Botin aus der Buckligen Welt Oktober 2018 - Nr 199
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REGION<br />
Eine filmreife Reise in die Vergangenheit<br />
Einem engagierten Sammlergeist<br />
und einem Hobbyfilmer ist es zu<br />
verdanken, dass dieses Zeitzeugnis<br />
in Form eines Filmes entstehen<br />
konnte. Animationen <strong>aus</strong><br />
alten Fotos, Originalschauplätzen<br />
und nachgestellten Szenen <strong>aus</strong><br />
diversen Kapiteln <strong>der</strong> Gemeindegeschichte<br />
werden am 4. November<br />
um 16 Uhr im Pfarrsaal von<br />
Mönichkirchen gezeigt.<br />
Schon sein Vater hatte in<br />
den Vierziger- und Fünfzigerjahren<br />
16mm-Filme über<br />
Mönichkirchen gemacht, meist<br />
über Feste o<strong>der</strong> Sportveranstaltungen<br />
sowie über die Zeiten,<br />
als es in Mönichkirchen noch eine<br />
Sprungschanze gab. Richard<br />
Chmel, geborener Mönichkirchner<br />
und ehemaliger Pilot,<br />
drehte seinen ersten Film über<br />
seine Arbeit als „Starfighter“ im<br />
Burgenland. Damals bedrohten<br />
die riesigen Starschwärme die<br />
Weinreben. Dabei passierten<br />
auch immer wie<strong>der</strong> Unfälle. Der<br />
zweite Film handelte von den<br />
„Algerischen Rübenbombern“.<br />
„Das waren Agrarflüge, bei denen<br />
Schädlingsbekämpfungsmittel<br />
eingesetzt wurden“, so<br />
Chmel.<br />
Richard Chmel und Josef Kager begannen vor zehn Jahren, ihr Filmprojekt<br />
über Mönichkirchen zu planen. Am Sonntag, 4. November um 16 Uhr wird<br />
nun die Uraufführung im Pfarrsaal stattfinden. Die Zuschauer werden dabei<br />
in das Gemeindegeschehen <strong>der</strong> Jahre 1800 bis 1906 zurückversetzt, hier<br />
vor dem ehemaligen Hotel Hochwechsel, ehemals Windbichler, auch ein<br />
Originalschauplatz. / Foto: Egerer<br />
Fast 50 Jahre<br />
Sammelleidenschaft<br />
Josef Kager, ehemaliger<br />
Gemeindesekretär von Mönichkirchen,<br />
sammelt seit den<br />
Siebzigerjahren Fotos, Broschüren<br />
sowie alte Prospekte<br />
und historische Dinge <strong>aus</strong> dem<br />
Wechselgebiet. „In Mönichkirchen<br />
lebten die Windbichlers,<br />
eine wohlhabende Familie. Karl<br />
Windbichler hatte schon seit<br />
1880 die Möglichkeit, Fotos<br />
aufzunehmen und nutzte diese<br />
zum Glück“, so Kager, denn ihm<br />
ist es zu verdanken, dass diese<br />
Sammlung von unschätzbarem<br />
historischem Wert wie<strong>der</strong> zusammengetragen<br />
wurde, nachdem<br />
sie nach Windbichlers Tod<br />
in alle Winde zerstreut gewesen<br />
war. „Ich bekam zufällig eines<br />
dieser Fotos in die Hände und<br />
war so begeistert von dessen<br />
Qualität, dass ich begonnen<br />
habe, sie zu sammeln. Ich habe<br />
dann selbst Lichtbildvorträge<br />
gehalten, um wie<strong>der</strong> Geld in die<br />
Entwicklung von alten Fotos zu<br />
investieren. Wie ein Puzzle kam<br />
ein Großteil <strong>der</strong> Fotos wie<strong>der</strong><br />
zusammen und ergab einen<br />
Einblick in die Zeit um die Jahrhun<strong>der</strong>twende.<br />
Ein Bild sagt<br />
mehr als t<strong>aus</strong>end Worte“, freut<br />
sich Kager. Schließlich entstand<br />
gemeinsam mit Richard Chmel<br />
die Idee, <strong>aus</strong> dieser Sammlung<br />
etwas zu machen. Zehn Jahre<br />
dauerte die Umsetzung.<br />
Räuber und Mör<strong>der</strong><br />
Der Film startet mit <strong>der</strong> Pittener<br />
Waldmark, denn 1147<br />
kam Mönichkirchen unter die<br />
Herrschaft <strong>der</strong> Reichsberger<br />
Chorherren.<br />
Ein großes Kapitel im Film<br />
widmet sich dem berühmt-berüchtigten<br />
„Holzknechtseppl“,<br />
<strong>der</strong> viele Jahre im Gemeindegebiet<br />
sein Unwesen trieb. Er<br />
wurde schließlich 1827 in Pinkafeld<br />
hingerichtet. Er gründete<br />
die Bande „Stradafüßler“<br />
und h<strong>aus</strong>te beim damaligen<br />
„Schandlwirt“ in abgelegenen<br />
Hütten. „Nicht weit davon, am<br />
sogenannten Kleinen Hartberg<br />
gab es <strong>der</strong> Legende nach ein<br />
Wirtsh<strong>aus</strong> auf <strong>der</strong> uralten Straße<br />
für Durchreisende, in dem<br />
die Bande mit einem Totenkopf<br />
kegelte“, so Chmel. Auch diese<br />
Szene wird im Film nachgestellt.<br />
O<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fall in Unteraspang,<br />
wo <strong>der</strong> Räuber Geld von einer<br />
Bäuerin wollte. Als sie ihm es<br />
nicht gab, tauchte er ihre Hände<br />
in heißes Öl, das gerade am<br />
Herd stand. 14 Raubmorde,<br />
zwei Brandhandlungen, 54 Raube,<br />
Diebstähle und Notzucht<br />
wurden dem Holzknechtseppl<br />
nachgewiesen. Es existiert sogar<br />
ein Abschiedsbrief, welchen<br />
er dem damaligen Pfarrer Wemhofer<br />
in Pinkafeld schreiben ließ,<br />
da er selbst Analphabet war.<br />
Hobbyhistoriker<br />
hatten viel Spaß<br />
Richard Chmel hat sich das<br />
Animieren von alten Dokumenten<br />
im Selbststudium beigebracht.<br />
„Dazu sind neben viel<br />
Zeit auch viele Programme nötig“,<br />
so Chmel. Seine Frau Monika<br />
fungiert die meiste Zeit über<br />
als Sprecherin, aber auch Josef<br />
Kager dokumentiert den Film.<br />
„Es war eine sehr interessante<br />
und lehrreiche Zeit, und mittlerweile<br />
können wir uns als Hobbyhistoriker<br />
bezeichnen“, so die<br />
beiden einstimmig. 80 Prozent<br />
des Filmmaterials dieses ersten<br />
Teils stammen <strong>aus</strong> dem Nachlass<br />
<strong>der</strong> Windbichler-Dynastie.<br />
Der Film dauert eine Stunde<br />
und zwanzig Minuten.<br />
Zweiter Teil ist<br />
schon in Planung<br />
Doch Richard Chmel und<br />
Josef Kager geben sich mit<br />
ihrem ersten Film nicht zufrieden.<br />
„Der zweite Teil wird sicher<br />
ebenso interessant. Da gab es<br />
zum Beispiel einen Gast in Mönichkirchen,<br />
<strong>der</strong> war 2,31 Meter<br />
groß. Dann startete bereits <strong>der</strong><br />
Wintersport, Anton Wildgans<br />
wird ebenfalls ein Kapitel gewidmet<br />
werden“, so Chmel.<br />
Aber auch <strong>der</strong> Erste <strong>Welt</strong>krieg,<br />
die schneereichen Winter sowie<br />
eine Geschichte über die<br />
Nachtwächter sind geplant. Für<br />
die Zeit nach dem Zweiten <strong>Welt</strong>krieg<br />
wurden Zeitzeugen interviewt.<br />
Karin Egerer<br />
Der „Holzknechtseppl“ kegelte mit<br />
seiner Bande mit einem Totenschädel.<br />
Auch das wurde im Film nachgestellt.<br />
/ Foto: Richard Chmel<br />
In <strong>der</strong> Nacht zum 19. Juni 1903 ereignete sich in Mönichkirchen eine<br />
Brandkatastrophe, <strong>der</strong> Grund dafür war vermutlich Brandstiftung. Damals<br />
brannte <strong>der</strong> halbe Ort. Elf Bauernhäuser wurden vernichtet, elf Menschen<br />
und etliche Tiere starben. / Fotos (2): Josef Kager<br />
Ein weiteres Kapitel des Films widmet<br />
sich dem berühmt-berüchtigten<br />
„Holzknechtseppel“, <strong>der</strong> nicht nur in<br />
Mönichkirchen sein Unwesen trieb<br />
4 <strong>Botin</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> | <strong>Oktober</strong> <strong>2018</strong>