Berliner Kurier 08.11.2018
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14 BERLIN BERLINER KURIER, Donnerstag, 8. November 2018 *<br />
Zwei Zimmer,Küche, Kündigung<br />
Mieterin kämpft nach Eigenbedarfsklage vor Gericht –mehr als 50 <strong>Berliner</strong> stehen ihr moralisch zur Seite<br />
Von<br />
KERSTIN HENSE<br />
Mitte – Dieser Rechtsstreit<br />
sorgte gestern vor dem Landgericht<br />
an der Littenstraße<br />
für Aufsehen: Rund 50 Menschen<br />
aus der Stadt waren gekommen,<br />
um einer Mieterin,<br />
die wegen Eigenbedarfs aus<br />
der Wohnung geklagt werden<br />
soll, zur Seite zu stehen.<br />
Das Interesse war so groß, dass<br />
die Richterin in einen größeren<br />
Sitzungssaal umziehen musste.<br />
Im Fokus: Eine junge Frau<br />
(30), die anonym bleiben möchte.<br />
Sie klagt im Berufungsverfahren<br />
gegen ihren Vermieter,<br />
weil er ihr wegen Eigenbedarfs<br />
kündigte. Zuvor hatte sie eine<br />
Mieterhöhung bekommen und<br />
daraufhin die Einhaltung des<br />
Die Demonstranten stehen mit Transparenten vordem<br />
Landgericht (li.) und stehen der Klägerin (re.) bei.<br />
Mietspiegels angemahnt. Bereits<br />
im Juni urteilte das Amtsgericht<br />
Neukölln im Sinne des<br />
Eigentümers.<br />
Doch die Pädagogikstudentin<br />
ließ nicht locker, sie glaubte ihrer<br />
Vermieterin Gabriele W.<br />
(60) nicht, dass sie mit ihrem<br />
Ehemann Klaus W. (61) in die<br />
„Bruchbude“ einziehen wolle,<br />
Foto: Bernd Friedel<br />
wie sie ihre Zweizimmerwohnung<br />
(40 Quadratmeter) im<br />
Schillerkiez nennt. Sie beziehe<br />
ihr Warmwasser über einen<br />
Boiler, der 40 Minuten zum Erhitzen<br />
benötige und habe die<br />
Dusche in der Küche. Hier wollen<br />
die Vermieter, eine Rechtsanwältin<br />
und ihr Ehegatte, ein<br />
Kaufmann aus der Immobilienbranche,<br />
selbst<br />
einziehen. Allerdings<br />
nur in<br />
den Wintermonaten<br />
von Oktober<br />
bis März.<br />
Das Paar besitzt<br />
ein Einfamilienhaus<br />
in<br />
Karolinenhof<br />
und das Wohnhaus<br />
in Neukölln<br />
mit 26 Eigentumswohnungen,<br />
an dem<br />
ein weiterer Gesellschafter beteiligt<br />
ist sowie eine Immobilie<br />
an der Schönhauser Allee und<br />
eine in Lichtenberg.<br />
Die Beklagte selbst erscheint<br />
nicht vor Gericht, obwohl persönliches<br />
Erscheinen angeordnet<br />
wurde.<br />
Klaus W. soll als Zeuge noch<br />
einmal deutlich machen, warum<br />
das Paar das Objekt als<br />
Zweitwohnsitz nutzen will. Als<br />
Grund gab er den eineinhalbstündigen<br />
Fahrtweg seiner<br />
Frau von Karolinenhof in die<br />
Kanzlei nach Mitte an. Das belaste<br />
die Familie. Seine Angaben<br />
sorgten für Kopfschütteln<br />
im Publikum. Hintergrund: Anwältin<br />
Gabriele W. hat seit 23<br />
Jahren den gleichen Fahrtweg<br />
und die Kinder sind längst aus<br />
dem Haus und haben schon eigene<br />
Kinder.<br />
Ob man sich nicht gütlich einigen<br />
könne, fragte die Richterin.<br />
Die Klägerin schlug vor, in eine<br />
weitere, leerstehende Dreizimmerwohnung<br />
im Haus umzuziehen.<br />
Das ginge nicht, da solle ihr<br />
„syrisches Mündel mit Geschwistern<br />
einziehen“, die in einem<br />
Flüchtlingsheim leben.<br />
Eine Einigung gab es nicht.<br />
Mehr dazu in zwei Wochen.<br />
Foto: M. Wächter<br />
Pilz bedroht Prachtallee<br />
Tiergarten-Linden in Todesgefahr<br />
Von<br />
MIKE WILMS<br />
Berlin –Die Bellevue Allee ist<br />
die historische Flaniermeile im<br />
Großen Tiergarten. Doch mit<br />
der Pracht-Promenade könnte<br />
es bald vorbei sein. Denn: Mehr<br />
als 200 der charakteristischen<br />
Linden bekommen zu wenig<br />
Licht, zu wenig Nährstoffe und<br />
sind von einem Pilz befallen.<br />
Seit die Bäume vor 30 Jahren<br />
nach den Ur-Plänen von Georg<br />
Wenzeslaus von Knobelsdorff<br />
(1699–1753) gepflanzt wurden,<br />
hat man sich nicht genug um sie<br />
gekümmert. Wildwuchernde<br />
Baum-Konkurrenz und allerhand<br />
Gestrüpp entziehen den<br />
Linden die Lebensgrundlage.<br />
Der Bezirk Mitte startet jetzt<br />
eine Rettungsaktion, um das<br />
Schlimmste abzuwenden. Die<br />
Randgehölze müssen weichen,<br />
darunter sind 45 Ahorne, Robinien,<br />
Traubenkirschen und andere<br />
Bäume. 203 Linden bekommen<br />
Kronenrückschnitte.<br />
„Ein Verzicht auf die Maßnahme<br />
würde die Funktions- und<br />
Lebensdauer der Alleebäume<br />
stark reduzieren, bis hin zum<br />
Verlust der gesamten Allee“,<br />
heißt es beim Bezirk. Es gehe<br />
auch darum, den Charakter des<br />
Gartendenkmals zu bewahren.<br />
Die Arbeiten sollten eigentlich<br />
schon am Dienstag beginnen,<br />
der Start wurde aber auf<br />
12. November verschoben. Eine<br />
vorübergehende Sperrung der<br />
Bellevue Allee sei „aus sicherheitsrechtlichen<br />
Vorgaben unabwendbar“.<br />
Die Flaniermeile<br />
führt von Schloss Bellevue quer<br />
durch den Tiergarten zum Kleinen<br />
Stern. Bis in die 40er-Jahre<br />
war sie für Autos freigegeben.