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Berliner Kurier 06.11.2018

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SEITE5<br />

BERLINER KURIER, Dienstag, 6. November 2018<br />

Karl-Marx-Allee<br />

Deutsche Wohnen:<br />

Mieter zittern<br />

Der Immobilien-Gigant erwirbt 700 Wohnungen. Doch es gibt ein Vorkaufsrecht des Bezirks<br />

Die berühmteste<br />

Wohnstraße der<br />

DDR wechselt den<br />

Besitzer. Von den<br />

rund 3000 im Zuckerbäckerstil<br />

errichteten Wohnungen<br />

an der Karl-Marx-Allee, einst<br />

Stalinallee, werden nach Recherchen<br />

des KURIER etwa<br />

700 an die Deutsche Wohnen<br />

verkauft.<br />

Zwar gibt es offiziell noch<br />

keine Bestätigung über den<br />

neuen Eigentümer,<br />

Unternehmen<br />

dementiert<br />

den Erwerb der<br />

Wohnungen<br />

nicht<br />

Von<br />

ULRICH PAUL<br />

doch die Sprecherin<br />

der Deutschen<br />

Wohnen, Manuela<br />

Damianakis, sagte<br />

gestern auf Anfrage:<br />

„Wir dementieren<br />

den Ankauf<br />

nicht.“<br />

Die Deutsche Wohnen ist<br />

mit etwa 110000 Wohnungen<br />

der größte private Vermieter<br />

in der Hauptstadtregion,<br />

steht wegen einer rigiden<br />

Mieterhöhungspolitik aber<br />

in der Kritik. Mieterinitiativen<br />

haben erst kürzlich angekündigt,<br />

einen Volksentscheid<br />

mit dem Ziel der Enteignung<br />

des Unternehmens<br />

anzustreben. Die Mieter der<br />

verkauften Häuser an der<br />

Karl-Marx-Allee reagieren<br />

besorgt auf den Verkauf an<br />

die Deutsche Wohnen.<br />

„Wenn ich mir was wünschen<br />

dürfte, würde ich mir<br />

jeden anderen Käufer wünschen<br />

als die DeutscheWohnen,<br />

weil sie keinen guten<br />

Leumund hat“, sagt Mieterbeirat<br />

Norbert Bogedein. Die<br />

Deutsche Wohnen sei bekannt<br />

dafür, dass sie sich bei<br />

Mieterhöhungen nicht am<br />

Mietspiegel orientiere und<br />

die Mieten nach oben treibe.<br />

Ganz ohne Hoffnung sind<br />

die Mieter aber nicht. Sie setzen<br />

darauf, dass der Bezirk<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

von seinem Vorkaufsrecht<br />

Gebrauch macht. Das ist<br />

theoretisch für einen der vier<br />

Blöcke mit etwa 80 Wohnungen<br />

im Milieuschutzgebiet<br />

Weberwiese möglich.<br />

Verkauft ein Hausbesitzer<br />

in einem Milieuschutzgebiet<br />

seine Immobilie, hat der Bezirk<br />

zwei Monate Zeit, um in<br />

den Kaufvertrag einzutreten,<br />

wenn zu befürchten ist, dass<br />

die Ziele des Milieuschutzes<br />

ausgehebelt werden. Ausgeübt<br />

wird das Vorkaufsrecht<br />

meist zugunsten einer landeseigenen<br />

Wohnungsbaugesellschaft.<br />

Nicht zum Zuge kommt das<br />

Vorkaufsrecht, wenn sich<br />

der Käufer verpflichtet, die<br />

Ziele des Milieuschutzes einzuhalten.<br />

Eine solche Verpflichtung<br />

wird Abwendungsvereinbarung<br />

genannt.<br />

Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg,<br />

Florian<br />

Schmidt (Grüne), sagt, er<br />

sei „höchst alarmiert“. Sollte<br />

die Deutsche Wohnen eine<br />

Abwendungsvereinbarung<br />

unterzeichnen wollen, strebe<br />

er unter anderem an, darin<br />

die Einhaltung der Mietpreisbremse<br />

als eine Bedingung<br />

festzuschreiben.<br />

Gestern Abend erläuterte<br />

der Bezirk den Mietern des<br />

betroffenen Wohnblocks das<br />

Verfahren des Vorkaufsrechts<br />

bei einer Informationsveranstaltung.<br />

Rund 50<br />

Anwohner kamen.<br />

Verkäufer der vier Wohn-<br />

Blöcke sind jeweils vier unterschiedliche<br />

Gesellschaften<br />

bürgerlichen Rechts, die<br />

von der Predac Immobilien<br />

Management AG betreut<br />

werden. Die Predac informierte<br />

die Mieter per Schreiben<br />

über den Verkauf, nannte<br />

aber nicht den Namen Deutsche<br />

Wohnen.<br />

Mieter, die ein Vorkaufsrecht<br />

an ihrer Wohnung haben,<br />

würden vom Notar informiert,<br />

heißt es in dem Schreiben.<br />

Soweit sich aus den<br />

Mietverträgen Kündigungsbeschränkungen<br />

ergäben,<br />

seien „diese von der Käuferin<br />

ebenso zu beachten“. Ferner<br />

habe die „Käuferin Verpflichtungen<br />

zum Mieterschutz“<br />

übernommen, die<br />

einst beim Ankauf eingegangen<br />

worden seien.<br />

Dazu gehört nach Recherchen<br />

des <strong>Berliner</strong><br />

KURIER,<br />

dass Mieter, die<br />

vereinfacht gesagt,<br />

vor dem<br />

Jahr 1994 in die<br />

Wohnungen<br />

eingezogen sind,<br />

Mieter,die<br />

schon vor<br />

1994 dortlebten,<br />

sind gut<br />

geschützt<br />

dauerhaft vor<br />

Eigenbedarfskündigungen<br />

geschützt sind. Mieter waren<br />

im vergangenen Jahr zunächst<br />

lediglich darauf verwiesen<br />

worden, dass sie für<br />

mindestens zehn Jahre vor<br />

Eigenbedarfskündigungen<br />

sicher seien. Nach Akteneinsicht<br />

des KURIER stellte sich<br />

aber heraus, dass bei der Privatisierung<br />

der Wohnungen<br />

Ende 1993 für die Mieter ein<br />

lebenslanger Schutz vereinbart<br />

worden war.<br />

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