Berliner Kurier 06.11.2018
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BERLINER KURIER, Dienstag, 6. November 2018<br />
Maaßen gefeuert –<br />
Seehofer hinterher?<br />
Geheimdienstchef geht: Er sieht „linksradikale Kräfte“ am Werk.Innenminister unter Druck<br />
Berlin – Ein Mann hat<br />
sich um Kopf und Kragen<br />
geredet. Zumal einer,<br />
bei dem die Verschwiegenheit<br />
eigentlich<br />
zum Geschäft gehört:<br />
Nach jüngsten<br />
Äußerungen wurde der<br />
scheidende Verfassungsschutzpräsident<br />
Hans-Georg Maaßen in<br />
den einstweiligen Ruhestand<br />
versetzt. Er<br />
hatte in einer Rede<br />
„linksradikale Kräfte“<br />
innerhalb der Großen<br />
Koalition für seinen<br />
Zwangsabschied verantwortlich<br />
gemacht.<br />
Auch sein Dienstherr,<br />
Innenminister Seehofer,<br />
gerät unter Druck.<br />
Foto: dpa<br />
Stand bislang als Dienstherr hinter Maaßen: Horst Seehofer (r.).<br />
Mit 55 in den einstweiligen<br />
Ruhestand! Hans-<br />
Georg Maaßen wird jetzt<br />
doch nicht Sonderberater<br />
im Bundesinnenministerium.<br />
Und wie schon bei seiner<br />
Absetzung als Verfassungsschutzpräsident<br />
sind unüberlegte<br />
Äußerungen der Grund<br />
dafür (KURIER berichtete): In<br />
einer Rede, die Maaßen am 18.<br />
Oktober in Warschau im Rahmen<br />
des „Berner Clubs“ vor<br />
den Chefs der europäischen<br />
Inlandsgeheimdienste gehalten<br />
hat und die anschließend<br />
im BfV-Intranet zu lesen war,<br />
sagte er dem zweiseitigen Manuskript<br />
nach Folgendes: Es<br />
gebe in der Bundesregierung –<br />
also beim Unions-Koalitionspartner<br />
SPD –„linksradikale<br />
Kräfte“, die von Beginn an gegen<br />
die Regierung gewesen<br />
seien. Zusammen mit Teilen<br />
der Opposition und der Medien<br />
hätten diese Kräfte versucht,<br />
ihn als Vehikel zum<br />
Bruch der Koalition zu benutzen.<br />
Maaßen glaube, er sei für<br />
diese Kräfte schon immer unliebsam<br />
gewesen, weil er die<br />
Flüchtlingspolitik der Bundesregierung<br />
stets kritisiert habe.<br />
Zudem verteidigte er seine<br />
umstrittenen Aussagen zu<br />
„Hetzjagden“ bei einer<br />
Demo in Chemnitz.<br />
Für die Koalition war damit<br />
das Maß voll. Maaßens<br />
bisheriger Stellvertreter<br />
Thomas Haldenwang<br />
soll vorläufig die<br />
Aufgaben des Präsidenten<br />
übernehmen. Der 55-Jährige<br />
bekommt im einstweiligen<br />
Ruhestand etwa<br />
52 Prozent seines bisherigen<br />
Gehaltes (ca. 140000<br />
Euro/Jahr), also etwa<br />
70000 Euro, wie „Bild“ erfuhr.<br />
Wegen eines Interviews<br />
war Maaßen schon einmal<br />
in die Kritik geraten, in<br />
dem er die Echtheit eines<br />
Videos zu den rechten<br />
Ausschreitungen in<br />
Chemnitz vom August angezweifelt<br />
und bestritten<br />
hatte, dass es dort Hetzjagden<br />
gab.<br />
Die große Koalition aus<br />
Union und SPD stritt daraufhin<br />
wochenlang über die Zukunft<br />
des BfV-Präsidenten.<br />
Dessen Dienstherr, Bundesinnenminister<br />
Horst Seehofer<br />
(CSU), hatte sich stets hinter<br />
den Spitzenbeamten gestellt.<br />
Doch gestern blieb ihm nichts<br />
anderes übrig, als Maaßens<br />
Rauswurf zu rechtfertigen.<br />
So wollen sie die GroKoretten<br />
SPD verzichtet auf Sonderparteitag. Merkel: Wechsel an der CDU-Spitze ohne Auswirkung<br />
Foto: dpa<br />
NACHRICHTEN<br />
Koalition steht<br />
München –CSU und Freie<br />
Wähler mit Hubert Aiwanger<br />
(r.) an der Spitze haben<br />
gut drei Wochen nach der<br />
bayerischen Landtagswahl<br />
ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag<br />
unterzeichnet.<br />
Dies sei „in der Tat ein historischer<br />
Tag“, sagte Ministerpräsident<br />
Markus Söder<br />
(CSU, l.).<br />
Renten deutlich rauf<br />
Berlin –Die gesetzlichen<br />
Renten in Deutschland<br />
werden zum 1. Juli 2019 voraussichtlich<br />
erneut um<br />
mehr als drei Prozent steigen:<br />
Im Westen um 3,18, im<br />
Osten um 3,91 Prozent. Das<br />
geht aus dem Entwurf des<br />
Rentenversicherungsberichts<br />
2018 hervor, so RND.<br />
Öl wird teurer<br />
London –Die US-Sanktionen<br />
gegen den Iran, die seit<br />
gestern in Kraft sind, werden<br />
den Ölpreis hochtreiben,<br />
sagen Experten voraus.<br />
Der Iran hat die Uno aufgefordert,<br />
gegen die Sanktionen<br />
vorzugehen. Sie seien<br />
illegal und rücksichtslos,<br />
heißt es in einem Brief.<br />
Würdige Bestattung<br />
Washington –Die Söhne<br />
des ermordeten Regimekritikers<br />
Jamal Khashoggi fordern<br />
die Herausgabe der<br />
Leiche ihres Vaters, um sie<br />
in Medina (Saudi-Arabien)<br />
bestatten zu können. Khashoggi<br />
war im saudischen<br />
Konsulat in Istanbul ermordet<br />
worden.<br />
Anwalt auf der Flucht<br />
Berlin –Der Ausstieg aus der<br />
GroKo ist abgesagt: zumindest<br />
vorerst. Mit großer Mehrheit<br />
hat der SPD-Vorstand auf seiner<br />
Klausur einen Sonderparteitag,<br />
auf dem über das Ende<br />
des Bündnisses mit der Union<br />
abgestimmt werden sollte, abgelehnt.<br />
Unter anderem Juso-<br />
Chef Kevin Kühnert und die<br />
schleswig-holsteinische SPD<br />
hatten einen solchen Sonderparteitag<br />
gefordert.<br />
Die SPD hatte bisher angekündigt,<br />
nach der Hälfte der<br />
Legislaturperiode – also im<br />
Herbst 2019 –über einen Verbleib<br />
in der großen Koalition zu<br />
entscheiden.<br />
Der Kieler SPD-Landeschef<br />
und Bundesvize Ralf Stegner<br />
warnte erneut vor Personaldebatten<br />
in der Partei. Stattdessen<br />
müsse es vor allem um die<br />
„langen Linien“ gehen, die SPD<br />
müsse für den sozialen Zusammenhalt<br />
und Weltoffenheit stehen,<br />
sagte Stegner. „Ich glaube,<br />
die SPD-Führung hat wirklich<br />
verstanden, in welcher schwierigen<br />
Situation wir sind. Wir<br />
sind auch ein Stück zusammengerückt<br />
dabei.“<br />
Mit Blick auf das Rennen in<br />
Fotos: ap, dpa<br />
Turbulente Wochen: SPD-Chefin<br />
Nahles, CDU-Chefin Merkel<br />
der CDU um den Parteivorsitz<br />
sagte SPD-Chefin Andrea Nahles:<br />
„Wir machen die Zukunft<br />
und das, was wir uns vorgenommen<br />
haben, nicht davon<br />
abhängig, was jetzt in der Union<br />
entschieden wird.“<br />
Die CDU hat sich, ebenfalls in<br />
einer Klausur, auf das weitere<br />
Verfahren im Rennen um die<br />
Merkel-Nachfolge verständigt:<br />
Die Kandidaten sollen sich bis<br />
Mitte November in acht Regionalkonferenzen<br />
der Parteibasis<br />
vorstellen. Bislang gibt es zwölf<br />
Bewerber, darunter Generalsekretärin<br />
Annegret Kramp-Karrenbauer,<br />
Gesundheitsminister<br />
Jens Spahn und Ex-Unionsfraktionschef<br />
Friedrich Merz.<br />
Merkel: Der Wechsel hat keine<br />
Auswirkungen auf die GroKo.<br />
Foto: Imago<br />
Den Haag –Der Anwalt der<br />
in Pakistan freigesprochenen<br />
Christin Asia Bibi ist in<br />
die Niederlande geflohen.<br />
Die 47-Jährige war wegen<br />
angeblicher Gotteslästerung<br />
zum Tode verurteilt,<br />
nach acht Jahren aber in<br />
der vergangenen Woche in<br />
Islamabad freigesprochen<br />
worden. Gegen den Freispruch<br />
gingen Tausende<br />
auf die Straße (Foto).