkstoffe, wie etwa Kunststoffe oder kohlefaserverstärktes Nylon,<br />

wurde eine neue Technologie für das Programmieren von robotergestütztem,<br />

mehrachsigem Auftragsschmelzen entwickelt. Sie<br />

wird derzeit in der Praxis erprobt. Nachdem die Teile gedruckt sind<br />

kommt wieder das NX-System für NC-Vorgänge nach dem Druck<br />

zum Einsatz. Dazu gehört, die Entfernung von Hilfsstrukturen intuitiv<br />

zu programmieren, Präzisionsoberflächen maschinell zu erzeugen<br />

und andere Verarbeitungs- und Inspektionsvorgänge. co<br />

www.siemens.com/plm<br />

Bild: Siemens<br />

Details zur CAD/CAM/CAE-<br />

Software NX11:<br />

www.t1p.de/qmpu<br />

Die Digitale Fabrik<br />

auf dem Weg in die<br />

Realität<br />

Spannende<br />

Berichte aus der<br />

Wissenschaft.<br />

Print, digital und als App.<br />

Jetzt<br />

lesen!<br />

Wissenschaft ist Spannung pur –<br />

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Sie schon heute, was morgen unser<br />

Leben bestimmt. In jeder Ausgabe<br />

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Forschung und Wissenschaft –<br />

detailliert und in verständlichen<br />

Zusammenhängen dargestellt.<br />

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Verstehen, was dahintersteckt!<br />

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Augmented und Virtual<br />

Reality-Anwendungen<br />

ermöglichen kostengünstige<br />

Planungen<br />

und schnellere<br />

Anpassungen des<br />

Produktionssystems<br />

Bild: Ludmilla Parsyak/Fraunhofer IAO<br />

Innovationslabor für Arbeit, Mensch und Technik am Fraunhofer-Campus in Stuttgart eröffnet<br />

Future Work Lab<br />

macht Arbeit 4.0 erlebbar<br />

Wohin entwickelt sich unsere Arbeit? Wie können wir das Potenzial neuer Technologien optimal für<br />

unsere Arbeit einsetzen? Die Digitalisierung über die Produktionshallen hinaus hin zu Prozessen und<br />

Dienstleistungen wirft viele neue Fragen auf. Antworten und innovative Ansätze bietet das Future Work<br />

Lab. In dem Innovationslabor für Arbeit, Mensch und Technik bündeln die Fraunhofer-Institute IAO und<br />

IPA sowie das IAT und IFF der Universität Stuttgart ihre Kompetenzen rund um die Industrie 4.0.<br />

Dr. Moritz Hämmerle, Projektleiter Future Work Lab am Fraunhofer IAO, Stuttgart<br />

Durch die nächste industrielle Revolution, die Industrie 4.0,<br />

wachsen die physische und die digitale Welt immer weiter zusammen.<br />

Neue Wertschöpfungsketten und Arbeitswelten entstehen<br />

mit einer Vielzahl an Chancen für Unternehmen und deren Mitarbeiter“,<br />

hob Prof. Dr. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-<br />

Gesellschaft auf der Eröffnungsveranstaltung hervor. „Fraunhofer<br />

treibt diese Veränderungen mit Schlüsselinnovationen wie 5G, maschinellem<br />

Lernen, kognitiven Systemen, mehr Ressourceneffizienz,<br />

sicherer Mensch-Roboter-Kollaboration sowie Souveränität von sensiblen<br />

Personen- und Wirtschaftsdaten voran. Im Future Work Lab<br />

zeigen wir gemeinsam mit der Universität Stuttgart, wie die Industriearbeit<br />

der Zukunft aussehen kann, was dies für den Menschen<br />

bedeutet und wie neue Technologien in der Praxis umgesetzt werden<br />

können. Damit tragen wir aktiv zur erfolgreichen Weiterentwicklung<br />

des Industriestandorts Deutschland bei.“<br />

Industriearbeit der Zukunft<br />

Die Industriearbeit verändert sich. Die Digitalisierung und die intelligente<br />

Vernetzung von Mensch, Maschine und Objekt erreicht Wissensarbeit,<br />

Produktionsarbeit, Dienstleistung und deren Schnittstellen.<br />

Als Reaktion auf diese Entwicklung verändern sich sozio-techni-<br />

sche Arbeitssysteme sowie die Organisation und Gestaltung von Arbeit.<br />

Der Bedarf an Flexibilität und Mobilität steigt. Neue Formen<br />

der Arbeitsorganisation entstehen schon jetzt im Bereich der Arbeitsteilung,<br />

zum Beispiel, wenn sich Schichtarbeiter spontan per<br />

Smartphone absprechen, wie das bereits umgesetzte Projekt „KapaflexCy“<br />

des Fraunhofer IAO zeigt. Unternehmen suchen darüber<br />

hinaus neue Wege, um einerseits ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

für die digitale Arbeitswelt zu qualifizieren und andererseits<br />

das Potenzial neuer Technologien optimal einzusetzen. Diese bieten<br />

nicht nur die Chance, schneller, besser und motivierender zu produzieren,<br />

sondern bringen auch oft disruptive Innovationen und ganz<br />

neue Geschäftsmodelle mit sich. Nur wer seine Innovationsprozesse<br />

systematisch angeht und strategisch verankert, kann sich in diesem<br />

dynamischen Marktumfeld auf Dauer behaupten.<br />

„Genau hier setzt unser Innovationslabor, das Future Work Lab, an“,<br />

sagte Prof. Wilhelm Bauer, Institutsleiter des Fraunhofer IAO. „Arbeit<br />

verändert sich, sie wird schneller, dynamischer und flexibler.<br />

Daraus entstehen neue Formen der Mensch-Maschine-Interaktion.<br />

In unserem Innovationslabor wollen wir den Menschen diesen<br />

Transformationsprozess anhand von konkreten Demonstratoren zeigen<br />

und so den anstehenden Wandel erlebbar machen.“<br />

Das Future Work Lab, ein Innovationslabor für Arbeit, Mensch und<br />

Technik entstand unter Leitung des Fraunhofer IAO auf dem Fraunhofer-Campus<br />

in Stuttgart-Vaihingen und zieht im Mai 2017 in den in<br />

12 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


UNTERNEHMEN<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

Bild: Ludmilla Parsyak/Fraunhofer IAO<br />

Bild: Ludmilla Parsyak/Fraunhofer IPA<br />

Lernvideos erleichtern künftig das Begreifen komplexer und schwieriger<br />

Arbeitsprozesse. Sogenannte Wissensnuggets können individuell und je<br />

nach Bedarf jederzeit abgerufen werden<br />

Das Exoskelett folgt der Bewegung der Arme und bietet Kraftunter -<br />

stützung; die zusätzliche Last wird in die Hüfte oder in den Boden<br />

eingeleitet<br />

der Nachbarschaft gelegenen Forschungscampus Arena2036. Dazu<br />

bündeln die Fraunhofer-Institute IAO (Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft<br />

und Organisation), IPA (Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik<br />

und Automatisierung), das Institut für Arbeitswissenschaft<br />

und Technologiemanagement IAT und das Institut für Industrielle<br />

Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Universität Stuttgart ihre<br />

Kompetenzen rund um die Industrie 4.0.<br />

„Das Future Work Lab versteht sich als Ideengeber, wie die Arbeit<br />

der Zukunft in Unternehmen aussehen kann“, fasste der Institutsleiter<br />

des Fraunhofer IPA, Prof. Thomas Bauernhansl, zusammen. „In<br />

unserer Demonstratorenwelt können produzierende Unternehmen<br />

„Im Innovationslabor soll der<br />

Transformationsprozess anhand<br />

von konkreten Demonstratoren<br />

gezeigt und erlebbar gemacht<br />

werden.“<br />

und deren Mitarbeiter die Industriearbeit der Zukunft live erfahren<br />

und testen, wie die digitale Transformation die Arbeit verändern<br />

wird.“<br />

Leistungen und Angebote des Future Work Lab<br />

Mit greifbaren Demonstratoren, Angeboten zur Kompetenzentwicklung<br />

und Weiterbildung sowie einer Plattform für den wissenschaftlichen<br />

Austausch richtet sich das Future Work Lab an Industrie, Gewerkschaften,<br />

Politik und Wissenschaft – und ganz zentral an die<br />

Produktionsmitarbeiter von heute und morgen. Sie alle können die<br />

Leistungen des Future Work Lab über drei Wege nutzen, die bei der<br />

Eröffnung im Rahmen von Lab-Touren vorgestellt wurden:<br />

Im Demonstrationszentrum zeigen drei Parcours zur Arbeitswelt der<br />

Zukunft, welche Technologien und Anwendungen schon heute möglich<br />

sind. Künftige Szenarien wie das „Stuttgart Exo-Jacket“, ein Exoskelett<br />

für Hebetätigkeiten und Überkopfarbeiten, zeigen eine neue<br />

mögliche Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik. Weitere Demonstratoren<br />

sind ein komplett kabelloser Arbeitsplatz, eine App für<br />

die Schichtplanung sowie Einsatzbeispiele für die Augmented-Reality-Brillen.<br />

Damit wollen die Initiatoren die gesamte Bandbreite der<br />

Industriearbeit der Zukunft darstellen. Das Demonstrationszentrum<br />

eröffnet Unternehmen gleichzeitig die Chance, mit potenziellen<br />

Partnern in Kontakt treten, um von deren Erfahrung zu profitieren.<br />

In der zukünftigen Arbeitswelt werden andere Kompetenzen gefragt<br />

sein. Daher bietet das Kompetenzentwicklungs- und Beratungszentrum<br />

mit der Lernwelt „Fit für die Arbeit der Zukunft“ Seminare,<br />

Workshops und Weiterbildungsmöglichkeiten für Mitarbeitende<br />

produzierender Unternehmen. Hier entwickeln Experten des<br />

Zentrums gemeinsam mit Unternehmenspartnern gezielt individuelle<br />

Schulungskonzepte für die Industrie 4.0.<br />

Das akademisch ausgerichtete Ideenzentrum für Arbeitsforschung<br />

„Work in Progress“ bietet eine zentrale Plattform für den wissenschaftlichen<br />

Dialog und die weitere Forschung rund um die Industriearbeit<br />

der Zukunft. Mit der Platzierung direkt im Future Work Lab<br />

gewährleisten die Projektpartner den schnellen Transfer von der<br />

Theorie in die Praxis.<br />

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Future Work Lab“ wird<br />

mit Mitteln des Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) im Programm „Innovationen für Produktion, Dienstleistung<br />

und Arbeit von morgen“ gefördert und vom Projektträger Karlsruhe<br />

(PTKA) betreut.<br />

bt<br />

www.futureworklab.de<br />

Video zum Future Work Lab<br />

mit Kurzlink:<br />

www.t1p.de/zlx1<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 13


MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

AUS DEM<br />

Voller Erfolg für 5. Fachtagung ‚MES im Fokus‘<br />

Wachstum durch vielfältige Aktivitäten<br />

Als ‚Enabler‘ für die Industrie 4.0 steigt die Bedeutung von Manufacturing Execution <strong>Systems</strong> (MES)<br />

signifikant. Der MES D.A.CH Verband e.V. stärkt mit seinen Aktivitäten die Bekanntheit und die Rolle<br />

von MES-Lösungen in der Fachöffentlichkeit – und wächst selbst durch vielfältige Aktivitäten.<br />

Know-how-Transfer<br />

bietet die Veranstaltung<br />

‚MES in der<br />

Praxis‘ Ende März<br />

2017 in Böblingen<br />

Bild: MES D.A.CH Verband<br />

Bild: MES D.A.CH Verband<br />

Die Teilnehmer der Veranstaltung ‚MES im Fokus‘ in Herborn wurden durch<br />

Martin Kandziora (links) und Sebastian Chmura von Gastgeber Rittal begrüßt<br />

Manufacturing Execution <strong>Systems</strong> (MES) sind Voraussetzung<br />

für Industrie 4.0 und die zentrale Drehscheibe für die Digitalisierung<br />

der Produktion – dies war eine der Kernbotschaften der fünften<br />

Fachtagung ‚MES im Fokus‘, die der MES D.A.CH Verband am 2.<br />

und 3. Februar 2017 zu Gast bei dem Unternehmen Rittal GmbH &<br />

Co. KG in Herborn veranstaltete. Fast 100 Teilnehmer, davon mehr<br />

als 70 Vertreter aus führenden deutschen Produktionsunternehmen,<br />

informierten sich über neuste Trends zu MES, Digitalisierung und Industrie<br />

4.0. ‚MES im Fokus‘ ist eine kompakte und erfolgreich bewährte<br />

Plattform für alle, die sich ein Bild von dem hohen Anwendernutzen<br />

machen wollen, der sich mit MES-Lösungen in der smarten<br />

Fabrik erzielen lässt.<br />

Die Veranstaltung ‚MES im Fokus‘ in Herborn wurde von Angelo Bindi,<br />

1. Vorstand des MES D.A.CH Verband e.V., eröffnet und stellte an<br />

den beiden Tagen wichtige MES-Grundlagen sowie Branchenbeispiele<br />

vor. Insgesamt 13 anwendungsbezogene Vorträge vermittelten<br />

ein rundes Bild von der Automations- bis zur ERP-Ebene. Höhepunkt<br />

der Veranstaltung war eine Führung durch das Rittal Innovation<br />

Center sowie das Global Distribution Center von Rittal in Haiger. Das<br />

Rittal Innovation Center dokumentiert eindrucksvoll den Steuerungsund<br />

Schaltanlagenbau 4.0 und bot einen ganz besonderen Einblick in<br />

die Wertschöpfungsketten des Steuerungs- und Schaltanlagenbaus.<br />

In der 1200 m 2 großen Halle bildet der Schaltschrank- und Systemanbieter<br />

einen realen Fertigungsbetrieb nach. Vom neuen Global Distribution<br />

Center am Standort Haiger aus werden Rittal-Produkte mit<br />

großer Schnelligkeit rund um die Welt geliefert. In Vorbereitung zu<br />

diesem Programmpunkt referierte Martin Kandziora, Leiter Marktkommunikation<br />

bei Rittal, über die Differenzierung durch absolute<br />

Kundenorientierung und die Entwicklung des Unternehmens vom<br />

Schaltschrankhersteller zum System- und Lösungsanbieter.<br />

Praxisbeispiele vertiefen das in den Vorträgen vermittelte Wissen – hier<br />

bei der Führung durch das Global Distribution Center von Rittal in Haiger<br />

Anwender-Workshops: MES in der Praxis<br />

Am 28. und 29. März 2017 lädt der MES D.A.CH Verband e.V. übrigens<br />

zur Veranstaltung ‚MES in der Praxis‘ in die Kongresshalle Böblingen<br />

ein. Hier stellen Hersteller und Anwender neben den wichtigen<br />

MES-Grundlagen neue Trends und realisierte Branchenlösungen<br />

vor. Ein weiterer Schwerpunkt an den zwei Tagen ist die Bedeutung<br />

von MES für Industrie 4.0 und die Anbindung von MES an die<br />

Maschinenebene. In Workshops werden zudem unterschiedliche<br />

MES-Lösungen führender Anbieter mit engem Praxisbezug sowie<br />

auch realisierte MES-Anwendungen vorgestellt. Nach jedem Vortrag<br />

gibt es die Möglichkeit, in einen intensiven Dialog mit den Referenten<br />

zu treten.<br />

Hannover Messe 2017<br />

Nach dem überaus erfolgreichen Auftritt auf der Hannover Messe<br />

2016 wird der Verband sich auch in diesem Jahr wieder mit einem<br />

Gemeinschaftsstand in Halle 7, Stand A17 auf der Hannover Messe<br />

präsentieren.<br />

www.mes-dach.de<br />

Hannover Messe: Halle 7, Stand A17<br />

Bild: MES D.A.CH Verband<br />

14 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


VERANSTALTUNGEN/PUBLIKATIONEN<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

Bild: Deutsche Messe<br />

Cebit: Messe mit Unternehmen aus 70 Ländern<br />

Digitalisierung erlebbar machen<br />

Oliver Frese, Vorstand der Deutschen Messe AG,<br />

bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Cebit 2017<br />

Mit einer Vielzahl von Anwendungsbeispielen,<br />

disruptiven Technologien und Geschäftsmodellen<br />

sowie einem breiten Lösungsspektrum<br />

für die digitale Transformation von<br />

Lünendonk & Hossenfelder: Trendstudie 2016<br />

Digitale Bedrohungs -<br />

szenarien im Fokus<br />

Die aktuelle Lünendonk-Trendstudie, die<br />

in fachlicher Zusammenarbeit mit Hewlett<br />

Packard Enterprise, KPMG, NTT Security,<br />

Open <strong>Systems</strong> und Unisys durchgeführt<br />

wurde, zeigt, dass die Bedeutung von Information<br />

Security und Risk Management<br />

von Business-Verantwortlichen klar erkannt<br />

wird. Dennoch besteht aus der<br />

Marktperspektive betrachtet Handlungsbedarf.<br />

So fehlen bei mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen<br />

(57 %) Informationen zum Wert bedrohter Daten und Prozesse, zwei<br />

Drittel sehen die frühzeitige Erkennung relevanter Angriffe in der<br />

Informationsflut als große Herausforderung. Obwohl die Bedeutung<br />

der Themen bewusst ist, werden sie überwiegend rein technisch<br />

betrachtet und als Aufgabe der IT operationalisiert. „Es fehlt weniger<br />

an der Erkenntnis als an der Umsetzung, wie die Business-Perspek -<br />

tive mit den technischen Security Operations verknüpft werden kann“,<br />

erläutert Hartmut Lüerßen, Partner bei Lünendonk, die Studienergebnisse.<br />

Für die befragten Unternehmen stehen die Themen „Digitale<br />

Transformation“ und „Veränderungen der Wertschöpfungsketten“<br />

ganz oben auf der strategischen Agenda. Derzeit berücksichtigen<br />

jedoch 63 % der Unternehmen die Information Security und das Risk<br />

Management nicht frühzeitig und umfassend genug bei Projekten.<br />

Das geschieht vor allem aus Zeitdruck und mangelndem Verständnis<br />

der Zusammenhänge sowie der Auswirkungen.<br />

ik<br />

www.luenendonk.de<br />

Bild: Lünendonk & Hos sen<br />

fel<br />

de<br />

r<br />

Unternehmen und Verwaltung geht die Cebit<br />

vom 20. bis 24. März 2017 an den Start. „Die<br />

Cebit 2017 wird die Digitalisierung für unsere<br />

Besucher so konkret erlebbar machen wie<br />

noch nie“, sagt dazu Oliver Frese, Vorstand<br />

der Deutschen Messe AG. Gut 3000 beteiligte<br />

Unternehmen aus 70 Ländern werden ihre<br />

Lösungen präsentieren und Visionäre diskutieren<br />

über die digitale Zukunft von Wirtschaft<br />

und Gesellschaft bei den Cebeit Global Conferences.<br />

Der Premierminister des diesjährigen<br />

Partnerlandes Japan, Shinzo Abe, und<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel werden die<br />

Cebit im Rahmen der Welcome Night am 19.<br />

März offiziell eröffnen. Allein aus dem Partnerland<br />

werden sich rund 120 Unternehmen<br />

in allen Themenfeldern der Messe präsentieren.<br />

Die Cebit steht in diesem Jahr unter<br />

dem Topthema „d!conomy – no limits“ und<br />

rückt damit die Chancen der digitalen Transformation<br />

in den Mittelpunkt.<br />

ik<br />

www.cebit.de<br />

Die Lünendonk-<br />

Trendstudie 2016<br />

zu IT-Security und<br />

Risk Management<br />

zeigt, dass die<br />

Bedeutung dieser<br />

Themen klar<br />

erkannt wird<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

DFKI: Saarbrücker Manifest<br />

Für einen Digitalisierungsruck<br />

in Deutschland<br />

Zum 10. Nationalen IT Gipfel haben Prof. Dr.<br />

August-Wilhelm Scheer und Prof. Dr. Wolfgang<br />

Wahlster gemeinsam mit prominenten<br />

Unterstützern aus Wissenschaft und Praxis<br />

ein Thesenpapier zu den Herausforderungen<br />

und Chancen der Digitalisierung in Deutschland<br />

vorgelegt. Fazit des Saarbrücker Manifests:<br />

Deutschland darf die sich aus der zweiten<br />

Welle der Digitalisierung ergebenden<br />

Chancen nicht ungenutzt lassen und sich<br />

nicht, wie oft in der Vergangenheit, mit der<br />

Rolle des Käufermarktes zufrieden geben.<br />

Die gesunde deutsche Industrie stellt einen<br />

Wettbewerbsvorteil dar, dessen Rendite Politik,<br />

Unternehmen, Forschung und Gesellschaft<br />

mit Ideen und Umsetzungskraft<br />

erwirtschaften müssen. In der jetzt anlaufenden<br />

zweiten Welle der Digitalisierung geht es<br />

um eine weitreichende digitale Vernetzung<br />

ganz unterschiedlicher Bereiche zu globalen<br />

Lösungen. Dafür muss Deutschland gerüstet<br />

sein, nicht zuletzt mit Internetministern auf<br />

Bundes- und Landesebene. Die Autoren des<br />

Saarbrücker Manifests beleuchten sehr<br />

genau die Herausforderungen und Chancen<br />

jener Gruppen, die unsere gesamte Gesellschaft<br />

prägen: Politik, Forschung, Wirtschaft –<br />

hier besonders die ITK-Industrie – Verbände,<br />

Sozialpartner und auch die Gesellschaft als<br />

Ganzes mit ihrer Einstellung zur digitalen<br />

Transformation. Noch seien alle Chancen<br />

offen, die aktuelle Welle der Digitalisierung<br />

aktiv mitzugestalten. Unter www.t1p.de/<br />

0xkw steht das Manifest zum Download bereit.<br />

ik<br />

www.dfki.de<br />

<br />

<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 15


MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

KÖPFE DER INNOVATIONSFÖRDERUNG<br />

Im Interview: Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaft Acatech<br />

„Radikale Veränderungen erfordern<br />

fundamentale neue Kompetenzen“<br />

Deutschlands moderner industrieller Kern garantiert Arbeitsplätze, meint Henning Kagermann,<br />

Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaft Acatech. Damit das so bleibt, seien<br />

Kooperationen von großer Bedeutung, insbesondere auch beim Thema Industrie 4.0. Wichtig dabei:<br />

Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sollten vertreten sein.<br />

Interview: Wolfgang Hess, Redaktionsdirektor für Sonderprojekte in der Konradin Mediengruppe<br />

Bild: Acatech/D. Ausserhofer<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Prof. Kagermann, was verändert sich<br />

durch den Wandel, den wir in Deutschland unter dem Schlagwort<br />

„Industrie 4.0“ diskutieren?<br />

Kagermann: Bei den Firmen entsteht der Bedarf nach Kompetenzen<br />

und Kooperationen, die sie bisher nicht hatten. Beispielsweise<br />

wird Künstliche Intelligenz (KI) plötzlich überall nachgefragt. Geht es<br />

lediglich um inkrementelle Innovationen – also um Innovationen, basierend<br />

auf bestehenden Produkten –, brauchen die Firmen die Wissenschaft<br />

oft nicht. Gibt es aber radikale Veränderungen, benötigen<br />

sie fundamentale neue Kompetenzen, die häufig nur in wissenschaftlichen<br />

Instituten vorhanden sind. Durch solche Kooperationen<br />

Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie für Technik -<br />

wissenschaft Acatech<br />

„Schon heute lohnt sich die Ver -<br />

lagerung von Arbeit an Billiglohnstandorte<br />

immer weniger.<br />

Industrie 4.0 führt – wenn wir<br />

sie konsequent angehen – dazu,<br />

dass noch mehr Produktion<br />

zurückgeholt wird.“<br />

16 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


KÖPFE DER INNOVATIONSFÖRDERUNG<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

gewinnen Unternehmen auch neue Mitarbeiter mit der entsprechenden<br />

Expertise.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Welche Rolle spielen dabei Zusammenschlüsse<br />

wie die Plattform Industrie 4.0?<br />

Kagermann: Wichtig ist, dass Konsortien gebildet werden, in denen<br />

nicht nur die Großindustrie, sondern auch der Mittelstand vertreten<br />

sind. Eine Kooperation allein zwischen wissenschaftlicher Exzellenz<br />

und Topfirmen, aber ohne mittelständische Unternehmen, würde eine<br />

tragende Säule unserer sozialen Marktwirtschaft außer Acht lassen.<br />

Auch wird es immer stärker auf leistungsfähige Geschäftsmodell-Ökosysteme<br />

ankommen, in denen kleinere und größere Unternehmen<br />

kooperieren. Daneben ist es wichtig, gemeinsam mit Verbänden<br />

Bewusstsein für den Wandel in der Wirtschaft zu schaffen.<br />

Und dann braucht man natürlich die Politik. Auf diese Weise haben<br />

wir bereits 2013 das Thema Industrie 4.0 bekannt gemacht. Auf der<br />

Hannover Messe haben wir die grundlegende Studie zum Thema an<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. Zugleich nahmen die<br />

Verbände das Thema auf und gründeten die Plattform Industrie 4.0,<br />

die heute auch politisch auf höchster Ebene begleitet wird. Der<br />

Transfer in den Mittelstand beschäftigt uns bis heute. Deshalb haben<br />

wir in diesem Jahr einen Online-Kurs „Hands-on Industrie 4.0“<br />

angeboten. Er gibt leicht zugänglich einen Überblick über das Konzept,<br />

seine Anwendungen und Herausforderungen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Mit welchem Erfolg?<br />

Kagermann: Wir hatten fast 8000 Kursteilnehmer. Zwei Drittel davon<br />

kamen aus Unternehmen. Die Kursmodule sind kostenfrei, auf<br />

Deutsch und von überall über das Internet verfügbar. Der Zuspruch<br />

hat uns ermutigt, deshalb starten wir bald einen zweiten Kurs –<br />

über maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Welche Rolle spielten Kooperationen in<br />

Ihrem Berufsleben?<br />

Kagermann: Ich habe durch Kooperieren nur dazugelernt. Wer als<br />

Theoretischer Physiker wie ich zur SAP kommt und nicht kooperiert,<br />

Zur Person<br />

INFO<br />

Henning Kagermann ist seit Juni 2009 einer der beiden<br />

Präsidenten der Deutschen Akademie für Technikwissenschaft<br />

Acatech und leitet seit 2010 die Nationale Plattform<br />

Elektromobilität. 1975 promovierte Kagermann (*1947) in<br />

Physik und habilitierte sich fünf Jahre später für Theoretische<br />

Physik an der TU Braunschweig, wo er anschließend<br />

zum außerplanmäßigen Professor ernannt wurde. Von 1982<br />

bis 2009 arbeitete er bei der SAP AG, ab 1991 als Vorstand.<br />

Kagermann gilt als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten<br />

der „Deutschland AG“. Er leitet auch den Innovationsdialog<br />

zwischen Bunderegierung, Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

hat keine Chance. Ich habe anfangs betriebswirtschaftliche Software<br />

mitentwickelt. Und wo lernt man, wo der Schuh drückt? Nur<br />

beim Kunden. Also: Nach Möglichkeit nichts allein im Kämmerlein<br />

entwickeln, sondern immer im Team und am Markt! Von der Philosophie,<br />

das eigene Know-how nach außen abzuschotten, halte ich<br />

wenig. Wer gut ist und zuversichtlich, dass er schneller als die Konkurrenten<br />

unterwegs ist, braucht sich keine Sorgen zu machen,<br />

dass ihm andere die Butter vom Brot nehmen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Sie hatten die Wichtigkeit der Kooperationen<br />

von kleinen und mittelständischen Unternehmen mit der<br />

Wissenschaft genannt. Wie beurteilen Sie denn den Stand dieser<br />

Kooperationen?<br />

Kagermann: Die Zusammenarbeit ist bereits besser als in früheren<br />

Jahren. Dafür ausschlaggebend sind zwei Sachverhalte: Zum einen<br />

hat die Bundesregierung mit Instrumenten wie dem Forschungs-<br />

Campus neue Anknüpfungspunkte für längerfristige und partnerschaftliche<br />

Zusammenarbeit geschaffen. Durch den Forschungs-<br />

Campus, der vor rund zwei Jahren initiiert wurde, fördert das Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung BMBF das Engagement<br />

der Wirtschaft bei Wissenschaftseinrichtungen bis zu 15 Jahre lang.<br />

Rund 100 Unternehmen haben sich für die neun ausgeschriebenen<br />

Forschungs-Campi beworben. Die Auserwählten werden wohl ein<br />

Vielfaches von dem investieren, was sie von staatlicher Seite an Förderung<br />

erhalten. Das zeigt: Firmen sind inzwischen bereit, sich auf<br />

langfristige Forschungsprojekte festzulegen. Andererseits zeigt unser<br />

aktueller Innovationsindikator, dass die Teilhabe von kleinen und<br />

mittelständischen Unternehmen am Innovationssystem ein vordringliches<br />

Thema bleibt.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Warum braucht es eine so lange Förder -<br />

periode?<br />

Kagermann: Ich will das am Beispiel des Leichtbaus veranschaulichen.<br />

Den weiterzuentwickeln, ist schon lange das Ziel vieler Unternehmen.<br />

Doch wenn man verschiedene Materialien gleichzeitig und<br />

in einem Schritt bearbeiten möchte, weil das Ressourcen und Kosten<br />

spart, müssen die wissenschaftlichen Grundlagen erst einmal<br />

geschaffen und dann an die wirtschaftliche Anwendung herangeführt<br />

werden. Ein anderes Beispiel ist der Themenbereich „Big Data“:<br />

Dort gibt es eine enge Kooperation zwischen Top-Mathematikern<br />

der Wissenschaft und Firmen, die an Netzoptimierungen arbeiten,<br />

die für vielerlei Infrastrukturen relevant sind – etwa das Bahnnetz<br />

oder Gasnetze. Die Firmen erhalten zwar viele Daten über ihre<br />

Netze, aber sie kennen noch nicht die besten mathematischen Methoden,<br />

sie auszuwerten und auf dieser Basis die Netze zu optimieren.<br />

Um von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung zu kommen,<br />

muss man Kooperationen dauerhaft anlegen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Kommen wir zurück auf das Thema KI –<br />

wird sich die derzeit gute Beschäftigungssituation in Deutschland<br />

durch die massive Integration von KI verschlechtern?<br />

Kagermann: Ich glaube nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe. Wenn<br />

wir die neuen Methoden und die sich daraus ergebenden Chancen<br />

nutzen, verbessern wir unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 17


MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

KÖPFE DER INNOVATIONSFÖRDERUNG<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Heißt das, jeder Auszubildende wird künftig<br />

von einem elektronischen Coach unterstützt?<br />

Kagermann: Ja – mit elektronisch unterstütztem Lernen können<br />

wir besser auf das Individuum eingehen. Es ist doch gut, wenn sich<br />

das Ausbildungssystem dem Einzelnen anpasst.<br />

Bild: 3dkombinat/Fotolia.com<br />

„Die Digitalisierung erleichtert, individualisiert und erweitert die Aus- und<br />

Weiterbildung“, sagt Henning Kagermann. „Mit innovativen digitalen Methoden<br />

können wir Menschen auch ‚on the job‘ qualifizieren“<br />

weiter und sorgen so für ein Plus an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen.<br />

Schon heute lohnt sich die Verlagerung von Arbeit an Billiglohnstandorte<br />

immer weniger. Industrie 4.0 führt – wenn wir sie<br />

konsequent angehen – dazu, dass noch mehr Produktion zurückgeholt<br />

wird. Zweitens haben wir ähnliche Technologieschübe bereits<br />

gut gemeistert. Auch als sich vor etlichen Jahrzehnten die Automatisierungswelle<br />

ankündigte, haben die Menschen gestöhnt. Doch<br />

was ist am Ende passiert? Die Unternehmen, die diese Phase aktiv<br />

gestaltet haben, gehörten zu den Gewinnern – darunter auch viele<br />

deutsche Firmen. Unser moderner industrieller Kern garantiert Stabilität<br />

und Arbeitsplätze. Viele japanische Unternehmen klebten dagegen<br />

lange an den alten Beschäftigungsmodellen, produzierten in<br />

der Folge zu teuer und bekamen Schwierigkeiten.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Sie sehen noch eine weitere Chance bei<br />

der Aus- und Weiterbildung …<br />

Kagermann: …wenn wir mit Industrie 4.0 Arbeitsplätze schaffen<br />

wollen, dann hängt dies ganz entscheidend von der Qualifizierung<br />

der Belegschaften ab. Wir haben zur Kompetenzentwicklung kürzlich<br />

eine Arbeit vorgelegt. Sie zeigt erstens, wie wichtig das Thema<br />

ist, zweitens dass wir hier noch viel zu tun haben und drittens: Die<br />

Digitalisierung erleichtert, individualisiert und erweitert die Aus- und<br />

Weiterbildung. Mit innovativen digitalen Methoden können wir<br />

Menschen auch ‚on the job‘ qualifizieren. Sie ermöglichen eine Weiterbildung,<br />

die am individuellen Wissensstand punktgenau andockt<br />

und Menschen entlang ihres persönlichen Bedarfs qualifiziert. Früher<br />

konnten sich nur wenige Privatlehrer leisten. Heute haben wir<br />

ein gutes Bildungssystem für alle, aber recht große Klassen. Mit digitalen<br />

Hilfsmitteln ist beides möglich: individuelle Bildung, die aber<br />

jedem, jederzeit und überall zugänglich ist. Das kommt der Chancengleichheit<br />

zu Gute.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Da Elektronik auch immer etwas mit Datenspeicherung<br />

zu tun hat, werden die Lernleistungen und -ergebnisse<br />

gläsern.<br />

Kagermann: Die digitalen Assistenten und Unterrichtssysteme<br />

müssen Lernprofile erfassen, nur so sind individualisierte Lerneinheiten<br />

möglich. Natürlich lässt sich potenziell auch auswerten, wer<br />

beispielsweise schneller oder langsamer lernt. Wie bei allen IT-Hilfsmitteln<br />

in der Arbeit müssen die Sozialpartner deshalb die richtige<br />

Balance zwischen dem Nutzen und dem Schutz individueller Daten<br />

aushandeln – deshalb ist es gut, dass wir in Deutschland die Debatte<br />

über Industrie 4.0 früh angestoßen und die Arbeitnehmervertreter<br />

von Beginn an einbezogen haben.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Wird durch Industrie 4.0 Chinas Volkswirtschaft<br />

noch schlagkräftiger?<br />

„Um von der Grundlagenforschung<br />

bis zur Anwendung zu<br />

kommen, muss man Kooperationen<br />

dauerhaft anlegen.“<br />

Kagermann: Die ersten ausländischen Kontakte hatten wir bei Industrie<br />

4.0 mit der chinesischen Academy of Science. Das war<br />

2012. Nachdem wir bei dem Treffen unsere Zielvorstellungen geschildert<br />

hatten, sagten die chinesischen Wissenschaftler: Das brauchen<br />

wir auch. Inzwischen nutzen die Chinesen sogar den deutschen<br />

Begriff Industrie 4.0 – mit „ie“. In China gibt es einen riesigen<br />

Bedarf an dieser Thematik, aber neuerdings höre ich auch Sorgen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Weil das Wirtschaftswachstum an Grenzen<br />

stößt?<br />

Kagermann: China fühlt sich momentan in einer Sandwich-Position.<br />

Die Gehälter sind gestiegen – Billigproduktion wandert in andere<br />

asiatische Länder ab. Das bedroht Chinas Produktion von unten. Von<br />

oben fühlen sich dort viele durch die individualisierten Produktionsmöglichkeiten<br />

von Industrie 4.0 herausgefordert, die andere Volkswirtschaften<br />

– etwa die deutsche – dynamisieren. Nicht wenige chinesische<br />

Fachleute gestehen sich ein, dass die dortige Industrie<br />

eher bei 2.0 steht als bei 4.0. Deshalb würde man gerne von 2 auf 4<br />

springen, was einen enormen Handlungsbedarf bedeutet.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Sie sind nicht nur Acatech-Präsident, sondern<br />

auch einer der drei Vorsitzenden der Nationalen Plattform<br />

Elektromobilität. Diese Plattform – und mit ihr die Bundesregierung<br />

– forderten 2011, dass bis 2020 eine Million Elektroautos in<br />

18 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


KÖPFE DER INNOVATIONSFÖRDERUNG<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

„Nach Möglichkeit nichts allein im<br />

Kämmerlein entwickeln, sondern<br />

immer im Team und am Markt!“<br />

Deutschland zugelassen sind und Deutschland auf internationaler<br />

Ebene zum Leitanbieter wird. Daraus wird nun nichts. Ein<br />

Desaster?<br />

Kagermann: Es war richtig, konkrete Ziele vorzugeben. Sonst wären<br />

wir heute nicht so weit gekommen. Zudem ist das Ziel nicht einkassiert:<br />

Die Regierung Merkel und auch die Nationale Plattform<br />

Elektromobilität stehen dazu. Erfreulicherweise hat die Bundesregierung<br />

Mitte 2016 mit dem Umweltbonus und dem flächenhaften<br />

Ausbau der Lade-Infrastruktur zwei zentrale Initiativen auf den Weg<br />

gebracht, die auf einen starken deutschen Markt für Elektrofahrzeuge<br />

abzielen. Entscheidend wird sein, was 2017 und 2018 bei den Zulassungen<br />

geschieht. Wenn ich anschaue, wie aktiv die Automobilkonzerne<br />

derzeit bei der Fahrzeugentwicklung sind, bin ich zuversichtlich.<br />

Auch kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Nachfrage<br />

nach der Umweltprämie weiter anzieht. Elektroautos sind besonders<br />

für Flottenbetreiber attraktiv. Es braucht jedoch Vorlaufzeit, bevor<br />

sie elektrisch betriebene Dienstwagen beschaffen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: 2016 war das Jahr der entscheidenden<br />

Weichenstellung in Deutschland?<br />

Kagermann: Für mich war es ein sehr wichtiges – auch deshalb,<br />

weil die Konzerne neuerdings darüber reden, wie sich die Elektromobilität<br />

nach 2020 weiterentwickeln soll. Und wir sind bereits erfolgreich.<br />

In wichtigen Märkten wie den USA haben deutsche Automobilhersteller<br />

bei ihren Elektrofahrzeugen einen höheren Marktanteil<br />

als bei Dieselautos und Benzinern. In China haben wir das bisher<br />

nicht geschafft.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Was haben Sie durch das Ehrenamt bei<br />

Acatech dazugelernt?<br />

Kagermann: Ich durfte vor allem viele Menschen treffen, die die<br />

Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln bewegen wollen. Ich habe<br />

ein großes Spektrum an engagierten Leuten mit viel Know-how kennengelernt<br />

– aus verschiedensten Richtungen der Wissenschaft,<br />

aus unterschiedlichsten Wirtschaftsbranchen, aus Gewerkschaften,<br />

Umweltverbänden und vielen anderen Bereichen. Das habe ich so<br />

in meiner Unternehmenszeit nicht erlebt. Ich habe das Amt bei Acatech<br />

auch deshalb angenommen, weil mir die Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Zukunft Deutschlands am Herzen liegt. Nach meinem festen<br />

Glauben schaffen wir das nur durch Innovation.<br />

co<br />

www.acatech.de<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 19


MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

KÖPFE DER INNOVATIONSFÖRDERUNG<br />

Dr. Oliver Riedel, Leiter des ISW an der Universität Stuttgart und Institutsdirektor des Fraunhofer IAO<br />

„Produktion und Entwicklung lassen<br />

sich nicht mehr voneinander trennen“<br />

Nach mehr als 13 Jahren bei Audi, zuletzt als Leiter der Produktions-IT, hat Dr. Oliver Riedel der Automobilindustrie<br />

den Rücken gekehrt und sich eine neue Aufgabe gesucht. Seit einigen Monaten leitet er<br />

das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) an der<br />

Universität Stuttgart und ist gleichzeitig Institutsdirektor des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft<br />

und Organisation IAO. Im Interview zieht er (Zwischen-)Bilanz.<br />

Interview: Michael Wendenburg, Fachjournalist, Sevilla<br />

Dr. Oliver Riedel, Leiter des ISW<br />

an der Universität Stuttgart<br />

und Institutsdirektor des Fraunhofer<br />

IAO<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Das Thema Digital Manufacturing lässt<br />

Sie also nicht los?<br />

Riedel: Nein, im Gegenteil, jetzt hat es mich richtig am Wickel.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Liegt die Betonung dabei mehr auf der<br />

Forschung oder auf der Lehre?<br />

Bild: Prostep<br />

„Ich glaube, den<br />

PLM-Systemen kommt<br />

eine zentrale Rolle als<br />

strukturierendes<br />

Element zu – voraus -<br />

gesetzt, sie werden von<br />

den Anwendern akzeptiert<br />

und sind offen.“<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Herr Dr. Riedel, weshalb haben Sie Audi<br />

eigentlich verlassen?<br />

Riedel: Mein Weggang hatte stark private Motive. Ich war der Forschung<br />

und Lehre immer eng verbunden, hatte in den letzten Jahren<br />

verschiedene Lehraufträge und habe mich immer um Forschungsthemen<br />

gekümmert. Deshalb konnte ich ein so attraktives<br />

Angebot wie die Professur an der Uni Stuttgart nicht ausschlagen.<br />

Mit der Professur in der Tasche konnte ich dann auch mit dem Fraunhofer<br />

IAO in Verhandlungen treten.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Was macht den Reiz der Doppelrolle aus?<br />

Riedel: Dass die beiden Bereiche Produktion und Entwicklung, über<br />

deren Integration wir seit Jahren reden, jetzt von der Forschungsseite<br />

her in einer Hand liegen. Das ISW ist über 50 Jahre alt und sehr<br />

renommiert in der Steuerungs- und Automatisierungstechnik. Beim<br />

Fraunhofer IAO gibt es das Zentrum für Virtuelles <strong>Engineering</strong> ZVE<br />

mit exzellenten Forscherteams und einer hervorragenden Ausstattung.<br />

Beides wollen wir enger zusammenbringen, weil sich die Themen<br />

nicht mehr trennen lassen. Ein Beispiel: Additive Fertigung ist<br />

eigentlich ein starkes Produktionsthema, aber man wird es nicht optimal<br />

hinbekommen, wenn das <strong>Engineering</strong> nicht mitspielt.<br />

Riedel: Zunächst auf der Lehre. Meine Uniprofessur beinhaltet die<br />

Leitung eines Instituts, an dem wir einen neuen Lehrstuhl geschaffen<br />

haben, der sich um produktionstechnische Informationstechnologie<br />

kümmern wird. Meine erste Aufgabe wird es also sein, Lehrveranstaltungen<br />

über die IT in der Produktion aufzubauen und parallel<br />

dazu Forschungsprojekte zu beantragen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Der deutschen Automobilindustrie wird in<br />

den Medien gelegentlich vorgeworfen, die falschen Prioritäten<br />

zu setzen und Trendthemen wie das Autonome Fahren oder die<br />

Elektromobilität verschlafen zu haben?<br />

Riedel: Ich würde beides trennen. Das Autonome Fahren ist eine<br />

Technologie, die noch primär auf das Auto fokussiert ist und sich gerade<br />

erst Richtung Umwelt erweitert. Hier ist die deutsche Automo-<br />

Zur Person<br />

INFO<br />

Prof. Dr. Oliver Riedel (Jahrgang 1965) leitet seit November 2016<br />

das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und<br />

Fertigungseinrichtungen (ISW) an der Universität Stuttgart und ist<br />

gleichzeitig Mitglied im Direktorium des Fraunhofer Instituts für<br />

Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Vor seiner Berufung war<br />

er bei der Audi AG verantwortlich für die Steuerung der Planungsprozesse<br />

und die Koordination produktionsrelevanter IT. Riedel<br />

studierte Technische Kybernetik an der TU Stuttgart und promovierte<br />

dort an der Fakultät der <strong>Konstruktion</strong>s- und Fertigungstechnik.<br />

Mit den Grundlagen und der praktischen Anwendung von Methoden<br />

zur Virtuellen Absicherung in der Produktentwicklung und<br />

der Produktion beschäftigt er sich über 20 Jahren. Riedel ist verheiratet<br />

und Vater eines erwachsenen Sohnes.<br />

20 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


KÖPFE DER INNOVATIONSFÖRDERUNG<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

bilindustrie extrem weit, aber eben auch sehr konservativ bezüglich<br />

der Sicherheit. Beim Thema Elektromobilität reden wir über ein Gesamtsystem,<br />

in dem das Auto nur noch ein Teil ist. Hier müssen erst<br />

noch grundsätzliche Dinge gelöst werden, beispielsweise wie wir<br />

genügend Ladestrom an den richtigen Orten bereitstellen. Sie können<br />

ja mal ausrechnen, wie viel Strom wir bräuchten, wenn plötzlich<br />

50 Prozent unserer Autos elektrisch fahren würden. Da haben Sie<br />

ruckzuck ein politisches Dilemma, denn so viel Strom können Sie<br />

gar nicht produzieren, ohne alle Kernkraftwerke wieder ans Netz zu<br />

nehmen. Wenn die deutschen Automobilhersteller hier verspätet<br />

reagiert haben, dann weil erst jetzt ungefähr absehbar ist, wie ein<br />

Gesamtsystem für Elektromobilität funktionieren könnte.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Sie haben sich darauf verlassen, dass Andere<br />

die Probleme wie die Ladeinfrastruktur, die Speicherkapazität<br />

etc. lösen?<br />

Riedel: Ich sehe das als ein holistisches System, das nur im Zusammenspiel<br />

mit öffentlicher Ladeinfrastruktur und anderen Mobilitätsangeboten<br />

funktionieren kann. Wir werden lange, sehr lange eine<br />

Mischform aus Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und elektrischem<br />

Antrieb sehen. Wünschenswert ist natürlich, dass die Hersteller<br />

immer ein, zwei reine Elektrofahrzeuge haben, um Erfahrungen<br />

zu sammeln. Es gibt nämlich noch kein Elektroauto, das einen<br />

kompletten Generationszyklus hinter sich hat.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Ist die Gefahr groß, dass ein branchenfremdes<br />

Unternehmen die traditionellen Hersteller überholt?<br />

Riedel: Die Bedrohung besteht nicht darin, dass irgendein Apple<br />

oder Google anfängt, Autos zu bauen. Eine andere Frage ist, was<br />

passiert, wenn solche Firmen Mobilitätsdienstleistungen anbieten,<br />

die das eigene Auto nicht mehr in den Mittelpunkt stellen, sondern<br />

individuelle und öffentliche Mobilität miteinander verknüpfen. Ein<br />

gutes Beispiel ist Car2Go. In den Städten, in denen die Infrastruktur<br />

da ist, funktioniert das System inzwischen hervorragend. Sogar das<br />

Ladeproblem für die Elektrofahrzeuge hat ein smartes Hirn gelöst,<br />

indem es Freiminuten zum Fahren dafür gibt, dass man ein Auto an<br />

eine Ladestation bringt. Seitdem suchen Studenten in den großen<br />

Städten gezielt nach „leeren“ Elektrofahrzeugen. Sie sehen, dass<br />

ist ein sich selbst kreierendes Gesamtsystem.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Sehen Sie die Automobilhersteller in Entwicklung<br />

und Produktion für die Zukunft gut gerüstet?<br />

Riedel: Technisch gesehen ja, aber es hapert beim Thema Software.<br />

Hier hat man sehr lange versucht, mit den erprobten Fertigungsprozessen<br />

auch die Software zu fabrizieren, und das ist nicht unbedingt<br />

gut gelaufen. Jetzt ist die Frage, wie man diesen Wandel hinbekommt,<br />

dass sich das Auto immer mehr über Software definiert und<br />

man deshalb extrem robuste Software-Entwicklungsprozesse<br />

braucht. Und damit meine ich nicht nur die Software im Auto, sondern<br />

auch die Software, die Sie für die Entwicklung und Produktion<br />

selbst benötigen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Was kann das PLM dazu beitragen, neue<br />

Themen wie etwa das Model Based <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> in die<br />

Kernprozesse zu integrieren? Brauchen wir eine andere Art von<br />

PLM-Systemen oder vielleicht gar keine mehr?<br />

Riedel: Ich glaube, den PLM-Systemen kommt eine zentrale Rolle<br />

als strukturierendes Element zu – vorausgesetzt, sie werden von<br />

den Anwendern akzeptiert und sind offen, denn man wird niemals<br />

mit einem einzigen System alle Strukturierungsaufgaben erledigen<br />

können. Die Systeme müssen im Zusammenspiel funktionieren,<br />

was sie heute nicht oder nur leidlich tun. Eigentlich müsste man ein<br />

System wie ein Auto mit den Methoden des MBSE sowohl aus<br />

Sicht der Entwicklung, als auch aus Sicht der Produktion modellieren,<br />

das heißt man bräuchte Informationen aus beiden Fraktionen –<br />

aber das scheitert noch oft an den Systemgrenzen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Ihre Forderung nach Offenheit richtet sich<br />

in erster Linie an die PLM-Hersteller?<br />

Riedel: An die großen PLM-Hersteller, denn die kleinen sind seit jeher<br />

offen. Die haben zwar alle den Code of PLM Openness unterschrieben,<br />

aber das muss jetzt mit Leben gefüllt werden. Deshalb<br />

werden wir (vom Prostep iViP Verein, Anm. d. Red.) im nächsten<br />

Schritt Zertifikate einführen und das überprüfbar machen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: In den Diskussionen über die Zukunft von<br />

PLM wird immer wieder betont, dass monolithische Systeme<br />

keine Zukunft haben, sondern dass wir modularere Architekturen<br />

mit intelligent vernetzten Informationen benötigen?<br />

Riedel: Das kann ich nur unterstützen. In meiner früheren Funktion<br />

habe ich schon ein paar Mal darüber nachgedacht, wie es wäre,<br />

wenn sich die Automobilhersteller zusammentäten und einen Open<br />

Source-Standard für PLM definieren, um den monolithischen Systemen<br />

zu entkommen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Neulich las ich einen interessanten Beitrag<br />

über die Schieflage des iPLM-Projekts bei Jaguar Land Rover.<br />

Kann man PLM-Systeme überhaupt noch migrieren?<br />

Riedel: Es steht mir nicht zu, über das Projekt zu urteilen. Aber ich<br />

glaube, es ist ein generelles Problem, dass die PLM-Hersteller vieles<br />

versprechen, was heute noch nicht im Produkt ist, sondern erst<br />

mit dem nächsten oder übernächsten Release kommen soll. Sie haben<br />

eigentlich nie einen Release-Stand, der alles hat, was Sie benötigen.<br />

So ein Migrationsprojekt steht und fällt also damit, wie robust<br />

Ihre interne Organisation ist, um auch Misserfolge zu verkraften.<br />

Und sie brauchen ein sehr stabiles Projektmanagement.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: PLM-Migrationsprojekte macht man aber<br />

nicht jeden Tag macht, so dass es an Erfahrung mangelt?<br />

Riedel: Da gebe ich Ihnen Recht, es gibt inzwischen einige gute<br />

PLM-Einführungsprojekte, aber verdammt wenige erfolgreich abgeschlossene<br />

Migrationsprojekte. Jedenfalls nicht bei Großunternehmen.<br />

Und es gibt auf dem freien Markt viel zu wenige Ressourcen,<br />

die Sie einkaufen können, um so etwas zu machen. Wenn Sie richtig<br />

Geld verdienen wollen, machen Sie eine PLM-Beratung auf.<br />

Details zum Code of PLM Openness (CPO)<br />

des Prostep iViP Vereins:<br />

www.prostep.org/de/cpo<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 21


MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

AUS DER FACHGRUPPE SE<br />

Model-Based <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> – auch für KMU<br />

Intensiver Austausch dreier Unternehmen<br />

Ein durchgängiges virtuelles Systemmodell, von den Anforderungen bis zu den Entwicklungsergebnissen<br />

der Fachdisziplinen – das ist die Krönung einer erfolgreichen Einführung von MBSE. Aber vorher<br />

gibt es viel zu tun: Harting Applied Technologies, Elha Maschinenbau Liemke und Friedrich Remmert<br />

entwickeln, bauen und installieren kundenspezifische Anlagen. Im Spitzencluster it’s OWL tauschen<br />

sie sich über SE und für den Mittelstand geeignete MBSE-Werkzeuge aus. Das Fraunhofer IEM als<br />

Forschungspartner moderiert diesen Austausch.<br />

Kirsten Harting, Kommunikation Produktentstehung, Fraunhofer IEM<br />

hier leicht nachvollziehbar und kann für alle Beteiligten verständlich<br />

propagiert werden. Kostenintensive Verzögerungen im Projekt<br />

werden so verhindert.<br />

Diskutieren über MBSE-Werkzeuge im Mittelstand (v.l.): Dr. Christian<br />

Tschirner vom Fraunhofer IEM, Volker Huckriede von Harting Applied<br />

Technologies, Meinolf Tepper von Elha Maschinenbau Liemke und<br />

Dr. Thomas Peitz von Friedrich Remmert<br />

Spezialisierte, kundenspezifische Lösungen mit möglichst<br />

kurzen Lieferzeiten unter Wiederverwendung etablierter<br />

Komponenten: Ähnliche Herausforderungen in der Produktentwicklung<br />

der drei Maschinenbauer Harting Applied Technologies, Elha<br />

Maschinenbau Liemke und Friedrich Remmert führen zu den<br />

gleichen Motiven, den Ansatz des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> voranzutreiben:<br />

Methoden des Model-Based <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (MBSE)<br />

ermöglichen eine schnelle disziplinübergreifende <strong>Systems</strong>pezifika -<br />

tion sowie einen durchgängigen Entwicklungsprozess, der Anforderungen,<br />

Funktionen und Lösungselemente verknüpft und damit auch<br />

ein effizientes Änderungsmanagement ermöglicht. In Projekten mit<br />

dem Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM arbeiten<br />

die drei Unternehmen gemeinsam an Methoden und Heran -<br />

gehensweisen für ihre Entwicklungsprojekte und -prozesse mit<br />

besonderem Fokus auf das mittelständische Umfeld. Mit einem<br />

entsprechenden Softwaretool könnten die Modelle noch besser ausgearbeitet<br />

und analysiert werden.<br />

Die Potenziale der Werkzeuge sind bekannt: Entwickler erschaffen<br />

ein virtuelles Abbild ihres <strong>Systems</strong>, das durch Funktions- und Wirkstrukturen<br />

mit ihren etablierten CAD-Modellen verknüpft ist. Alle<br />

erarbeiteten Anforderungen sind digital hinterlegt und für alle Beteiligten<br />

über den gesamten Entwicklungsprozess verfügbar. Verändern<br />

sich Entwicklungsbedingungen oder Anforderungen, wird dies<br />

Bild: Fraunhofer IEM<br />

MBSE-Tools: Herausforderung im Mittelstand<br />

Im Maschinen- und Anlagenbau etablieren sich die Ansätze <strong>Systems</strong><br />

<strong>Engineering</strong> und MBSE, sowie die entsprechenden Software-Werkzeuge<br />

nur langsam. „Erst seit etwa 2013 erkennt die Branche die<br />

Möglichkeiten, die MBSE mit sich bringt. Erste Entwicklungs -<br />

projekte werden umgesetzt. Diese Entwicklung erkennen wir auch<br />

an der gestiegenen Beteiligung des Maschinen- und Anlagenbaus<br />

bei Fachveranstaltungen wie dem Tag des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

(TdSE)“, so Dr. Christian Tschirner, Abteilungsleiter Digital <strong>Engineering</strong><br />

& Collaboration am Fraunhofer IEM.<br />

Jedes Software-Werkzeug kann dabei aber nur so gut sein, wie der<br />

methodische und konzeptionelle Ansatz, der ihm zugrunde liegt.<br />

Besonders im mittelständischen Maschinen- und Anlagenbau sind<br />

die Anforderungen an die Werkzeuge je nach Unternehmenssitua -<br />

tion und Entwicklungszielen unterschiedlich und müssen in methodischer<br />

Vorarbeit identifiziert werden. „‚Mal eben‘ ein Modell erzeugen<br />

ist häufig nicht möglich,“ sagt Meinolf Tepper, Elha Maschinenbau<br />

Liemke. „Die Bedienung vieler Tools ist sehr komplex. In vielen<br />

KMU sind keine Ressourcen vorhanden, um mehrere Experten in<br />

Vollzeit mit den Werkzeugen arbeiten zu lassen. So muss eine große<br />

Zahl an Mitarbeitern in der Lage sein, die Werkzeuge auch ohne<br />

große Erfahrung zu bedienen.“<br />

Welches Werkzeug passt zu wem?<br />

In Workshops mit den drei ostwestfälischen Unternehmen testeten<br />

die Wissenschaftler des Fraunhofer IEM verschiedene Software-<br />

Werkzeuge auf ihre Leistungsfähigkeit und Anwendbarkeit. Die<br />

besondere Eignung eines Tools für die Anwendung im Mittelstand<br />

lässt sich an einer Reihe von Faktoren festmachen: Das Werkzeug<br />

sollte eine möglichst intuitive Bedienung und ein schnelles Einarbeiten<br />

und Verstehen auch ohne detaillierte Fachkenntnisse ermöglichen.<br />

„Entwicklerteams im Mittelstand setzen sich zu einem großen<br />

Teil aus Generalisten zusammen“, erläutert Meinolf Tepper. „Alle<br />

Beteiligten sollten das Tool bedienen und Änderungen pflegen können.“<br />

Ein weiterer Faktor ist der Funktionsumfang des jeweiligen<br />

Tools: Neben den Basics – wie beispielsweise die Erstellung einer<br />

Architektur oder das Sicherstellen von Traceability – kommt es mehr<br />

denn je darauf an, dass das Werkzeug auch eine einfache Zusammenarbeit<br />

mit Partnern an den Modellen ermöglicht. „Die Funktionalität<br />

des Werkzeugs ist wichtig. Es muss nicht alles ermöglichen,<br />

22 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


Henning Kagermann<br />

im Interview – Seite 16<br />

Steuerungsplattform<br />

von morgen – Seite 54<br />

Aachener WZL greift nach<br />

der Cloud – Seite 62<br />

Maximilian Brandl, Vorsitzender der Geschäftsführung K|E|M von Eplan und Cideon – Seite 34<br />

AUS DER FACHGRUPPE SE<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

Block- und Zustandsdiagramme<br />

zur<br />

Systemmodellierung<br />

in iQuavis mit der<br />

Methode Consens<br />

Bild: Fraunhofer IEM<br />

sondern für den Mittelstand einen soliden Funktionsumfang aufweisen<br />

– der im Zweifel auf einfache Art und Weise auch selbst angepasst<br />

werden kann“, sagt Dr. Thomas Peitz, Technischer Leiter von<br />

Friedrich Remmert.<br />

Als besonders wichtig empfanden die Partner die Möglichkeit, Werkzeuge<br />

zu individualisieren: Die Anwender sollten etwa die Strukturen<br />

des Werkzeugs oder das User Interface ändern und ihr Werkzeug so<br />

auf ihr eigenes Projekt oder den eigenen Aufgabenbereich zuschneiden<br />

können. Zudem ist es hilfreich, wenn das Software-Werkzeug<br />

direkt eine für KMU geeignete Modellierungsmethode unterstützt –<br />

etwa Consens. Verschiedene MBSE-Werkzeuge, davon eine Reihe<br />

von SysML-Editoren, standen zur Auswahl. Der Funktionsumfang ist<br />

oft sehr umfangreich, viele Werkzeuge sind allerdings nur unter größerem<br />

Aufwand und nur bedingt anpassbar. Das aus dem Projektund<br />

Qualitätsmanagement kommende MBSE-Werkzeug iQuavis<br />

weist einen vergleichsweise hohen Funktionsumfang bei leicht<br />

umsetzbaren Anpassungsmöglichkeiten auf. „Vor dem Hintergrund,<br />

dass iQuavis aus dem Qualitäts- und Projektmanagement stammt –<br />

und nicht aus der Software-Entwicklung – haben wir uns für ein<br />

Pilotprojekt mit iQuavis entschieden. Hier wollen wir überprüfen,<br />

wie wir das Thema MBSE und unser agiles Projektmanagement mit<br />

diesem Werkzeug unterstützen können“, sagt Volker Huckriede, Technischer<br />

Leiter Sondermaschinenbau, Harting Applied Technologies.<br />

Fachgruppe SE trifft sich zum Thema Tools<br />

Harting Applied Technologies, Elha Maschinenbau Liemke, Friedrich<br />

Remmert und das Fraunhofer IEM arbeiten im Rahmen von zwei<br />

Netzwerken der Region Ostwestfalen-Lippe zusammen: Der<br />

Spitzencluster it’s OWL und OWL ViProSim. Die Erkenntnisse zum<br />

Einsatz von MBSE-Werkzeugen im Mittelstand kommen auch in<br />

weiteren Projekten der Technologienetzwerke zum Einsatz. So stellt<br />

Meinolf Tepper von Elha Maschinenbau Liemke seine Erfahrungen<br />

beim nächsten Treffen der Fachgruppe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> am<br />

18. Mai 2017 am Fraunhofer IEM in Paderborn vor. Einen zweiten<br />

Anwendervortrag hält Dr.-Ing. Christian von Holst, John Deere. In<br />

einer Tool-Arena können Teilnehmer außerdem verschiedene Software-Werkzeuge<br />

kennenlernen und diskutieren. Anmeldungen zur<br />

Fachgruppe sind möglich auf:<br />

www.its-owl.de<br />

Zu dieser Rubrik<br />

INFO<br />

Die zunehmende Komplexität von Maschinen und Anlagen stellt Unternehmen<br />

vor große Herausforderungen. Für die Produktentwicklung<br />

werden ein ganzheitliches Systemverständnis und die Betrachtung<br />

des gesamten Lebenszyklus erforderlich. Im Rahmen des Spitzenclusters<br />

it‘s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe – wurde<br />

2014 die Fachgruppe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> gegründet. Ziel<br />

ist es, disziplinübergreifende Methoden für die Entwicklung von intelligenten<br />

Maschinen und Anlagen in die Praxis zu bringen. Partner sind<br />

• das Fraunhofer IEM,<br />

• Dassault Systèmes,<br />

• die Netzwerke OWL Maschinenbau,<br />

• OWL ViProSim,<br />

• Digital in NRW – Das Kompetenzzentrum für den Mittelstand sowie<br />

• die Gesellschaft für <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (GfSE).<br />

<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> ist ein wichtiges Forschungsgebiet im Technologie-<br />

Netzwerk it‘s OWL. Entwurfstechniken unterschiedlicher Disziplinen<br />

werden zu einer übergreifenden Entwurfssystematik zusammengeführt,<br />

die in Modellierungs- und Simulationsmethoden verfügbar gemacht<br />

wird. Dadurch können Unternehmen die Effektivität und Effizienz ihrer<br />

Produktentwicklung steigern. Entwicklungszeiten werden verkürzt,<br />

Abstimmungsbedarfe und nachträgliche Änderungen entfallen und die<br />

Produktqualität steigt.<br />

Hinweis: Veröffentlichungen der Fach -<br />

gruppe SE in der <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong><br />

<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> finden Sie<br />

auch auf der Website der Fachgruppe SE.<br />

Zusätzlich besteht für Teilnehmer die<br />

Möglichkeit, ein Printabonnement zum<br />

ermäßigten Preis zu beziehen. Termine<br />

und Infos zu Veranstaltungen finden<br />

Sie unter:<br />

www.its-owl.de<br />

Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Kooperation<br />

ist sehr wichtig<br />

Das<br />

<strong>Engineering</strong><br />

Magazin<br />

01 2017<br />

www.kem.de<br />

Titelstory Seite 26<br />

Zukunft der Entwicklung<br />

Programmieren<br />

für das IoT<br />

ist modellbasiert<br />

Internet of<br />

Production<br />

Im Gespräch | „Schneller kommunizieren per Syngineer“<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 23


Bild: GfSE<br />

Bereits im Mai 1998 fand im FIZ die<br />

erste Veranstaltung der GfSE mit<br />

internationaler Beteiligung statt<br />

EMEA-Workshop, Jahreskonferenz und Geburtstag<br />

20 Jahre internationale Vernetzung<br />

Internationale Gäste bringen verschiedene Sichten und neuste Erkenntnisse zur Jubiläumsfeier der<br />

Gesellschaft für <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> in die Veranstaltungen ein. Mit dem Treffen der internationalen<br />

Arbeitsgruppen zum EMEA-Workshop und der Jahreskonferenz bieten sich Austausch und Vernetzung<br />

zu den aktuellen Themen der Digitalisierung und Vernetzung an.<br />

Sven-Olaf Schulze, Vorsitzender, GfSE<br />

Die GfSE e.V. als deutsches Chapter des International Council on<br />

<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (INCOSE) ist seit 1997 die größte<br />

deutschsprachige Interessensvertretung rund um das Thema <strong>Systems</strong><br />

<strong>Engineering</strong>. Mit der Gründung durch engagierte Forscher der<br />

TU München und Industrievertreter aus der Luft- und Raumfahrt, der<br />

Automobilindustrie und Telekommunikation bei BMW in München<br />

startete die GfSE e.V. die internationale Vernetzung zum Thema <strong>Systems</strong><br />

<strong>Engineering</strong> und gab damit auch den Startschuss, das Thema<br />

im deutschsprachigen Raum zu verankern. Neben der steigenden Anzahl<br />

aus persönlichen Mitgliedern, die die gesamte Bandbreite der erfolgreichen<br />

Industrie vertreten, sind in den letzten Jahren insgesamt<br />

60 korporative Mitglieder der GfSE beigetreten. Sie bringen damit<br />

zum Ausdruck, dass <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong> (SE) effektiv nutzbare Lösungen<br />

im Zeit alter der Vernetzung und Digitalisierung bietet. Angefangen<br />

vom klassischen <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Einsatz und der Steigerung<br />

der Vernetzung und verteiltem Arbeiten sind aktuell die Themen<br />

Smart Home, Internet der Dinge und Industrie 4.0 nicht mehr<br />

ohne die Ansätze des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s denkbar.<br />

Diese Inhalte prägen in diesem Jahr die Aktivitäten der GfSE e.V., die<br />

sich zum Ziel gesetzt hat, das Thema <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> mit einem<br />

einheitlichen Ansatz zu etablieren und die Forschung und Industrie als<br />

gemeinnütziger Verein zu unterstützen und weiter zu entwickeln.<br />

Dies hat sich im Februar schon in der ersten Veranstaltung gezeigt.<br />

Das erste europäische Finale des RobSE-Challenge wurde zwischen<br />

den Hochschulen aus Nancy in Frankreich und der Hochschule München<br />

in Pforzheim ausgetragen. In diesem Wettkampf treten die mit<br />

den Mitteln des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s entwickelten Roboter und<br />

Teams in einem Wettkampf an. Neben der Dokumentation, der Fähigkeit<br />

zur Zusammenfassung der Ergebnisse, findet auch ein Wett-<br />

kampf der gebauten Systeme statt. Die Roboter müssen sowohl autonom<br />

als auch in der Interaktion Mensch-Maschine in mehreren<br />

Durchgängen durch einen Parcours mit verschiebenden Aufgaben gesteuert<br />

werden. Das deutsche Team mit dem Roboter Erna hat in diesem<br />

Jahr eindeutig die praktischen Aufgaben im Parcours am besten<br />

gemeistert und sich hier gegen das französische Team durchsetzen<br />

können. Die Ausschreibungen für den nationalen Entscheid für 2017<br />

beginnen im Juli.<br />

Arbeitsgruppen und 20 Jahre Know-how-Transfer<br />

Am 9. und 10. März 2017 findet der nationale GfSE-Workshop in Hannover<br />

mit vielen Themen und Projekten aus dem modellbasierten SE<br />

und dem Product Line <strong>Engineering</strong> statt. Die Themen kommen aus<br />

den Arbeitsgruppen und beschäftigen sich mit <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

für sicherheitskritische Systeme, Product Line <strong>Engineering</strong> (PLE),<br />

Mehrwertanalyse und PLM für ein disziplinübergreifendes Variantenund<br />

Konfigurationsmanagement im MBSE. Neben dem MBSE wird<br />

auch das PLE immer wichtiger, da hier die Variantenvielfalt und die Architektur<br />

von „Entwicklungsproduktlinien“ systematisiert werden.<br />

Ziel ist es, auf dem Workshop unter anderem den Mehrwert und die<br />

Voraussetzungen für Firmen aufzuzeigen. Auf Basis dieser nationalen<br />

Aktivitäten wird es am 19. und 20. September 2017 in Mannheim den<br />

2. INCOSE European Middle East and Africa (EMEA) Workshop geben.<br />

Das Programm wird bis März final entschieden und unter dem<br />

Begriff INCOSE EMEA Workshop veröffentlicht. Auf dem internatio-<br />

24 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


Henning Kagermann<br />

im Interview – Seite 16<br />

Steuerungsplattform<br />

von morgen – Seite 54<br />

Aachener WZL greift nach<br />

der Cloud – Seite 62<br />

Maximilian Brandl, Vorsitzender der Geschäftsführung K|E|M <strong>Konstruktion</strong> von Sonderausgabe Eplan und <strong>Systems</strong> Cideon <strong>Engineering</strong> – Seite 01 2017 34 1<br />

AUS DER<br />

MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />

Bild: GfSE<br />

Bild: GfSE<br />

Arbeitsgruppen auf dem nationalen GfSE-<br />

Workshop 2016<br />

2015 wurde bereits das 25jährige Bestehen des INCOSE (International Council on <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>)<br />

anlässlich des Internationalen Symposiums gefeiert<br />

nalen Workshop im Januar in Los Angeles wurden dazu bereits die<br />

Themen aus den internationalen Arbeitsgruppen vorgestellt. Arbeitsgruppen<br />

aus Automotive, Healthcare, Infrastructure & Transport, Oil &<br />

Energy, Human Factors, System of <strong>Systems</strong>, Architecture, PLE,<br />

MBSE, SE for services, System Thinking, Training und Competency<br />

haben sich beworben und werden sich mit den Themen Digitalisierung<br />

und Vernetzung beschäftigen. Am Abend des ersten Tages wird<br />

es übrigens eine Feier mit den internationalen Gästen geben.<br />

Engagement und Jahresabschluss<br />

Neben diesen Veranstaltungen hat die GfSE Vertreter in den Arbeitsgruppen<br />

in der OMG, hier mit dem Fokus auf MBSE und SysML 2.0,<br />

mit denen INCOSE eine Kooperation hat. Neben diesen Vertretungen<br />

für die Industrie engagiert sich die GfSE auch in der internationalen<br />

<strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Normung rund um die ISO 15288 und ISO<br />

29110. Diese Ergebnisse fließen in Produkte ein und werden auf der<br />

Jahreskonferenz der GfSE, dem TdSE2017 (www.tdse.org) vorgestellt,<br />

der von 8. bis 10. November 2017 in Paderborn stattfindet und<br />

Erfahrungen aus Industrie, Lehre und Forschung kombiniert. In diesem<br />

Jahr findet der TdSE2017 im Heinz-Nixdorf-Forum mit der Nähe<br />

zum neu gegründeten Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik<br />

IEM statt, welches sich im Spitzencluster it’s OWL entwickelt<br />

hat und mit den Themen intelligente Mechatronik im Kontext von Industrie<br />

4.0 fachübergreifend beschäftigt; zudem ist das Fraunhofer<br />

IEM korporatives Mitglied der GfSE. In 2016 fand der TdSE übrigens<br />

bei Schaeffler in Herzogenaurach statt und verzeichnete einen neuen<br />

Teilnehmerrekord. Ein Zuwachs von mehr als 25 % zeigt das Interesse<br />

an <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> mit der Kombination MBSE und PLE.<br />

2017 wird es am ersten Tag wieder Tutorials als Seminare geben, die<br />

sowohl von erfahrenen Experten als auch den Toolherstellern angeboten<br />

werden. Auf den Konferenztagen werden Beiträge aus Industrie<br />

und Forschung präsentiert, die die Teilnehmer immer zu sehr intensiven<br />

Diskussionen anregen. So werden in diesem Jahr Inhalte aus den<br />

Bereichen modellbasierte Systementwicklung und Simulation, agile<br />

Systementwicklungsmethoden, <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> im Mittelstand<br />

inklusive Organisationsentwicklungen, <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Tools<br />

und ihrer Umgebung oder auch PLM/MBE/MBSE-Integration erwartet.<br />

Fester Bestandteil des TdSE ist das Tool-Vendor-Project (TVP),<br />

welches sich unter Ausstellern und Teilnehmern großer Beliebtheit erfreut.<br />

Mit dem TVP können alle Teilnehmer – Anfänger oder Experten<br />

– einen Einblick in die neuesten Möglichkeiten und Innovationen bekommen<br />

und die Ausrichtungen der einzelnen Anbieter besser verstehen.<br />

Ziel ist es, anhand eines definierten Beispiels Ansatz,<br />

Schwerpunkte und Lösungen – und damit das Verständnis von SE –<br />

vorzustellen, um eine Diskussionen mit den Teilnehmern zu ermöglichen.<br />

Das Programm wird im Juni 2017 auf der Konferenzhomepage<br />

freigegeben. Weiterhin unterstützt das World Cafe den Ideen- und Erfahrungsaustausch<br />

zwischen einzelnen Teilnehmern, die auf Grund ihres<br />

Hintergrundes und Industrie unterschiedliche Erfolge und Best<br />

Practices mitbringen. Den Transfer und die Hinterfragung der Anwendbarkeit<br />

auf die eigene Branche und Firma sollen so gefördert<br />

werden. Mit der Anmeldung kann man sich zu den kostenlosen Seminaren<br />

anmelden; einen Einblick gibt zudem das Video, das auf der<br />

Konferenz-Homepage zur Verfügung steht.<br />

www.gfse.de<br />

Zu dieser Rubrik<br />

Die Gesellschaft für <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (GfSE) e.V. als deutsches<br />

Chapter des International Council on <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (INCOSE) ist<br />

seit 1997 die größte deutschsprachige Interessensvertretung rund um<br />

das Thema <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>. In der Rubrik ‚Aus der GfSE‘ berichten<br />

wir regelmäßig über aktuelle Aktivitäten<br />

und Initiativen. Mitglieder der GfSE erhalten<br />

die <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong><br />

<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> digital im Rahmen<br />

ihrer Mitgliedschaft über den Newsletter<br />

der GfSE. Zusätzlich besteht die Möglichkeit,<br />

ein Printabonnement zum ermäßigten Mitgliederpreis<br />

zu beziehen. Angaben zu Verfahren<br />

und Gutscheincode finden sich ebenfalls im<br />

Newsletter der GfSE.<br />

www.gfse.de<br />

Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Kooperation<br />

ist sehr wichtig<br />

INFO<br />

Das<br />

<strong>Engineering</strong><br />

Magazin<br />

01 2017<br />

www.kem.de<br />

Titelstory Seite 26<br />

Zukunft der Entwicklung<br />

Programmieren<br />

für das IoT<br />

ist modellbasiert<br />

Internet of<br />

Production<br />

Im Gespräch | „Schneller kommunizieren per Syngineer“<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 25


METHODEN<br />

TITELSTORY<br />

Ergebnisse des BMBF-Verbundprojekts mecPro 2<br />

Zukunft der Entwicklung<br />

ist modellbasiert<br />

Die Entwicklung cybertronischer Systeme, die über das Internet der Dinge<br />

miteinander kommunizieren, erfordert neue Werkzeuge, Methoden und<br />

Prozesse. Welchen Beitrag Model-Based <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (MBSE)<br />

dazu leisten kann und wie es sich am besten in PLM-Systeme und -Prozesse<br />

integrieren lässt, untersuchte das vom BMBF geförderte Verbundprojekt<br />

mecPro 2 . Im Anschluss an den Tag des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s in Herzogenaurach<br />

präsentierten die Projektteilnehmer ihre Ergebnisse.<br />

Michael Wendenburg, Fachjournalist, Sevilla<br />

26 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


TITELSTORY<br />

METHODEN<br />

Die Ergebnisse aus drei Jahren Forschungsarbeit können sich im<br />

wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen: Das Konsortium aus<br />

12 Forschungsinstituten, Industrieunternehmen, Software- und Beratungshäusern<br />

hat nämlich nicht nur mehrere GByte an Dokumenten<br />

und Modellen und fast 1000 Wiki-Seiten produziert, wie Konsortialführer<br />

Dr. Walter Koch, Leiter Forschungs- und Entwicklungsprozesse<br />

bei der Schaeffler-Gruppe, eingangs erwähnte. Das Besondere<br />

sind die beiden Demonstratoren, die am Beispiel einer cybertronischen<br />

Schranke für das autonome Parken und einer Montagelinie für<br />

Zylinderköpfe veranschaulichen, wie sich die modellbasierte Entwicklung<br />

in den PLM-Kontext integrieren lässt. „Wir haben es gewagt,<br />

modellbasierte Entwicklung mit Änderungswesen und Konfigurationsmanagement<br />

zu verbinden“, sagte Prof. Martin Eigner von<br />

der TU Kaiserslautern, Initiator des Projekts, nicht ohne Stolz.<br />

Mit einem Projektvolumen von 4,36 Millionen Euro und einer BMBF-<br />

Fördersumme von 2,5 Millionen Euro war mecPro 2 ein großes Verbundprojekt<br />

im Rahmen einer noch größeren Fördermaßnahme, die<br />

sich vor allem mit Industrie 4.0 und der intelligenten Vernetzung in<br />

der Produktion beschäftigte. Betreut wurde sie vom Projektträger<br />

Karlsruhe (PTKA), dessen Vertretern Koch und Eigner für ihre Unterstützung<br />

dankten. Der Projektantrag wurde aber erst im zweiten Anlauf<br />

genehmigt, weil mecPro 2 im Kontext von Industrie 4.0 eine Sonderstellung<br />

einnimmt. Das Projekt beschäftigt sich nicht nur mit der<br />

Produktion, sondern auch mit der modellbasierten Entwicklung von<br />

cybertronischen Produkten und Produktionssystemen. Inzwischen<br />

habe man erkannt, dass es ohne intelligente Produkte auch keine intelligente<br />

Produktion geben könne, unterstrich Eigner.<br />

Die Entwicklung cybertronischer Systeme zeichnet sich dadurch aus,<br />

dass eine Vielzahl von Disziplinen daran mitwirken, die nicht dieselbe<br />

(Fach-)Sprache sprechen und unterschiedliche IT-Systeme einsetzen.<br />

Wesentliche Zielsetzung von mecPro 2 war es, die Disziplinen näher<br />

zusammenzubringen. Als gemeinsamer Nenner dient dazu die <strong>Systems</strong><br />

Modeling Language SysML und ein abgestimmter Entwicklungsprozess.<br />

Erstmals wurde dabei versucht, die Gräben zwischen<br />

Produktentwicklung und Produktion durch ein gemeinsames Systemmodell<br />

zu überbrücken und Produkt und Produktionssystem als<br />

eine logische Einheit zu betrachten und parallel zu entwickeln.<br />

Demonstratoren mit Vorbildfunktion<br />

Wie das in der Praxis aussehen könnte, veranschaulicht der zweite,<br />

vom Konsortium entwickelte Demonstrator, den Armin Haße von<br />

Siemens PLM Software den etwa 150 Besuchern der Ergebniskonferenz<br />

vorstellte. Ein Highlight der Lösung ist die Möglichkeit, die<br />

Montage der Zylinder auf Basis der in Teamcenter modellierten<br />

SysML-Modelle schon in der frühen Planungsphase in Plant Simulation<br />

zu simulieren, um eine optimale Auslegung des Produktionssystems<br />

und eine produktionsgerechte Produktgestaltung zu gewährleisten.<br />

Die simulationsbasierte Planung erhöhe den Reifegrad der<br />

Fertigungslinie bei Produktionsstart und trage dadurch zu einem reibungslosen<br />

Produktionsanlauf bei, sagte Haße.<br />

Bild: Schaeffler/Konradin Mediengruppe<br />

Mit dem FAG VarioSense-Lager will Schaeffler den Einstieg in<br />

die Digitalisierung einfach machen – über eine Kombination<br />

aus Standard-Wälzlager und Sensorcluster. Damit stehen in<br />

einer kompakten Einheit gleich mehrere Sensorsignale für die<br />

Maschinen- und Prozessüberwachung zur Verfügung. Wie<br />

sich generell disziplinübergreifend Produkte entwickeln lassen,<br />

war Thema des BMBF-Verbundprojekts mecPro 2<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 27


METHODEN<br />

TITELSTORY<br />

Das Akronym mecPro² steht für „Modellbasierter<br />

Entwicklungsprozess cybertronischer Produkte<br />

und Produktionssysteme“ und damit für die Verbindung<br />

zweier sehr unterschiedlicher und oftmals<br />

getrennter Entwicklungsbereiche. Beteiligt<br />

an dem Verbundprojekt war ein Konsortium aus<br />

industriellen und universitären Partnern<br />

Bild: mecPro 2<br />

Bild: Schaeffler<br />

Armin Hasse von Siemens PLM Software<br />

stellt den Demonstrator auf Basis von Siemens<br />

Teamcenter vor<br />

Schwerpunkt des ersten entwickelten Demonstrators war die Integration<br />

von SysML-Modellen in das PLM-System CIM Database von<br />

Contact Software und die Adaption vertrauter PDM-Funktionen wie<br />

Versionsverwaltung, Freigabe- und Änderungsmanagement oder<br />

Konfigurationsmanagement auf die Modell-Artefakte. „Wir haben<br />

den Nachweis erbracht, dass die Artefakte aus SysML grundsätzlich<br />

in PLM abgebildet und verwaltet werden können“, betonte Dr. Patrick<br />

Müller von Contact Software bei der Vorstellung des Demonstrators.<br />

Bahnbrechend neu sei die Möglichkeit, semantische Netze,<br />

wie sie für die Verwaltung der Modellbeziehungen erforderlich sind,<br />

mit den klassischen Stücklistenstrukturen zu verknüpfen, um sie<br />

dann für das Daten- und Prozessmanagement im PLM wirksam werden<br />

zu lassen. So ergeben sich neben dem Nutzen im SysML-Modellmanagement<br />

große Effizienzpotenziale im Änderungswesen,<br />

Projektmanagement und der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit,<br />

wie Müller weiter ausführte.<br />

Die PLM-Integration der modellbasierten Entwicklung ist vielleicht<br />

nicht das wichtigste Ergebnis von mecPro 2 . Sie war für das Projekt<br />

und die 71 Mitstreiter in den verschiedenen Arbeitsgruppen aber insofern<br />

von großer Bedeutung, als sie ihnen deutlich machte, dass ihre<br />

Ideen funktionierten. Außerdem haben die beiden Demonstratoren<br />

Vorbildfunktion für die Weiterentwicklung der PLM-Systeme in<br />

Richtung <strong>Systems</strong> Lifecycle Management. Hier gibt es laut Koch<br />

noch viel zu tun, und Eigner ergänzt: „Die Zukunft von PLM ist föderativ.<br />

Die Informationen liegen nicht mehr in einem monolithischen<br />

PLM-System, sondern verteilen sich über autonome Systeme und<br />

werden intelligent verlinkt.“<br />

Wegweisende Beschreibungssystematik<br />

Eines der Handlungsfelder, in das die Arbeitsgruppen sehr viel Zeit<br />

investierten, war die Spezifikation eines klar strukturierten Referenzprozesses<br />

für die Entwicklung cybertronischer Produkte und Produktionssysteme.<br />

Dazu wurden zunächst die bestehenden Prozesse für<br />

die Mechatronik-Entwicklung bei verschiedenen Automobilherstellern<br />

und -zulieferern erfasst und vereinheitlicht. Dann ergänzte man<br />

diesen konsolidierten Prozess um zusätzliche Module und Aktivitäten.<br />

Ein neues Modul für den Kernprozess der Entwicklung cybertronischer<br />

Produkte ist etwa der Digitale Zwilling; für die Planung der<br />

Produktionssysteme gibt es unter anderem neue Module für die Planung<br />

der Steuerungslogik oder der Zustandserfassung. Insgesamt<br />

setzt sich der Referenzprozess aus 55 Modulen mit mehr als 200 Aktivitäten<br />

zusammen, die über standardisierte Schnittstellen Informationen<br />

mit anderen Modulen/Aktivitäten austauschen. Ein wichtiges<br />

Projektergebnis ist laut Eigner die Definition einer Beschreibungssystematik<br />

für die Modellierung cybertronischer Produkte und Produktionssysteme<br />

in SysML, die das oben beschriebene Prozessrahmenwerk<br />

ergänzt. Es handelt sich um eine Art Verfahrensanweisung,<br />

welche SysML-Elemente wie verwendet und in welcher Reihenfolge<br />

sie erzeugt werden sollen. Damit können sowohl die Produkte als<br />

auch die dazu gehörige Fertigungslinie beschrieben werden, so dass<br />

die Informationen zwischen Produkt- und Produktionssystementwicklung<br />

sehr einfach ausgetauscht werden können. Das ist in dieser<br />

Form einzigartig, weshalb die neue Beschreibungssystematik in<br />

die entsprechenden Normungsgremien eingebracht werden soll.<br />

A propos Normung: Aktuelle Standards decken weder die Bedarfe<br />

der Interoperabilität zwischen SysML-Autorenwerkzeugen ab, noch<br />

berücksichtigen sie die Spezifika von PLM-Anwendungsfällen wie in<br />

mecPro 2 untersucht. Deshalb wurden bei der Entwicklung der beiden<br />

Demonstratoren unterschiedliche Wege bestritten. Contact Soft-<br />

28 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


TITELSTORY<br />

METHODEN<br />

Modellbasiertes <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> mit CIM<br />

Database PLM: Hierarchische Sicht auf die Par -<br />

tialmodelle (SysML, Stückliste, Anforderungen,<br />

etc.), vernetzte Informationen im Semantic Link<br />

Graph, CAD-Modell eines Teilsystems und die<br />

Sicht auf das gesamte Systemmodell (unten)<br />

Bild: Contact Software<br />

Dr. Patrick Müller von Contact Software stellte<br />

den Demonstrator auf Basis von CIM Database vor<br />

Bil<br />

d:<br />

Sh Sch chaef<br />

fle<br />

r<br />

ware entwickelte zusammen mit :em engineering methods eine<br />

Schnittstelle zwischen CIM Database PLM und dem Cameo <strong>Systems</strong><br />

Modeler, während Siemens die Artefakte aus Cameo über das<br />

Visio-Plug-in in Teamcenter integrierte. „Wir wollen einen Datenaustausch-Standard<br />

schaffen, um beispielsweise eine SysML-Architektur<br />

schneiden und in Teilen an verschiedene Zulieferer übergeben zu<br />

können“, sagte Eigner im Gespräch mit Pressevertretern.<br />

Das Konsortium<br />

INFO<br />

MBSE bedeutet einen Kulturwandel<br />

Die modellbasierte Entwicklung erfordert nicht nur neue Werkzeuge<br />

und Standards, sondern auch ein anderes Denken und organisatorische<br />

Veränderungen in den Unternehmen, wie Tim Weilkins, Co-Autor<br />

der SysML-Spezifikation, in seiner Keynote sagte. Deshalb sei<br />

MBSE nicht in einem Schritt erreichbar. Wichtig sind aber auch die<br />

Menschen. Die Frage, wie man die Mitarbeiter auf den langen<br />

Marsch zur modellbasierten Entwicklung mitnehmen kann, ist Gegenstand<br />

weiterer Forschungsprojekte . Die Unternehmen könnten<br />

nicht darauf warten, bis die ersten Generationen junger Generalisten<br />

mit breitem System-Know-how von den Hochschulen auf den Arbeitsmarkt<br />

drängen, sondern müssten ihre eigenen Mitarbeiter weiterbilden,<br />

sagte Koch. Dabei können sie auf die Unterstützung der<br />

Gesellschaft für <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> e.V. (GfSE) bauen, wie der<br />

GfSE-Vorsitzende Sven-Olaf Schulze betonte.<br />

In den Unternehmen besteht ein wachsender Bedarf für die modellbasierte<br />

Entwicklung, der sich auch an dem massiven Zulauf zum Tag<br />

des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s ablesen lässt. Etwa 380 Besucher nahmen<br />

an der mehrtätigen Veranstaltung teil, welche die GfSE in diesem<br />

Jahr bei dem Gastgeber Schaeffler ausrichtete und in deren Anschluss<br />

die mecPro 2 -Ergebniskonferenz stattfand. Das Projekt könne<br />

herausragende Resultate vorweisen, lobte Schulze.<br />

co<br />

www.mecpro.de<br />

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt mecPro 2 wurde mit<br />

Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA)<br />

betreut. Das mecPro²-Konsortium setzt sich aus vier Kategorien<br />

von Partnern zusammen: Anwendungsunternehmen,<br />

Forschungsinstituten, Beratungsunternehmen und Systemanbietern.<br />

Industrielle Partner waren:<br />

• Contact Software GmbH<br />

• Continental AG<br />

• :em engineering methods AG<br />

• Daimler AG<br />

• Schaeffler Technologies AG & Co. KG<br />

• Siemens AG<br />

• Siemens Industry Software GmbH<br />

• Unity AG<br />

Universitäre Partner waren:<br />

• Fachgebiet Kraftfahrzeuge (TU Berlin)<br />

• Lehrstuhl für Fertigungstechnik und Betriebsorganisation<br />

Kaiserslautern (TU Kaiserslautern)<br />

• Lehrstuhl für <strong>Konstruktion</strong> im Maschinen- und Apparatebau<br />

(TU Kaiserslautern)<br />

• Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung (TU Kaiserslautern)<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 29


METHODEN<br />

MBSE/PLM<br />

Nachgefragt: Was hat das Verbundprojekt mecPro 2 gebracht?<br />

„Eine Blaupause für die<br />

Integration von MBSE und PLM“<br />

Drei Jahre lang haben 12 Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Rahmen des vom BMBF<br />

geförderten Verbundsprojekts mecPro 2 untersucht, wie der modellbasierte Entwicklungsprozess für<br />

cybertronische Produkte und Produktssysteme aussehen könnte. Prof. Dr. Martin Eigner, Initiator des<br />

Projekts, und Konsortialführer Dr. Walter Koch von der Schaeffler Gruppe, erläutern im Interview die<br />

wichtigsten Erkenntnisse.<br />

Interview: Michael Wendenburg, Fachjournalist, Sevilla<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Prof. Eigner, Sie haben ja schon manches<br />

Forschungsprojekt realisiert. Was war das Besondere an<br />

mecPro 2 , abgesehen von der Größe des Projekts?<br />

Eigner: Ich erinnere mich an kein Projekt mit so vielen Teams und<br />

ich hatte am Anfang ehrlich Angst, dass jeder isoliert vor sich hin arbeitet.<br />

Diese Angst hat sich gelegt, als wir angefangen haben, unsere<br />

Ideen in den beiden Demonstratoren konkret umzusetzen. Plötz-<br />

lich war die ganze Mannschaft begeistert, weil sie gesehen hat,<br />

dass es tatsächlich funktioniert. Die Demonstratoren sind deshalb<br />

für mich das Besondere an dem Projekt.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Der Start des Projekts war ziemlich zäh,<br />

wie Sie, Herr Dr. Koch, erwähnt haben. Was waren die wesent -<br />

lichen Schwierigkeiten?<br />

Bild: Schaeffler<br />

30 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


MBSE/PLM<br />

METHODEN<br />

„Ich bin der festen<br />

Überzeugung, dass<br />

die Klärung des Begriffs<br />

‚cybertronische<br />

Produkte‘ einer der<br />

Erfolgsfaktoren des<br />

Projekts war.“<br />

Bild: Schaeffler<br />

Dr.-Ing. Walter Koch, Leiter Forschungs- und Entwicklungsprozesse,<br />

Schaeffler AG, Herzogenaurach<br />

Koch: Die Antragsphase hat mehr als anderthalb Jahre gedauert.<br />

Das hatte zur Folge, dass viele Experten, die dabei eingebunden waren,<br />

dann mit dem Beginn des Projektes nicht mehr zur Verfügung<br />

standen. Als wir schließlich loslegt haben, stellten wir fest, dass die<br />

nun Beteiligten sehr unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungshaltungen<br />

hatten. Wir mussten uns zum Beispiel erst einmal<br />

auf ein gemeinsames Verständnis des Begriffs ‚cybertronische Produkte‘<br />

einigen, weil wir sonst aneinander vorbeigeredet hätten. Ich<br />

bin aber der festen Überzeugung, dass diese Klärung einer der Erfolgsfaktoren<br />

des Projekts war, ohne den wir nachher nicht so<br />

schnell vorangekommen wären und so viele Ergebnisse produziert<br />

hätten.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Sie haben in dem Projekt viele Handlungsfelder<br />

abgedeckt, von der Definition eines Referenzprozesses<br />

bis zur PLM-Integration des Model Based <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s<br />

(MBSE). In welchem gab es denn aus Ihrer Sicht die größten<br />

Durch brüche?<br />

Prof. Martin Eigner (Mitte), Initiator des Projekts, und Konsortialführer<br />

Dr. Walter Koch (rechts) von der Schaeffler Gruppe sprachen mit Michael<br />

Wendenburg über den Nutzen von mecPro 2 nach drei Jahren Projektarbeit<br />

Eigner: Die PLM-Integration war eher Handwerkszeug. Wir haben<br />

da einfach die bewährten Methoden für logische Verknüpfungen aus<br />

der Elektrotechnik und Elektronik übertragen. Die Aufnahme der bestehenden<br />

Mechatronik-Prozesse hingegen war eine echte Sisyphosarbeit.<br />

Diese lieferte jedoch eine Blaupause für jede Firma, die<br />

interdisziplinäre Prozesse aufsetzen möchte. Das wichtigste Ergebnis<br />

war in meinen Augen die Beschreibungssystematik, das heißt<br />

die Art, wie wir cybertronische Produkte und Produktionssysteme in<br />

SysML beschrieben haben – weil diese in die Normung von OSLC<br />

und anderen Standards einfließen wird. Wir haben es geschafft, aus<br />

neun unterschiedlichen Systematiken das Beste herauszufiltern.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Wenn ich das richtig verstehe, geht es um<br />

die Art, wie mit SysML modelliert wird. Ein Art ‚Kochbuch‘?<br />

Eigner: Richtig, es ist eine Methodik, um SysML dadurch besser<br />

anwendbar zu machen, dass man die Vielzahl an Artefakten einschränkt.<br />

Man kann die Systematik in Form eines Profils in den Editor<br />

einlesen und dann funktionieren auch nur noch diese Elemente.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Der Referenzprozess sieht auf dem Papier<br />

sehr fein granular aus. Haben Sie den in Ihrer Organisation<br />

schon umgesetzt?<br />

Koch: Nein, noch nicht. Wir haben aber einige bewährte Aspekte<br />

aus unserem gegenwärtigen Produktentstehungsprozess für mechatronische<br />

Produkte in das Projekt für den Referenzprozess eingebracht,<br />

etwa die modulare Struktur. Da der Referenzprozess des<br />

mecPro 2 -Projekts eine ähnliche Grundstruktur hat, haben wir jetzt<br />

die Möglichkeit, die neuen Prozessmodule, die in mecPro² entstanden<br />

sind, relativ einfach in unseren Schaeffler-PEP einzubinden.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Prof. Eigner, Sie sagten eben, die PLM-Integration<br />

sei nur Handwerkszeug, aber genau da gibt es doch<br />

noch viele offene Fragen und fehlende Standards? Sind Sie an<br />

dieser Stelle nicht weitergekommen?<br />

Eigner: Doch, sehr wohl. Im Rahmen des Projekts haben wir ein<br />

Teilprojekt ausgelöst, das sich Krake nennt und ähnlich wie OSLC<br />

mit der REST-Technologie arbeitet. Sie ermöglicht es, Informationselemente<br />

wie Internetseiten zu verlinken. Ich wundere mich nur,<br />

warum es 17 Jahre gedauert hat, bis jemand diese Technologie für<br />

das PLM entdeckt hat. Damit haben die PLM-Monolithen eigentlich<br />

keine Zukunft mehr, denn man braucht nicht mehr alles zwanghaft in<br />

eine zentrale Datenbank zu packen.<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 31


METHODEN<br />

MBSE/PLM<br />

Bild: Schaeffler<br />

„Das wichtigste<br />

Ergebnis ist die<br />

Beschreibungssystematik<br />

cybertronischer<br />

Produkte und Produktionssysteme<br />

in<br />

SysML – wir haben es<br />

geschafft, aus neun<br />

unterschiedlichen Systematiken<br />

das Beste<br />

herauszufiltern.“<br />

Prof. Dr.-Ing. Martin Eigner, Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung,<br />

TU Kaiserslautern<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Wie wird sich denn die PLM-Landschaft<br />

bei Schaeffler durch mecPro 2 verändern?<br />

Koch: Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage, denn das<br />

Projekt ist ja noch nicht einmal abgeschlossen. Wir führen intern gerade<br />

die Diskussion, wie wir die Ideen aus dem Projekt basierend<br />

auf unseren eingeführten IT-Tools umsetzen können. Unsere Vorstellung<br />

geht darin, eine leichtgewichtige Schicht darüber zu legen,<br />

in der die Informationen nicht kopiert, sondern einfach nur verlinkt<br />

werden.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Eine Abschlussveranstaltung wie die hier<br />

in Herzogenaurach reicht nicht aus, um die Ergebnisse einer<br />

größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Was gibt es diesbezüglich<br />

für Pläne?<br />

Eigner: Wir schreiben gerade statt des normalen Abschlussberichtes<br />

ein Buch, das Ende des Jahres auf den Markt kommen wird. Wir<br />

wollen die Informationen so breit wie möglich streuen, denn das Interesse<br />

ist groß. Das beweist allein die hohe Teilnehmerzahl an der<br />

Abschlussveranstaltung, die mich echt beeindruckt hat.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Wie sieht das aus Sicht von Schaeffler<br />

aus? Die Projektergebnisse sind ja durchaus ein Wettbewerbsvorteil?<br />

Sind Sie denn bereit, die zu teilen?<br />

Koch: Es gibt einen Konsortialvertrag, an dem die Juristen aller Partner<br />

mitgewirkt haben, in dem klare Regeln für die Veröffentlichung<br />

der Ergebnisse festgelegt wurden. An die sind wir natürlich gebunden.<br />

Das Ideale wäre natürlich, wenn man die Ergebnisse in einer<br />

komplett neuen IT-Lösung implementieren könnte.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Was hat der Chef eines mittelständischen<br />

Unternehmens von dem Projekt? Wie kann er das in seinem<br />

Betrieb umsetzen?<br />

Eigner: Wir von der TU Kaiserslautern sind in der glücklichen Lage,<br />

dass wir gleichzeitig Mitglied des vom BMWi geförderten Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrums<br />

sind. Das ist kein wissenschaftliches<br />

Forum, sondern ein Forum für den Technologietransfer. Wir haben<br />

dadurch viele Kontakte zu Mittelständlern, mit denen wir solche<br />

Themen diskutieren, auch wenn wir das nicht immer Industrie 4.0<br />

nennen. Da finden wir immer wieder Firmen mit tollen Produkten,<br />

die oft schon Sensoren haben, ohne ihr Potential voll auszuschöpfen.<br />

Für einen der Marktführer im Lichtbogenschweißen haben wir<br />

etwa ein neues Servicekonzept entwickelt, wie er mithilfe der Sensordaten<br />

Ausfälle frühzeitig erkennen und seine Kunden bei der Optimierung<br />

der Schweißprozesse unterstützen kann.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Wie praxistauglich sind die Demonstratoren,<br />

in denen die Projektergebnisse eingeflossen sind? Werden<br />

wir so etwas in absehbarer Zeit auch bei Schaeffler sehen?<br />

Zu den Personen<br />

INFO<br />

• Dr.-Ing. Walter Koch ist Konsortialführer für das<br />

Verbundprojekt mecPro 2 (Modellbasierter Entwicklungsprozess<br />

cybertronischer Produkte und Produktionssysteme) und<br />

Leiter Forschungs- und Entwicklungsprozesse bei der<br />

Schaeffler AG in Herzogenaurach.<br />

• Prof. Dr.-Ing. Martin Eigner ist fachlicher Ansprechpartner<br />

für das Verbundprojekt mecPro 2 und hat den Lehrstuhl für<br />

Virtuelle Produktentwicklung der Technischen Universität<br />

Kaiserslautern inne.<br />

32 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


MBSE/PLM<br />

METHODEN<br />

Koch: Wir werden wahrscheinlich keinen neuen Systemhersteller in<br />

unsere IT-Landschaft integrieren, aber da die Methoden übertragbar<br />

sind, werden wir sie an unsere Tool-Vendoren weitergeben. Wir diskutieren<br />

mit ihnen, welches unsere Kernanforderungen sind und wo<br />

sie sich beziehungsweise ihre Systeme weiter entwickeln müssen.<br />

Es gibt da auf Seiten der Systemhersteller noch viel zu tun.<br />

Eigner: Aber wir haben zumindest eine Blaupause. Insbesondere<br />

das was Contact Software und Siemens umgesetzt haben, ist ein<br />

gutes Beispiel dafür, wie so etwas integriert werden kann.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Hat mecPro 2 den Nachweis erbracht, dass<br />

die heutigen PLM-Systeme in der Lage sind, sich zu <strong>Systems</strong> -<br />

Lifecycle-Management-Systemen weiter zu entwickeln?<br />

Koch: Nein, so pauschal kann man das nicht sagen. Manche PLM-<br />

Hersteller, deren Systeme eine bestimmte Architektur haben, sind<br />

in der Lage, diese Funktionalität hinzuzufügen. Und Contact Software<br />

ist sicher einer davon.<br />

Eigner: Ich meine auch, dass die Aussage so pauschal falsch ist –<br />

sonst würde ich mir ja widersprechen, weil ich gerade einen Vortrag<br />

gehalten habe, dass die PLM-Systeme sich komplett ändern müssen,<br />

um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Was müssen die PLM-Hersteller denn beispielsweise<br />

ändern?<br />

Eigner: Was gar nicht mehr geht, ist das Geschäftsmodell mit teuren<br />

Lizenzverkäufen, Wartungsgebühren etc. – und wenn der Kunde<br />

dann nach zwei Jahren eine neue Version bekommt, zahlt er noch<br />

mal ein Drittel bis die Hälfte der Kosten, um das ganze Customizing<br />

nachzuziehen. Das ist absolut anachronistisch und liegt nur daran,<br />

dass die Datenmodelle intern nicht sauber verwaltet werden. Moderne<br />

PLM-Systeme verwalten das modifizierte Datenmodell im<br />

Repository und können dadurch nachvollziehen, was der Kunde bekommen<br />

hat und was nachträglich customisiert wurde. Und sie machen<br />

bei Erweiterungen des Datenmodells Vorschläge, wie die neuen<br />

Objekte im GUI abgebildet werden könnten, so dass man die Bedienoberfläche<br />

nicht immer komplett neu zu programmieren<br />

braucht.<br />

co<br />

www.mecpro.de<br />

Hinweis:<br />

Um die Ergebnisse des Verbundprojekts mecPro 2 einem möglichst großen Kreis von Interessenten<br />

zugänglich zu machen, sollen sie wie erwähnt Mitte 2017 in Buchform beim<br />

Springer-Verlag veröffentlicht werden.<br />

Automation und IT:<br />

Treiber der industriellen Revolution.<br />

Industrie 4.0,<br />

Industrial Internet<br />

of Things (IIoT),<br />

Robotik/Cobots und<br />

mehr live erleben!<br />

Industrial Automation<br />

24.– 28. April 2017 ▪ Hannover ▪ Germany<br />

hannovermesse.de<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 33


METHODEN<br />

PORTRÄT<br />

PORTRÄT<br />

Eplan und Cideon wollen interdisziplinäre Kommunikation mit dem Syngineer fördern<br />

„Die Autorensysteme wählt der Anwender“<br />

<strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Ansätze erfordern häufig eine lange Vorbereitung. Damit Mittelständler schneller loslegen können,<br />

bieten Eplan und Cideon den Syngineer an – eine Kommunikationslösung, die sich an die bestehenden Autorensysteme<br />

und PDM-Lösungen koppeln lässt. Im Gespräch mit <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong> erläutern Eplan- und Cideon-Chef Maximilian<br />

Brandl, Cideon-Entwicklungsleiter Rolf Lisse und Eplan-Serviceleiter Bernd Schewior Details der Lösung, die zur<br />

Hannover Messe 2017 verfügbar ist.<br />

Interview: Michael Corban, Chefredakteur, <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong><br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Eplan widmet sich schon seit einiger Zeit der<br />

disziplinübergreifenden Zusammenarbeit. Mit dem Syngineer<br />

adressieren Sie nun ganz konkret die Verknüpfung von Mechanik,<br />

Elektrotechnik und Steuerungs-Software – warum?<br />

Brandl: Früher wurden wir von Kunden überwiegend bezüglich der<br />

Elektrokonstruktion angesprochen, doch in den letzten Jahren wird immer<br />

mehr nach einem Gesamtkonzept gefragt. Will heißen: Wie integrieren<br />

wir das Produktdatenmanagement, also PDM-Systeme? Können<br />

wir auch mechatronisch zusammenarbeiten? Dahinter steht, dass<br />

die Anwender eine immer kürzere Time-to-Market realisieren wollen –<br />

und das führt automatisch zu einem Zusammenrücken der verschiedenen<br />

<strong>Engineering</strong>-Disziplinen. Aus unserer Sicht sind das die Mechanikund<br />

die Elektrokonstruktion sowie Automatisierung, insbesondere die<br />

SPS-Programmierung, sprich Steuerungs-Software. Hinzu kommen<br />

kann auch die Fluidtechnik, doch dies können wir bereits über die Eplan<br />

Plattform abbilden. Mit anderen Worten: Unsere Kunden wollen zukünftig<br />

im <strong>Engineering</strong> viel enger zusammenarbeiten und sicherstellen,<br />

dass die einzelnen Disziplinen viel früher und viel intensiver mitein -<br />

ander kommunizieren. Ein Beispiel: Mechatronische Bauteile wie eine<br />

Ventilinsel erfordern mehrere Sichten auf das Produkt; neben Elektrokabeln<br />

sind Pneumatikschläuche anzuschließen und die geometrischen<br />

Dimensionen zu beachten, um die Ventilinsel richtig zu montieren.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Cideon kommt ja historisch gesehen aus<br />

dem Bereich der Mechanikkonstruktion. Gilt diese Forderung nach<br />

Maximilian Brandl,<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

der Eplan Software &<br />

Service GmbH Co. KG in<br />

Monheim am Rhein und der<br />

Cideon Holding GmbH & Co.<br />

KG in Bautzen<br />

„Bewusst vermeiden<br />

wir den Big Bang –<br />

denn der wäre für<br />

die Kunden immer<br />

aufwendig – und bieten den Vorteil<br />

möglichst niedriger Einstiegshürden.“<br />

Bild: Christoph Landler/Konradin Mediengruppe<br />

dem Zusammenwachsen der Disziplinen auch aus dieser Sicht und<br />

verliert auf Dauer gesehen die Mechanik sogar an Bedeutung, weil<br />

immer mehr Funktionen in Software abgebildet werden?<br />

Lisse: Die Anforderungen decken sich, denn im Endeffekt müssen Informationen<br />

über Sensoren und Aktoren ausgetauscht werden – Mechanik<br />

sowie Elektro- und Steuerungstechnik spielen hier zusammen.<br />

Deswegen lässt sich bezüglich der Bedeutung sagen, dass die Mechanik<br />

nicht abgewertet wird, sondern eher die anderen Disziplinen aufgewertet<br />

werden. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass es nicht ausreicht,<br />

allein in die Mechanik zu investieren, sondern Elektrotechnik, Sensorik<br />

und Software hinzukommen müssen, um Maschinen zu optimieren.<br />

Einige Kunden – klassische Maschinenbauer – sagen sogar, dass sie<br />

zukünftig einen großen Teil Software anbieten und sich damit zu einem<br />

Softwareunternehmen wandeln – ein Grund mehr für uns, in diese Themen<br />

zu investieren.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Welche Unterstützung bietet angesichts dieser<br />

Ausgangssituation der Syngineer?<br />

Brandl: Die Disziplinen sollen leichter zusammenarbeiten können –<br />

das ist das Ziel, das wir vor Augen haben. Dazu nutzen wir im Verbund<br />

von Eplan und Cideon unsere Kompetenzen in der Elektro- und Mechanikkonstruktion.<br />

Entscheidend dabei ist die Erkenntnis, dass wir die Autorensysteme<br />

in den Unternehmen als gesetzt sehen, ein Wechsel hier<br />

eher unbeliebt ist und deswegen vermieden werden sollte. Damit lautete<br />

die Fragestellung für uns, wie sich diese verschiedenen Autorensysteme<br />

koppeln lassen, welche gemeinsamen Elemente noch fehlen.<br />

Dabei haben wir festgestellt, dass gerade Komponenten mit mechatronischen<br />

Aspekten mechanische, elektrotechnische und Softwarekomponenten<br />

enthalten – darüber gilt es, sich auszutauschen. Deswegen<br />

haben wir uns mit unseren Kunden zusammengesetzt und eine neue,<br />

übergreifende Lösung entwickelt, mit der sich die Hauptproblemstellungen<br />

der interdisziplinären Zusammenarbeit, insbesondere die Kommunikation<br />

und Abstimmung zielgerichtet lösen lassen.<br />

Lisse: Der Syngineer existiert also zusätzlich zum PDM-System – denn<br />

wir wollen ja keine Daten verwalten, sondern Informationen aus die-<br />

Eplan- und Cideon-Chef Maximilian Brandl,<br />

Cideon-Entwicklungsleiter Rolf Lisse und<br />

Eplan-Service-Bereichsleiter Bernd Schewior<br />

(v.l.n.r.) sprachen mit <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong> über<br />

Details des Syngineers<br />

34 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


PORTRÄT<br />

PORTRÄT<br />

PORTRÄT<br />

METHODEN<br />

Bild: Christoph Landler/Konradin Mediengruppe<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 35


METHODEN<br />

PORTRÄT<br />

PORTRÄT<br />

Bild: Christoph Landler/Konradin Mediengruppe<br />

Aus Sicht von Eplan-Service-Bereichsleiter<br />

Bernd Schewior,<br />

Eplan- und Cideon-Chef<br />

Maximilian Brandl und<br />

Cideon-Entwicklungsleiter<br />

Rolf Lisse (v.l.n.r.) wollen<br />

immer mehr Anwender die<br />

Mechanik- und Elektrokonstruktion<br />

sowie Softwareentwicklung<br />

enger<br />

zusammenarbeiten lassen<br />

– genau diese Aufgabe<br />

soll der Syngineer erfüllen<br />

sen Daten generieren und in Echtzeit den anderen Disziplinen zur Verfügung<br />

stellen. Wir treten also bewusst nicht in Wettbewerb zu den<br />

Mechanik-CAD-Herstellern mit ihren PDM-Lösungen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Der Fokus liegt also im weitesten Sinne auf<br />

einer Kommunikationsplattform?<br />

Schewior: Exakt, denn unsere Kunden haben nicht die Problemstellung,<br />

dass Mechanik, Elektrotechnik oder Software für sich allein genommen<br />

nicht funktionieren – es hakt vielmehr an der Kombination,<br />

der Abstimmung untereinander. Eine Lösung dieser Aufgabenstellung<br />

setzt voraus, dass die beteiligten Disziplinen zusammen ein gemeinsames<br />

Produkt definieren und kreieren – was in der Zusammenarbeit eine<br />

große Herausforderung darstellt. Viele Anwender haben dazu schon<br />

mechatronische Teams definiert, aber es fehlt noch ein Tool, das diese<br />

Arbeitsweise unterstützt – genau das bieten wir mit dem Syngineer an.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Damit adressieren sie ja das <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

als Synonym für die Zusammenarbeit der Disziplinen,<br />

meiden aber noch das Thema Model-based <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />

(MBSE). Liegt der Grund darin, dass Sie eben kein Modell schaffen<br />

wollen, das die verschiedenen disziplinspezifischen Sichten darauf<br />

bietet, sondern eher eine Art Kommunikationslayer zwischen den<br />

bereits vorhandenen, disziplinspezifischen Modellen?<br />

eines Förderbandes, beeinflusst das direkt die Antriebsauslegung,<br />

aber beispielsweise auch die Integration von Lichtschranken, die nun<br />

wesentlich flinker reagieren müssen. Das ist alles kein Problem, wenn<br />

ich das meinem Kollegen aus der Nachbardisziplin mitteile – genau das<br />

funktionierte aber in der Vergangenheit nicht und der Syngineer soll<br />

dies ermöglichen. Auf diese Weise kann ein Problem frühzeitig vermieden<br />

werden – und muss nicht viel aufwendiger im Rahmen der Inbetriebnahme<br />

gelöst werden.<br />

Lisse: Interessant dabei ist, dass bislang solch eine gemeinsame Kommunikationsbasis<br />

häufig fehlt und erst einmal geschaffen werden<br />

muss. Gerade im mittelständischen Maschinenbau spielt Excel eine<br />

enorm wichtige Rolle – ein gemeinsamer Blick auf die Struktur des Produktes<br />

ist damit aber nur schwer zu realisieren. Hier kommunikativ sicherzustellen,<br />

dass alle bei Änderungen informiert sind und dann auch<br />

mit gültigen aktuellen Werten arbeiten, ist das Ziel. Am Ende müssen<br />

alle die mechatronische Struktur vor Augen haben, da nur auf diese<br />

Weise ein gemeinschaftlicher Blick auf die Maschine oder die zu bauenden<br />

Komponenten möglich ist.<br />

Brandl: Exakt – es geht uns nicht um die allumfassende Lösung sondern<br />

darum, die Kommunikation bezüglich Bauteilen und Baugruppen<br />

dort zu ermöglichen, wo sie dringend erforderlich ist. Alle Komponenten,<br />

die in einer Maschine oder Anlage verbaut werden, basieren im<br />

Prinzip funktional nicht nur auf einer Disziplin, sondern auf mehreren.<br />

So besitzt etwa jeder Leistungsschalter zumindest einen mechanischen<br />

und einen elektrischen Aspekt, bei anderen Elementen kommt<br />

zusätzlich die Software dazu. Ersetzt der Elektroingenieur etwa den<br />

Leistungsschalter durch ein anderes Fabrikat, müssen die anderen davon<br />

erfahren – sonst könnten Probleme bei der Montage auftreten.<br />

Schewior: Genau diese Änderungen spielen im <strong>Engineering</strong>-Prozess<br />

eine enorme Rolle. Wir wissen, dass diese gerade in den 40 Prozent<br />

der Entwicklungszeit vor Fertigstellung gehäuft auftreten und enorme<br />

Auswirkungen haben können. Ändert sich etwa die Geschwindigkeit<br />

Bereits zur SPS IPC Drives 2016 konnten Besucher der<br />

Messe einen ersten Blick auf den Syngineer werfen<br />

Bild: Eplan<br />

36 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


PORTRÄT<br />

PORTRÄT<br />

PORTRÄT<br />

METHODEN<br />

Bernd Schewior,<br />

Bereichsleiter Professional<br />

Services, Eplan Software<br />

& Service GmbH & Co. KG,<br />

Monheim am Rhein<br />

„Es hakt in der<br />

Praxis nicht an den<br />

einzelnen Disziplinen,<br />

sondern an<br />

der Kombination<br />

von Mechanik, Elektrotechnik<br />

oder Software, der Abstimmung<br />

untereinander.“<br />

Bild: Christoph Landler/Konradin Mediengruppe<br />

Rolf Lisse, Head of Development,<br />

Cideon Software<br />

GmbH & Co. KG, Düsseldorf<br />

„Es muss sexy<br />

sein, den Syngineer<br />

zu bedienen –<br />

indem ich etwa die<br />

mechatronische Struktur auf<br />

dem iPad durch Fingerbe -<br />

wegungen umstrukturieren<br />

kann.“<br />

Bild: Christoph Landler/Konradin Mediengruppe<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Sind in den Syngineer Erfahrungen aus der<br />

mechatronischen Konfiguration mit Eplan <strong>Engineering</strong> Configuration<br />

(EEC) eingeflossen?<br />

Brandl: Diese Erfahrungen sind natürlich mit integriert, allerdings muss<br />

man sich vor Augen halten, dass bei der mechatronischen Konfiguration<br />

die Herausforderungen noch höher sind und dies auch einen Kulturwandel<br />

mit sich bringt. Insofern wird es EEC weiter geben und der<br />

Syngineer kommt ergänzend als Kommunikationsplattform hinzu.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Wie lange brauche ich denn mit dem Syngineer<br />

für den Aufbau solch einer Kommunikationsstruktur und welche<br />

Vorarbeit setzt dies voraus?<br />

Schewior: Das ist natürlich situationsabhängig, aber man kann im Prinzip<br />

sofort in einem Teilbereich loslegen. Dazu definiere ich zunächst die<br />

Grundmaschine, die ich aber im Zuge der Entwicklung jederzeit ergänzen<br />

kann. Gerade im <strong>Engineering</strong>-Prozess ist es ja oft so, dass Anforderungen<br />

hinzukommen oder wegfallen oder der Kunde im letzten Moment<br />

Erweiterungen wünscht – dann brauche ich die Flexibilität der<br />

Struktur, diese zu erweitern, und die Kommunikation mit den Nachbardisziplinen,<br />

damit diese erkennen können, welche Auswirkungen die<br />

Änderungen für sie haben.<br />

Brandl: Wir bieten bewusst den Vorteil möglichst niedriger Einstiegshürden<br />

– das ist nicht zu vergleichen mit dem Wechsel eines MCAD-<br />

<strong>Systems</strong>. Im Rahmen der Nutzung des Syngineers kann der Anwender<br />

mit einer Maschine anfangen und zunächst nur einen Elektrotechniker<br />

und einen Maschinenbauer darüber verbinden; um dann bei Bedarf<br />

weitere Personen mit dazu zu nehmen. Bewusst vermeiden wir also<br />

den Big Bang – denn der wäre für die Kunden immer aufwändig.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Stößt das System eventuell ab einer hohen<br />

Komplexität an Grenzen?<br />

Lisse: Rein von der Software her kann ich dynamisch zur Laufzeit umstrukturieren<br />

– wir können jederzeit einen Zwischenknoten einziehen<br />

und/oder Elemente verschieben. Diese Flexibilität steckt in der Software.<br />

Die Herausforderung wird eher im <strong>Engineering</strong>-Prozess des Anwenders<br />

liegen: Über die Veränderung komplexer Strukturen hinaus gilt<br />

es, den Abstimmungsprozess im Unternehmen zu beherrschen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Lassen Sie uns abschließend noch einen<br />

Blick auf die technische Umsetzung werfen: Der Syngineer ist ein<br />

Browser-Add-on?<br />

Lisse: Genau – rein von der Architektur her bieten wir ein Web-Front-<br />

End an, das im Browser läuft und damit auch geräteunabhängig ist.<br />

Zum Einsatz kommen dabei übliche HTML5-Technologien. Damit kann<br />

etwa der Projektmanager dann auch mal schnell auf seinem Tablet<br />

schauen, wie weit ein Projekt vorangeschritten ist. Zusätzlich integrieren<br />

wir den Syngineer aber auch als Plug-in in die einzelnen Autorensysteme,<br />

wozu wir dann auch C++ oder C# nutzen, um uns eng mit<br />

den Autorensystemen zu verzahnen. Das Ziel hierbei ist: Per<br />

Drag&Drop sollen sich Änderungen kommunizieren lassen. Bei den<br />

Plug-Ins handelt es sich um eine neutrale Applikation mit UI und Kommunikationsschicht,<br />

zusammen mit einer spezifischen Hülle für das jeweilige<br />

Autorensystem. Letztlich bietet hier jeder Hersteller ja doch seine<br />

individuelle API. Durch diesen Aufbau lassen sich schnell Plug-ins<br />

entwickeln, beispielsweise auch für Office-Produkte oder Visio; zudem<br />

bieten wir auch eine offene Syngineer-API an, über die sich Systeme anbinden<br />

lassen. Wir selbst bieten die Anbindung derzeit für die Top-<br />

6-Systeme auf der Mechanik-Seite an und sind offen für Ergänzungen.<br />

Möglich ist auf diese Weise bereits das Zusammenspiel von Eplan auf<br />

der Elektrotechnikseite mit Autodesk Inventor und Autocad, Solidworks<br />

sowie Solid Edge im Mechanikbereich und Codesys für die SPS-Programmierung.<br />

Entscheidend ist hier wiederum: Der Kunde soll bei den<br />

Autorensystemen selbst bestimmen können, mit welchem System er<br />

arbeiten will!<br />

www.eplan.de<br />

www.cideon.de<br />

Hannover Messe: Halle 6, Stand K31<br />

Details zum Syngineer<br />

finden sich hier:<br />

www.t1p.de/0i2v<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 37


METHODEN<br />

SERIE<br />

SERIE<br />

Teil 6: it‘s OWL-Querschnittsprojekt <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> – Praxisbeispiel Accumotive<br />

Hochleistungs-Stromspeicher<br />

effizient entwickeln<br />

Hochvoltbatterien bilden zusammen mit Elektromotoren die Herzstücke des Elektroautos. Die Stromspeicher<br />

mit besonders hoher Energiedichte auf engem Raum sind technisch hochkomplex, was ihre<br />

Entwicklung sehr anspruchsvoll macht. Grund genug für ihre Hersteller, sich mit innovativen Entwicklungsmethoden<br />

zu beschäftigen.<br />

Kirsten Harting, Kommunikation Produktentstehung, Fraunhofer IEM<br />

Bild: Fraunhofer IEM<br />

Hochvolt (HV)-Batterien werden aus vielen verschiedenen<br />

Komponenten zusammengesetzt. Die einzelnen sogenannten<br />

Batteriezellen speichern die Energie und sorgen zusammen mit<br />

einer komplexen Elektronik für die Energieversorgung des Fahrzeugs.<br />

Der Wunsch nach hohen Reichweiten bei Elektroautos erfordert<br />

eine optimale Ausnutzung der verfügbaren Bauräume, eine<br />

effektive Kühlung und crashsichere Konzepte. Künftig geht es für<br />

Entwickler der Hochleistungsspeicher darum, immer mehr Energie<br />

auf möglichst kleinem Raum akkumulieren zu können und höhere<br />

Leistung abzugeben: Neben dem Antrieb des Hybrid- oder Elektromotors<br />

sollen Batterien auch andere Komfortfunktionen im Fahrzeug<br />

mit Energie versorgen.<br />

<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> mit Softwareunterstützung: Im SE Live Lab<br />

des Fraunhofer IEM erprobt Accumotive verschiedene Softwaretools<br />

Bedarf an System-Experten steigt<br />

Die Entwicklungsabteilungen sehen sich immer wieder mit neuen<br />

Herausforderungen konfrontiert, weiß Andre Gronke, Clusterleiter<br />

<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> bei der Daimler-Tochter Accumotive: „Jedes<br />

unserer Projekte soll von neuen Erkenntnissen in der Batterietechnologie<br />

und der Verbesserung bestehender Produktlinien profi -<br />

tieren. Dafür müssen bei Bedarf Änderungen auch noch spät im<br />

Projektverlauf möglich sein – gerade bei komplexen Produkten und<br />

vielen parallelen Projekten mit Gleichteilen keine einfache Aufgabe.“<br />

Bei Accumotive, einem Spezialisten für die Entwicklung und<br />

38 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


SERIE<br />

SERIE<br />

SERIEE<br />

METHODEN<br />

Herstellung von Lithium-Ionen-Batteriesystemen, übernimmt das<br />

Team der Systemauslegung die Synthese der Anforderungen und<br />

unterstützt die Konzeptfindung mit den Fachabteilungen. Neben<br />

Softwaretechnikern, Konstrukteuren und Elektrotechnikern müssen<br />

auch die Perspektiven aus den Abteilungen Testing und Qualitäts -<br />

sicherung sowie – nicht zu vergessen – die des Kunden und der<br />

Zulieferer berücksichtigt werden. „Unser Job ist es, zu gewährleisten,<br />

dass das Zusammenspiel der Komponenten in der Batterie<br />

reibungslos funktioniert“, sagt Andre Gronke.<br />

In der Entwicklung besteht oft in der frühen, konzeptionellen Phase<br />

Optimierungspotential. Bei einem unzureichenden Systemüberblick<br />

entstehen häufig in diesen Phasen Entwicklungsfehler, die zum Teil<br />

erst nach der Inbetriebnahme des Produkts auffallen und dann<br />

enorme zusätzliche Entwicklungsaufwände bedeuten. „Für Accumotive<br />

erhöht sich die Komplexität in doppelter Hinsicht. Durch die<br />

steigenden Anforderungen der Kunden und den steten Technologiefortschritt<br />

steigt die Systemkomplexität ihrer Produkte enorm.<br />

Hinzu kommt eine größere Anzahl an Projekten, die es intern zu<br />

koordinieren und zwischen denen es Anknüpfungspunkte zu erkennen<br />

gilt“, sagt Dr.-Ing. Harald Anacker vom Fraunhofer-Institut für<br />

Entwurfstechnik Mechatronik IEM.<br />

Hochvolt-Batterien<br />

werden aus vielen<br />

verschiedenen Komponenten zusammengesetzt<br />

– der Wunsch nach hohen Reich -<br />

weiten bei Elektroautos erfordert eine optimale<br />

Ausnutzung der verfügbaren Bauräume, eine<br />

effektive Kühlung und crashsichere Konzepte<br />

Lösungsansätze im SE Live Lab<br />

Die Wissenschaftler des Fraunhofer IEM begleiten die Ingenieure<br />

von Accumotive inzwischen in unterschiedlichen Entwicklungs -<br />

reihen von HV-Batterien. Gemeinsam werden so in laufenden Projekten<br />

Methoden des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> angewendet und Accumotive<br />

erarbeitet sich eine durchgängige, durch SE-Methodik<br />

gestützte, Herangehensweise an ihre Entwicklungsprojekte. Der<br />

übergeordnete Ansatz: Lange bevor sich die Fachexperten an die<br />

detaillierte Entwicklung der einzelnen Komponenten machen, wird<br />

fachübergreifende Transparenz und Einigkeit über das Projekt<br />

geschaffen. So denkt beispielsweise auch der Softwaretechniker<br />

nicht nur in der IT-Dimension, sondern leistet durch seine Arbeit<br />

einen Beitrag zum Gesamtprojekt.<br />

Besonders das Umfeldmodell der Methode Consens setzen inzwischen<br />

auch die einzelnen Fachabteilungen mit Erfolg ein. „Das<br />

Sichtbarmachen der verschiedenen Interaktionspartner der zu<br />

entwickelnden HV-Batterien ist von großem Wert“, erklärt Andre<br />

Gronke. „Wir erarbeiten hier ein viel vollständigeres Bild unseres<br />

Entwicklungsprojektes. Durch die bildliche Darstellung der Ele -<br />

mente im Umfeld unserer Batterie – etwa dem E-Motor – und ihrer<br />

Wechselwirkungen erhalten wir ein fachübergreifendes Verständnis<br />

unseres Entwicklungsauftrags und der Interaktion zwischen der<br />

Batterie sowie den beteiligten Fahrzeugkomponenten.“ Auch die<br />

Modellierung der Wirkstruktur, die zeitige Einbindung der Kundenperspektive<br />

über verschiedene Anwendungsszenarien und das Entwerfen<br />

von Verhaltensmodellen sind inzwischen festes Ritual zum<br />

Start aller Entwicklungsprojekte. Ziel von Andre Gronke ist es, das<br />

modellbasierte Denken in den Köpfen der Accumotive-Ingenieure<br />

zu verankern und als standardisierte Vorgehensweise zu etablieren.<br />

Unterstützen könnte da künftig auch eine Softwarelösung, die das<br />

Accumotive-Entwicklungsteam im <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> Live Lab<br />

des Fraunhofer IEM in Paderborn erprobt. Über das Tool werden die<br />

gemeinsam entwickelten Modelle formal aufgebaut und strukturiert<br />

dokumentiert. Auch das parallele Arbeiten von Experten am<br />

gleichen Modell sowie das gemeinsame Änderungsmanagement<br />

sind möglich.<br />

ik<br />

www.its-owl.de<br />

Hintergrund<br />

Bild: Accumotive<br />

INFO<br />

Im Technologie-Netzwerk it‘s OWL – Intelligente Technische<br />

Systeme OstWestfalenLippe – entwickeln über 180 Unternehmen<br />

und Forschungseinrichtungen in 46 Projekten<br />

gemeinsam Lösungen für intelligente Produkte und Produk -<br />

tionssysteme. Das Spektrum reicht von intelligenten Automatisierungs-<br />

und Antriebslösungen über Maschinen, Fahrzeuge<br />

und Hausgeräte bis zu vernetzten Produktionsanlagen.<br />

Über ein innovatives Transferkonzept werden neue Technologien<br />

für eine Vielzahl von – insbesondere kleinen und mittelständischen<br />

– Unternehmen verfügbar gemacht. Ausgezeichnet<br />

im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung<br />

gilt it´s OWL als eine der größten Initiativen<br />

für Industrie 4.0 in Deutschland.<br />

www.its-owl.de<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 39


METHODEN<br />

DATENVERNETZUNG<br />

Linked Data 2016: Herausforderungen der Digitalisierung meistern<br />

Die vernetzte Zukunft von PLM<br />

Mit künstlicher Intelligenz kann man Daten noch intelligenter verlinken und finden. Das war eine der<br />

interessanten Erkenntnisse des von der Conweaver GmbH organisierten World Cafés Linked Data 2016<br />

in Darmstadt. An mehreren Tischen diskutierten die Teilnehmer der Veranstaltung darüber, welche<br />

Vorteile die Verlinkung aus Unternehmenssicht und für die Nutzer hat, welchen Beitrag sie leistet, um<br />

komplexe Prozesse beherrschbar zu machen, und wie sie mit Hilfe der IT umgesetzt werden kann.<br />

Michael Wendenburg, freier Fachjournalist, Sevilla<br />

Die Verlinkung von Daten in föderierten Systemen ist nach Überzeugung<br />

vieler PLM- Experten der einzige Weg, um agil auf die<br />

Herausforderungen der Digitalisierung reagieren zu können. So ähnlich<br />

steht es auch im Thesenpapier Future PLM, das Conweaver zusammen<br />

mit Vertretern von anderen PLM-Lösungsanbietern, -Anwenderunternehmen<br />

und Hochschulen entwickelt hat. Eine der Ideen<br />

hinter den World Cafés sei es, die dort aufgestellten Thesen weiter<br />

zu verdichten, sagten Geschäftsführer Dr. Thomas Kamps und<br />

Vertriebsleiter Sebastian Dörr bei der Begrüßung der Teilnehmer in<br />

Darmstadt. Bei den lebhaften Diskussionen konnte man den Eindruck<br />

gewinnen, die Thesen seien nicht nur verdichtet worden, sondern<br />

es seien auch noch ein paar neue hinzugekommen.<br />

Das ungewöhnliche Format der World Cafés wurde von den Teilnehmern<br />

sehr gut angenommen. An vier Runden Tischen diskutierten<br />

vier Gruppen unter Leitung eines Paten beziehungsweise einer Patin<br />

die Vorteile und Herausforderungen der Verlinkung aus strategischer<br />

Sicht, aus Nutzersicht, aus Implementierungs- und aus Prozesssicht.<br />

Dann wechselten sie an den nächsten Tisch, um die dort<br />

begonnene Diskussion fortzusetzen und um neue Aspekte zu ergänzen,<br />

so dass jeder Teilnehmer zu jedem Thema seine Ideen und<br />

Erfahrungen einbringen konnte. Bei den meisten von ihnen handelte<br />

es sich um Führungskräfte mit viel PLM-Background aus den Bereichen<br />

Entwicklung oder Prozess-IT in Automobilindustrie und anderen<br />

Branchen.<br />

Zwischen Agilität und Perfektion<br />

Die Verlinkung der Daten sei natürlich nur eine vieler möglicher Antworten<br />

auf die Anforderungen an PLM der Zukunft, fasste Bodo<br />

Machner, der viele Jahre lang bei BMW tätig war, die Diskussion<br />

über die strategischen Herausforderungen zusammen; andere seien<br />

zum Beispiel die Gestaltung der Oberflächen oder die Ablösung<br />

der Altsysteme. Nach dem Verständnis der Teilnehmer ist PLM dabei<br />

kein System, sondern eine Vision, die noch dazu immer breiter<br />

wird: Sie müsse künftig auch die Betriebsphase und neue Themen<br />

wie den Digital Twin adressieren. Trotzdem dürfe die Komplexität<br />

der Anwendungen für den Benutzer nicht weiter zunehmen und<br />

sollte reduziert werden.<br />

Eine große, strategische Herausforderung ist das Spannungsfeld<br />

zwischen der gewachsenen IT-Landschaft und den neuen Lösungsansätzen<br />

beziehungsweise der Frage, wie diese Lösungen in die bestehende<br />

IT-Landschaft integriert werden können und wie man wel-<br />

chen Mehrwert für die Kunden und für die eigenen Anwender identifiziert.<br />

Für die IT bedeutet die Implementierung dieser neuen Lösungen<br />

einen Spagat zwischen dem Ruf nach mehr Agilität, das<br />

heißt der schnellen Anpassung an neue Anforderungen, und den hohen<br />

Ansprüchen der Entwicklungsverantwortlichen, die hundertprozentig<br />

perfekte Lösungen erwarten.<br />

Verlinkung mit Blick auf neuronale Netze<br />

Neue Wege in der Produktvernetzung zu beschreiten fällt Unternehmen<br />

leichter, wenn sie die Kosten für die Integration monolithischer<br />

Systeme und die dafür erforderlichen IT-Ressourcen betrachten –<br />

und auch, wie viele wertvolle Experten im <strong>Engineering</strong> dadurch gebunden<br />

werden. Das zeigt die Erfahrung von Bosch. Die vier Business<br />

Sektoren mit ihren unterschiedlichen <strong>Engineering</strong>-Prozessen<br />

und Produktspektren ließen sich weder IT-technisch unter einen Hut<br />

zwingen noch mache eine erzwungene Prozessstandardisierung<br />

„PLM ist kein System, sondern<br />

eine Vision – und sie muss<br />

künftig auch die Betriebsphase<br />

und neue Themen wie den<br />

Digital Twin adressieren.“<br />

wirtschaftlich Sinn, erläuterte Michael Schneider, Bereichsleiter Enterprise<br />

und <strong>Engineering</strong> Plattformen, in seinem Impulsvortrag, der<br />

die Teilnehmer auf das Thema einstimmen sollte.<br />

Bosch hat auf Basis der Conweaver-Technologie seine Metadaten<br />

aus Mechanik-, Elektronik- und Software-Entwicklung so verlinkt,<br />

dass alle Mitarbeiter im Unternehmen über die Google-ähnliche<br />

Suchfunktion darauf zugreifen können. Die Ergebnisse werden auf<br />

einer Webseite gelistet, auf der die Anwender auch sehen, in welchen<br />

Systemen die Daten liegen. Wenn sie einen Datensatz anklicken,<br />

bekommen sie wichtige Attribute angezeigt sowie die Kollegen,<br />

die diese bearbeitet haben. Um die Daten automatisiert verlinken<br />

zu können, wurde das Beziehungswissen darüber, wie die Daten<br />

zusammenhängen in einem Regelwerk festgehalten. Das ist<br />

aber laut Schneider nur ein erster Schritt – weitere sollen folgen. Vorstellbar<br />

sei der Einsatz neuronaler Netze/Algorithmen (etwa Long<br />

Short Term Memory), um weniger oder nicht strukturierte Informa-<br />

40 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


DATENVERNETZUNG<br />

METHODEN<br />

Bild: Conweaver<br />

Agil auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagieren – die Ver -<br />

linkung von Daten in föderierten Systemen ist nach Überzeugung vieler<br />

PLM-Experten der einzige Weg, dieses Ziel zu erreichen<br />

tionen zu verlinken. Mit Hilfe der künstlichen Intelligenz könne man<br />

sich auch vorstellen, weitere IT-Systeme schneller anzubinden beziehungsweise<br />

die in ihnen steckenden Informationen mit den bereits<br />

vorhandenen zu verlinken, erläuterte Schneider.<br />

Informationen schneller finden<br />

Das Ziel ist klar: Der Nutzer soll möglichst einfach, schnell und zuverlässig<br />

an Informationen aus unterschiedlichen Quellen gelangen, die<br />

er für die Bewältigung seiner täglichen Arbeit benötigt. Die Herausforderung<br />

bestehe jedoch darin, dass es DEN Nutzer nicht gebe,<br />

fasste Sylke Rosenplänter, Director Virtual Design Operations & System<br />

Development bei der Adam Opel AG und Patin des World Cafés<br />

über die Nutzersicht die Ergebnisse dieser Diskussionsrunde zusammen:<br />

Die Anwender unterscheiden sich von Alter und Kultur, haben<br />

unterschiedliche Blickwinkel auf Prozesse und Informationen<br />

und auch unterschiedliche Erwartungshaltungen, was die Usability<br />

anbelangt.<br />

Die Verlinkung ermöglicht es, Daten aus unterschiedlichen Quellen<br />

in einen Kontext zu stellen, der aber nicht für alle Anwender der gleiche<br />

ist. Intelligente Algorithmen können dafür sorgen, dass jeder jeweils<br />

die Informationen findet, die seinem Profil entsprechen. Das<br />

Dilemma bei der Nutzung solcher Algorithmen beschrieb ein Teilnehmer<br />

mit folgenden Worten: „Wenn ich mich mit dem Amazon-<br />

Account meiner Frau anmelde, würde ich keines der angezeigten<br />

Produkte kaufen, es sei denn ich suche eine Jeans für meine Frau.“<br />

Die Suchergebnisse verändern sich über die Zeit und sind auch für<br />

andere Anwender nicht ohne weiteres reproduzierbar. Anwender,<br />

die in einem bestimmten PLM-Kontext ihre Arbeit verrichten,<br />

bräuchten jedoch verlässliche Informationen – und das über sehr<br />

lange Zeiträume.<br />

Eine wesentliche Einsicht der Diskussionsrunde über die Nutzersicht<br />

war, dass die Tools die zwischenmenschliche Kommunikation<br />

nicht ersetzen dürften und dass die Menschen lernen müssten, Informationen<br />

bereitwilliger zu teilen. Viele „Datenkönige“ haben damit<br />

ein Problem, weil sie befürchten, vom Thron gestoßen zu werden.<br />

Ein große Herausforderung ist auch der Datenschutz, also die<br />

Frage, wie man die Auswertung des Anwenderverhaltens für die intelligente<br />

Suche nutzt, ohne dass dem Nutzer daraus Nachteile entstehen<br />

können.<br />

Offenheit ist eine Grundvoraussetzung<br />

Aber nicht nur Menschen müssen offener mit Informationen umgehen.<br />

Offenheit der IT-Systeme ist eine Grundvoraussetzung, um Informationen<br />

intelligent verlinken zu können, und diese Offenheit<br />

muss vielleicht auch bezahlt werden, weil einige Hersteller davon<br />

mehr profitieren als andere. Das war eine der Kernaussagen der<br />

Diskussionsrunde über die Implementierung verlinkter Daten und<br />

Systeme, die von Achim Besel, <strong>Engineering</strong> Cross Domain Services<br />

bei Bosch, koordiniert wurde. Mit der Verlinkung sei man nie fertig,<br />

weshalb sich ein Use-Case-basierter Implementierungsansatz empfehle,<br />

meinte Besel. Ein unternehmensweites Datenmodell widerspräche<br />

zwar der Idee der Verlinkung, aber aus Sicht der Informationstechnik<br />

sei zumindest ein abstraktes Modell des Informationsgeflechts<br />

erforderlich.<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 41


METHODEN<br />

DATENVERNETZUNG<br />

An mehreren<br />

Tischen diskutierten<br />

die Teilnehmer<br />

an der Darmstädter<br />

Veranstaltung<br />

World Cafés Linked<br />

Data 2016 über die<br />

Vorteile der Ver -<br />

linkung, um kom -<br />

plexe Prozesse<br />

beherrschbar zu<br />

machen<br />

Bild: Conweaver<br />

Teilnehmer der Veranstaltung<br />

World Cafés Linked Data 2016 in<br />

Darmstadt<br />

Bild: Conweaver<br />

Dadurch, dass die Systemgrenzen zunehmend verschwimmen,<br />

nimmt die Komplexität der IT-Infrastrukturen und Prozesse weiter<br />

zu. Zu diesem Schluss kam die Diskussionsrunde über die Prozesssicht,<br />

die Dr. Christoph Kilger, Partner, Advisory Services,<br />

Leader Supply Chain & Operations DACH bei Ernst & Young als Pate<br />

begleitete. Die Teilnehmer diskutierten darüber, ob man diese<br />

Komplexität reduzieren könne und konstatierten, dass sie sich<br />

durch die Verlinkung allenfalls besser beherrschen lasse. Die Vernetzung<br />

der Systeme erlaube es, Abläufe dynamischer zu gestalten<br />

und gleichzeitig die Prozesssicherheit zu gewährleisten, betonte<br />

Kilger. Auch die Datenqualität verbessere sich dadurch, dass<br />

man inkonsistente oder fehlende Daten schneller erkenne. Die<br />

Verlinkung darf sich nach Ansicht der Teilnehmer nicht nur auf die<br />

Suche konzentrieren, sondern muss auch die Erzeugung und Änderung<br />

der Daten unterstützen.<br />

In dieser Runde wurde außerdem die Frage aufgeworfen, ob wir<br />

überhaupt noch Prozesse brauchen, wenn alle Beteiligten irgendwie<br />

miteinander vernetzt sind. Die Mehrheit der Teilnehmer war<br />

der Meinung, dass es ohne Prozesse wohl doch nicht gehe. Man<br />

könne die Prozesse dezentralisieren und statt starrer Quality<br />

Gates die Qualität fortlaufend transparent machen, aber letztlich<br />

müssten die einzelnen Stufen auf ein gemeinsames Prozessziel<br />

ausgerichtet sein, fasste Kilger die Ergebnisse zusammen.<br />

In der Schluss-Keynote wurde der Aspekt aufgegriffen, dass der Linked<br />

Data-Ansatz nicht nur Veränderungen der Prozesse, sondern<br />

auch eine andere Informationskultur erfordert. Ein Wandel, der nach<br />

einem Helden sucht, wie die Schauspieler Oliver Gryzmann und<br />

Martina Seemann vom Improvisationstheater Candid Rhetorics zum<br />

humorvollen Ausklang der Veranstaltung zum Ausdruck brachten. In<br />

Anbetracht der großen Aufgabe beim Umbau der bestehenden<br />

PLM-Landschaften, möchte man meinen, dass dafür der eine oder<br />

andere Held gesucht wird.<br />

co<br />

www.conweaver.com<br />

Details zum Thema<br />

Linked Data Search:<br />

www.t1p.de/74w2<br />

42 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


DATENMANAGEMENT/PLM<br />

TOOLS<br />

Bild: PTC<br />

Mit Closed Loop Lifecycle Management<br />

beschreibt PTC die Zukunft des PLM und<br />

integriert fast spielerisch die Nutzung von<br />

Virtual Reality (VR) und Augmented Reality<br />

(AR) mit dem kürzlich erworbenen Vuforia<br />

PLM und die Zukunft der digitalisierten Industrie: PTC richtet sich strategisch auf das Internet der Dinge aus<br />

Die Digital <strong>Engineering</strong> Journey von PTC<br />

PTC lädt seine Kunden – die alten wie die künftigen – ein, mitzugehen auf eine Digital <strong>Engineering</strong><br />

Reise ins Zeitalter des Internets der Dinge (IoT). PTC ist davon überzeugt, dass sich alle Unternehmen<br />

auf diese Reise begeben werden, weil es in der Zukunft kaum ein Produkt geben wird, das nicht softwaregesteuert<br />

und mit dem Internet vernetzt ist. PTC liefert mit seinen IT-Systemen die Werkzeuge<br />

dafür, solche Produkte zu entwickeln, zu testen, zu betreiben und damit Dienste anzubieten.<br />

Ulrich Sendler, Analyst und Betreiber PLMportal<br />

2014 war für PTC ein wichtiges Jahr. Die Übernahme von Thing-<br />

Worx öffnete dem Anbieter von <strong>Engineering</strong> Software neue Türen.<br />

Das Unternehmen ThingWorx und seine gleichnamige Plattform<br />

waren zu diesem Zeitpunkt den Wenigsten bekannt. Es handelt<br />

sich um eine Technologie-Plattform, die eine sehr schnelle und<br />

sehr einfache Entwicklung von Apps erlaubt. Von kleinen Applikationen<br />

also, über die Daten beliebiger Quellen via Internet in eine Anwendung<br />

eingebunden werden. Ohne Kenntnis von Programmiersprachen<br />

und deren Syntax. Fast wie bei der Gestaltung der eigenen<br />

Bildschirmoberfläche am PC.<br />

Die Akquisition war, wie sich im Nachhinein zeigt, ein genialer<br />

Schachzug. Er ermöglicht PTC die Unterstützung der Industrie nicht<br />

nur in ihrer heutigen Wertschöpfung, sondern auch in der künftigen,<br />

die sich zunehmend in die Welt der vernetzten Nutzung und des Betriebs<br />

der Produkte verlagert. Wobei neue Geschäftsmodelle entstehen,<br />

die das Produkt vor allem als Basis integrierter Dienstleistungen<br />

sehen. Und in den USA spricht man – in Anlehnung an ‚Software<br />

as a Service‘ – auch von ‚Product as a Service‘.<br />

Erst allmählich beginnen die verschiedenen Zweige der Industrie<br />

weltweit diesen Entwicklungsschritt zu begreifen. Vorläufig bleibt<br />

das Kerngeschäft das alte. Die Frage lautete deshalb: Wie würde<br />

PTC den Spagat schaffen, das eigene bisherige Kerngeschäft rund<br />

um CAD und PLM weiterzu entwickeln und gleichzeitig ein neues im<br />

Internet der Dinge zu eta blieren.<br />

Die Antwort war eine Doppelstrategie und eine entsprechende<br />

Neuausrichtung der Unternehmensstruktur. Eine Säule bleibt das<br />

Geschäft mit Software zur Unterstützung der Unternehmensprozesse<br />

in der Fertigungsindustrie, die zweite ist die Unterstützung der<br />

Kunden im Internet der Dinge. CEO Jim Heppelmann stellte allerdings<br />

bereits 2015 klar, dass es zwischen diesen beiden Säulen einen<br />

sehr klaren und engen Zusammenhang und keine Trennlinie<br />

gibt. Das betont er mit seinem zentralen Satz: „IoT ist PLM!“<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 43


TOOLS<br />

DATENMANAGEMENT/PLM<br />

Bild: Sendler<br />

Das Ding im Internet und der Wert der Dienste<br />

Beim PTC Forum Europe in Stuttgart im November 2016 wurde unter<br />

anderem der Sauerstoffkonzentrator Zen-O des Medizingerätebereichs<br />

der GCE-Gruppe vorgeführt, eines Anbieters für industrielle,<br />

medizinische und Reinstgasversorgung. Der Zen-O ist ein Gerät,<br />

das Patienten mit Atemwegserkrankungen mobiler macht. Es ist<br />

tragbar, wiegt 4,66 kg und kann bis zu 2 Liter Sauerstoff pro Minute<br />

liefern, technisch oder atemzuggesteuert. Dieses Gerät gibt es seit<br />

Anfang 2016. Es verfügt über verschiedene akustische und optische<br />

Alarmanzeigen für schwache Batterie, das Fehlen erkennbarer Atmung,<br />

nötigen Service und geringe Sauerstoffkonzentration. So gut<br />

konnte man ohne das Internet der Dinge einen Sauerstoffkonzentrator<br />

machen. Jetzt ist mehr möglich.<br />

GCE suchte einen Weg, das Gerät zu vernetzen und weitergehende<br />

Dienste damit zu verknüpfen – und stieß auf ThingWorx und den<br />

PTC-Partner InVMA, der eine konkrete Lösung vorschlug. Patienten,<br />

Klinikmitarbeiter und Dienstleister sollten durch eine ortsunabhängige<br />

Überwachung der wichtigsten Produkt- und Patientendaten in<br />

der Sicherstellung der Gerätefunktion unterstützt werden. In Kooperation<br />

mit weiteren Partnern brauchte InVMA nur zwei Wochen für<br />

einen Prototyp. Nach zwei Monaten war Zen-O vernetzt. Der Unterschied:<br />

Batteriestatus, Atmung, Sauerstoffkonzentration und Serviceaktivitäten<br />

sind nun unabhängig von der Aufmerksamkeit oder<br />

Verfassung des Patienten zuverlässig im Blick. Die Funktion des Geräts<br />

kann garantiert werden. Zu jeder Zeit, an jedem Ort.<br />

Das Internet der Dinge führt zu einer Verschiebung des Schwerpunkts<br />

der Wertschöpfung. Die Zeit nach dem Verkauf – bisher nur<br />

für Reparaturdienst und Ersatzteillieferanten von Belang – wird für<br />

viele Produkte zum wichtigsten Glied der Wertschöpfungskette.<br />

Kevin Wrenn, Divisional General Manager für das PLM-Segment<br />

von PTC, sagt: „Man braucht ein paar Jahre, um ein Produkt zu entwickeln,<br />

ein paar Monate, um es zu fertigen – aber in Betrieb ist es<br />

oft 20 oder 30 Jahre.“<br />

Anlässlich des PTC Forum Europe in Stuttgart im November 2016 wurde der<br />

Sauerstoffkonzentrator Zen-O des Medizingerätebereichs der GCE-Gruppe<br />

vorgeführt. Mittels ThingWorx ließ sich das Gerät vernetzen und zeigt nun<br />

Batteriestatus, Atmung, Sauerstoffkonzentration und Serviceaktivitäten<br />

unabhängig von der Aufmerksamkeit oder Verfassung des Patienten an<br />

Für die Gestaltung der Dienste und Anwendungen vernetzter Produkte<br />

bietet PTC auf der Basis von ThingWorx eine Reihe vollständig<br />

integrierter Komponenten. Neben dem Generieren der Apps<br />

sind dies vor allem: ThingWorx Analytics zur Laufzeitdatenanalyse,<br />

Abweichungsdatenerkennung, vorausschauenden Analyse und Simulation;<br />

und Kepware zur Vernetzung von Industrieausrüstung und<br />

für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation.<br />

Design für Konnektivität<br />

Viele Produkte haben gar keine Sensoren, und noch mehr haben an<br />

den wichtigen Stellen nicht die richtigen. Es ist eben etwas anderes,<br />

einmal am Tag Daten an einem Display abzulesen und in eine Liste<br />

einzutragen, oder sie automatisiert kontinuierlich über eine drahtlose<br />

Verbindung zu sammeln, zu filtern und zu analysieren. Diesen<br />

Unterschied kann und muss man künftig bei der Entwicklung eines<br />

Produktes berücksichtigen. Design for Connectivity nennt das PTC.<br />

Der Designer muss die Dienste im Blick haben, die über das Produkt<br />

denkbar, sinnvoll und wertvoll sind.<br />

Vor allem in der Einstiegsphase ins Internet der Dinge mangelt es<br />

aber an Daten und folglich an Erfahrung, mit welchen Daten was<br />

möglich ist. Ein Data Driven Design – so eine anderer Begriff, der für<br />

IoT-gerechtes <strong>Engineering</strong> eingeführt wurde – ist also gar nicht so<br />

einfach zu realisieren. Um von vornherein zu wissen und dafür zu<br />

sorgen, dass bestimmte Datenflüsse für dezidierte Ziele analysiert<br />

und eingesetzt werden können, müssen die Möglichkeiten der Datenflüsse<br />

verstanden sein.<br />

Der erste Schritt in Richtung Internet der Dinge besteht deshalb oft<br />

darin, vorhandene oder verfügbare Daten zu nutzen, um sie zu verstehen<br />

und ihre Möglichkeiten besser einschätzen zu können. Spätestens<br />

hier wird vielen Kunden klar, was Produkt-Lebenszyklus-Management,<br />

was PLM ganz praktisch bedeutet: Wer dieses Konzept<br />

verwirklicht hat, der hat solchen Zugriff. Soweit Daten mit Hilfe von<br />

44 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


DATENMANAGEMENT/PLM<br />

TOOLS<br />

PLM zentral erfasst sind, kann das Unternehmen darauf zugreifen.<br />

Beim Schritt ins Internet der Dinge wird den anderen Unternehmen<br />

bewusst, dass sie diesen Schritt ohne PLM nur sehr schlecht, wenn<br />

überhaupt, gehen können.<br />

Ähnlich ist es mit den Daten der Anforderungen, die zur Entwicklung<br />

des Produktes geführt haben, und mit den Daten der Software,<br />

die zur Realisierung seiner Funktionen entwickelt wurde. Wer über<br />

ein Application Lifecycle Management (ALM) verfügt, hat dafür die<br />

Basis. Andernfalls wird er jetzt dafür sorgen müssen, denn sonst ist<br />

seine Software lediglich eine Black Box, die ihm während des Produktbetriebs<br />

wenig nützt.<br />

Und erst recht verhält es sich so mit den Daten, die den Betrieb, die<br />

Wartung, die Ersatzteile, den Service betreffen. Service Lifecycle<br />

Management (SLM) ist ein weiterer Baustein im Portfolio von Unternehmenssoftware,<br />

der umso wichtiger wird, je mehr Bedeutung<br />

den produktbasierten Diensten beigemessen wird.<br />

Die Managementsysteme, die PTC für industrielles <strong>Engineering</strong> im<br />

Portfolio hat – Creo für CAD, Windchill für PLM, Integrity für ALM,<br />

ein ganzes Portfolio für SLM – diese Systeme erhalten auf dem Weg<br />

ins Internet der Dinge eine neue Bedeutung, größer als je zuvor.<br />

PTC ist dabei, dieser neuen Bedeutung gerecht zu werden durch die<br />

schrittweise Integration all dieser Systeme mit eben dieser Thing-<br />

Worx Plattform.<br />

Durch Datenmeere navigieren<br />

Chris Bergquist, PLM Solutions Director, sagt: „Es gibt zwei Dimensionen<br />

der wachsenden Komplexität: Mehr und mehr Informationen<br />

werden von einer wachsenden Zahl unterschiedlicher Experten benötigt.<br />

Einer unserer Kunden sagte uns, seine Ingenieure verbringen<br />

mehr als 60 Prozent ihrer Zeit damit, Informationen aus einem<br />

der großen IT-Systeme anderen Bereichen zur Verfügung zu stellen.“<br />

Ein neues Produkt von PTC hat 2016 wohl aus genau diesem Grund<br />

einen überwältigenden Zuspruch erfahren. Bis zum Ende des ersten<br />

Geschäftsjahres waren über 70.000 Lizenzen von PTC Navigate<br />

verkauft. Dieser Erfolg ist leicht zu erklären.<br />

Mit dem Tool kann der Nutzer auf die Daten ganz unterschiedlicher<br />

Systeme, auch von Drittanbietern, zugreifen, ohne sie direkt zu koppeln<br />

und ihre Daten zu synchronisieren. Lose Kopplung nennt man<br />

das. PTC Navigate nutzt dafür einen sogenannten Mash-up-Layer,<br />

um die Daten einfach zusammenzubringen und darzustellen.<br />

Auf diese Weise stehen dem User Daten von Kunden, aus Aufträgen,<br />

aus Stücklisten, aus der Fertigung, vom Service zur Verfügung,<br />

die er für einen bestimmten Arbeitsschritt braucht. PTC Navigate ist<br />

rollenbasiert, offen und einfach konfigurierbar.<br />

PLM als Kern der digitalen Industrie<br />

Das Herz der Produktdaten, die im Laufe des Produkt-Lebenszyklus<br />

entstehen, und vor allem die Struktur ihrer Beziehungen zueinander,<br />

dieses Herz ist PLM, also im Falle von PTC Windchill. Kevin Wrenn<br />

sagt: „Für uns ist Windchill das Hauptsystem für Entwicklung, Test,<br />

Freigabe, Änderung oder Konfigurationsmanagement.“ Und Chris<br />

Bergquist ergänzt: „Modellbasiertes <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>, Functional<br />

Design und Simulation sind heute ebenfalls entscheidend für<br />

das <strong>Engineering</strong>. Aber gerade in Richtung vernetzter Systeme gilt:<br />

Alle Daten müssen zurückverfolgt werden können.“<br />

Die Industrie braucht ein digitales Produktmodell nicht nur, um auf<br />

die Daten zugreifen zu können. Der digitale Zwilling ist auch die Voraussetzung<br />

dafür, dass aus der Analyse der Betriebsdaten im <strong>Engineering</strong><br />

die richtigen Schlüsse gezogen werden können. Und es ist<br />

in modernen Entwicklungsteams die Basis für Crowd-Sourcing.<br />

Das bekannteste Beispiel hierfür lieferte das überaus erfolgreiche<br />

Startup StreetScooter der RWTH Aachen, das inzwischen von der<br />

Deutschen Post übernommen wurde. Die Post stellt nun ihre Elektro-Fahrzeuge<br />

für die Postzustellung selbst her. Jährlich 10.000 sollen<br />

es ab 2017 werden. In Rekordzeit und zu Rekord-Niedrigkosten<br />

wurde der E-Transporter Work entwickelt. Bereits während der Entwicklung<br />

wurden Daten aus dem Testbetrieb ins Design zurückgespielt.<br />

Für das Projekt setzte StreetScooter auf die gesamte Palette<br />

der PTC-Software, von Creo über Windchill bis zu ThingWorx. Das<br />

bildete auch die Grundlage für Apps, mit denen die neuen Postautos<br />

beispielsweise nach der Rückkehr von der Postzustellung entscheiden,<br />

in welcher Reihenfolge ihre Batterien geladen werden.<br />

Mit Closed Loop Lifecycle Management umschreibt dies PTC heute,<br />

wobei das umfangreiche Softwareportfolio den Kunden unterstützt.<br />

Dabei ist der Anbieter stets weiter auf der Suche nach Ergänzungen,<br />

die in dieses Angebot passen, wie die fast spielerische Nutzung<br />

von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) mit dem<br />

kürzlich erworbenen Vuforia zeigt. Mit mehr als 6.000 Mitarbeitern<br />

will PTC weiterhin Vorreiter sein.<br />

Dass die Kunden die Strategie von PTC verstehen und begrüßen,<br />

äußert sich für Stephan Ellenrieder in sämtlichen Gesprächen, die er<br />

mit ihnen führt. In seinem Kommentar „Keine Digitalisierung ohne<br />

PLM“ schreibt er: „Egal mit welchen Unternehmensleitern und aus<br />

welcher Branche wir momentan über IoT und mögliche darauf aufbauende<br />

AR-Szenarien sprechen – stets geht es in den Gesprächen<br />

auch um die Implementierung eines PLM-<strong>Systems</strong>.“ PLM als Basis<br />

für IoT, und IoT wiederum als Treiber für PLM. Für Stephan Ellenrieder<br />

geht die Gleichung auf: „Die Unternehmensführung begreift zunehmend<br />

die Wichtigkeit einer guten PLM-Basis als Startpunkt für<br />

den eigenen digitalen Fortschritt.“<br />

co<br />

www.ptc.com<br />

Hinweis:<br />

In Ausgabe 01/2016 der <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong> <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> fragten wir danach, ob<br />

PLM in der Industrie 4.0 unwichtig wird oder zentrale Datendrehscheibe (S. 39ff). Der<br />

vorliegende Artikel ist eine leicht gekürzte Fassung des gleichnamigen Hintergrundartikels<br />

von Autor Ulrich Sendler auf dem PLMportal (www.plmportal.org) als Antwort und<br />

gibt die offizielle Strategie von PTC wieder.<br />

Weiterführende Infos zum<br />

Thema IoT aus Sicht von PTC:<br />

www.t1p.de/2f4w<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 45


TOOLS<br />

ANFORDERUNGSMANAGEMENT<br />

Strategische Investition in die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

Disposition 4.0 für die smarte Fabrik<br />

Die Umsetzung eines Fabrik-4.0-Konzeptes in der Automatisierung erfordert auch eine Disposition 4.0.<br />

Disposition 4.0 ist dabei längst keine Vision mehr sondern bei verschiedenen Technologieführern gelebte<br />

Realität. Die wesentliche Herausforderung und damit der entscheidende Schlüssel zur Disposition<br />

4.0 liegen in der intelligenten Auswertung der ungeheuren Datenmengen, die in heutigen ERP-<br />

Systemen aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Prozesse vorliegen und laufend anwachsen.<br />

Prof. Dr.-Ing. Götz-Andreas Kemmner und Prof. Dr.-Ing. Gerrit Sames<br />

Industrie 4.0 zielt darauf ab, die Industrie für die Zukunft der Produktion<br />

zu rüsten. Ziel ist es, Produktionsvorteile durch eine vernetzte<br />

und sich dynamisch organisierende Fertigung für individualisierte<br />

Produkte zu erreichen. Als wesentliche technologische Grundlagen<br />

der Fabrik 4.0 gelten Cyber-physikalische Systeme und das Internet<br />

der Dinge. Dabei geht es um die selbständige Kommunikation<br />

zwischen verschiedenen Komponenten in Produktion, Wertschöpfungskette<br />

und Supply Chain. Den Überlegungen zur Fabrik<br />

4.0 haftet der Touch rein dezentraler Strukturen an, die keinem gemeinsamen<br />

Plan mehr folgen müssen. Da spricht das Bauteil mit<br />

der Werkzeugmaschine, zu welcher neuen Komponente es verarbeitet<br />

werden möchte und findet selbständig seinen Weg durch die Fabrik<br />

und durch die verschiedenen Lagerstufen. Die Werkzeugmaschine<br />

ordert selbständig die benötigten Werkzeuge im ERP-System.<br />

Doch auch in der Fabrik 4.0 sind übergeordnete zentrale Vorgaben<br />

erforderlich, denn Teile müssen bevorratet und Fertigungsaufträge<br />

müssen disponiert werden. Selbst wenn sich Produktionsmaterial<br />

den Weg durch die Fabrik selbst sucht, muss eine Entscheidung<br />

getroffen werden, wann es auf den Weg gebracht wird. Damit<br />

ein ERP-System Teile automatisch bestellen kann, müssen zuverlässige<br />

Entscheidungsmechanismen aufgebaut werden.<br />

Die Fabrik 4.0 benötigt eine Disposition 4.0<br />

Mechanismen zur Disposition 4.0 bestehen bereits, sie werden<br />

aber erst von wenigen Leistungsführern angewandt. Die wesentliche<br />

Herausforderung und damit der entscheidende Schlüssel zur<br />

Disposition 4.0 liegen in der intelligenten Auswertung der ungeheuren<br />

Datenmengen, die in heutigen ERP-Systemen aufgrund der zunehmenden<br />

Digitalisierung der Prozesse vorliegen und laufend weiter<br />

wachsen. Leider ist die systematische Erfassung und Analyse<br />

der Daten noch wenig entwickelt, und so werden kaum oder nur<br />

wenig Schlussfolgerungen aus den Daten gezogen. Wichtig dabei<br />

ist, dass die Datenanalytik sehr genau auf die Fragestellungen passen<br />

und daher sehr spezifisch ausgelegt sein muss. An geeigneten<br />

mathematischen Verfahren und Algorithmen, um aus den Datenmengen<br />

Informationen herauszufiltern, wird intensiv gearbeitet und<br />

erste in der Praxis anwendbare Lösungen existieren bereits.<br />

Warum die ungeheuren Datenmengen und deren intelligente Auswertung<br />

für die Disposition 4.0 so entscheidend sind, lässt sich<br />

leicht nachvollziehen. Die Disposition ist das Herz eines jeden Unternehmens,<br />

das den gesamten Materialstrom durch Supply Chain<br />

und Wertschöpfungskette pumpt. Deshalb ist die Qualität der Dis-<br />

position für die Wirtschaftlichkeit einer Wertschöpfungskette von<br />

entscheidender Bedeutung. Sie hängt von den Dispositionsparametern<br />

ab, die maßgeblich bestimmen, wie sich Bestände, Lieferbereitschaft,<br />

Reichweiten, Kapazitätsauslastung und Durchlaufzeiten<br />

in Beschaffung, Produktion und Distribution entwickeln und wie<br />

wirtschaftlich damit die gesamte Wertschöpfungskette arbeitet.<br />

ERP-Systeme haben Ziele verfehlt<br />

In der heutigen Fabrik 3.0 fehlt es bereits an einer effektiven Disposition:<br />

Viele Unternehmen müssen feststellen, dass sich trotz Einsatz<br />

von ERP-Systemen zum Beispiel die gewünschte Bestandsreduzierung<br />

nicht einstellt. Auch sind geplante Lieferbereitschaftsgrade<br />

nicht erreicht worden. Wesentliche Ursachen für das Verfehlen<br />

der wirtschaftlichen ERP-Ziele sind in den Unternehmen durchaus<br />

bekannt: Eine Pflege von Dispoparametern findet häufig nicht oder<br />

nur in zu großen Abständen statt. Das liegt zuerst einmal an dem zu<br />

großen manuellen Pflege- und damit Zeitaufwand, der für eine Datenpflege<br />

erforderlich wäre. Doch selbst in den Unternehmen, in denen<br />

ein gewisser Pflegeaufwand betrieben wird, ist die Einstellungsqualität<br />

der Dispositionsparameter meist schlecht, denn einerseits<br />

werden viel zu wenige Parameter betrachtet und andererseits<br />

werden diese i.d.R. nach wie vor nach bestem Wissen durch den zuständigen<br />

Disponenten gesetzt. Die Herausforderungen werden<br />

weiter wachsen und die Zeit für die Datenpflege wird zwangsläufig<br />

immer geringer werden; alleine schon aufgrund der demographischen<br />

Entwicklung wird das notwendige Personal fehlen. Wohl noch<br />

entscheidender ist, dass das Verständnis der Anwender für die Auswirkung<br />

von Dispoparametern sehr eingeschränkt ist, aber selbst<br />

ausgewiesene Experten werden das komplexe Zusammenwirken<br />

nicht mehr zuverlässig beherrschen. Letztlich werden mit den ERP-<br />

Systemen keine geeigneten Werkzeuge zur Optimierung der Dispositionsparameter<br />

zur Verfügung stehen. Viele Manager sehen zwar,<br />

dass die Datenqualität im ERP-System nicht zufriedenstellend ist,<br />

bezweifeln aber immer noch, dass sich durch das Nachjustieren von<br />

Dispositionsparametern viel erreichen lässt.<br />

Falsche Parameter mit gravierenden Auswirkungen<br />

Ziel eines Unternehmens war es beispielsweise, eine Lieferbereitschaft<br />

von 95 % sicherzustellen. Die dafür erforderlichen Bestände<br />

sollten möglichst gering gehalten werden. Durch geeignetes Einstellen<br />

der Dispositionsparameter des ERP-<strong>Systems</strong> ist es gelungen,<br />

die Lieferbereitschaft hinreichend sicherzustellen, allerdings<br />

auf Kosten eines um 18 % höheren Bestandes. Durch weitere Optimierungen,<br />

ergänzt durch eine erweiterte Dispositions- und Prognosefunktionalität,<br />

konnte die geforderte Lieferbereitschaft letztlich<br />

46 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


ANFORDERUNGSMANAGEMENT<br />

TOOLS<br />

Falsche Dispositionsparameter<br />

haben häu-<br />

fig gravierende Auswirkungen<br />

Bild: SCT<br />

sogar mit 40 % weniger Bestand erreicht werden.<br />

Dabei führt die konventionelle Pflege von Dispositionsparametern<br />

nicht zum Erfolg: Erstens ist die konventionelle Pflege von Dispositionsparametern<br />

viel zu aufwändig. Zweitens liefert eine konventionelle<br />

Pflege von Dispositionsparametern keine reproduzierbaren<br />

Dispositionsergebnisse. Diesen Effekt kennt jeder Praktiker, doch<br />

die meisten Unternehmen tun wenig dagegen. Jeder Anwender gewichtet<br />

Sachverhalte anders, verhält sich damit anders und hat darüber<br />

hinaus nur den Überblick über einen Teil des Geschehens. Mit jeder<br />

Urlaubs- oder Krankheitsvertretung, mit jedem Personalwechsel<br />

verändert sich die Dispositionswelt der betroffenen Artikel, was wiederum<br />

Auswirkungen auf alle nachfolgenden Dispositionsstufen hat.<br />

Drittens liefert eine konventionelle Pflege von Dispositionsparametern<br />

keine wirtschaftlich optimierten Ergebnisse. Zu wirtschaftlich optimierten<br />

Dispositionsergebnissen lässt sich nicht per Bauchgefühl kommen,<br />

denn das Zusammenspiel der verschiedenen Dispositionseinstellungen<br />

ist äußerst komplex. Letztlich geht es um statistische Effekte und<br />

statistische Zusammenhänge zwischen Parametereinstellungen und<br />

wirtschaftlichen Ergebnissen. Selbst wenn man von nur zehn Parametern<br />

ausgeht, die für die Performance eines Artikels wichtig sind, kann<br />

kaum jemand das logistische Zusammenwirkungen dieser Parametereinstellungen<br />

beurteilen und damit auch nicht deren betriebswirtschaftliche<br />

Auswirkungen. In leistungsfähigen ERP-Systemen lassen sich pro<br />

Materialnummer jedoch weit mehr Dispositionsparameter einstellen.<br />

Im SAP-System können beispielsweise bis zu 130 Parameter für jedes<br />

Material festgelegt werden; dabei sind Einstellungen zu Vergangenheitswerten,<br />

Quotierungen, Lieferplänen und Kontraktennicht enthalten.<br />

Natürlich benötigt niemand so viele Einstellungen für einen Artikel<br />

zur selben Zeit; weit mehr als 10 sind es in der Praxis jedoch allemal.<br />

Auf den ersten Blick scheint es schwierig, unter diesen Umständen<br />

zu richtig eingestellten Dispositionsparametern zu gelangen.<br />

Big Company Data Analytics für neue Möglichkeiten<br />

Mit dem Werkzeug Diskover Sco von SCT Supply Chain Technologies<br />

existiert eine Fabrik-4.0-Lösung, die in der Lage ist, die umfangreichen<br />

Datenbestände im ERP-System zu nutzen, um damit optimierte<br />

Parametereinstellungen zu ermitteln und bestimmte Dispositionsparameter<br />

laufend zu justieren. Kern der Analyse sind dabei<br />

Simulationen, mit denen überprüft wird, wie sich eine bestimmte<br />

Kombination von Dispositionsparametereinstellungen auf die Wirtschaftlichkeit<br />

der Dispositionsergebnisse auswirken. Mit Simulationsansätzen<br />

arbeitet man heute an vielen Stellen. Diskover Sco simuliert<br />

die Disposition im Rechner, ehe die Parametereinstellungen<br />

in der Praxis umgesetzt werden. Der Simulationsprozess ersetzt dabei<br />

nicht den Fachmann, der die Simulationsergebnisse interpretieren<br />

und daraus Schlüsse ziehen kann. Optimierungsprozesse werden<br />

jedoch drastisch beschleunigt, Risiken deutlich verringert und<br />

es werden qualitativ weit bessere Ergebnisse erreicht. Die Simulationsergebnisse<br />

können einerseits in Dispositionsregelwerken abgebildet<br />

werden. Andererseits werden besonders dynamische Parametereinstellungen,<br />

wie Sicherheitsbestände oder Prognosewerte,<br />

durch Simulationsprozesse direkt nachjustiert. Interessant ist dabei<br />

auch, dass sich für jeden einzelnen Artikel und jedes Material direkt<br />

überprüfen lässt, ob geforderte Lieferbereitschaftsgrade in der Praxis<br />

überhaupt eingehalten werden können und welche Zielbestände<br />

zu erreichen sein werden.<br />

Der grundsätzliche Ablauf der Datenanalysen und Simulationen<br />

lässt sich in fünf Schritte untersteilen:<br />

• Aus Zu- und Abgängen von Beständen lassen sich mit geeigneten<br />

Verfahren Bestandsverläufe, Lieferbereitschaftsgrade und<br />

Reichweiten berechnen.<br />

• Über Simulationen unter Variation von Dispoparametern und Dispositionsstrategien<br />

können gezielt Soll-Reichweiten bzw. Lieferbereitschaftsgrade<br />

bestimmt werden.<br />

• Mit welchen Einstellungen, unter welchen Randbedingungen,<br />

optimierte Bestandshöhen, Reichweiten resp. Lieferbereit-<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 47


TOOLS<br />

ANFORDERUNGSMANAGEMENT<br />

Bild: SCT<br />

Bild: SCT<br />

Big Company Data Analytics eröffnet breite Möglichkeiten it für die Dispo -<br />

sition 4.0<br />

Die Auswirkung eines Regelwerks auf das gesamte Teilespektrum lässt<br />

sich per Simulation mittels Diskover ermitteln<br />

schaftsgrade erreicht werden, wird in Entscheidungstabellen und<br />

Regelwerken abgebildet.<br />

• Die regelbasierten Einstellparameter werden in das ERP-System<br />

zurückgespielt; die manuelle Pflege von Dispoparametern kann<br />

somit entfallen.<br />

• Die Optimierung und das Rückspielen der Ergebnisse ins ERP-<br />

System erfolgt täglich automatisch oder zu wählbaren Zeiten.<br />

Um die Auswirkungen alternativer Dispositionseinstellungen für unterschiedliche<br />

Artikelgruppen zu simulieren, werden im System zu testende<br />

Dispositionsparametereinstellungen oder ganze Regelwerke in<br />

Szenarien übernommen und in den Simulationsprozess gegeben. Die<br />

Ergebnisse lassen sich direkt in Diskover als Gesamtergebnis über alle<br />

Artikel sowie für jeden einzelnen Artikel ansehen, um daraus ggf. Hinweise<br />

für Optimierungsansätze zu erhalten. Auf diese Weise lassen<br />

sich Handlungsalternativen durchspielen und miteinander vergleichen.<br />

Als Ergebnis der Datenanalysen gewinnt man nicht nur Informationen<br />

zu den richtigen Parametereinstellungen im ERP-System, sondern<br />

auch strategische Erkenntnisse und Organisationsregeln. Von direkter<br />

Bedeutung für die Disposition 4.0 ist, wie man mit den technischen Erkenntnissen<br />

hinsichtlich der Dispositionsregelwerke umgehen muss,<br />

um sie in der Praxis effektiv und effizient anwenden zu können.<br />

Auswirkung des Regelwerks auf das Teilespektrum<br />

Mit dem Dispo-Handbuch der 90er-Jahre oder einfachen Arbeitsanweisungen<br />

kommt man heute nicht mehr weit. Das liegt nicht nur<br />

daran, dass es für die Anwender viel zu aufwändig wäre, zwecks<br />

Datenpflege die Regeln nachzuschlagen. Entscheidender ist noch,<br />

dass die Regelwerke auf einer großen Zahl unterschiedlicher Materialklassifizierungen<br />

aufsetzen, die laufend neu berechnet werden<br />

müssen und ohne die die Regelwerke nicht funktionieren. Zur konsequenten<br />

Umsetzung der Disposition 4.0 ist vielmehr ein strategisch<br />

ausgerichtetes Werkzeug erforderlich, das dem ERP-System<br />

die jeweils aktuellen Dispositionsparametereinstellungen vorgibt<br />

und auf diese Weise die Logistik-Performance optimiert.<br />

Ein solches ERP-Performance-Management-System/Dispo-4.0-System<br />

regelt die Parametereinstellungen im ERP-System nach. Es<br />

muss dazu ein breites Spektrum an Grunddaten aus dem ERP-System<br />

übernehmen, zahlreiche Artikelklassifizierungen und Kennzahlenermittlungen<br />

vornehmen, Regelwerke und Entscheidungstabellen<br />

abbilden sowie über umfangreiche Simulationsfunktionen verfügen<br />

und die Einstellungsvorgaben an das ERP-System zurückgeben.<br />

Das ERP Performance Management System gibt dem ausführenden<br />

ERP-System die Strategien und Artikeleinstellungen vor. Für<br />

Klassifizierungen und einfache Regelwerke gibt es bereits verschiedene<br />

Lösungen am Markt. Bei den Simulationsfunktionen trennt<br />

sich heute die Spreu vom Weizen. Auch wenn der Markt noch dünn<br />

gesät ist, auf Big Company Data basierendes ERP-Performance Management<br />

ist in der Praxis angekommen und bei Technologieführern<br />

bereits im Einsatz. Das zeigen verschiedene Beispiele. In allen Fällen<br />

wurden bedeutende Bestandsreduzierungen, verbesserte Lieferbereitschaft<br />

und rationellere Dispositionsprozesse erreicht. ge<br />

www.diskover.de<br />

Bild: SCT<br />

Das ERP Performance Management System gibt dem ausführenden ERP-<br />

System die Strategien und Artikeleinstellungen vor<br />

Details zur Fabrik-4.0-Lösung<br />

Diskover Sco:<br />

www.t1p.de/mnau<br />

48 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


SYSTEMENTWICKLUNG/CAD<br />

TOOLS<br />

Systemwechsel bei globaler Vernetzung und Zusammenarbeit mit Auslandstöchtern<br />

CAD-Umstieg ohne Produktivitätseinbruch<br />

Die Aktualisierung einer gewachsenen, verteilten Entwicklungsumgebung ist ein komplexes Projekt,<br />

das gute Vorbereitung erfordert. Bei TOX Pressotechnik in Weingarten stand die Implementierung von<br />

Creo 3.0 an – synchronisiert an fünf Entwicklungsstandorten rund um die Welt und für 100 User weltweit.<br />

Keine einfache Aufgabe, die das Unternehmen mit Unterstützung von Inneo Solutions löste.<br />

Dipl.-Ing. Ralf Steck, Fachjournalist, Friedrichshafen<br />

TOX Pressotechnik entwickelt und produziert Werkzeuge und Lösungen<br />

für das Clinchen, das auch Durchsetzfügen oder „Toxen“<br />

genannt wird und unter anderem im Karosseriebau zum Einsatz<br />

kommt – als alleinige Verbindung oder zur Fixierung von Klebeverbindungen.<br />

Neben das ursprüngliche Verfahren sind heute eine<br />

ganze Reihe weiterer Fügetechniken getreten, so dass das Unternehmen<br />

eine breite Palette von Lösungen für die unterschiedlichsten<br />

Anforderungen bieten kann – bis hin<br />

zu pneumohydraulischen Antrieben sowie elektromechanischen<br />

Servoantrieben und den<br />

zugehörigen Prozessüberwachungs- und<br />

Prozesssteuerungsanlagen.<br />

Das <strong>Engineering</strong> ist nicht nur am<br />

Weingartener Hauptsitz angesiedelt,<br />

auch die Standorte in den USA, China,<br />

Korea, Japan, Indien und Brasilien<br />

haben eigene <strong>Konstruktion</strong>skapazitäten.<br />

Dabei ist das Kern-Knowhow<br />

in Weingarten konzentriert und<br />

an den internationalen Standorten<br />

wird vor allem für die Anpassung von<br />

Maschinen an lokale Anforderungen oder<br />

für Sondermaschinen gearbeitet. Im CAD/<br />

PLM-Bereich setzt TOX Pressotechnik schon seit 2001 auf die Lösungen<br />

von PTC, damals noch mit den Produkten Pro/Engineer und<br />

Pro/Intralink, die mittlerweile von Creo und Windchill PDMLink abgelöst<br />

wurden. Von Beginn an war die <strong>Konstruktion</strong>sumgebung in<br />

die Unternehmenssoftwarelandschaft eingebettet, zur Verbindung<br />

nutzt TOX Pressotechnik die SAP-Schnittstelle von Innoface.<br />

„Wir hatten über fünf Jahre mit dem Pro/Engineer-Release Wildfire<br />

5.0 gearbeitet und es wurde einfach Zeit, auf die aktuelle Version<br />

Creo 3.0 umzusteigen“, erinnert sich Jochen Baur, CAD/PLM-Verantwortlicher<br />

bei TOX Pressotechnik. „Allzu oft zeigten sich Probleme,<br />

weil Wildfire 5 vom Hersteller nicht mehr mit Bugfixes und Support<br />

unterstützt wurde. Zudem wollten wir in den Bereichen CAD und<br />

CAM wieder mit demselben System arbeiten.“ Seit 2012 setzt die<br />

NC-Programmierung bei TOX Pressotechnik bereits CreoNC ein und<br />

es arbeiten inzwischen alle fünf CAM-Programmierer mit CreoNC<br />

3.0. Die CAM-Lösung ist komplett vernetzt und in die IT-Landschaft<br />

aus CAD-, PDM- und TDM-System integriert. Wird in beiden Abteilungen<br />

mit demselben System gearbeitet, vereinfacht sich zum<br />

Bild: TOX Pressotechnik<br />

Standardprodukte verknüpft TOX<br />

Pressotechnik zu Komplettlösungen<br />

vom Handarbeitsplatz bis zur verketteten<br />

Fertigung. Dazu gehören auch<br />

robotergeführte Clinchzangen<br />

einen die Datenübergabe zwischen CAD- und CAM-Bereich, zum<br />

anderen sind natürlich auch Administration und Pflege des <strong>Systems</strong><br />

einfacher.<br />

Releasewechsel mit System<br />

Als Vorbereitung für den CAD-Releasewechsel musste zunächst die<br />

benötigte Umgebung geschaffen werden; so wurde die zu Creo 3.0<br />

kompatible Version 10.2 des Datenverwaltungssystems PDMLink<br />

bereits Anfang des Jahres 2015 eingeführt, das aktuelle Release der<br />

Inneo Startup Tools Anfang 2016. Diese von Inneo entwickelte<br />

Sammlung von Werkzeugen rund um Creo ist für die Anwender<br />

ebenso wichtig wie für den Administrator. Letzerem erspart die<br />

Startup-Tools-Funktion, Creo-Einstellungen und Startparameter zentral<br />

zu verwalten, viel Arbeit und Zeit. Die User schätzen unter anderem<br />

die Bibliotheksfunktion der Startup Tools, die es ermöglicht,<br />

sehr schnell auf Norm- und eigene Standardteile zuzugreifen.<br />

Ein Releasewechsel muss gut vorbereitet sein, fährt Baur fort: „Zuerst<br />

informiert man sich, schaut sich die Software an, bewertet die<br />

spezifischen Vorteile für den eigenen Arbeitsprozess. Dann gilt es<br />

im nächsten Schritt die Software genauer zu prüfen, zu validieren<br />

und zum Schluss komplett durchzutesten.“ Dieser Prozess dauerte<br />

mehrere Wochen, teils Monate. „Alle Funktionen, alle Abläufe, alle<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 49


TOOLS<br />

SYSTEMENTWICKLUNG/CAD<br />

Schnittstellen müssen passen. Erst dann folgte die Freigabe für das<br />

erste produktive Pilotprojekt.“ Zunächst starten die ersten Key-User<br />

mit dem neuen System. TOX Pressotechnik arbeitete dabei nicht<br />

mit Testdaten, sondern begann direkt mit realer Entwicklungsarbeit.<br />

Zur Vorbereitung waren die Key-User lediglich auf einem halbtägigen<br />

Hands-On-Seminar von Inneo, wie Baur weiter ausführt. „Es ist<br />

wichtig, hier Leute zu haben, die mitmachen, die hinter der Idee<br />

stehen und Begeisterung für das Neue haben.“<br />

Nach erfolgreichem Verlauf der Pilotprojektphase wurde ein konkreter<br />

GoLive-Termin festgelegt. Vor diesem Termin erhielten alle Kon-<br />

TOX Pressotechnik bietet<br />

Lösungen für eine Reihe von<br />

Fügetechniken, bis hin zu den<br />

zugehörigen Prozessüberwachungs-<br />

und Prozesssteuerungsanlagen<br />

strukteure gruppenweise eine eintägige Updateschulung bei Inneo<br />

an deren Standort im nahen Lindau. Währenddessen wurden alle<br />

CAD-Arbeitsplätze auf Creo 3.0 aktualisiert, denn nach Baurs Erfahrung<br />

ist es ausschlaggebend, dass die Anwender nach der Schulung<br />

sofort mit dem neuen System arbeiten können. Der eigentlich im<br />

Umfang der Updateschulung enthaltene zweite Schulungstag wurde<br />

auf einen Zeitpunkt mehrere Wochen nach der Einführung verlegt.<br />

Die Anwender konnten also bereits erste Erfahrungen mit dem<br />

System sammeln und hatten beim zweiten Termin die Möglichkeit,<br />

Themen und Fragen gezielter anzugehen. Baur erläutert: „Es ist<br />

wichtig, die Anwender am Anfang nicht komplett zu überfordern.<br />

Die Leute sollen und müssen sich erst einmal an das neue System<br />

gewöhnen. Das ist für die einen einfacher, für die anderen schwieriger.“<br />

Daher war das primäre Ziel beim Umstieg, zunächst die bekannten<br />

Arbeitsabläufe und Funktionen in Creo umzusetzen und anzuwenden.<br />

Zum Anwender<br />

INFO<br />

Bild: TOX Pressotechnik<br />

Die TOX Pressotechnik GmbH & Co. KG wurde im Jahr 1978 im oberschwäbischen<br />

Weingarten von Eugen Rapp gegründet. Das nach wie vor<br />

im Familienbesitz befindliche Unternehmen beschäftigt über 1100 Mitarbeiter,<br />

etwa 650 davon im Ausland. TOX Pressotechnik entwickelt und<br />

produziert Werkzeuge und Lösungen für das Clinchen, eine Verbindungstechnik<br />

für Bleche, die heute im Automobilbau und anderen Bereichen<br />

millionenfach zum Einsatz kommt. Clinchwerkzeuge bestehen aus einem<br />

Rundstempel und einer Matrize; werden zwei Bleche mit dem Stempel in<br />

die Matrize gepresst, fließt das Material in der Matrize nach unten und<br />

außen und es bildet sich eine druckknopfähnliche Form. Damit sind die<br />

beiden Bleche nach dem Clinchen unlösbar miteinander verbunden. Das<br />

Verfahren ist extrem materialschonend, so bleiben die Oberflächen und<br />

sogar Beschichtungen der Bleche unverletzt.<br />

Heute sind neben das ursprüngliche Verfahren eine ganze Reihe weiterer<br />

Fügetechniken getreten, so dass TOX Pressotechnik eine breite Palette<br />

von Lösungen für die unterschiedlichsten Anforderungen bieten kann. Ein<br />

weiteres Hauptprodukt ist das TOX-Kraftpaket, ein pneumohydraulischer<br />

Antrieb, der die hohe Geschwindigkeit pneumatisch betriebener Zylinder<br />

mit der hohen Kraft hydraulischer Antriebe kombiniert. Zudem umfasst<br />

die TOX-Produktpalette elektromechanische Servoantriebe und die zugehörigen<br />

Prozessüberwachungs- und Prozesssteuerungsanlagen. Diese<br />

Standardprodukte verknüpfen die TOX Pressotechnik-Ingenieure zu Komplettlösungen<br />

vom Handarbeitsplatz bis zur verketteten Fertigung; ein<br />

weiteres Produkt sind robotergeführte Clinchzangen, beispielsweise für<br />

den Karosseriebau. In vielen Fällen deckt eine der Standardlösungen die<br />

Anforderungen ab, ansonsten werden natürlich auch Sonderlösungen<br />

entwickelt.<br />

www.tox-de.com<br />

50 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


SYSTEMENTWICKLUNG/CAD<br />

TOOLS<br />

Zusammenspiel von PLM und CAD<br />

Creo 3 wurde überwiegend positiv aufgenommen,<br />

sagt Baur im Rückblick: „Natürlich ist es<br />

schwierig, nach so vielen Jahren mit<br />

Wildfire eine neue Benutzeroberfläche<br />

zu lernen, da tut sich mancher schwerer<br />

als andere. Aber insgesamt und dank der<br />

guten Schulung gelang uns der Übergang nahezu<br />

perfekt. Was sehr positiv auffällt, ist unter anderem<br />

die bessere Performance von Creo im Zusammenspiel<br />

mit Windchill. Viele weitere kleine Details helfen<br />

den Konstrukteuren bei ihrer täglichen Arbeit und<br />

bringen positive Stimmung dem neuen System gegenüber.“<br />

Einige in Creo 3.0 neu hinzugekommene Funktionen wurden<br />

noch gar nicht eingeführt, um den Umstieg nicht zu verkomplizieren,<br />

beispielsweise die Unite-Technologie, mit der Creo 3.0<br />

Fremdformate direkt öffnen kann. Da bei TOX Pressotechnik viel mit<br />

Fremdformaten gearbeitet wird, sollten diese sich durch Unite einfacher<br />

handhaben lassen.<br />

„Es ist wichtig, Leute zu haben,<br />

die mitmachen, die hinter der<br />

Idee stehen und Begeisterung<br />

für das Neue haben.“<br />

Durch die enge globale Vernetzung und Zusammenarbeit mit den<br />

Auslandstöchtern war es wichtig, dass die Standorte außerhalb<br />

Deutschlands zeitnah auf das neue Release umgestellt wurden,<br />

denn wie bei allen CAD-Systemen sind Creo-Daten nicht abwärtskompatibel.<br />

CAD-Daten aus Creo 3.0 können nicht in Wildfire geöffnet<br />

werden, so dass die Auslandstöchter ohne schnelle Umstellung<br />

von den aktuellen Daten abgeschnitten worden wären. „Dadurch<br />

standen wir natürlich unter Druck“, erinnert sich Baur. „Das gesamte<br />

Umstiegsprojekt musste so koordiniert werden, dass es keinen Produktivitätsausfall<br />

und auch keinen Produktivitätseinbruch gab.“ So<br />

wurden innerhalb eines Zeitraums von vier bis sechs Wochen alle<br />

Standorte komplett auf Creo 3.0 aktualisiert. Neben dem Hauptstandort<br />

Deutschland betraf dies die Auslandsstandorte USA, China,<br />

Indien und Brasilien mit insgesamt bis zu 100 CAD-Anwendern. Alle<br />

Standorte sind über Windchill PDMLink miteinander verbunden. TOX<br />

Pressotechnik versucht, in allen Ländern mit den gleichen Werkzeugen<br />

und den gleichen Prozessen zu arbeiten. Trotzdem hat natürlich<br />

jedes Land doch auch seine Eigenheiten und immer auch seine eigene<br />

Herausforderung.<br />

Bild: TOX Pressotechnik<br />

Pneumatische Antriebe von<br />

TOX Pressotechnik werden als<br />

TOX-Kraftpaket angeboten und bestehen<br />

aus einem energiesparenden<br />

Pneumatikzylinder mit integriertem<br />

Ölsystem und automatisch einsetzenden<br />

Krafthüben<br />

Bei der Aktualisierung einer solch komplexen Systemlandschaft ist<br />

natürlich auch ein zuverlässiger und kompetenter Partner wichtig.<br />

„Inneo ist unser PTC-Ansprechpartner – sehr wichtig ist dabei die<br />

technische Hotline von Inneo. Die Mitarbeiter dort reagieren sehr<br />

schnell auf unsere Anrufe und beantworten unsere Anfragen. Die<br />

von uns gemeldeten Fehler werden geprüft, bestätigt und bei Bedarf<br />

auch an PTC weitergeleitet. Bei Inneo ist jede Menge Erfahrung<br />

mit allen PTC-Produkten vorhanden.“ Für die technische Umsetzung<br />

des CAD-Releasewechsels zeichnete Baur alleine verantwortlich:<br />

„Das notwendige Know-how haben wir hier im Haus.“ Baur arbeitet<br />

bereits seit 1996 mit den PTC-Produkten: „Ich habe da alles mitgemacht,<br />

Pro/Engineer seit Release 16 und auch die ganze PDM-Historie<br />

von PTC mit Pro/PDM, Pro/Intralink und Windchill PDMLink.“<br />

Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Jahre 2008 stieg TOX<br />

Pressotechnik bereits auf die Windchill-Technologie um.<br />

Alle notwendigen Schulungen laufen über Inneo. Man kennt sich<br />

mittlerweile, das Verhältnis ist freundschaftlich, auch die regionale<br />

Nähe bietet Vorteile, und die CAD-Anwender gehen gerne zu den<br />

Trainings nach Lindau. „Creo 3.0 hat die Arbeitsweise der Anwender<br />

nicht verändert, aber es zeigt sich schon jetzt, dass durch die neuen<br />

Funktionen, die Verbesserungen und die bessere Performance ein<br />

Optimierungspotential für den <strong>Konstruktion</strong>sprozess vorhanden ist“,<br />

zieht Baur ein erstes Fazit. „Mit Creo 3.0 ist TOX Pressotechnik wieder<br />

auf dem aktuellen Stand und hat alle Optionen und Möglichkeiten,<br />

die dieses System bietet.“<br />

co<br />

www.inneo.de<br />

Eine Übersicht zum Lösungsspektrum<br />

von Creo findet sich hier:<br />

www.t1p.de/ldlv<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 51


TOOLS<br />

PROGRAMMIERSYSTEME<br />

Bild: Wago<br />

Ist der Smartdesigner an das Beschriftungssystem<br />

von Wago angekoppelt, kann die Kennzeichnung<br />

aller projektierten Artikel direkt aus dem<br />

Projektierungstool heraus erfolgen<br />

Ob Änderung der Produktion oder Neubau<br />

einer Anlage: Damit alles läuft, muss die<br />

Schaltanlage entsprechend konstruiert,<br />

konfiguriert und programmiert werden<br />

Bild: Wago<br />

Von der Projektierung bis zur fertigen Schaltanlage<br />

Durchgängig entlang der Wertschöpfung<br />

In der industriellen Zukunft werden Bestell- und Produktionsprozesse mehr und mehr digitalisiert und<br />

automatisiert. Das Ziel sind Durchgängigkeit und Datentransparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette,<br />

um so Kosten und Zeiten zu reduzieren und unnötigen Aufwand zu vermeiden. Mit Smart<br />

Data <strong>Engineering</strong> bietet Wago jetzt eine Lösung, die Kunden von der Planung und Projektierung über<br />

das <strong>Engineering</strong> bis hin zur Prüfung und Inbetriebnahme unterstützt.<br />

Dr. Thomas Holm, Head of Innovation & Technology bei Wago Kontakttechnik<br />

Mit Industrie 4.0 wird nicht alles anders. Die Wettbewerbsfähigkeit<br />

eines Unternehmens wird auch weiterhin von den<br />

Produkteigenschaften, der Expertise der Mitarbeiter und von der Effizienz<br />

der Unternehmens- und Produktionsprozesse abhängen. Um<br />

Schaltanlagen- und Steuerungsbauer auf dem Weg zu mehr Effizienz<br />

dieser Prozesse zu unterstützen, bietet Wago mit Smart Data<br />

<strong>Engineering</strong> eine Vielzahl an Daten und Services rund um die Projektierung<br />

individueller Produkte und Lösungen an. Das ermöglicht eine<br />

durchgängige Datenhaltung und verhindert Systembrüche, die zu<br />

Iterationen und damit zu einem deutlichen Mehraufwand führen<br />

können.<br />

Lösungen aus einem Guss<br />

Hier gilt es bereits bei der elektrotechnischen Planung und der Projektierung<br />

anzusetzen: Muss der Schaltanlagenbauer im Rahmen<br />

der Planung Daten unterschiedlichster Planungstool importieren,<br />

weil es erforderlich ist Kundenprojektdaten wie Schaltpläne oder<br />

Komponentenlisten zu übernehmen, unterstützt Wago ihn mit dem<br />

Projektierungstool Smartdesigner. Das Programm verfügt über<br />

Schnittstellen zu verschiedenen CAE-Tools wie Eplan und Wscad<br />

und ermöglicht so die einfache Übernahme bestehender Planungsstände.<br />

Die Web-Anwendung ist per Browser nutzbar, ohne in die<br />

eigene IT eingebunden werden zu müssen. Das spart Zeit und Kosten<br />

und ist vor allem dann von Vorteil, wenn die hauseigene IT an einen<br />

externen Dienstleister ausgelagert ist, der die Neuinstallation<br />

oder das Update einer Software berechnet. Zudem entfällt jegliche<br />

Versionierungsproblematik.<br />

Werden für die Schaltschränke elektromechanische Komponenten<br />

oder Automatisierungssysteme von Wago verwendet, kann der Hersteller<br />

zudem die direkte Verknüpfung mit dem Wago-Onlinekatalog<br />

nutzen und die gewünschte Lösung bequem und bedarfsorientiert<br />

zusammenzustellen. Hier stehen jederzeit die aktuellsten Artikeldaten<br />

in Form von Datenblättern, Produktfotos sowie Downloads von<br />

CAE- und CAD-Daten zur Verfügung. Ist die Tragschiene konfiguriert,<br />

wird sie automatisch durch die Software überprüft. Diese weist bei<br />

Reihenklemmen beispielsweise darauf hin, dass eine Abschlussplatte<br />

gesetzt werden muss, um zu vermeiden, dass stromführende<br />

Teile einander berühren. Bei Komponenten aus dem Bereich der Au-<br />

52 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


PROGRAMMIERSYSTEME<br />

TOOLS<br />

e!Cockpit unterstützt alle<br />

Herstellungsschritte von<br />

der Hardware-Konfiguration<br />

und Programmierung<br />

über die Simulation und<br />

Visualisierung bis zur Inbetriebnahme<br />

Bild: Wago<br />

tomation werden auch elektrische Plausibilitäten wie Spannungswechsel<br />

oder Stromeinspeisungen geprüft. Anschließend können<br />

die gewünschten Produkte und auch die komplett bestückte Tragschiene,<br />

über den Onlineshop bestellt werden. Nach der Prüfung<br />

können die einmal erarbeiteten Daten zur weiteren Nutzung oder<br />

ein erneutes Review vollständig in 3D dargestellt und dokumentiert<br />

werden. Auch Stücklisten und Fotos der verwendeten Produkte<br />

oder Beschriftungsdaten für die Komponenten, die später im Schaltschrank<br />

verbaut werden, können erstellt werden.<br />

Immer richtig gekennzeichnet<br />

Eine Anbindung vom Smartdesigner an das Beschriftungssystem<br />

von Wago macht es außerdem möglich, die Kennzeichnung aller<br />

projektierten Artikel direkt aus dem Projektierungstool heraus vorzunehmen.<br />

Immer dann, wenn der Schaltanlagenbauer nicht die vorkonfektionierte<br />

Tragschiene bei Wago bestellt, sondern diese selbst<br />

aus den einzelnen Komponenten aufbaut, spart er so zusätzliche Arbeitsschritte.<br />

Außerdem wird die die Inbetriebnahme beschleunigt,<br />

da die fertigen Beschriftungsstreifen oder -schilder nur noch angebracht<br />

werden müssen. Diese Kennzeichnung ist vor allem für Maschinen<br />

und Anlagen nach dem Baukastenprinzip elementar. Auf der<br />

einen Seite werden die verschiedenen Module keineswegs ausschließlich<br />

betriebsintern entwickelt und produziert, sondern von jeweils<br />

spezialisierten Partnerunternehmen. Auf der anderen Seite<br />

werden die Baugruppen vielfach zuerst im eigenen Werk aufgebaut<br />

und getestet, nach der Abnahme wieder abgebaut und zum Zielort<br />

transportiert, der sich letztlich auf der ganzen Welt befinden kann.<br />

Dort angekommen, sind es nicht immer die gleichen Personen welche<br />

die finale Inbetriebnahme durchführen – eine konsistente Beschriftung<br />

ist somit sehr hilfreich.<br />

Da die Beschriftung in der Praxis vor allem günstig, einfach und<br />

schnell zu erstellen sein muss, bietet Wago ein aufeinander abgestimmtes<br />

Beschriftungssystem aus Drucker, Projektierungs-Software<br />

und Beschriftungsmaterialien an. In Verbindung mit dem mehrzeilig<br />

bedruckbaren Beschriftungsstreifen ist der handliche und vielseitig<br />

einsetzbare Thermotransferdrucker Smartprinter an Schnelligkeit<br />

kaum zu überbieten. Neben dem Beschriftungsstreifen lassen<br />

sich auch diverse andere Materialien verarbeiten. Das Druckbild des<br />

Smartprinters ist klar, dauerhaft beständig gegenüber äußeren Umwelteinflüssen<br />

sowie wisch- und kratzfest gemäß DIN EN 60068.<br />

Nahtlose Integration in die Automatisierungstechnik<br />

Das <strong>Engineering</strong>-Tool e!Cockpit unterstützt alle Herstellungsschritte<br />

von der Hardware-Konfiguration und Programmierung über die Simulation<br />

und Visualisierung bis zur Inbetriebnahme der Schaltanlage.<br />

Um Anwendern kostbare Zeit bei der Einarbeitung in das Tool zu<br />

sparen, ist die Benutzeroberfläche aktuellen Office-Programmen angelehnt.<br />

Damit der Anwender die Übersicht über sein Projekt auch<br />

dann behält, wenn die Komplexität zunimmt, ist die Menügestaltung<br />

der Bedienoberfläche kontextsensitiv gelöst. Das heißt, es<br />

werden lediglich die Menüpunkte und Funktionen dargestellt, die<br />

sich im aktuellen Status quo der Projektierung oder Bedienung sinnvoll<br />

sind und sich ausführen lassen. Komponenten können dann per<br />

Drag-and-drop im Hauptbereich der Bedienoberfläche platziert und<br />

virtuell miteinander verbunden werden. Fehlverbindungen werden<br />

dadurch von vornherein ausgeschlossen, anstatt zu einem späteren<br />

Zeitpunkt aufwendig identifiziert und behoben werden zu müssen.<br />

Über das e!Cockpit kann die fertige Schaltanlage außerdem abschließend<br />

geprüft werden.<br />

ge<br />

www.wago.com<br />

Weitere Informationen über<br />

den Smart Designer:<br />

www.t1p.de/epbe<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 53


TOOLS<br />

PROGRAMMIERSYSTEME<br />

Bild: Phoenix Contact<br />

PLCnext Technology als Basis für eine neue, offene Steuerungsplattform<br />

Bestens für die Zukunft gerüstet<br />

Der stetige technologische Wandel – beeinflusst beispielsweise durch Industrie 4.0, das Internet of<br />

Things (IoT) oder Datensicherheit – wirkt sich sowohl auf entsprechende Hersteller als auch Anwender<br />

aus. Mit der neuen PLCnext Technology für seine kommenden Steuerungen zeigt Phoenix Contact<br />

die vielfältigen Chancen auf, die sich daraus ergeben.<br />

Dipl.-Ing. (FH) Frank Walde, Mitarbeiter im Competence Center Automationworx,<br />

Phoenix Contact Electronics GmbH, Bad Pyrmont<br />

Wie seine Kunden steht Phoenix Contact stets vor der Frage,<br />

welche Zukunftstrends wirklich relevant sind und welche Lösungen<br />

der aktuelle, aber auch zukünftige Markt in diesem Zusammenhang<br />

erwartet. Bei der Frage, was eine moderne Steuerungsarchitektur<br />

erfüllen muss, haben sich die Spezialisten mit den Anforderungen<br />

langjähriger Anwender sowie Vertriebspartner auseinandergesetzt.<br />

Diese Zielgruppen treibt unter anderem um, wie sie Lösungen<br />

schneller als die Mitbewerber auf den Markt bringen können.<br />

Außerdem möchten sie die ständig wachsende Anzahl von<br />

Varianten mit weniger Aufwand realisieren sowie den Ansprüchen<br />

möglichst vieler Anwendungsbereiche an die IT-Sicherheit gerecht<br />

werden.<br />

Die Vorteile von Linux nutzen<br />

Um die aufgeführten Ansprüche umzusetzen, wurde die PLCnext<br />

Technology von Grund auf neu entwickelt. Bei allen Aktivitäten stehen<br />

die Anwender im Fokus, die direkt in Entwicklungsschritte eingebunden<br />

werden. Hier zeigte sich frühzeitig, dass zum einen<br />

Offenheit und darüber hinaus Durchgängigkeit wesentliche Eigenschaft<br />

sind. Mit Linux als Betriebssystem hat die PLCnext Technology<br />

daher die Möglichkeit, auf nahezu allen Hardware-Architekturen<br />

eine einheitliche Basis zu verwenden. Linux ist nicht nur absolut<br />

echtzeitfähig, sondern erlaubt Phoenix Contact und seinen Kunden<br />

auch eine schnelle Partizipation an den aktuellen Entwicklungen der<br />

Community. Linux stellt jedoch lediglich ein Betriebssystem dar und<br />

liefert somit noch nicht alle Antworten auf heutige und zukünftige<br />

Herausforderungen.<br />

54 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


PROGRAMMIERSYSTEME<br />

TOOLS<br />

Mit der PLCnext Technology erfüllt<br />

Phoenix Contact die verschiedenen<br />

Anforderungen von Entwicklern und<br />

Anwendern auf einfache Weise. So<br />

lassen sich Entwicklungszeiten reduzieren<br />

sowie Kosten minimieren,<br />

und die beteiligten Personen können<br />

sich auf das Projekt sowie ihr<br />

Kerngeschäft konzentrieren<br />

Bild: Phoenix Contact<br />

Bild 1: Die PLCnext Technology bietet eine Plattform für viele Lösungen<br />

Mit der PLCnext Technology bietet Phoenix Contact nun aber eine<br />

Hardware-unabhängige Plattform, die auf Linux aufsetzt und dessen<br />

Vorteile einfach nutzbar macht. Gleichzeitig stellt sie die Stabilität<br />

und Funktionen zur Verfügung, die von einer modernen Steuerung<br />

erwartet werden. Im Unterschied zu anderen Lösungen muss sich<br />

der Entwickler bei der PLCnext Technology nicht mehr darum kümmern,<br />

welche SPS später tatsächlich eingesetzt wird. Am Ende des<br />

Projekts wählt er einfach eine Steuerung mit PLCnext Technology in<br />

der passenden Leistungsklasse aus. So lässt sich die Anwendung<br />

flexibel skalieren und fertige Lösungen können immer wieder neu<br />

zusammengestellt werden (Bild 1).<br />

„Linux ist nicht nur absolut<br />

echtzeitfähig, sondern es erlaubt<br />

eine schnelle Partizipation an den<br />

aktuellen Entwicklungen der<br />

Community.“<br />

In der am besten geeigneten<br />

oder geläufigen Sprache programmieren<br />

Als Basis der PLCnext Technology fungiert eine intelligente Schicht<br />

zwischen Anwenderprogramm und Betriebssystem, über die sämtliche<br />

Systemkomponenten Daten synchron sowie in Echtzeit unter -<br />

einander austauschen, aber auch Systemdienste einfach zugänglich<br />

machen. Aufgrund ihrer offenen Schnittstellen kann der Anwender<br />

über die Zwischenschicht problemlos eigene Programme („Apps“)<br />

integrieren respektive installieren sowie mit allen anderen Systemkomponenten<br />

und dem Betriebssystem kommunizieren. Dabei ist<br />

es unerheblich, ob die Programme klassisch in IEC 61131-3, Hochsprache<br />

oder per Matlab Simulink erstellt werden. Der Entwickler<br />

entscheidet sich für das für die jeweilige Applikation am besten geeignete<br />

Software-Werkzeug oder kombiniert sogar verschiedene<br />

Tools. Während der IEC-61131-3-Programmierer also die neue Software<br />

PC Worx Engineer verwendet oder Modelle direkt in Matlab Simulink<br />

erzeugt und lädt, wählt der Hochsprachen-Programmierer<br />

zwischen Visual Studio und Eclipse. So entwickelt jeder Mitarbeiter<br />

in seinem gewohnten Tool und es fallen keine Kosten für die Schulung<br />

in anderen Programmierwerkzeugen an (Bild 2).<br />

Wie bereits erwähnt, lassen sich mit der PLCnext Technology sämtliche<br />

genannten Programme erstellen. Die Ausführung ist sowohl in<br />

zyklischen als auch Event-basierten Tasks möglich. Ebenfalls werden<br />

Multi-Core-Systeme unterstützt. Selbstverständlich werden<br />

hierbei harte Echtzeitanforderungen mit minimalem Jitter erfüllt. So<br />

können die Entwickler Lösungsmodule erstellen und diese dann beliebig<br />

weiternutzen, was zu deutlich kürzeren Entwicklungszeiten<br />

und modularen Anlagenkonzepten führt.<br />

Weitere Kommunikationsprotokolle integrieren<br />

Während der Entwickler über die Programmiersprache und die erforderlichen<br />

Tools entscheidet, muss sich die Steuerung in die Kommunikationslandschaft<br />

und Richtlinien der Endkunden respektive Branchen<br />

einfügen. Deshalb erweist es sich als wichtig, dass sie die wesentlichen<br />

Übertragungsstandards unterstützt und zudem offen für<br />

weitere Protokolle ist. Als ein relevanter Standard sei hier OPC UA<br />

angeführt. Über das herstellerunabhängige Protokoll tauschen immer<br />

mehr industrielle Komponenten flexibel und sicher Daten untereinander<br />

aus. Daher verfügt die PLCnext Technology standardmäßig<br />

über einen integrierten OPC-UA-Server. In diesem Zusammenhang<br />

zeigt sich insbesondere die Anbindung aller Komponenten an die<br />

Zwischenschicht als merklicher Vorteil. Im Zusammenspiel mit den<br />

eingebundenen taktsynchronen Datenloggern und dem OPC-UA-<br />

Server entsteht in wenigen Minuten sowie ohne Programmierung<br />

eine vollwertige Datenerfassungs- und Meldungslösung.<br />

Die PLCnext Technology arbeitet darüber hinaus mit den bewährten<br />

Proficloud-Diensten und erlaubt ferner die Integration eigener<br />

Cloud-Lösungen. Damit ist ein Schritt in Richtung vorausschauende<br />

Diagnose sowie IoT getan. Selbstverständlich werden auch die klassischen<br />

Feldbussysteme sowie die Echtzeit-Ethernet-Standards unterstützt.<br />

Dabei ist die PLCnext Technology konsequent auf die spätere<br />

Einbindung weiterer Protokolle ausgelegt, so dass die Anwender<br />

flexibel auf zukünftige Entwicklungen reagieren können.<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 55


TOOLS<br />

PROGRAMMIERSYSTEME<br />

Bild 2: Die Plattform<br />

passt zum Program-<br />

mierwerkzeug des<br />

Anwenders<br />

Bild: Phoenix Contact<br />

Alle Funktionen in einem Tool zusammenführen<br />

Der Projekterfolg gründet sich nicht nur auf die Steuerung und deren<br />

Basistechnologie, sondern vor allem auf eine optimale Integration<br />

in die Entwicklungswerkzeuge. Bei der Erarbeitung der PLCnext<br />

Technology hat sich Phoenix Contact deshalb ergänzend zur bestmöglichen<br />

<strong>Engineering</strong>-Unterstützung darauf konzentriert, dass der<br />

Entwickler bei Bedarf eigene Wege gehen kann. Dazu sind sämtliche<br />

Komponenten der PLCnext Technology modular aufgebaut, und<br />

alle wesentlichen Bestandteile lassen sich konfigurieren. Auf diese<br />

Weise erhält der Anwender die volle Kontrolle über das System.<br />

Durch den Vorteil der Bündelung sämtlicher Funktionen wird in den<br />

meisten Fällen die neue Software PC Worx Engineer zur Pro -<br />

grammierung und Konfiguration der SPS zum Einsatz kommen.<br />

Bild 3: Die IT-Security ist komplett in die PLCnext Technology integriert<br />

Bild: Phoenix Contact<br />

„Im Unterschied zu anderen<br />

Lösungen muss sich der<br />

Entwickler bei der PLCnext<br />

Technology nicht mehr darum<br />

kümmern, welche SPS später<br />

tatsächlich eingesetzt wird –<br />

er wählt sie einfach am Ende<br />

des Projektes aus.“<br />

Die Oberfläche der Software fokussiert sich ebenfalls auf den Anwender<br />

und ist daher konsequent nach Handhabungs-Gesichtspunkten<br />

konzipiert. Neben der IEC-61131-3-Programmierung werden<br />

sämtliche Funktionen – wie die Web-Visualisierung, funktionale<br />

Sicherheit und Modularität der PLCnext Technology – in diesem Tool<br />

zusammengeführt. Aufgrund der zentralen Konfiguration lassen sich<br />

die Daten durch wenige Mausklicks beispielsweise mit den taktsynchronen<br />

Daten loggern, dem OPC-UA-Server oder der Web-Visualisierung<br />

teilen. Weiterhin verfügt PC Worx Engineer über integrierte<br />

Safety-Funktionen, so dass auch Safety-Steuerungen direkt programmiert<br />

werden können.<br />

Sicherheitsaspekte normenkonform umsetzen<br />

Aktuell und in Zukunft sind die aufgeführten Funktionen durch die<br />

branchenspezifischen Anforderungen an die IT-Security zu ergänzen.<br />

In diesem Zusammenhang erweisen sich Netzwerksicherheit und<br />

Fernwartung zweifellos als wichtig, doch hinter der IT-Security verbirgt<br />

sich mehr. Von heutigen Systemen wird die Integrität, Verfügbarkeit<br />

und vor allem die Vertraulichkeit aller Daten verlangt (Bild 3).<br />

Das gelingt nur durch eine tiefe Integration unterschiedlicher Mechanismen<br />

und Verfahren auf sämtlichen Ebenen der PLCnext Technology<br />

sowie der Entwicklungsumgebung PC Worx Engineer. Deshalb<br />

bietet die PLCnext Technology Security-by-Design, so dass die<br />

Sicherheitsaspekte gemäß der weltweit führenden Norm IEC<br />

62443 umgesetzt werden. IT-Security erweist sich somit nicht länger<br />

als Hindernis, sondern auf Basis der PLCnext Technology als<br />

Schlüssel für neue Projektideen.<br />

co<br />

www.phoenixcontact.de<br />

Weiterführende Infos zu<br />

PLCnext Technology:<br />

www.t1p.de/4owd<br />

56 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


IT-INFRASTRUKTUR<br />

ANWENDUNG<br />

Die Trends im Rechenzentrum 2017<br />

IT-Leistung aus der Cloud<br />

Auch im Bereich IT für Unternehmen sorgt die Digitalisierung für eine stetige Weiterentwicklung der<br />

Anforderungen sowie der entsprechenden Rechenzentren. Rittal bietet dafür zusammen mit seinen<br />

Partnern schlüsselfertige und skalierbare IT-Umgebungen mit kundenindividuellen Services aus einer<br />

Hand an. Doch in welche Richtung geht die Entwicklung?<br />

Martin Kipping, Director International IT-Projects, Rittal<br />

Für den Mittelstand sind Investitionen in IT-Systeme im Rahmen<br />

der digitalen Transformation besonders wichtig. Allerdings fehlen<br />

genau in diesen Unternehmen häufig die nötigen IT-Experten sowie<br />

das entsprechende Kapital zum Aufbau solcher Systeme. Der<br />

Mittelstand wird praktisch gezwungen, immer mehr IT-Leistung aus<br />

der Cloud zu beziehen. Die Verantwortlichen bei Rittal sehendeshalb<br />

drei große Trends für 2017, die IT-Verantwortliche kennen sollten.<br />

IoT und Industrie 4.0<br />

Im Rahmen der digitalen Transformation geht der Trend deutlich hin<br />

zu branchenspezifischen Clouds zur Unterstützung von Industrie-4.0-Umgebungen.<br />

Schon in diesem Jahr werden zahlreiche<br />

neue branchenspezifischen Clouds entstehen, die sogenannten<br />

Industry Collaborative Clouds. Marktanalysten von IDC geben an,<br />

dass sich die Anzahl der Clouds bis 2018 auf rund 450 Stück verdreifachen<br />

wird. Die damit geschaffenen Anwendungsplattformen stehen<br />

dann allen Teilnehmern zur Verfügung, die dort ihre Daten austauschen,<br />

ihre eigenen Prozesse und Services integrieren oder die<br />

Produktentwicklung gemeinsam vorantreiben. Getrieben wird diese<br />

Entwicklung von neuen digitalen Geschäftsmodellen und Dienstleistungen,<br />

die auf Daten aus vernetzten Sensoren, Maschinen und<br />

Endgeräten, also auf dem Internet der Dinge (IoT) basieren. Von der<br />

dabei entstehenden Vernetzungen versprechen sich Unternehmen<br />

enorme Effizienzsteigerungen.<br />

Edge Computing und modulare Rechenzentren<br />

Anbieter IT-technischer Unterstützung werden in 2017 verstärkt<br />

modulare und vorkonfigurierte IT-Lösungen einsetzen, die sich<br />

schnell und unkompliziert aufstellen und in Betrieb nehmen lassen.<br />

Gleichzeitig müssen die Systeme das zukünftige Wachstum des<br />

Unternehmens unterstützen. Deshalb sollten sie auf offenen Technologien<br />

basieren und skalierbar sein. Dieser Trend beruht darauf,<br />

dass die benötigten Latenzzeiten des Internets der Dinge sowie<br />

rechenintensiver Analytics-Anwendungen häufig extrem kurz sind.<br />

Bei den riesigen und kontinuierlich anfallenden Datenmengen, die<br />

beispielsweise das Internet der Dinge erzeugt, ist es in den meisten<br />

Fällen erforderlich, dass schon vor Ort eine erste Datenanalyse vorgenommen<br />

wird. Und nur mit einem dezentralen Ausbau der IT-<br />

Landschaft lässt sich eine IT-technische Unterstützung von verteilten<br />

Entwicklungs- und Produktionsstandorten erreichen.<br />

Außerdem erfüllen modulare und vorkonfigurierte Komplettsysteme<br />

die Bedingungen für das Edge-Computing, also die Verarbeitung von<br />

Daten nahe am Ursprungsort. Dabei werden an den „Rändern“ des<br />

Unternehmensnetzwerkes zusätzliche IT-Kapazitäten geschaffen.<br />

Die Analysten von IDC prognostizieren, dass solche Systeme bis<br />

2019 etwa 43 % der durch das IoT erzeugten Daten verarbeiten.<br />

Zusammen mit seinen Partnern kann Rittal schlüsselfertige und skalierbare<br />

IT-Umgebungen mit kundenindividuellen Services aus einer Hand anbieten<br />

Cloud und Datacenter als Serviceleistung<br />

Ob nun einzelne Software-Anwendungen oder komplette Platt -<br />

formen bezogen werden – der Trend geht hin zu einem Datacenteras-a-Service-Modell,<br />

bei dem Unternehmen ganz unterschiedliche<br />

Services aus der Cloud beziehen und damit gezielt die bestehende<br />

IT-Landschaft ergänzen. Hier bieten sich auf die Nutzung von<br />

Rechenleistung optimierte Modelle an. Eine Untersuchung von IDC<br />

zeigt, dass kleine und mittelständische Betriebe bis 2019 für weltweit<br />

bis zu 40 % der Public-Cloud-Ausgaben verantwortlich sein<br />

könnten. Ein Schwerpunkt, dessen Bedeutung dabei noch weiter<br />

steigt, ist, dass die IT-Infrastrukturen ausfallsicher sein müssen.<br />

Ansonsten sind die Kosten für Energie und Personal in Deutschland<br />

vergleichsweise hoch, und es herrscht ein spürbarer Fachkräfte -<br />

mangel an IT-Experten. Dennoch können Unternehmen von Standortvorteilen<br />

wie der Rechtssicherheit, dem Datenschutz, einer leistungsfähigen<br />

Internet-Anbindung sowie der zuverlässigen Energieversorgung<br />

profitieren. Insgesamt ist die Branche auf Wachstum<br />

eingestellt.<br />

ik<br />

www.rittal.de<br />

Details zu den IT-Infrastruktur-Lösungen von Rittal:<br />

www.t1p.de/smmw<br />

Bild: Rittal<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 57


ANWENDUNG<br />

KOMMUNIKATION/SECURITY<br />

Moderne Baugruppen für<br />

die industrielle Datenkommunikation<br />

bieten von Haus<br />

aus umfangreiche Sicherheitsmechanismen<br />

an<br />

Bild: SSV Software <strong>Systems</strong><br />

Die Sicherheit einer Anwendung muss als Prozess betrachtet werden<br />

Safety ohne Security geht nicht<br />

Das Thema Safety und die funktionale Sicherheit haben im Maschinen- und Anlagenbau inzwischen<br />

einen hohen Stellenwert. Dieser Sachverhalt ist sicherlich auch mitverantwortlich für den beachtlichen<br />

Exporterfolg deutscher Produkte und deren guten Ruf. Etwas anders sieht es noch immer mit der<br />

Security aus. Da werden komplette Anlagen mit dem Internet verbunden und die Fernzugriffsschnittstelle<br />

lediglich mit einem Benutzernamen und einem Passwort geschützt. Lösungen für mehr Sicherheit<br />

bietet SSV Embedded.<br />

Klaus-Dieter Walter, Geschäftsführer SSV Software <strong>Systems</strong><br />

Dass man mit der Benutzername-Passwort-Kombination heute<br />

keine Angreifer fernhalten kann, musste vor einiger Zeit ein<br />

führender deutscher Hersteller von Hightech-Heizungen erfahren,<br />

der die Steuerungen eines namhaften Schweizer Anbieters einsetzt.<br />

Da viele betroffene Anlagen über die Angriffsziel-Suchmaschine Shodan<br />

zu finden waren, wurde in diesem Fall sogar das BSI (Bundesamt<br />

für Sicherheit in der Informationstechnik) eingeschaltet. Über den Vorfall<br />

wurde in den Medien ausgiebig berichtet. Vor kurzem waren in<br />

großem Stil Router, Security-Kameras und andere IoT-Geräte betroffen.<br />

Viele dieser Baugruppen waren und sind zum Teil immer noch lediglich<br />

mit einem werkseitig voreingestellten Benutzernamen/Passwort<br />

vor unerlaubten Zugriffen aus dem Internet geschützt.<br />

Eigentlich haben die Unternehmen in Deutschland das Potenzial,<br />

auch bei der Security für Maschinen und Anlagen ganz vorne mitzuspielen.<br />

Dazu muss lediglich dafür gesorgt werden, dass die erforderlichen<br />

Security-Baugruppen und Funktionen – ähnlich wie Kfz-Sicherheitsgurte<br />

in den 70er Jahren – nicht erst vom Betreiber nachträglich<br />

selbst beschafft und hinzugefügt werden müssen, sondern<br />

gleich zur Standardausstattung gehören.<br />

SSV Software <strong>Systems</strong> hat inzwischen eine hochentwickelte und<br />

praxiserprobte Security-Plattform mit zahlreichen Bausteinen für<br />

Maschinen- und Anlagenbauer zu bieten, mit der nicht nur der be-<br />

troffene Hightech-Heizungshersteller die aktuellen Fernzugriffsprobleme<br />

lösen konnte und die auch erfolgreich einem umfangreichen<br />

Sicherheitscheck durch einen Prüfdienstleister unterzogen wurde.<br />

Architekturbedingte Schwachstellen<br />

Eigentlich ist es schon mehr als verwunderlich, dass unzählige<br />

Steuerungen und MSR-Baugruppen heute zwar überwiegend mit<br />

IP-fähigen Schnittstellen und entsprechenden Softwarefunktionen<br />

(wie Webserver) ausgestattet sind, aber meistens ohne spezielle<br />

bzw. geeignete Schutzmaßnahmen gegen externe und interne Angriffe<br />

betrieben werden. Dabei zeigt schon ein Blick auf die typische<br />

Regelschleife einer MSR-Anwendung, dass es aus Sicht der IT-Security<br />

mit der HMI- und Fernzugriffs- bzw. Wartungsschnittstelle<br />

zwei architekturbedingte Schwachstellen für Angreifer gibt. Über<br />

diese Schnittstellen lassen sich MSR-Systeme mit überschaubarem<br />

Aufwand manipulieren und nachhaltig stören.<br />

Die meisten Steuerungen und Regelungen benötigen eine Bedienerschnittstelle,<br />

um zum Beispiel Sollwerte einzustellen und aktuelle<br />

Prozessdaten zu visualisieren. Solche HMI-Lösungen werden entweder<br />

als dedizierte Systeme oder aber als Baustein auf einer PC-<br />

Plattform realisiert, die häufig in andere Netzwerke, zum Beispiel<br />

ein Corporate-LAN, eingebunden ist. Durch eine solche Office-IT-<br />

Verbindung besteht aber oftmals ein risikobehafteter (indirekter)<br />

Link zum weltweiten Internet. Dieser Sachverhalt ist vielen MSR-<br />

Technikern und Anlagenverantwortlichen häufig noch nicht einmal<br />

58 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


KOMMUNIKATION/SECURITY<br />

ANWENDUNG<br />

Die klassische Controller-Schleife<br />

einer Automatisierungsanwendung<br />

enthält hochsensible Datenpunkte.<br />

Ein typisches Beispiel sind Aktoren<br />

und die Sollwerte einer Steuerung.<br />

Existiert in der Controller-Schleife<br />

eine ungeschützte Fernzugriffsschnittstelle,<br />

ist auch die Safety der<br />

gesamten Einrichtung nicht gewährleistet<br />

Bild: SSV Software <strong>Systems</strong><br />

Bild: SSV Software <strong>Systems</strong><br />

In der Praxis muss die Fernzugriffsschnittstelle für alle externen Zugriffe<br />

mindestens über ein VPN-Gateway mit X.509-Zertifikaten gesichert werden<br />

bekannt – sie meinen nach wie vor, ihre Anlage bzw. MSR-Lösung<br />

hat überhaupt keine Verbindung zum Internet.<br />

Um die Verfügbarkeit einer Lösung zu steigern und im Störungsfall<br />

möglichst schnell reagieren zu können, haben viele Hersteller ihre<br />

Produkte und Lösungen mit einer internetbasierten Fernwartungsschnittstelle<br />

ausgestattet. Welches Gefahrenpotenzial sich hinter einem<br />

solchen Zugang verbirgt, kann man dem BSI-Dokument ‚Industrial<br />

Control System Security – Top 10 Bedrohungen und Gegenmaßnahmen‘<br />

entnehmen. Die ‚Unberechtigte Nutzung von Fernwartungszugängen‘<br />

findet man dort auf dem ersten Platz der Top 10.<br />

Durch zukünftige Industrie-4.0-Anwendungen wird noch mindestens<br />

eine weitere unsichere Schnittstelle hinzukommen. Neben dem<br />

Fernwartungs-Interface wird dann auch eine spezielle Interoperabilitätsschnittstelle<br />

existieren, um die einzelnen Steuerungs- und IT-Anwendungen<br />

verschiedener Standorte miteinander zu verbinden. Ohne<br />

entsprechende Sicherheitsvorkehrungen können Angreifer dann<br />

nicht nur die IT- und Automatisierungssysteme eines einzelnen Unternehmens,<br />

sondern sogar einer vollständigen Lieferkette attackieren.<br />

Firewalls und VPNs nutzen<br />

HMI-Schnittstellen sind in der Regel völlig ungeschützte Zugänge,<br />

um einer Visualisierungsbaugruppe oder Software den Schreib-/Lesezugriff<br />

auf die Daten einer Steuerung zu ermöglichen. Ein typisches<br />

Beispiel wäre der Zugriff einer Scada-Software auf die Modbus-Schnittstelle<br />

einer SPS, um Parametervorgaben zu schreiben<br />

und Prozessdaten zu lesen. Zwischen der IP-Schnittstelle einer<br />

Steuerung und einem HMI-System sollte aus Sicherheitsgründen<br />

ein geeigneter Paketfilter als Firewall betrieben werden.<br />

Viele Wartungszugänge haben lediglich einen Passwortschutz. Zur<br />

wirkungsvollen Absicherung einer Fernzugriffs- und Wartungsschnittstelle<br />

empfiehlt sich der Einsatz eines Virtual Private Networks<br />

(VPN). Dafür wird zwischen Steuerung bzw. MSR-Baugruppe<br />

und Internet ein VPN-Gateway geschaltet, das den Endpunkt eines<br />

speziellen Sicherheitstunnels bildet.<br />

Am anderen Tunnelende befindet sich in der Regel ein Servicerechner<br />

für den Fernzugriff mit einer entsprechenden VPN-Software. Die<br />

Tunnelverbindung durch das Internet wird mit Hilfe einer aufwändigen<br />

Datenverschlüsselung und Signierung abgesichert. Um die Sicherheit<br />

zu optimieren, wird der Schlüssel (Session Key) für den Tunnel<br />

alle paar Stunden automatisch geändert. Vor dem Aufbau des<br />

VPN-Tunnels müssen sich die Kommunikationspartner beidseitig<br />

mit Hilfe sogenannter X.509-Zertifikate authentifizieren. Da der Verbindungsaufbau<br />

zwischen VPN-Gateway und Servicerechner nicht<br />

direkt, sondern über einen Fernwartungs-Infrastrukturserver (z. B.<br />

der Security Server SSR/525) erfolgt, lässt sich durch das Ausstellen<br />

und Sperren einzelner Zertifikate die Zugriffsberechtigung für alle<br />

Systeme verwalten.<br />

Gesamtlösung prüfen und testen<br />

Hinsichtlich der Security ist jede Lösung ein individuelles System<br />

mit unterschiedlichen Anforderungen und Gegebenheiten. Insofern<br />

kann es für eine bestimmte MSR-Anwendung auch keine Security-<br />

Lösung von der Stange geben, die einmal eingebaut und dann vergessen<br />

wird. Die Sicherheit einer Anwendung muss als Prozess behandelt<br />

werden. Insofern ist das Ergebnis auch immer wieder durch<br />

Audits zu überprüfen. Dazu gehören auch Penetrationstests nach<br />

den jeweils neuesten Gesichtspunkten, um einen optimalen Schutz<br />

für die HMI- und Fernzugriffsschnittstellen zu gewährleisten. ge<br />

www.ssv-embedded.de<br />

Predictive Maintenance –<br />

Die digitale Glaskugel<br />

www.t1p.de/3aql<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 59


ANWENDUNG<br />

INDUSTRIE 4.0<br />

Unter dem Namen Klippon Connect teilt<br />

Weidmüller sein Reihenklemmenan -<br />

gebot in Universal- und Applikationsprogramm<br />

auf<br />

Bild: Weidmüller<br />

Weidmüller setzt auf intelligente Verbindungstechnik<br />

Erfolgsfaktor Kundennähe<br />

Weidmüller kombiniert auf seinem Weg vom Komponentenhersteller zum Lösungsanbieter bewährte,<br />

als auch neue Lösungen zu einer auf Industrie-4.0-Anforderungen ausgerichteten Gesamtlösung. Dafür<br />

muss das Produktportfolio angepasst und ausgebaut sowie neue Lösungen und innovative Geschäftsmodelle<br />

integriert werden. Kundennähe ist ein entscheidender Erfolgsfaktor auf diesem Weg.<br />

José Carlos Álvarez Tobar, Vertriebsvorstand der Weidmüller-Gruppe<br />

Wer nah am Kunden ist, ist ein Gewinner. Kundennähe schafft<br />

loyale Kunden, die dem Unternehmen treu bleiben und immer wieder<br />

aufs Neue bei ihm kaufen. Loyale Kunden sind einem Unternehmen<br />

eher wohlgesonnen und haben ein hohes Potential, aktive<br />

Empfehlungsgeber zu werden. Auf diesen Überzeugungen basiert<br />

unsere Weidmüller Vertriebsstrategie. Weiterhin ist für mich als Vertriebsvorstand<br />

der nationale und internationale Kundenkontakt ausschlaggebend<br />

für unseren Erfolg. Deshalb habe ich die Nähe zu unseren<br />

Kunden schnell in den Fokus gerückt und geschärft. Den Kunden<br />

verstehen, Lösungen gemeinsam mit ihm entwickeln und dadurch<br />

einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen, das steht im<br />

Mittelpunkt unserer Vertriebsaktivitäten. Ein weiterer Erfolgsfaktor<br />

ist unsere internationale Präsenz. Gelebte Kundennähe erfordert einen<br />

ständigen interaktiven Austausch mit umfassender Kommunikation.<br />

Der hohe Kommunikationsgrad bedeutet, dass sich die Mitarbeiter<br />

intensiv mit den Wünschen des Kunden beschäftigen. Je<br />

mehr Ansprechpartner es im Vertrieb gibt, desto besser. Weidmüller<br />

stellt seinen Kunden beispielsweise bestens qualifizierte Industry<br />

José Carlos<br />

Álvarez Tobar,<br />

Vertriebsvorstand<br />

der Weidmüller-<br />

Gruppe<br />

Bild: Weidmüller<br />

60 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


Bild: Weidmüller<br />

Bild: Weidmüller<br />

Die Reihenklemmen der A-Serie sind mit integrierten Pushern ausgestattet<br />

Die Reihenklemmen der A-Reihe besitzen einen einheitlichen Prüf- und<br />

Testabgriff an jeder Klemmstelle<br />

Development Manager an die Seite, die in den jeweiligen Industrie-<br />

Branchen zuhause sind. Sie führen Diskussionen auf „Augenhöhe“,<br />

um so eine passgenaue Lösung gemeinsam mit den Kunden zu erarbeiten.<br />

Eine weitere, sehr wichtige Schnittstelle zum Kunden sind<br />

unsere Außendienstmitarbeiter, die eine persönliche Betreuung vor<br />

Ort gewährleisten. Den Pre-& After-Sales-Service bilden wir mit unserem<br />

gut geschulten Verkaufsinnendienst ab. Alle Ansprechpartner<br />

agieren individuell, aber auch als Team.<br />

„Industrie 4.0 verlangt eine<br />

höchstmögliche Anpassungs -<br />

fähigkeit – in technischer und in<br />

unternehmerischer Hinsicht“<br />

Weltweite Vertriebsregionen<br />

Wir haben unsere weltweiten Vertriebsregionen neu strukturiert.<br />

Unser Ziel ist es, dadurch unsere Vertriebsaktivitäten zu fokussieren,<br />

Synergien zu nutzen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.<br />

Im Rahmen der Strategie 2020 haben wir eine konsequente Orientierung<br />

an weltweite Märkte und Kunden vorgenommen – basierend<br />

auf regionalspezifische Anforderungen. Damit passen wir unsere<br />

Organisation konsequent an die veränderten Bedürfnisse unserer<br />

Kunden weltweit an und gehen einen weiteren Schritt zu<br />

mehr Kundennähe auf unserem Weg zum Lösungsanbieter.<br />

Vom Komponentenhersteller zum Lösungsanbieter<br />

Für den Komponentenbereich steht exemplarisch Klippon Connect:<br />

Unter Klippon Connect präsentiert Weidmüller innovative Verbindungstechnik<br />

zum effizienten Planen, Installieren und Betreiben.<br />

Die neuen Reihenklemmen und prozessunterstützenden Services<br />

sind konsequent daran ausgerichtet, in allen Phasen des Schaltschrankbaus<br />

einen Mehrwert zu erzielen – von der Planung über die<br />

Installation bis zum laufenden Betrieb. Im Rahmen von Industrie 4.0<br />

hat sich Weidmüller das Ziel gesetzt, für die Smart Factory von morgen<br />

Industrial-Connectivity-Lösungen auf der Grundlage neuester<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien anzubieten. Als Anwendungsfelder<br />

wurden Industrial Analytics, Cloud Services, Energiemanagement,<br />

Digitalisierung und Vernetzung sowie Datendurchgängigkeit<br />

im Lebenszyklus definiert.<br />

Cloud-Services für intelligente<br />

Informationsverarbeitung<br />

Der webbasierte Cloud-Services ermöglicht die intelligente Informationsverarbeitung<br />

von quasi jedem beliebigen Punkt der Welt aus.<br />

Aktuelle Prozessinformationen können ortsunabhängig über das Internet<br />

abgefragt und notwendige Software-Anpassungen schnell<br />

und kosteneffizient vorgenommen werden. Die Weidmüller Energiemanagement-Lösungen<br />

bieten eine Unterstützung beim Aufdecken<br />

von Ineffizienzen und Energiesparpotenzialen innerhalb der jeweiligen<br />

Anlage. Die Weidmüller Industrial-Analytics-Lösungen<br />

sammeln und verarbeiten eine Vielzahl von Daten rund um die betreffende<br />

Anlage und werten sie mittels intelligenter Verfahren aus.<br />

Auf dieser Basis werden Anomalien und Ineffizienzen unterschiedlichster<br />

Anwendungen zuverlässig aufgedeckt, Fehlerprognosen erstellt<br />

und Wartungsempfehlungen gegeben. Mit innovativen kommunikationsfähigen<br />

Signalwandlern, I/O-Systemen, Routern und<br />

Switches macht Weidmüller außerdem die Daten im Netzwerk verfügbar<br />

und gewährleistet dabei IT-Sicherheit. Weidmüller kombiniert<br />

auf seinem Weg vom Komponentenhersteller zum Lösungsanbieter<br />

bewährte, als auch neue Lösungen zu einer auf Industrie 4.0 Anforderungen<br />

ausgerichteten Gesamtlösung.<br />

jg<br />

www.weidmueller.com<br />

Details zu Klippon Connect:<br />

www.t1p.de/50zj<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 61


ANWENDUNG<br />

INDUSTRIE 4.0<br />

PERSPEKTIVEN<br />

PERSPEKTIVEN<br />

Bild: Konradin Mediengruppe<br />

Aachener Forscher arbeiten am ‚Internet of Production für agile Unternehmen‘<br />

„Ein Laboratorium ist nicht genug –<br />

deswegen wird die Welt zum Labor“<br />

Das ‚Internet of Production für agile Unternehmen‘ soll es uns erlauben, das Potenzial moderner Werkzeugmaschinen<br />

vollständig auszuschöpfen. Daten dafür könnten Anwender auf nichts weniger als der<br />

ganzen Welt liefern – und dafür Zugang zu Expertenwissen erhalten. Die spannende Frage wird sein:<br />

Wer ist letztlich im Besitz dieses Know-hows und kann dies nutzen?<br />

Michael Corban, Chefredakteur, <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong><br />

Wie kann ich Produkt A am schnellsten fertigen, wenn Maschine<br />

1234 ausfällt? Antworten auf Fragen wie diese wollen die<br />

Forscher des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen<br />

von 18. bis 19. Mai 2017 anlässlich des Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquiums<br />

(AWK) liefern. „Wir sammeln schon lange Daten,<br />

machen aber zu wenig damit“, meint Prof. Günther Schuh, Geschäftsführender<br />

Direktor des WZLs. Gründe dafür seien die zahlreichen<br />

Parameter und die sich daraus ergebende Komplexität der Bearbeitungsvorgänge<br />

in Werkzeugmaschinen, die eine Analyse und<br />

Auswertung aufwendiger machten als vergleichbare Big-Data-Ansätze<br />

im Konsumbereich. Spannend ist an dieser Stelle der Vergleich<br />

mit den uns allen vertrauten Navigationsgeräten: Hier wird<br />

ein hochauflösendes Umgebungsmodell zur Routenplanung kombiniert<br />

mit Informationen über die aktuelle Verkehrslage, erfasst über<br />

die jeweiligen ‚smarten‘ Navigationsgeräte. Im Ergebnis erhält jeder<br />

Verkehrsteilnehmer eine jederzeit verfügbare optimierte Routenplanung<br />

– das genau steckt hinter der recht präzisen Vorhersage der<br />

Ankunftszeit. „Noch können wir das in der Produktion nicht, obwohl<br />

die meisten Daten vorliegen – aber zusammen mit dem existenten<br />

Vorwissen lassen sich Zusammenhänge erkennen und damit die Effizienz<br />

und Produktivität der Werkzeugmaschinen verbessern“, so<br />

Schuh weiter. „Mit diesen Möglichkeiten wird die technische Welt<br />

zum Labor und in der Folge werden die Restriktionen bisheriger Laboratorien<br />

aufgehoben.“<br />

Den Aachener Wissenschaftlern rund um die vier Professoren Christian<br />

Brecher, Fritz Klocke, Robert Schmitt und Günther Schuh<br />

schwebt in Analogie zum ‚Internet der Dinge‘ (Internet of Things,<br />

IoT) ein ‚Internet of Production für agile Unternehmen‘ vor, in dem<br />

jede Werkzeugmaschine rund um den Globus Daten liefern könnte –<br />

und auf diese Weise dabei helfen würde, Expertenwissen aufzu -<br />

62 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


INDUSTRIE 4.0 ANWENDUNG<br />

PERSPEKTIVEN<br />

PERSPEKTIVEN<br />

Am Beispiel der Bliskfertigung<br />

lässt sich exemplarisch zeigen, wie<br />

sich mittels einer domänenübergreifenden<br />

Lernplattform Bearbeitungsprozesse<br />

optimieren lassen – unter<br />

Nutzung des ‚digitalen Schattens‘<br />

und von AR-Technologie<br />

Den Erfolg des Streetscooters vor<br />

Augen, wollen die Aachener WZL-<br />

Wissenschaftler erneut zeigen, wie<br />

sich Elektrofahrzeuge günstiger entwickeln<br />

lassen – im Blick haben sie<br />

dabei ein Kleinfahrzeug, das ‚nach<br />

Prämie‘ nur 12.000 € kosten soll und<br />

sich damit als Zweitauto empfiehlt<br />

Bild: Konradin Mediengruppe<br />

bauen – im Sinne einer „domänenübergreifenden Lernplattform“.<br />

Zwangsläufig stellt sich damit die Frage, wer letztlich Eigner dieses<br />

Know-hows ist und dies wirtschaftlich nutzen kann – eine Antwort<br />

darauf haben auch die Aachener noch nicht. Klar ist allerdings: Würde<br />

das Silicon Valley über Werkzeugmaschinen-Know-how verfügen,<br />

wäre diese Frage hinfällig – dann gäbe es bereits eine solche Plattform.<br />

Gefordert sind an dieser Stelle sicher die Maschinenbauer, die<br />

in einem ersten Schritt Daten über ihre eigenen Werkzeugmaschinen<br />

hinweg sammeln könnten; Sinn macht aber durchaus auch,<br />

weitergehend Daten über Maschinen verschiedener Anbieter hinweg<br />

zu sammeln. „Den Aufbau solch einer Plattform muss man systematisch<br />

herbeiführen“, betont Schuh. „Dafür wollen wir den<br />

Grundstein legen!“<br />

Daten liefern für Produktivitäts-Know-how<br />

So attraktiv das Motto – die Welt als Labor – klingt, so spannend ist<br />

zugleich natürlich auch die Frage, ob die Anwender ihre Daten wirklich<br />

zur Verfügung stellen wollen. In der Praxis könnte diese Frage<br />

eher eine untergeordnete Rolle spielen; insbesondere dann, wenn<br />

mit der Teilefertigung nicht zwangsläufig das eigentliche Betriebs-<br />

Know-how – sprich Alleinstellungsmerkmal – verbunden ist. Gut<br />

denkbar, dass die Anwender also durchaus bereit sind, Daten im<br />

Gegenzug für den Zugriff auf das Bearbeitungs-Know-how zu liefern,<br />

wenn sie anschließend wesentlich produktiver fertigen können.<br />

Erkennbar wird an dieser Stelle aber durchaus der gelegentlich<br />

als ‚disruptiv‘ beschriebene Charakter der Umwälzungen, die mit Industrie<br />

4.0 und dem IoT verbunden sein können.<br />

Gelingt den Aachenern also der Aufbau einer domänenübergreifenden<br />

Lernplattform, könnte diese dabei helfen, Bearbeitungsprozesse<br />

wesentlich besser zu verstehen und das Leistungspotenzial moderner<br />

Bearbeitungszentren auszuschöpfen. Wie das in der Praxis<br />

aussieht, zeigen die WZLer anlässlich des AWKs am Beispiel der<br />

Blisk-Fertigung per 5-Achs-Bearbeitung. Die an der Maschine erfassten<br />

Daten – die Aachener sprechen gerne von dem ‚digitalen<br />

Schatten‘ – werden dazu mit Modelldaten zusammengeführt und<br />

analysiert; und über dieses ‚Simulieren mit Realdaten‘ lassen sich<br />

Verbesserungspotenziale erkennen. Selbstredend sind Virtual Reality<br />

(VR) und Augmented Reality (AR) gängige Tools, um diese Potenziale<br />

sichtbar zu machen.<br />

Elektromobilität als Experimentierfeld<br />

Trotz des Begriffs ‚Werkzeugmaschine‘ im Namen beschäftigen sich<br />

die Ingenieure des WZLs – und des angeschlossenen Fraunhofer-Instituts<br />

für Produktionstechnologie (IPT), zusammen immerhin rund<br />

1300 Mitarbeiter – intensiv auch mit dem Thema Produktionstechnologie,<br />

man könnte auch sagen ‚Industrie 4.0‘. So verweist Günther<br />

Schuh nicht ohne Stolz darauf, dass die Streetscooter GmbH –<br />

2010 im Umfeld der RWTH Aachen gegründet und inzwischen durch<br />

die Deutsche Post DHL Group übernommen – Elektrofahrzeuge in<br />

respektablen Stückzahlen fertigt. Folgt man der Aufstellung des Manager<br />

Magazins aus dem Januar 2017, schob sich der Streetscooter<br />

2016 mit 1500 zugelassenen Exemplaren hinter BMW i3, Renault<br />

Zoe und Audi A3 e-tron auf Platz 4 – und damit vor Teslas Model S.<br />

Mit Rückenwind geht man deswegen an die Entwicklung eines<br />

Elektro-Kleinfahrzeugs in der e.GO Mobile AG, das sich so günstig<br />

fertigen lassen soll, dass man es sich als Zweitfahrzeug leisten<br />

kann. „Wir wollen den OEMs keine Konkurrenz machen“, betont<br />

Schuh, „sondern nur zeigen, wie sich das mit Industrie 4.0 umsetzen<br />

lässt!“<br />

Disruption, Digitalisierung sowie Kapital- und Kosteneffizienz lauten<br />

deshalb die Schlagworte, mit denen die WZLer ihre Ziele erreichen<br />

wollen. e.GO setzt dazu auf eine unkonventionelle Produkt- und damit<br />

verbunden Produktionsarchitektur auf – ein immer wieder anzutreffendes<br />

Merkmal der Industrie 4.0, bei dem Produkt- und Produktionsengineering<br />

Hand in Hand gehen (siehe dazu auch unsere Titelstory<br />

S. 26 ff zu den Ergebnissen des Verbundprojekts mecPro 2 in<br />

dieser Ausgabe). Dies erfordere von Anfang an eine enge Rückkopplung<br />

mit der Entwicklung und die Bewältigung der damit verbundenen<br />

Sprünge in Produktion, Beschaffung und Logistik, so Schuh weiter.<br />

Bereits 2018 soll die Serienfertigung anlaufen – unter anderem<br />

durch Rückgriff auf Standardausrüstungen, einen pragmatischen Automatisierungsgrad<br />

und auf minimales Komponentenhandling ausgelegte<br />

Prozesse.<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 63


ANWENDUNG<br />

INDUSTRIE 4.0<br />

PERSPEKTIVEN<br />

PERSPEKTIVEN<br />

Prof. Günther Schuh,<br />

Lehrstuhl für Produktionssystematik<br />

am WZL der<br />

RWTH Aachen<br />

Prof. Fritz Klocke,<br />

Lehrstuhl für Technologie<br />

der Fertigungsverfahren<br />

am WZL der RWTH<br />

Aachen<br />

Bild: WZL der RWTH Aachen<br />

„Wir lassen uns<br />

doch nicht vom<br />

Silicon Valley erzählen,<br />

dass wir<br />

jetzt mit Daten<br />

arbeiten können<br />

– nur weil wir die ersten drei<br />

Schritte längst gemacht haben,<br />

den vierten aber noch nicht!“<br />

Bild: WZL der RWTH Aachen<br />

„Wir müssen<br />

einen durchgängigen<br />

Datenaustausch<br />

ermöglichen.<br />

Relevante<br />

Probleme müssen<br />

dazu aus produktionstechnischer<br />

Sicht sauber formuliert und<br />

Fragen des Schutzes von geistigem<br />

Eigentum geklärt werden.“<br />

Am 18. und 19. Mai 2017 bietet sich Besuchern des AWKs die Chance,<br />

sowohl das ‚Internet of Production für agile Unternehmen‘ als<br />

auch den Aufbau der e.GO-Fertigung selbst in Augenschein zu nehmen.<br />

Dazu finden an den zwei Tagen insgesamt vier Vortragssessions<br />

zu diesen Themen statt:<br />

• Agile Produktentwicklung<br />

• Lernende Produktionssysteme<br />

• Internetbasierte Produktionstechnik<br />

• Wissenschaft in der Produktionspraxis<br />

Nachfolgend dazu jeweils eine kurze Zusammenfassung der jeweiligen<br />

Keynotes.<br />

Agile Produktentwicklung<br />

Der Druck auf Unternehmen, immer schneller, günstiger und radikaler<br />

zu innovieren, ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen.<br />

Nach wie vor tun sich insbesondere etablierte Unternehmen<br />

schwer, diesen Forderungen gerecht zu werden – beeinflusst durch<br />

menschliche Verhaltensmuster und historisch gewachsene Strukturen<br />

in der Produktentwicklung. So ist etwa der menschliche Verstand<br />

an evolutionäre Entwicklungen gewöhnt und denkt bei der<br />

Neuentwicklung von Produkten in bekannten Verhaltensmustern –<br />

was einer radikalen Innovation entgegenwirkt. Daher stehen am Anfang<br />

der agilen Produktentwicklung die Beispiele, welche auf Basis<br />

von Markt- und Technologiekenntnissen intern ohne Einbeziehung<br />

des Kunden definiert werden müssen und die zu adressierenden<br />

Kundenbedürfnisse beschreiben. Leicht zu fassen ist dies an dem<br />

Henry Ford zugeschriebenen Zitat aus den Anfängen der Automobilentwicklung:<br />

„Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen,<br />

hätten sie gesagt schnellere Pferde.“ Ein Lösungsraum für die<br />

agile Produktentwicklung spannt sich also erst auf, wenn ‚weitergedacht‘<br />

wird. Hinzu kommt die Herausforderung, dass die zunehmende<br />

Interdisziplinarität in der Entwicklung zu steigenden Verständnisproblemen<br />

zwischen den jeweiligen Fachdisziplinen führt –<br />

was eine fachspezifische Optimierung der Produktumfänge zur Folge<br />

hat. Diese semantischen Konflikte können nur durch interdisziplinäre<br />

Entwicklungsteams und eine fachübergreifende Datendurchgängigkeit<br />

adressiert werden. Agile Unternehmen benötigen darüber<br />

hinaus die Fähigkeit, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen<br />

und Änderungen schnell umzusetzen. Hierfür sind durchgängige<br />

und echtzeitfähige Datenstrukturen notwendig. Unternehmensweit<br />

einheitliche Informationsstände führen zur Reduktion von Informationsbeschaffungszeiten<br />

und ermöglichen in Kombination mit flexiblen<br />

Produktionstechnologien die hochfrequente Umsetzung von<br />

Änderungsaufträgen.<br />

Lernende Produktionssysteme<br />

Die Vernetzung und Digitalisierung von Produktionssystemen im<br />

Sinne der Industrie 4.0 ermöglicht eine zentrale Aggregation von<br />

Planungs- und Prozessinformationen. Auswertungen auf Basis dieser<br />

stetig wachsenden Datengrundlage erlauben in einem nächsten<br />

Schritt die Ableitung von Prozesswissen sowie das Lernen für zukünftige<br />

Bearbeitungsfälle. Für agile Unternehmen im globalen<br />

Wettbewerb stellt dies eine neue Möglichkeit dar, um Produktqualität,<br />

Produktivität und Verfügbarkeit weiter zu steigern. Zentrale Herausforderungen<br />

bestehen in der strukturierten Datenerfassung sowie<br />

einer kontextsensitiven Datenverarbeitung, mit dem Ziel einer<br />

Mehrwert-orientierten Auswertung. Die Anforderungen an Datenverfügbarkeit<br />

und -aufbereitung orientieren sich stark an den Fragestellungen,<br />

die durch Entscheider unterschiedlicher Planungsebenen<br />

vorgegeben werden. In der Praxis ergeben sich daher für verschiedene<br />

Planungsebenen unterschiedlich ausgeprägte Rückführungsschleifen.<br />

Bezogen auf die klassische CAD-CAM-NC-Verfahrenskette<br />

kann grundsätzlich zwischen drei solcher Schleifen unterschieden<br />

werden, die nicht entkoppelt voneinander ablaufen, sondern<br />

kaskadierend aufgebaut sind:<br />

• Die innerste Schleife befindet sich auf Werkstattebene. Im Fokus<br />

stehen die echtzeitnahe Überwachung von Prozess und Maschine<br />

während einer spezifischen Bearbeitung sowie die Rückmeldung<br />

von identifizierten Fertigungsproblemen in die Arbeitsvorbereitung.<br />

Dementsprechend werden hier die höchsten Anforderungen<br />

an Datendichte und Einbindung von technologischem Domänenwissen<br />

zur Datenauswertung gestellt.<br />

64 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


INDUSTRIE 4.0 ANWENDUNG<br />

PERSPEKTIVEN<br />

PERSPEKTIVEN<br />

Prof. Robert Schmitt,<br />

Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik<br />

und Qualitätsmanagement<br />

am WZL<br />

der RWTH Aachen<br />

Prof. Christian Brecher,<br />

Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen<br />

am WZL der<br />

RWTH Aachen<br />

Bild: WZL der RWTH Aachen<br />

„Die Datensammlung<br />

erfordert<br />

kein einheitliches<br />

Datenformat –<br />

die Strukturierung<br />

erfolgt erst<br />

im Nachhinein. Entscheidend ist,<br />

dass sich weitere Informationen<br />

ergänzen lassen.“<br />

Bild: WZL der RWTH Aachen<br />

„Derzeit werden<br />

die Möglichkeiten<br />

moderner Werkzeugmaschinen<br />

meistens nicht<br />

vollständig genutzt<br />

– wir können also die Produktivität<br />

steigern, wenn es uns<br />

gelingt, den Bearbeitungsprozess<br />

bestmöglich zu führen.“<br />

• Eine angepasste produktspezifische Auswahl von Fertigungsressourcen<br />

und Betriebsmitteln innerhalb der Arbeitsvorbereitung<br />

wird bei der mittleren Schleife betrachtet. Ergebnisse der Qualitätssicherung<br />

werden hier mit den verwendeten Betriebsmitteln<br />

auf Werkstückebene in Verbindung gebracht, strukturiert abgelegt<br />

und zukünftig für eine statistische Bewertung von Planungsalternativen<br />

vorgehalten.<br />

• Ähnlich verfahren wird in der äußeren Rückführungsschleife: Um<br />

einer steigenden Variantenvielfalt flexibel zu begegnen, erfolgt<br />

hier eine Bewertung von alternativen Prozessketten für strategische<br />

Neuausrichtungen auf Basis von Produktions- und Logistikkenngrößen.<br />

Vorgestellt werden im Rahmen der Ausstellung des AWKs zudem<br />

themenbezogene, industrienahe Demonstrator-Lösungen. Das hierzu<br />

benötigte Domänenwissen wird am Werkzeugmaschinenlabor an<br />

zahlreichen Prüfständen entwickelt und in Form von schnellrechnenden<br />

Modellen abgebildet. Auf diese Weise kann es effizient in Datenauswertungen<br />

eingebunden und angewendet werden.<br />

Internetbasierte Produktionstechnik<br />

Die Produktion wird sich in Zukunft selbstständig auf individuelle<br />

Bearbeitungsaufgaben einstellen und darüber hinaus Optimierungspotenziale<br />

im Hinblick auf Produktivität, Flexibilität und Qualität weiter<br />

ausschöpfen. Zentrale Voraussetzung ist die konsequente und<br />

umfassende Datenakquisition entlang der gesamten Wertschöpfungskette.<br />

Neue modellbasierte Analysemethoden ermöglichen<br />

es, Einzelprozesse und Prozessketten adaptiv zu steuern. Die vollständige<br />

Vernetzung der Maschinen, Werkzeuge und aller IT-Systeme<br />

garantiert dabei den Datenaustausch in Echtzeit. Erweiterte Produktdatenmodelle,<br />

sogenannte ‚digitale Zwillinge‘, werden relevante<br />

Daten der Fertigungshistorie kontextbasiert für Analysen bereitstellen<br />

und so die Prozessentwicklung und -optimierung in der Einzel-<br />

und Serienfertigung deutlich beschleunigen. Softwarebasierte<br />

Assistenzsysteme, sogenannte ‚Technology-Apps‘, werden Prozess -<br />

entwickler, aber auch Maschinenbediener befähigen, ihre Kompetenzen<br />

noch wirkungsvoller einzusetzen. Gerade die Herstellung<br />

hochwertiger Komponenten, etwa für die Luftfahrt, die Energietechnik<br />

oder den Werkzeug- und Formenbau, wird von einer vernetzten,<br />

adaptiven Produktion profitieren. Produzierende Unternehmen leben<br />

heute praktisch in zwei Welten: in einer realen, in der Bauteile,<br />

Werkzeuge und Maschinen existieren und – getrennt davon – in einer<br />

virtuellen Welt, in der Prozess- und Bauteildaten gespeichert<br />

sind. Für eine Zuordnung des Bauteils zu den dazugehörigen Daten<br />

muss ein Mitarbeiter genau wissen, wo welche Daten zu finden<br />

sind. Diese Kluft zwischen Realdaten und der digitalen Welt soll mit<br />

dem Wandel zur Industrie 4.0 verschwinden. Ein digitaler Zwilling<br />

wird durch Identifikationssysteme direkt aus der zentralen unternehmensinternen<br />

Datenbank gewonnen und trägt alle aufgezeichneten<br />

Daten der Fertigungshistorie einschließlich der Projekt- und<br />

Auftragsdaten mit sich.<br />

Keynote Wissenschaft in der Produktionspraxis<br />

„An der Schneide des Drehstahls entscheidet sich die Dividende<br />

des Unternehmens“, lautet ein Zitat von Georg Schlesinger aus dem<br />

Jahr 1904. Rund 100 Jahre später befinden wir uns im Zeitalter der<br />

Industrie 4.0 und Thesen wie ‚Data is the New Oil‘ belegen den<br />

Stellenwert der Digitalisierung. Doch sollten produzierende Unternehmen<br />

Daten nicht zum Selbstzweck oder zu reinen Dokumentationszwecken<br />

erheben. Vielmehr ergeben sich erhebliche Potenziale<br />

für die Produktionspraxis, wenn die Datenerhebung, -bevorratung<br />

und -analyse in wissenschaftlicher Herangehensweise erschlossen<br />

werden. Innovationen ergeben sich vor allem dann, wenn wissenschaftliche<br />

Methoden nicht aus den Ingenieurwissenschaften, sondern<br />

aus anderen Disziplinen angewandt werden.<br />

Infos zu Programm und<br />

Anmeldung zum AWK 2017:<br />

www.awk-aachen.de<br />

K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017 65


INSERENTENVERZEICHNIS<br />

VORSCHAU<br />

Deutsche Messe AG,<br />

Hannover ..................................... 33<br />

Fiessler-Elektronik GmbH & CO KG,<br />

Esslingen ..................................... 15<br />

Kullen-KOTI GmbH,<br />

Reutlingen ................................... 68<br />

ZUM SCHLUSS...<br />

Bild: Miele<br />

MICRO-EPSILON-<br />

Mess- Technik GmbH & Co. KG,<br />

Ortenburg ...................................... 3<br />

WSCAD electronic GmbH,<br />

Bergkirchen ................................. 19<br />

Die disziplinübergreifende Zusammenarbeit muss Hürden überwinden...<br />

Wir berichten über den Einsatz des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s<br />

(SE) bei der Miele & Cie. KG. SE ist ein wichtiges Forschungsgebiet<br />

im Technologie-Netzwerk it‘s OWL – Intelligente<br />

Technische Systeme OstWestfalenLippe, an dem<br />

Miele beteiligt ist. Entwurfstechniken unterschiedlicher Disziplinen<br />

werden zu einer übergreifenden Entwurfssystematik<br />

zusammengeführt, die in Modellierungs- und Simulationsmethoden<br />

verfügbar gemacht wird. Dadurch können Unternehmen<br />

die Effektivität und Effizienz ihrer Produktentwicklung<br />

steigern. Entwicklungszeiten werden verkürzt, Abstimmungsbedarfe<br />

und nachträgliche Änderungen entfallen<br />

und die Produktqualität steigt.<br />

Cartoon: Erik Liebermann<br />

ISSN 1612–7226<br />

Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />

Verlag:<br />

Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />

Ernst-Mey-Straße 8,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Geschäftsführer: Peter Dilger<br />

Verlagsleiter: Peter Dilger<br />

Redaktion:<br />

Chefredakteur:<br />

Dipl.-Ing. Michael Corban (co), Phone + 49 711 7594–417<br />

Stellvertretender Chefredakteur:<br />

Johannes Gillar (jg), Phone + 49 711 7594–431<br />

Redakteure:<br />

Dr.-Ing. Ralf Beck (bec), Phone +49 711 7594–424;<br />

Dipl.-Ing. Andreas Gees (ge), Phone +49 711 7594–293;<br />

Irene Knap B.A. (ik), Phone +49 711 7594–446;<br />

Jens-Peter Knauer (jpk), Phone +49 711 7594–407;<br />

Bettina Tomppert (bt), Phone +49 711 7594–286<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Gabriele Rüdenauer,<br />

Phone +49 711 7594–257<br />

E-Mail: kem.redaktion@konradin.de<br />

Layout:<br />

Matthias Rösiger, Phone +49 711 7594–273<br />

Redaktionelle Mitarbeit:<br />

Dipl.-Ing. Jürgen Goroncy<br />

Gesamtanzeigenleiter:<br />

Andreas Hugel, Phone +49 711 7594–472<br />

Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 52 vom 1.10.2016<br />

Auftragsmanagement:<br />

Annemarie Olender, Phone +49 711 7594–319<br />

Leserservice:<br />

Ute Krämer,<br />

Phone +49 711 7594–5850<br />

Fax +49 711 7594–15850<br />

E-Mail: ute.kraemer@konradin.de<br />

<strong>KEM</strong> erscheint monatlich und wird kostenlos nur an<br />

qualifizierte Empfänger geliefert.<br />

Bezugspreise: Inland 85,00 €inkl. Versandkosten und<br />

MwSt.; Ausland: 85,00 €inkl. Versandkosten.<br />

Einzelverkaufspreis: 8,60 € inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten.<br />

Bezugszeit: Das Abonnement kann erstmals vier<br />

Wochen zum Ende des ersten Bezugsjahres gekündigt<br />

werden. Nach Ablauf des ersten Jahres gilt eine Kündigungsfrist<br />

von jeweils vier Wochen zum Quartalsende.<br />

Auslandsvertretungen:<br />

Großbritannien: Jens Smith Partner ship, The Court, Long<br />

Sutton, GB-Hook, Hampshire RG29 1TA, Phone 01256<br />

862589, Fax 01256 862182, E-Mail: media@jens.demon.co.uk<br />

Schweiz: IFF media ag, Frank Stoll, Technoparkstr.3,<br />

CH-8406 Winterthur, Phone +41 52 633 08 88,<br />

Fax +41 52 633 08 99, E-Mail: f.stoll@iff-media.ch USA:<br />

TD.A. Fox Advertising Sales, Inc., Detlef Fox, 5 Penn<br />

Plaza, 19th Floor, New York, NY 10001, Phone +1 212<br />

8963881, Fax +1 212 6293988, detleffox@comcast.net<br />

Gekennzeichnete Artikel stellen die Meinung des Autors,<br />

nicht unbedingt die der Redaktion dar. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Alle in <strong>KEM</strong><br />

erscheinenden Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Alle Rechte, auch Übersetzungen, vorbehalten. Reproduktionen<br />

gleich welcher Art, nur mit schriftlicher Genehmigung<br />

des Verlages.<br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Stuttgart.<br />

Druck: Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen.<br />

Printed in Germany.<br />

© 2017 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />

Leinfelden-Echterdingen.<br />

<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong> <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 02/2017 erscheint am 10. Oktober 2017<br />

EDA<br />

66 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017


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68 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 01 2017

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