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ZAP-2018-20

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Sozialrecht Fach 18, Seite 1615<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>18</strong><br />

Berufungsgericht der Klage auf Blindengeld bei einer an einer schweren Alzheimer-Demenz leidenden<br />

Klägerin stattgegeben, obwohl keinerlei Anhaltspunkte dafür bestanden, dass für die fehlende<br />

Wahrnehmung von optischen Reizen eine spezielle Schädigung der Sehstrukturen ursächlich war. Es<br />

hat sich hierbei auf das BSG-Urteil aus <strong>20</strong>15 (a.a.O.) gestützt.<br />

Die Revision des beklagten Landes war im Sinne der Zurückverweisung begründet. Zwar hält das Gericht an<br />

seiner Rechtsprechung fest, wonach auch bei cerebralen Störungen Blindheit anzunehmen ist, wenn die<br />

Betroffenen nicht sehen. Es kommt dabei nicht (mehr) darauf an, ob die konkrete Ursache der Blindheit im<br />

Einzelfall nachvollzogen werden kann oder eine spezifische Sehstörung nachweisbar ist. Bei Blindheit wird<br />

Blindengeld zum Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen als Pauschalleistung erbracht. Kann ein<br />

blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes aber gar nicht erst entstehen,<br />

wird der Zweck des Blindengelds verfehlt. In diesen besonderen Fällen darf der zuständigen Behörde der<br />

anspruchsvernichtende Einwand der Zweckverfehlung nicht verwehrt werden, wenn bestimmte Krankheitsbilder<br />

blindheitsbedingte Aufwendungen von vornherein ausschließen, weil der Mangel an Sehvermögen<br />

krankheitsbedingt durch keinerlei Maßnahmen (auch nicht anteilig) ausgleichbar ist. Solches kann<br />

etwa bei generalisierten cerebralen Leiden zutreffen, die z.B. mit dauernder Bewusstlosigkeit oder Koma<br />

einhergehen. Ob ein solches Krankheitsbild im konkreten Einzelfall tatsächlich vorliegt, ist von der Behörde<br />

darzulegen, die insofern die Darlegungs- und Beweislast trägt. Die entsprechenden Feststellungen, die<br />

bisher nicht getroffen wurden, sind im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen.<br />

V. Status- und Beitragsrecht<br />

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der gesetzlichen Kranken-, Pflegeund<br />

Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (und<br />

Beitragspflicht), § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § <strong>20</strong> Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 S. 1<br />

SGB III. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV.<br />

Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.<br />

Nach ständiger BSG-Rechtsprechung setzt eine Beschäftigung voraus, dass Arbeitnehmer vom Arbeitgeber<br />

persönlich abhängig sind. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall,<br />

wenn Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sind und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der<br />

Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen. Diese Weisungsgebundenheit<br />

kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden<br />

Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein.<br />

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das<br />

Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft<br />

und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand<br />

beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild prägen.<br />

Das kann bei manchen Tätigkeiten dazu führen, dass sie in Abhängigkeit von den jeweiligen Umständen<br />

sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden<br />

können. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung<br />

bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in<br />

Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in<br />

die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik<br />

entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (s. zum Ganzen etwa BSG, Urt.<br />

v. 31.3.<strong>20</strong>17 – B 12 R 7/15 R, Rn 21 m.w.N. und nunmehr BSG, Urt. v. 14.3.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 12 R 3/17 R, Rn 12).<br />

Eine Statusklärung kann im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV erfolgen oder durch ein<br />

Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV. Letzteres hat u.a. den Vorteil, dass der Beginn der Versicherungspflicht<br />

auf Grundlage des § 7a Abs. 6 SGB IV mit der Bekanntgabe der ersten Entscheidung der<br />

Rentenversicherung hinausgeschoben werden kann.<br />

In der Entscheidung vom 31.3.<strong>20</strong>17 – bei der es um die Tätigkeit eines Erziehungsbeistands nach § 30<br />

SGB VIII ging – hat das BSG u.a. ausgeführt, die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars spreche<br />

nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung. Jedenfalls bei reinen Dienstleistungen sei ein<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 24.10.<strong><strong>20</strong>18</strong> 1073

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