Zwischen den Welten
Ethnotourismus in Westneuguinea
Ethnotourismus in Westneuguinea
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die Illusion, das schöpferische Bedürfnis<br />
des Touristen zu befriedigen (28) und<br />
seinen Drang nach materieller Fixierung<br />
seiner Reiseerinnerungen (27). Dabei<br />
kommt es zu einer Verleugnung<br />
negativer Wirklichkeiten und zur<br />
selektiven Wahrnehmung einer heilen<br />
Welt (vgl 14). Für <strong>den</strong> Fotografen geht es<br />
darum, möglichst Fotos zu produzieren,<br />
die noch nicht existieren (26). Es geht<br />
um Selbstverwirklichung und um<br />
Zerstreuung auf der Jagd nach<br />
Traumwelten (20). Die Idealisierung der<br />
Welt in der touristischen Fotografie ist<br />
Ausdruck einer Fluchtbewegung aus dem<br />
Alltag (14) bei gleichzeitigem Realitätsverlust<br />
(30). Jedes Foto ist daher weniger<br />
Abbild als vielmehr Ausschnitt der<br />
Wirklichkeit, beschnitten durch Auge<br />
und Hirn der Person hinter der Kamera<br />
(vgl 34).<br />
Auf Reisen wird fotografiert, was es im<br />
eigenen Alltag nicht gibt, was<br />
ungewöhnlich und als sehenswert<br />
ausgezeichnet ist, was idyllisch und<br />
herausgeputzt, arm und rückständig ist.<br />
Vor allem, was in der eigenen Lebenswelt<br />
der Vergangenheit angehört, im<br />
touristischen Sinne also ursprünglich<br />
erscheint (vgl 14). Fotografien als<br />
Zeugnisse von demonstrativem Erfahrungskonsum.<br />
Einer Anhäufung von<br />
Erlebnissen, für die man von <strong>den</strong><br />
anderen Beachtung, Anerkennung und<br />
Bewunderung erwarten kann (vgl 41).<br />
Betont wird immer die Distanz zum<br />
Eigenen, hervorgehoben wird das<br />
Trennende, nicht das Verbin<strong>den</strong>de.<br />
Denn wer sucht, was er in seinem<br />
Alltagsumfeld findet, kann sich die Reise<br />
sparen (vgl 14).<br />
AUSBRUCH AUS DER<br />
TOURISMUSMASCHINERIE<br />
Die Fantasien der Besucher bauen auf<br />
jenen Bildern auf, die von <strong>den</strong><br />
Hochglanzprodukten der Tourismusindustrie<br />
in Umlauf gebracht wor<strong>den</strong><br />
sind. Aus diesem Schema brechen nur<br />
gut vorbereitete und reiseerfahrene<br />
Touristen aus, die ökologisch und<br />
kulturell sensibilisiert ihre Umwelt<br />
kritisch betrachten und erhebliche<br />
Abweichungen vom Versprochenen<br />
feststellen (vgl. 20).<br />
Der zwanglos anmutende Arbeitsalltag,<br />
die Anspruchslosigkeit, die unbesorgte<br />
Daseinsfreude, die soziale Gleichheit<br />
ohne Besitzstreben oder der von der<br />
Natur bestimmte Lebensrhythmus<br />
stellen sich polemisch der neuzeitlichen<br />
Kultur entgegen (vgl 42). Insbesondere<br />
der entspannte Umgang mit der Zeit und<br />
die deutlich geringere Geschwindigkeit<br />
des Alltagslebens fasziniert die, in engen<br />
Zeitkorsetten stecken<strong>den</strong> Europäer (vgl<br />
43).<br />
In dem Bild von der heilen Welt fehlt<br />
konsequent jeglicher Realitätsbezug.<br />
Touristen sind blind für das Politisch-<br />
Hässliche und klammern die<br />
Abartigkeiten und Härten des Lebens<br />
aus ihrer Wahrnehmung großzügig aus<br />
(vgl 5). Kaum ein Ethnotourist würde<br />
bei ernsthafter Betrachtung das<br />
Alltagsleben der Bereisten leben wollen.<br />
Selbst wenn die Dörfer idyllisch<br />
aussehen, herrschen Armut,<br />
Krankheiten, Analphabetismus, hohe<br />
Kindersterblichkeit, niedrige Lebenserwartung.<br />
Zustände, die moderne<br />
Industriegesellschaften überwun<strong>den</strong><br />
haben. Diese Zustände sind auch der<br />
Grund dafür, dass die bildungsnahe<br />
Jugend zunehmend weg will (vgl 5).<br />
Die junge Generation will sich selbst<br />
modernisieren und ist immer weniger<br />
interessiert an der traditionellen<br />
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