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Zwischen den Welten

Ethnotourismus in Westneuguinea

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mit dem als ‚sehenswert‘ Angepriesenen,<br />

auch wenn es sich um kulturelle<br />

Belanglosigkeiten handeln mag. Der Reiz<br />

liegt in der Verdichtung der Vielfalt und<br />

der Choreographie von Höhepunkten,<br />

die einen staunen lassen. Wenngleich von<br />

Außenstehen<strong>den</strong> nicht notwendigerweise<br />

begriffen wird, was vor sich geht. Der<br />

Tourismus lebt von der Verzauberung,<br />

Verführung und Illusion (vgl 20).<br />

Alle Beteiligten wissen aber, dass das<br />

Echte und Unverfälschte eine<br />

Mystifikation ist, weil die Einheimischen<br />

wie auf einer Bühne agieren, wenn sie<br />

sich beobachtet fühlen (vgl 20).<br />

Analog <strong>den</strong> theaterangelehnten Begriffen<br />

„Vorder- und Hinterbühne“ ist eine<br />

Interaktion zwischen Reisen<strong>den</strong> und<br />

Bereisten ein Wechselspiel zwischen<br />

veröffentlichten und verborgenen<br />

Handlungen. Der Darsteller ist bemüht,<br />

seinem Publikum einen authentischen<br />

Eindruck zu vermitteln. Dabei achtet er<br />

darauf, dass die Hinterbühne dem Blick<br />

der Öffentlichkeit verborgen bleibt.<br />

Umgekehrt versucht der Adressat der<br />

Präsentation, diese mit einem erhaschten<br />

Blick hinter die Fassade auf<br />

Authentizität zu überprüfen (vgl 16).<br />

Auf der Vorderbühne wollen die<br />

Einheimischen <strong>den</strong> Erwartungsvorstellungen<br />

entsprechen, um vom<br />

Touristenbesuch in finanzieller und<br />

sozialer Weise zu profitieren (vgl 16).<br />

Dabei steht die Arbeitswelt der Bereisten<br />

der Freizeitwelt des Reisen<strong>den</strong> gegenüber,<br />

die von einem demonstrativen<br />

Erfahrungskonsum bestimmt ist (22).<br />

Melius hat im benachbarten Ferien-<br />

Resort einen Gelegenheitsjob als ‚local<br />

guide‘, führt die Gäste auf Wanderungen<br />

durch <strong>den</strong> Bergregenwald und übersetzt<br />

für <strong>den</strong> nicht ortsansässigen Reiseleiter<br />

<strong>den</strong> Stammesdialekt auf Indonesisch.<br />

Mehrmals im Jahr wird sein Dorf vom<br />

Reiseveranstalter für eine Schweinekochfestvorführung<br />

ausgewählt. Dann<br />

darf er seine traditionelle Rolle als<br />

Häuptling in prachtvoller Dekoration<br />

ausleben. Manchmal muss seine Familie<br />

auch bei Touristenaktivitäten in <strong>den</strong><br />

Nachbardörfern aushelfen.<br />

Auf der Hinterbühne ist Melius<br />

Vorsteher des Dorfes Osilimo und<br />

einflussreiches Mitglied der Christengemeinde.<br />

Die Familie lebt von der<br />

Feldarbeit. Die Beschäftigungen im<br />

Frem<strong>den</strong>verkehr liefern Zusatzeinkünfte<br />

zur noch intakten Subsistenzwirtschaft.<br />

Auf die Frage, wofür das Geld<br />

verwendet wird, antwortet Melius: „für<br />

die Ausbildung der Kinder“. Natürlich<br />

auch für Werkzeuge aus Metall, westliche<br />

Kleidung, Salz, Zigaretten und<br />

Betelnüsse. Am Gelände des Ferien-<br />

Resorts stehen eine Kirche, ein Gemeinschaftshaus<br />

und eine Schule. Die Kinder<br />

können hier die Grundschule absolvieren.<br />

Eine weiterführende Schule gibt<br />

es in der Hauptstadt Jayapura, die ausschließlich<br />

per Flugzeug erreicht wer<strong>den</strong><br />

kann. Eine kostspielige Angelegenheit,<br />

die sich nur Familien mit Jobs im<br />

Frem<strong>den</strong>verkehr leisten können.<br />

Für das Spiel auf unterschiedlichen<br />

Bühnen muss sich Melius mehrere<br />

soziale I<strong>den</strong>titäten konstruieren und<br />

widersprüchliche Herausforderungen der<br />

Gegenwart bewältigen. Alltagskultur und<br />

Lebensstile verändern sich, neue<br />

Nutzungsformen der Landschaft und<br />

bisher unbekannte Berufsfelder wer<strong>den</strong><br />

erschlossen. Tourismus modernisiert<br />

Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft,<br />

<strong>den</strong>n im Reisen wer<strong>den</strong> die Grenzen von<br />

Raum, Zeit und Kultur überschritten (6).<br />

Dabei hat Melius zu entschei<strong>den</strong>, wie<br />

nahe er die Besucher kommen lässt,<br />

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