IEG-Forschungsprogramm 2012–2017
Umgang mit Differenz im Europa der Neuzeit: Ergebnisse und Impulse des IEG-Forschungsprogramms 2012–2017
Umgang mit Differenz im Europa der Neuzeit: Ergebnisse und Impulse des IEG-Forschungsprogramms 2012–2017
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und der innovativen Verknüpfung begriffsgeschichtlicher und praxisorientierter<br />
Zugänge zeigt der Band neue Wege in einem intensiv diskutierten Forschungsfeld<br />
von aktueller Relevanz auf.<br />
Der Band gelangt zu fünf zentralen Erkenntnissen, welche zugleich die Ergebnisse<br />
der Projekte des Forschungsbereichs widerspiegeln: Erstens lässt er eine<br />
epochenübergreifende gemeinhin unterstellte Zäsur um 1800 (»humanitarian<br />
revolution«) in einem anderen Licht erscheinen. Debatten um die Menschenwürde<br />
und daraus abgeleitete moralische Imperative und humanitäre Praktiken haben<br />
eine lange Vorgeschichte. Zweitens unterlag der Begriff »Humanität / humanity<br />
/ humanité / humanidad« innerhalb verschiedener Sprach- und Kulturräume<br />
einem bislang kaum berücksichtigten Deutungswandel. Erst im Kontakt mit außereuropäischen<br />
Kulturen bildete sich drittens ein Humanitätsverständnis heraus,<br />
das als »europäisch« wahrgenommen wurde. Viertens waren Vorstellungen von<br />
»Humanität« bzw. die mit dem Leitbegriff verbundenen historischen Erfahrungen in<br />
unterschiedlichem Maße religiös und säkular konnotiert. Die Einbeziehung anderer<br />
kultureller und religiöser Kontexte und die Verbindung begriffsgeschichtlicher<br />
Zugänge mit der Analyse von Praktiken lenkte fünftens den Blick auf Formen<br />
»humanitären« Engagements auch ohne expliziten Rekurs auf den Schlüsselbegriff<br />
»Humanität«.<br />
Ein weiterer Sammelband zeigt, dass sich grundlegende Dilemmata der humanitären<br />
Hilfe im 20. Jahrhundert bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen lassen.<br />
Eng verknüpft mit dem Imperialismus, religiösen und säkularen Organisationen und<br />
militärischen Auseinandersetzungen erwiesen sich die Grenzen zwischen Nothilfe,<br />
Entwicklungspolitik, Menschenrechten und humanitärer Intervention als fließend<br />
und waren Gegenstand »humanitärer Politik«, die im Schnittfeld von Kolonialismus,<br />
zwei Weltkriegen, dem Kalten Krieg und der Dekolonisation sowie der Globalisierung<br />
stand (Paulmann Hg. 2016). Ein dritter Sammelband zeigt auf, wie sich das<br />
Konzept der humanitären Intervention über zwei Jahrhunderte bis in die Gegenwart<br />
entwickelte, und erweitert so den bislang engen geographischen, thematischen<br />
und zeitlichen Fokus der Forschung zu diesem Aspekt (Klose Hg. 2016). Demnach<br />
war das lange 19. Jahrhundert, so die zentrale These einer Habilitationsschrift, das<br />
genuine »Jahrhundert der humanitären Intervention«, in dem die Idee des militä-<br />
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