ZAP-2018-20
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Sozialrecht Fach 18, Seite 1613<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>18</strong><br />
Hinweis:<br />
Unterbrechungen sind für den Versicherungsschutz unschädlich, wenn sie geringfügig sind, was der Fall ist,<br />
wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel<br />
führen, weil sie ohne nennenswerte Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden<br />
können. Das Gericht sieht das Zurücklegen des Weges vom Grundstück des Klägers auf die Fahrbahn, die<br />
Prüfung der Fahrbahnverhältnisse und den Weg zurück nicht als solche geringfügige Handlungen an.<br />
Die Prüfung der Fahrbahn auf Glätte ist zudem keine Vorbereitungshandlung, die in § 8 Abs. 2 SGB VII<br />
unter Versicherungsschutz gestellt ist. Eine Ausweitung des Versicherungsschutzes auf weitere<br />
Vorbereitungshandlungen kommt nach der Rechtsprechung des BSG nur dann in Betracht, wenn diese<br />
mit der eigentlich versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so<br />
eng verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden. Hierfür ist ein<br />
besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang erforderlich, der die Vorbereitungshandlungen<br />
nach den gesamten Umständen bereits selbst als Bestandteil der versicherten Tätigkeit<br />
erscheinen lässt. Andere vorbereitende Maßnahmen gehören ausnahmsweise dann zur versicherten<br />
Tätigkeit, wenn solche Verrichtungen unvorhergesehen während des Zurücklegens des Weges von oder<br />
zur Arbeitsstätte erforderlich werden. So hat das Gericht Versicherungsschutz etwa angenommen bei<br />
Maßnahmen zur Behebung einer während eines versicherten Weges auftretenden Störung am<br />
benutzten Fahrzeug, beim Auftanken eines Fahrzeugs bei unvorhergesehenem Benzinmangel oder<br />
beim Beschaffen von Medikamenten, wenn dies dazu diente, trotz einer während der Dienstzeit oder auf<br />
einer Geschäftsreise plötzlich aufgetretenen Gesundheitsstörung die betriebliche Tätigkeit fortsetzen zu<br />
können. Im vorliegenden Fall verneint das BSG solche Umstände, die zu einer weiteren Ausweitung des<br />
Versicherungsschutzes führen können. Die Prüfung des Fahrbahnbelags auf Glätte wird schon deshalb<br />
nicht als unerwartet notwendig gewordene Verrichtung angesehen, weil eine mögliche Straßenglätte<br />
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht unvorhersehbar war, u.a. wegen der entsprechenden<br />
Warnung des Wetterdienstes. Ferner erfolgt der Hinweis, objektiv sei die Prüfung der Straße auf<br />
Glätte in der vorgenommenen Weise nicht erforderlich gewesen, es hätte ausgereicht, vorsichtig mit dem<br />
Fahrzeug auf die Fahrbahn einzubiegen, ggf. Bremsproben durchzuführen.<br />
Das BSG hebt ferner darauf ab, der Kläger sei mit der Fahrbahnprüfung keiner rechtlichen Verpflichtung,<br />
insbesondere keiner straßenverkehrsrechtlichen Pflicht nachgekommen. Zwar darf ein Fahrzeug nur so<br />
schnell gefahren werden, dass es ständig beherrscht werden kann; seine Geschwindigkeit ist insbesondere<br />
den Wetterverhältnissen anzupassen. Daraus ergibt sich zwar eine Verpflichtung, bei möglicher<br />
Fahrbahnglätte so langsam zu fahren, dass das Fahrzeug jederzeit gefahrlos angehalten werden kann.<br />
Grundsätzlich ist der Fahrer eines Pkws aber nicht gehalten, bei Glätte sein Fahrzeug stehen zu lassen.<br />
Schließlich führt das Gericht aus, die – nicht versicherte – Unterbrechung des Weges sei zum Zeitpunkt<br />
des Unfalls noch nicht beendet gewesen. Der Versicherungsschutz habe deshalb auch nicht neu<br />
entstehen können. Mit dem bloßen Rückweg von der Fahrbahn in Richtung des Pkw hatte der Kläger<br />
den direkten Weg zu seiner Arbeitsstätte zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht wieder erreicht und<br />
den ursprünglichen Weg – Beginn der Fahrt mit dem Pkw – noch nicht wieder aufgenommen. Allein<br />
eine auf das Zurücklegen des versicherten Weges ggf. gerichtete Handlungstendenz vermag den<br />
Versicherungsschutz jedenfalls im Regelfall nicht zu begründen, wenn sich der Verletzte – wie hier der<br />
Kläger – noch nicht wieder auf dem ursprünglichen, versicherten direkten Weg befindet.<br />
Hinweis:<br />
Die Entscheidung wird z.T. kritisch kommentiert (vgl. SCHLAEGER jurisPR-SozR 11/<strong><strong>20</strong>18</strong> Anm. 6; SCHNEIDER WzS<br />
<strong><strong>20</strong>18</strong>, 191; zum Berufungsurteil ULMER jurisPR-SozR 11/<strong>20</strong>16 Anm. 5). So wird etwa zu Recht eingewandt, die<br />
Prüfung auf Glätte sei nicht deshalb keine unerwartet notwendig gewordene Verrichtung, weil es am Tag<br />
zuvor eine entsprechende Warnung des Deutschen Wetterdienstes gegeben habe. Solche Hinweise sind<br />
mehr oder weniger allgemein gehalten und schließen örtliche Besonderheiten bzw. Abweichungen nicht<br />
aus. Auch wenn die vom Kläger vorgenommene Prüfung nicht rechtlich verpflichtend ist, erscheint sein Ver-<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 24.10.<strong><strong>20</strong>18</strong> 1071