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ZAP-2018-20

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Fach 18, Seite 16<strong>20</strong><br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>18</strong><br />

Sozialrecht<br />

einer Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts geboten ist. In solchen Fällen tritt ein in<br />

der eigenen Sphäre der Beteiligten liegendes Verschulden hinter das staatliche Verschulden zurück.<br />

Ohne Verschulden „verhindert“, eine gesetzliche Frist einzuhalten, sind Beteiligte nach der BSG-<br />

Rechtsprechung auch dann, wenn ein Verschulden zwar vorgelegen hat, dieses aber für die Fristversäumnis<br />

nicht ursächlich gewesen ist oder ihnen nicht zugerechnet werden kann, weil die Frist im<br />

Fall pflichtgemäßen Verhaltens einer anderen Stelle gewahrt worden wäre. Das Gericht hat vorliegend<br />

die prozessuale Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass der gebotene Hinweis auf die Signatur zunächst<br />

unterblieben ist und verspätet erfolgte. Eine prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts besteht immer<br />

dann, wenn es darum geht, eine Partei oder ihren Bevollmächtigten nach Möglichkeit vor den fristbezogenen<br />

Folgen eines bereits begangenen Fehlers zu bewahren. Ein hier demnach erforderlicher<br />

Hinweis erfordert keine außerordentlichen Maßnahmen, da sich die Art der verwendeten Signatur<br />

regelmäßig ohne Schwierigkeiten dem Transfervermerk über die Übermittlung des elektronischen<br />

Dokuments an das EGVP entnehmen lässt. Das fehlerhaft signierte elektronische Dokument war auch<br />

bereits am 6.3.<strong><strong>20</strong>18</strong> und damit so rechtzeitig vor Ablauf der Beschwerdefrist am 23.3.<strong><strong>20</strong>18</strong> eingegangen,<br />

dass die Frist bei einem Hinweis des Gerichts innerhalb des üblichen Geschäftsvorgangs hätte<br />

eingehalten werden können.<br />

Hinweis:<br />

PLUM (NJW <strong><strong>20</strong>18</strong>, 2224) weist zu Recht darauf hin, dass der Beschluss nicht als genereller Freibrief für eine<br />

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verstehen ist. Ob Wiedereinsetzung zu gewähren ist, hängt<br />

vielmehr wesentlich davon ab, wann das erste, fehlerhafte Dokument bei Gericht eingegangen ist. Je<br />

näher dies an den Fristablauf „heranrückt“, umso geringer werden die Chancen der Wiedereinsetzung<br />

(zu anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei Führung eines elektronischen Fristenkalenders s. BSG, Urt. v.<br />

28.6.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 1 KR 59/17 B, Wiedereinsetzung abgelehnt; ausführlich zur Wiedereinsetzung ROHWETTER<br />

NJW <strong><strong>20</strong>18</strong>, <strong>20</strong>19).<br />

3. Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und Verlegungsantrag<br />

In der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden die Gerichte grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung,<br />

§ 124 Abs. 1 SGG. Mit Einverständnis der Beteiligten kann jedoch ohne mündliche Verhandlung durch<br />

Urteil entschieden werden, § 124 Abs. 2 SGG. Macht das Gericht von den ihm insoweit eingeräumten<br />

Ermessen keinen Gebrauch und bestimmt es Termin zur mündlichen Verhandlung, muss den Beteiligten<br />

unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben,<br />

grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Ein vorab<br />

gegebenes Einverständnis nach § 124 Abs. 2 SGG entbindet das Gericht nicht davon, in dieser Weise<br />

rechtliches Gehör ausreichend zu gewähren. Es wäre verfahrensfehlerhaft (Verstoß gegen Art. 103 GG,<br />

§ 124 Abs. 1 SGG), in diesem Fall eine beantragte Terminsverlegung, für die ein erheblicher Grund besteht<br />

(§ <strong>20</strong>1 S. 1 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO), abzulehnen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde wäre in diesem<br />

Fall nach § 160a Abs. 2 Nr. 3 SGG zulässig, nähere Darlegungen, inwiefern das Urteil auf einer Verletzung<br />

des rechtlichen Gehörs beruhen könne, sind entbehrlich (BSG, Beschl. v. 21.3.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 13 R 4 101/15 B,<br />

Rn 12). Bei einem kurzfristig gestellten Verlegungsantrag – etwa erst einen Tag vor der anberaumten<br />

mündlichen Verhandlung –, der mit einer Erkrankung begründet wird, muss allerdings dieser Verhinderungsgrund<br />

so dargelegt und untermauert werden, dass das Gericht ohne weitere Nachprüfung<br />

selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht. Diese erfordert grundsätzlich<br />

die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, aus der das Gericht Schwere und voraussichtliche<br />

Dauer der Erkrankung entnehmen und die Frage der Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit der<br />

Betroffenen selbst beurteilen kann. Es bestehen demnach bei kurzfristig gestellten Anträgen auf<br />

Terminsverlegung hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Umstände, die der Verhinderung<br />

zugrunde liegen (BSG, Beschl. v. 16.4.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 9 V 66/17 B, Rn 5; v. 21.3.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 13 R 4 101/15 B, Rn 189).<br />

1078 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 24.10.<strong><strong>20</strong>18</strong>

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