ZAP-2018-20
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Fach 18, Seite 1612<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>18</strong><br />
Sozialrecht<br />
die Aufgabe, in Kleingruppen Werbeclips herzustellen. Die Schüler erhielten von der Lehrerin die<br />
Möglichkeit, den Werbeclip auch außerhalb des Schulunterrichts im privaten Bereich zu drehen.<br />
Vorgegeben war der Abgabetermin, nicht aber Drehzeit und Drehort. Von dieser Möglichkeit machte<br />
ein Teil der Schüler Gebrauch. Am Unfalltag traf sich der Kläger mit drei Mitschülern zu Hause bei einem<br />
Mitschüler, um den Werbeclip zu drehen, in dem er mehrere Szenen spielen sollte. Bei den Dreharbeiten<br />
kam es zu einer Rangelei zwischen dem Kläger und einem Mitschüler. Hierbei stolperte der Kläger, fiel<br />
auf den Rücken und wurde schwer verletzt. Er ist mittlerweile rollstuhlpflichtig und wird in einer<br />
Internatsschule für körperbehinderte Menschen beschult.<br />
Das BSG hat (Urt. v. 23.1.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 2 U 8/16 R; WESTERMANN jurisPR-SozR 14/<strong><strong>20</strong>18</strong>, Anm. 5; PFRIENDER JM<br />
<strong><strong>20</strong>18</strong>, 1327) das Berufungsurteil, das Versicherungsschutz bejahte, bestätigt und die Revision der<br />
Beklagten zurückgewiesen. Es handele sich, so das BSG, nicht um eine unversicherte „Hausaufgabe“,<br />
wenn Lehrpersonen aus organisatorischen oder pädagogischen Gründen eine Gruppe von Schülern für<br />
ein gemeinsames Tun zusammenstellen, das sich außerhalb der Schule selbstorganisiert fortsetzt.<br />
Dies gilt auch, wenn diese Gruppenarbeit, wie hier, gemeinsam im häuslichen Bereich eines Mitschülers<br />
verrichtet wird. Realisiert sich bei der schulisch initiierten (Projekt-)Arbeit in einer durch die Schule<br />
gebildeten Gruppe eine gruppentypische Gefahr, so besteht für alle Gruppenmitglieder Unfallversicherungsschutz<br />
mit gleichzeitiger Haftungsbeschränkung nach § 106 Abs. 1 SGB VII. Der erforderliche<br />
zeitlich-räumliche Schulbezug besteht hier darin, dass die Schule aus der Menge aller Schüler<br />
(einer Klasse) eine Gruppe bildet und ihr bestimmte Aufgaben zuweist, die die Schüler als Teil dieser<br />
Gruppe gemeinsam lösen sollen. Während dieser Tätigkeit findet für jedes Mitglied „Schule“ (und damit<br />
ein „Schulbesuch“) ausnahmsweise an dem Ort und zu dem Zeitpunkt statt, an dem sich die Gruppe<br />
innerhalb oder außerhalb des Schulgebäudes zur Durchführung der Projektarbeit trifft.<br />
2. Prüfung der Fahrbahn auf Glätte vor Fahrtantritt<br />
Vom Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch<br />
Arbeitsunfälle beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren<br />
Weges nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit umfasst. Dabei ist nicht der Weg als<br />
solcher versichert, sondern dessen Zurücklegen, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer<br />
Strecke, die durch einen Ausgangs- und einen Zielpunkt begrenzt ist. Grundsätzlich nicht versichert sind<br />
Unterbrechungen des unmittelbaren Wegs zur Erledigung von in eigenwirtschaftlichem Interesse<br />
stehenden Verrichtungen (s. hierzu bereits SARTORIUS <strong>ZAP</strong> F. 18, S. 1591, 1602 ff. m.w.N.).<br />
Der Kläger verließ in dem vom BSG zu entscheidenden Fall am Unfalltag, dem 11.3.<strong>20</strong>13, sein Wohnhaus<br />
und ging zu seinem auf dem Grundstück abgestellten Pkw, um mit dem Fahrzeug zu seiner Arbeitsstätte<br />
zu fahren (BSG, Urt. v. 23.1.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 2 U 23/16 R, NJW <strong><strong>20</strong>18</strong>, 2149; hierzu SCHLAEGER jurisPR-SozR<br />
11/<strong><strong>20</strong>18</strong> Anm. 6 und krit. SCHNEIDER WzS <strong><strong>20</strong>18</strong>, 191). Er legte seine Arbeitstasche in den Wagen, verließ<br />
anschließend das Grundstück zu Fuß und ging wenige Meter auf der öffentlichen Straße, um zu<br />
überprüfen, ob diese glatt sei. Der Deutsche Wetterdienst hatte am Vortag für den Bereich des<br />
Wohnorts des Klägers die Warnung herausgegeben, dass in der kommenden Nacht mit Glätte durch<br />
überfrierende Nässe zu rechnen sei. Während des Rückwegs zu seinem Pkw knickte der Kläger am<br />
Bordstein um, fiel auf seinen rechten Arm und erlitt dadurch Unterarmfrakturen. Das BSG bestätigte das<br />
Urteil des LSG (s. hierzu ULMER jurisPR-SozR 11/<strong>20</strong>16 Anm. 5), das auf die Berufung der Beklagten das der<br />
Klage stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen hatte.<br />
Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten zählt<br />
das Zurücklegen des mit der Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem<br />
Ort der Tätigkeit – mithin als Vorbereitungshandlung der eigentlichen Tätigkeit. Der Kläger hatte den<br />
an sich versicherten Weg zur Arbeitsstätte unterbrochen, als er zur Straße ging, um die Fahrbahn auf<br />
Glätte zu überprüfen. Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und dem dort verwendeten<br />
Begriff „unmittelbar“ ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges unter dem<br />
Schutz der Unfallversicherung. Wird dieser aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen, entfällt<br />
der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz.<br />
1070 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 24.10.<strong><strong>20</strong>18</strong>