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Botin aus der Buckligen Welt Oktober 2018 - Nr 199

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WIRTSCHAFT<br />

„Je<strong>der</strong> Mensch hat Potenziale, die es<br />

Seit fast 20 Jahren steht Bundesrätin Sonja Zwazl als Präsidentin an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>österreichischen<br />

Wirtschaftskammer. Wir sprachen mit ihr über ihre Anfänge in einer männerdominierten<br />

Unternehmerrunde, wie sie ihre Anliegen umsetzen konnte und was junge Menschen brauchen, um<br />

beruflich erfolgreich zu sein. Und wir gingen <strong>der</strong> Frage nach, ob Frauen die besseren Unternehmer sind.<br />

<strong>Botin</strong>: Sie sind nicht nur Unternehmerin<br />

und Bundesrätin,<br />

son<strong>der</strong>n seit fast 20 Jahren auch<br />

Präsidentin <strong>der</strong> Wirtschaftskammer<br />

Nie<strong>der</strong>österreich. War das<br />

von Anfang an Ihr Ziel, diese<br />

Funktion zu erreichen bzw. wie<br />

ist Ihnen das gelungen?<br />

Sonja Zwazl: Das ist erst im<br />

Laufe <strong>der</strong> Zeit entstanden. Präsidentin<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftskammer,<br />

das ist ein Engagement und ein<br />

Werkzeug, um Anliegen umzusetzen.<br />

Aufgrund meines Lebensweges,<br />

als ich mich selbstständig<br />

gemacht habe, gab es<br />

natürlich einige Fragen. Ich bin<br />

zu Veranstaltungen <strong>der</strong> Wirtschaftskammer<br />

gegangen, weil<br />

es für mich als Unternehmerin<br />

wichtig war. Ich wollte etwas lernen.<br />

Damals war es schon so,<br />

dass Frauen als Unternehmerinnen<br />

Exoten waren. Und Frauen,<br />

die sich bei Veranstaltungen<br />

auch noch zu Wort gemeldet<br />

haben, schon überhaupt. Ich<br />

war etwa bei einer Veranstaltung<br />

und habe drei Fragen gestellt,<br />

da hat man mich dann auf die<br />

Art „Sie haben schon mehrmals<br />

gefragt“ abkanzeln wollen. Das<br />

habe ich mir aber nicht gefallen<br />

gelassen. So hat mein Engagement<br />

begonnen.<br />

<strong>Botin</strong>: Von einer Informationsveranstaltung<br />

<strong>der</strong> Kammer<br />

bis zur Präsidentin ist aber noch<br />

ein weiter Weg. Wie hat sich das<br />

ergeben?<br />

Zwazl: Der Kammerobmann<br />

in Klosterneuburg hatte damals<br />

junge Leute sehr geför<strong>der</strong>t. So<br />

bin ich da „reingerutscht“. Ich<br />

freue mich sehr darüber, dass<br />

ich die Chance bekommen<br />

habe, weil ich sehr viele Dinge<br />

umsetzen konnte. Ich habe etwa<br />

„Frau in <strong>der</strong> Wirtschaft“ ins<br />

Leben gerufen, weil ich das damals<br />

für wichtig gehalten habe.<br />

<strong>Botin</strong>: Welche beson<strong>der</strong>en<br />

Bedürfnisse haben Frauen in <strong>der</strong><br />

Wirtschaft?<br />

Zwazl: Einem Lieferanten<br />

o<strong>der</strong> Kunden ist das völlig egal,<br />

ob ich Mann o<strong>der</strong> Frau bin. Als<br />

Frau ist es aber schon so, das<br />

ist historisch so gewachsen,<br />

dass man sich verantwortlich<br />

fühlt für die Familie und die<br />

Kin<strong>der</strong>. Dass man von Partnerschaften<br />

spricht, wo je<strong>der</strong> 50<br />

Prozent <strong>der</strong> Aufgaben übernimmt<br />

ist zwar nett, aber die<br />

Realität schaut eben meistens<br />

an<strong>der</strong>s <strong>aus</strong>. Da habe ich gesagt:<br />

Redet nicht immer nur darüber,<br />

son<strong>der</strong>n macht was. Ein Beispiel:<br />

Man bekommt ein Kind.<br />

Dafür haben wir die Betriebshilfe<br />

ins Leben gerufen, damit man<br />

8 Wochen vorher und 8 Wochen<br />

nachher jeweils 40 Stunden pro<br />

Woche eine Kraft kostenlos zur<br />

Verfügung gestellt bekommt.<br />

Ich habe das bei meinen Kin<strong>der</strong>n<br />

nicht gehabt. Allerdings<br />

habe ich als ich meinen jüngsten<br />

Sohn bekommen habe, zufällig<br />

auf einem Formular gesehen,<br />

dass es das für Landwirte<br />

gibt. Also habe ich gesagt: Das<br />

brauchen wir Selbstständigen<br />

auch! So habe ich angefangen,<br />

das aufzubauen, mit Gleichgesinnten,<br />

und so ist „Frau in <strong>der</strong><br />

Wirtschaft“ entstanden. Ein an<strong>der</strong>es<br />

Beispiel: Wir haben bei<br />

jedem WIFI einen Kin<strong>der</strong>garten<br />

dabei. Weil Ausbildung wichtig<br />

ist. Und in <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />

wird das Kind gut beaufsichtigt.<br />

Am Anfang hat es geheißen:<br />

„Ja, lasst sie halt machen, dann<br />

machen wir später eben einen<br />

Lehrsaal dar<strong>aus</strong>.“ Heute wissen<br />

wir, dass das Angebot sehr gut<br />

angenommen wird.<br />

<strong>Botin</strong>: Man hat den Eindruck,<br />

dass sie bei ihren Kammer-Kollegen<br />

oft als „die Lästige“ galten,<br />

die man mal machen lässt,<br />

damit sie eine Ruhe gibt. Kommt<br />

man nur so weiter als Frau?<br />

Zwazl: Das wichtigste ist,<br />

Dinge beim Namen zu nennen,<br />

einfach zu sagen, was Sache<br />

ist. Das ist auch heute noch so.<br />

Wenn jemand mit einem Problem<br />

zu mir kommt, sage ich:<br />

Erzähl mir die Geschichte, damit<br />

ich dein Problem verstehen<br />

kann. Ich bin so erzogen worden,<br />

dass ich das, was ich mir<br />

denke auch <strong>aus</strong>spreche, dass<br />

man dem an<strong>der</strong>en zuhört und<br />

<strong>aus</strong>sprechen lässt und dass<br />

man sich für die Ideen, die man<br />

hat, nicht genieren muss. Mit<br />

dieser Einstellung bekommt<br />

man aber auch viel zurück.<br />

<strong>Botin</strong>: Was gefällt Ihnen an Ihrer<br />

Funktion bzw. an Ihrer Arbeit<br />

am besten?<br />

Zwazl: Es motiviert, dass man<br />

etwas umsetzen kann. Es geht<br />

um gegenseitigen Respekt. Als<br />

Beispiel nenne ich die Sozialpartnerschaft,<br />

die bei uns am<br />

Land funktioniert. Nicht weil<br />

wir immer einer Meinung sind,<br />

son<strong>der</strong>n weil wir gegenseitig<br />

akzeptieren, dass es an<strong>der</strong>e<br />

Meinungen gibt. Ich bin schon<br />

oft gefragt worden, warum ich<br />

mir das antue. Aber ich sehe<br />

das an<strong>der</strong>s. Ich tue mir nichts<br />

an, son<strong>der</strong>n ich habe die Chance,<br />

etwas einzubringen und dadurch<br />

fühle ich mich privilegiert.<br />

Ich kann sagen, was mich stört<br />

und gleichzeitig etwas daran<br />

än<strong>der</strong>n. Dazu ist es aber auch<br />

wichtig, die Bedürfnisse des an<strong>der</strong>en<br />

zu kennen.<br />

<strong>Botin</strong>: Sie sind zu einer Zeit<br />

Wirtschaftskammerpräsidentin<br />

geworden, als das Unternehmertum<br />

noch sehr stark männlich<br />

dominiert war. Wie ist es<br />

dazu gekommen?<br />

Zwazl: Dieser Umstand war<br />

ein Vorteil für mich. Damals<br />

hatten schon noch sehr viele<br />

die Einstellung, Frauen gehören<br />

an den Herd. An<strong>der</strong>e haben<br />

sich hingegen für diese<br />

unqualifizierten Bemerkungen<br />

geniert. Und die haben mich<br />

unterstützt. Mir hat man auch<br />

einiges unterstellt, unter an<strong>der</strong>em<br />

diverse Verhältnisse. Das<br />

war nicht immer ganz einfach,<br />

ich habe es mir aber nicht gefallen<br />

lassen. Einmal bin ich bei<br />

einer Sitzung beim Punkt „Allfälliges“<br />

aufgestanden und habe<br />

gesagt: „Könnte bitte <strong>der</strong>jenige<br />

aufstehen, mit dem ich noch<br />

kein Verhältnis hatte, ich habe<br />

den Überblick verloren.“ Dann<br />

haben alle gelacht und nachzudenken<br />

begonnen. Bei uns im<br />

H<strong>aus</strong> ist das heute kein Thema<br />

mehr. Wir sind auch eine Organisation,<br />

die sehr viele Frauen in<br />

Führungspositionen hat.<br />

<strong>Botin</strong>: Woran liegt das Ihrer<br />

Meinung nach? An Vorbil<strong>der</strong>n<br />

wie Ihnen?<br />

Zwazl: Ich glaube schon. Wir<br />

haben eine gute Teamarbeit und<br />

ich bin ein Mensch, <strong>der</strong> Dinge<br />

anspricht. Auch wenn es nicht<br />

angenehm ist. Ehrlichkeit ist<br />

wichtig, aber ich will niemanden<br />

verletzen. Und das wissen die<br />

Leute, mit denen ich arbeite.<br />

Präsidentin <strong>der</strong> Wirtschaftskammer Nied<br />

<strong>Botin</strong>: Sind Frauen an<strong>der</strong>e<br />

Führungspersönlichkeiten?<br />

Zwazl: Wenn sie dabei Frauen<br />

bleiben, ja. Man muss autentisch<br />

bleiben. Als Führungskraft<br />

hat man auch Schwächen und<br />

Fehler. Es geht in einem Team<br />

darum, dass je<strong>der</strong> die Chance<br />

hat, sich einzubringen. Was<br />

ich komplett ablehne, ist eine<br />

Obrigkeitshörigkeit. Man muss<br />

Einstellungen und Entscheidungen<br />

manchmal akzeptieren,<br />

das heißt aber nicht, dass man<br />

sein Hirn und seinen Charakter<br />

abgibt. Wenn ich eine Meinung<br />

habe, dann habe ich sie.<br />

<strong>Botin</strong>: Sie haben dauernd mit<br />

Firmenchefs zu tun. Gibt es da<br />

typisch weibliche und typisch<br />

männliche Chefs?<br />

Zwazl: Es geht in erster Linie<br />

um die soziale Kompetenz.<br />

Dieses hierarchische von früher<br />

ist nicht mehr <strong>der</strong> richtige Führungsstil,<br />

das weiß man mittlerweile.<br />

Es ist wichtig, die Leute<br />

zu motivieren, sie einzubinden<br />

und ihnen die Anerkennung<br />

zu geben, die sie verdienen.<br />

Das macht eine Führungskraft<br />

<strong>aus</strong>. Natürlich auch Ehrlichkeit.<br />

Frauen haben hier einen gewissen<br />

Vorsprung. Vielleicht ist<br />

es schon so, dass Frauen gefühlsbetonter<br />

sind. Das ist aber<br />

nichts Negatives. Wenn mich etwas<br />

getroffen hat, dann will ich<br />

das ansprechen und dazu stehen<br />

und nicht die Unverwundbare<br />

spielen. Ich denke, dass<br />

16 <strong>Botin</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> | <strong>Oktober</strong> <strong>2018</strong>

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