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VKD-Praxisberichte-2018_web

Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit: Auch in diesem Jahr- und gerade erschienen - gibt es wieder die Berichte des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands aus der Krankenhauspraxis. Die Titelthemen: Digitalisierung und Der alte Patient. Vorgestellt wird u.a. ein demenzsensibles Krankenhaus, der Umgang mit dem gerade für alte Patienten so gefährlichen Delir, es geht um umfangreiche Digitalisierungsstrategien, die telemedizinische Vernetzung großer und kleiner Kliniken und Arztpraxen, auch um die Frage, was sogenannte Pflegeroboter in Pflegeheimen leisten können und was nicht. Zu den Themen und zur allgemeinen Gesundheitspolitik positionieren sich Repräsentanten des Verbandes. Redaktionellen Platz finden auch Aktivitäten der vom VKD mitgegründeten Entscheiderfabrik, die sich seit mehr als 12 Jahren um Digitalisierungsprojekte verdient macht, und in deren Rahmen in jedem Jahr fünf für die Krankenhäuser wichtige Digitalisierungsprojekte gemeinsam von Krankenhäusern, IT-Unternehmen und Beratern bearbeitet werden. „Es geht in den Praxisberichten in besten Sinne um Erfahrungsaustausch und um Positionen unseres Verbandes zu aktuellen Entwicklungen“, sagt VKD-Geschäftsführerin Gabriele Kirchner. So stünden die Kliniken mit der kontinuierlich wachsenden Zahl alter und ältester Patienten vor neuen Herausforderungen, auf die sie sich einstellen müssten. „Auch unser Gesundheitssystem mit seinen nach wie vor abgeschotteten Sektoren muss sich verändern, stationäre und ambulante Versorgungsstrukturen müssen viel stärker vernetzt werden“, ergänzt sie. Eine vernetzte Versorgung werde am Ende allen, nicht nur unseren Mitarbeitern und den alten Patienten nützen. Das zweite Schwerpunktthema schließe hier nahtlos an, denn eine sektorenübergreifende Versorgung brauche die Digitalisierung. „Uns allen ist klar, dass die flächendeckend eingesetzte elektronische Patientenakte enorme Vorteile haben wird – für die Prozesse, die Arbeit in den Kliniken sowie für die Vernetzung der Gesundheitsversorgung insgesamt.“ Bestellt werden können die Praxisberichte in der Geschäftsstelle des VKD, Oranienburger Straße 17, D-10178 Berlin telefonisch unter 030/28 88 59-14 oder per E-Mail: vkdgs@vkd-online.de

Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit: Auch in diesem Jahr- und gerade erschienen - gibt es wieder die Berichte des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands aus der Krankenhauspraxis. Die Titelthemen: Digitalisierung und Der alte Patient. Vorgestellt wird u.a. ein demenzsensibles Krankenhaus, der Umgang mit dem gerade für alte Patienten so gefährlichen Delir, es geht um umfangreiche Digitalisierungsstrategien, die telemedizinische Vernetzung großer und kleiner Kliniken und Arztpraxen, auch um die Frage, was sogenannte Pflegeroboter in Pflegeheimen leisten können und was nicht. Zu den Themen und zur allgemeinen Gesundheitspolitik positionieren sich Repräsentanten des Verbandes. Redaktionellen Platz finden auch Aktivitäten der vom VKD mitgegründeten Entscheiderfabrik, die sich seit mehr als 12 Jahren um Digitalisierungsprojekte verdient macht, und in deren Rahmen in jedem Jahr fünf für die Krankenhäuser wichtige Digitalisierungsprojekte gemeinsam von Krankenhäusern, IT-Unternehmen und Beratern bearbeitet werden. „Es geht in den Praxisberichten in besten Sinne um Erfahrungsaustausch und um Positionen unseres Verbandes zu aktuellen Entwicklungen“, sagt VKD-Geschäftsführerin Gabriele Kirchner. So stünden die Kliniken mit der kontinuierlich wachsenden Zahl alter und ältester Patienten vor neuen Herausforderungen, auf die sie sich einstellen müssten. „Auch unser Gesundheitssystem mit seinen nach wie vor abgeschotteten Sektoren muss sich verändern, stationäre und ambulante Versorgungsstrukturen müssen viel stärker vernetzt werden“, ergänzt sie. Eine vernetzte Versorgung werde am Ende allen, nicht nur unseren Mitarbeitern und den alten Patienten nützen. Das zweite Schwerpunktthema schließe hier nahtlos an, denn eine sektorenübergreifende Versorgung brauche die Digitalisierung. „Uns allen ist klar, dass die flächendeckend eingesetzte elektronische Patientenakte enorme Vorteile haben wird – für die Prozesse, die Arbeit in den Kliniken sowie für die Vernetzung der Gesundheitsversorgung insgesamt.“ Bestellt werden können die Praxisberichte in der Geschäftsstelle des VKD, Oranienburger Straße 17, D-10178 Berlin telefonisch unter 030/28 88 59-14 oder per E-Mail: vkdgs@vkd-online.de

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<strong>Praxisberichte</strong><br />

Zu aktuellen Fragen des<br />

Krankenhausmanagements <strong>2018</strong><br />

Projekte Positionen Perspektiven<br />

Titelthemen:<br />

Der alte Patient<br />

Digitalisierung


Herausgeber:<br />

Verband der<br />

Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands e.V.<br />

Geschäftsstelle <strong>VKD</strong><br />

Oranienburger Straße 17<br />

D-10178 Berlin<br />

Telefon (030) 28 88 59 – 14<br />

Telefax (030) 28 88 59 – 15<br />

Internet: www.vkd-online.de<br />

ISBN 978-3-00-060749-3


Editorial<br />

Gemeinschaftsaufgabe Gesundheit<br />

Wie erfreulich: Die Lebenserwartung der Menschen<br />

in Deutschland steigt seit Jahren kontinuierlich<br />

an. Für in diesem Jahr geborene Mädchen<br />

und Jungen waren es erneut zwei Monate<br />

mehr. Und auch für bereits Fünfundsechzigjährige<br />

weist die aktuelle Sterbetafel eine um<br />

einen Monat höhere Lebenserwartung aus als<br />

die vorherige von 2013/2015. Gründe dafür sind<br />

Wohlstand, ein stabiles soziales Netz, gesunde<br />

Lebensweise und nicht zuletzt die moderne<br />

Medizin. Dass heute über Achtzigjährige operiert<br />

werden, ist keine Seltenheit. Die Zahl der<br />

alten Patienten in unseren Krankenhäusern<br />

steigt seit Jahren kontinuierlich an.<br />

Mit dieser wachsenden Zahl alter und vor allem<br />

ältester Patienten stehen natürlich die Kliniken<br />

vor erheblichen Herausforderungen. Für viele<br />

alte Menschen ist ein Krankenhausaufenthalt<br />

ein einschneidendes Erlebnis, das sie deutlich<br />

schwieriger bewältigen, als jüngere Patienten.<br />

Hinzu kommt, dass mit dem höheren Lebensalter<br />

auch der Anteil dementer Patienten zunimmt.<br />

Wie sich die Kliniken darauf einstellen,<br />

welche Veränderungen aber auch in unserem<br />

Gesundheitssystem damit nun zwingend<br />

notwendig werden, dokumentiert das erste<br />

Schwerpunktthema in diesen <strong>Praxisberichte</strong>n.<br />

Die ganzheitliche Gesundheitsversorgung, die<br />

stationäre und ambulante Leistungserbringer<br />

vernetzt, ist gerade für alte Patienten, von denen<br />

die meisten unter mehreren, oft chronischen<br />

Krankheiten leiden, eine Notwendigkeit.<br />

Auch der <strong>VKD</strong> mahnt Vernetzung seit Jahren an<br />

– leider ohne großen Erfolg. Es ist angesichts<br />

der hohen Komplexität unseres Gesundheitssystems<br />

und der sich darin häufig aneinander<br />

stoßenden Interessen keine einfache Aufgabe,<br />

aber sie muss angepackt werden. Wir haben<br />

hier – wie so oft – kein Erkenntnis-, sondern ein<br />

Umsetzungsproblem. Eine vernetzte Versorgung<br />

wird am Ende nicht nur den alten, sondern<br />

allen Patienten nützen. Aber auch das wissen<br />

wir ja längst.<br />

Die sektorenübergreifende Versorgung braucht<br />

– und hier kommt das zweite Schwerpunktthema<br />

dieses Heftes ins Spiel – die Digitalisierung.<br />

Die enormen Vorteile der flächendeckend eingesetzten<br />

elektronischen Patientenakte, der<br />

Telemedizin, der Kontakte von Krankenhaus zu<br />

Krankenhaus, von Arzt zu Arzt und von Arzt zu<br />

Patient, zur Apotheke oder auch zur Rehaklinik<br />

und zum Pflegeheim, liegen auf der Hand. Es<br />

gibt hier inzwischen viele Initiativen von den<br />

verschiedensten Gesundheitsversorgern und<br />

auch Krankenkassen, aber der notwendige große<br />

Wurf steht noch immer aus. Auch die Politik<br />

in Bund und Ländern weiß das, hofft aber<br />

anscheinend, dass sie sich mit kleineren, fast<br />

symbolischen gesetzlichen Akten ihrer Pflicht<br />

entziehen kann, dafür deutlich mehr Mittel<br />

einzusetzen. Der <strong>VKD</strong> fordert seit langem den<br />

zwingend notwendigen finanziellen gesamtgesellschaftlichen<br />

Kraftakt. Es geht um eine der<br />

wichtigsten Infrastrukturen in unserem Land.<br />

Die Digitalisierung wird unsere Gesundheitsversorgung<br />

insgesamt – nicht nur für die alten<br />

Patienten – auf ein deutlich höheres Qualitäts-<br />

und Sicherheitsniveau heben, effizienter<br />

machen und dabei Lösungen für viele Probleme<br />

ermöglichen.<br />

Der <strong>VKD</strong> trägt übrigens seit mehr als zwölf<br />

Jahren dazu bei, die digitale Welt für die Krankenhäuser<br />

zu öffnen. Die Zusammenarbeit mit<br />

Unternehmen aus IT und Medizintechnik sowie<br />

Beratern an wichtigen Projekten im Rahmen<br />

der ENTSCHEIDERFABRIK hat bereits zu vielen<br />

neuen und praxiserprobten Lösungen geführt –<br />

ein weiteres Thema in diesen <strong>Praxisberichte</strong>n.<br />

Inzwischen werden hier auch Start Ups in einem<br />

eigenen Wettbewerb gefördert. Die Preisträger<br />

2017 stellen sich in diesem Heft vor.<br />

Es ist völlig unverständlich, warum die Politik<br />

bei wichtigen Themen immer wieder im Klein-<br />

Klein verharrt. Das ist bei der Digitalisierung<br />

so. Das ist auch bei der wichtigen Stärkung der<br />

Pflege so. Sicher war der Entwurf für ein Pflegepersonalstärkungsgesetz<br />

wichtig – wenn er<br />

auch deutliche Lücken hat, die in diesen <strong>Praxisberichte</strong>n<br />

ebenfalls benannt werden. Sicher<br />

war es auch verdienstvoll, dass im vergangenen<br />

Sommer gleich drei Bundesminister in einer<br />

gemeinsamen Aktion für die Pflege geworben<br />

haben. Es war ein schönes Symbol dafür, dass<br />

Dr. Josef Düllings<br />

Präsident des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands<br />

1<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


dieses Thema künftig weiter oben auf der Agenda<br />

stehen soll. Der direkte Blick in die Praxis –<br />

sogar Bundeskanzlerin Merkel hat ihn ja gewagt<br />

– bringt aber rein kosmetisch nur kurzzeitig und<br />

auch nur punktuelle Erkenntnisgewinne. Wichtig<br />

ist es, zu erkennen, dass nicht nur im Leben,<br />

sondern vor allem im Gesundheitswesen alles<br />

mit allem zusammenhängt: Die Fortschreibung<br />

kleiner Einzelmaßnahmen als Folge von akuter<br />

politischer Aufmerksamkeit bringt wenig.<br />

Die Gesundheitsversorgung ist eine Gemeinschaftsaufgabe.<br />

Notwendig ist ein Zukunftskonzept<br />

„Deutsches Krankenhaus“.<br />

Angesichts überquellender Sozialkassen gehört<br />

dazu – der <strong>VKD</strong> kann es nur immer wieder betonen<br />

– auch ein erheblich stärkeres finanzielles<br />

Engagement der Politik in Bund und Ländern.<br />

Sie müssen hier über ihren Schatten springen,<br />

sonst werden wir immer wieder – und immer<br />

schmerzhafter - mit den Folgen für die Gesundheitsversorgung<br />

konfrontiert.<br />

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern der<br />

<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> des <strong>VKD</strong> Anregungen, Erkenntnisse,<br />

Informationen und Entscheidungshilfen.<br />

Den Autorinnen und Autoren der vorliegenden<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> danke ich herzlich<br />

für ihr Engagement und die Bereitschaft, ihre<br />

Erfahrungen weiterzugeben.<br />

Ihr<br />

Dr. Josef Düllings<br />

2<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


<strong>Praxisberichte</strong><br />

zu aktuellen Fragen des<br />

Krankenhausmanagements <strong>2018</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Der alte Patient<br />

Wir brauchen neue Versorgungskonzepte<br />

Gerade angesichts der demografischen Entwicklung müssen wir zu einer systematischen<br />

sektorenübergreifenden Zusammenarbeit kommen<br />

Gabriele Kirchner, Geschäftsführerin des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7<br />

Auf dem Weg zu einem demenzsensiblen Krankenhaus<br />

Das Ziel: Verbesserung der Versorgungssituation für Patienten mit kognitiven Einschränkungen<br />

Anna-Maria Combes, Gesundheits- und Krankenpflegerin mit Bachelorabschluss Pflegemanagement, Stationsleitung,<br />

Demenzbeauftragte sowie Ehrenamtskoordinatorin der Haßberg-Kliniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14<br />

Delirtherapie im Krankenhaus<br />

Akute Verwirrtheitszustände im Alter - ein Wettlauf mit der Zeit<br />

Kerstin Ganskopf, Vorsitzende der Landesgruppe Nord des <strong>VKD</strong> und Mitglied des <strong>VKD</strong>-Vorstands,<br />

Geschäftsführerin des Sankt Elisabeth-Krankenhauses Eutin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 21<br />

Mobilität, Eigenständigkeit und Selbstbestimmung<br />

Interdisziplinäres Komplexbehandlungszentrum Crivitz (iKBZ) bietet Geriatrische<br />

frührehabilitative Komplexbehandlung<br />

Yvonne Bartels, Kaufmännische Direktorin, MediClin Krankenhaus am Crivitzer See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 25<br />

Digitalisierung<br />

Wir brauchen jetzt einen gemeinsamen Kraftakt<br />

Alle Beteiligte müssen sich aufeinander zubewegen - es geht um die Patienten!<br />

Peter Asché, Vizepräsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Sprecher<br />

des IuiG-Initiativ-Rates der ENTSCHEIDERFABRIK, Kaufmännischer Direktor der Uniklinik RWTH Aachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 33<br />

AGAPLESION auf dem Weg zur Digitalen Transformation<br />

Die Strategie: In vier Stufen zum digitalen Gesundheitsunternehmen<br />

Dr. Markus Horneber, Vorstandsvorsitzender, AGAPLESION gAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 40<br />

Digitalisierung: Treibende sein, nicht Getriebene<br />

Klinikum Darmstadt punktet mit klarer Positionierung, Bereitschaft zum Wandel<br />

und starker Digitalisierungsstrategie<br />

Eva Bredow-Cordier, Leiterin Unternehmenskommunikation und Marketing,<br />

Pressesprecherin, Klinikum Darmstadt GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 46<br />

TELnet@NRW: Gemeinsam handeln. Kompetent behandeln.<br />

Telemedizinisches, intersektorales Netzwerk als neue digitale Gesundheitsstruktur<br />

zur messbaren Verbesserung der wohnortnahen Versorgung<br />

TELnet@NRW-Projektkonsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 51<br />

Assistenzsysteme und Robotik – mehr Zeit für gute Pflege<br />

Unser Pflegesystem wird sich mit dem Einsatz moderner technischer Lösungen verändern –<br />

zum Besseren, wenn wir dabei die menschliche Zuwendung stärken<br />

Franz Hartinger, Vorsitzender der Fachgruppe Pflegeeinrichtungen des <strong>VKD</strong>,<br />

Leiter des Alten- und Pflegeheims Klinikum Ingolstadt GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 60<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 3


Aktuelle Themen<br />

Positionen: Baustellen über Baustellen – wie viel Wandel braucht das Krankenhaus?<br />

Nicht jede Veränderung ist als naturgegeben unkritisch hinzunehmen<br />

Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 67<br />

Gesundheitspolitik: Forderung nach Folgenabschätzung und gründlichen Nachbesserungen<br />

Zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz – PpSG)<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit<br />

Martin Schmid, Mitglied des Präsidiums des <strong>VKD</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 71<br />

IT-ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Innovative Ideen, engagierte Projektteams<br />

12. Jahreszyklus der ENTSCHEIDERFABRIK geht in den Endspurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 81<br />

Der Wettbewerb: Auswahl der fünf Digitalisierungsthemen <strong>2018</strong><br />

Auf dem Entscheider-Event bewarben sich 12 Finalisten um den Zuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 83<br />

Beseitigung des "WhatsApp-Dilemmas"<br />

NetSfere bietet eine sichere, mobile Chat-Messaging-Lösung für Krankenhäuser<br />

Franz Obermayer, VP Sales Europe, Infinite Convergence Solutions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 86<br />

Chancen für junge Unternehmen<br />

Wettbewerb um den Start Up- und Young Professional Preis der ENTSCHEIDERFABRIK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 88<br />

Digitaler Marktplatz für Überleitungen<br />

Recare: Bessere Verweildauersteuerung durch stabile, digitale Prozesse<br />

Maximilian Greschke, Geschäftsführer, Recare GmbH, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 89<br />

WhatsApp und Instagram für Mediziner<br />

Ein Bild (im richtigen Kontext) sagt mehr als 1000 Worte<br />

Chrysanth Sulzberger, CEO und Co-Founder, imito AG, Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 91<br />

Befundübergabe digital und datenschutzkonform<br />

Vom Arztrechner direkt auf das Patienten-Smartphone – und umgekehrt<br />

Janika Ebmeyer, connected-health.eu GmbH, Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 93<br />

Blick über den „Tellerrand“ Richtung USA<br />

Die Entscheider-Reise <strong>2018</strong> – ein Höhepunkt des ENTSCHEIDERFABRIK-Jahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 95<br />

4<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 5


6<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Wir brauchen<br />

neue Versorgungskonzepte<br />

Gerade angesichts der demografischen Entwicklung müssen wir zu einer<br />

systematischen sektorenübergreifenden Zusammenarbeit kommen<br />

Der alte Patient<br />

Im Harz gibt es den äußerst fitten „Brocken-<br />

Benno“, der mit seinen heute 86 Jahren fast<br />

täglich bei Wind und Wetter den 1.141 Meter<br />

hohen Brocken besteigt und es damit schon<br />

ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft hat.<br />

Nicht nur im Harz gibt es aber auch die chronisch<br />

Kranken vor allem im Rentenalter, die<br />

sich mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes,<br />

und anderen typischen Altersgebrechen<br />

herumschlagen und inzwischen einen<br />

wachsenden Teil der Krankenhauspatienten<br />

stellen. Unter ihnen sind dann auch die alten<br />

Menschen, die unter einer Demenz leiden. Alter<br />

Patient ist nicht gleich alter Patient. Die<br />

Krankenhäuser stellen sich inzwischen auf<br />

die Veränderung in ihrer Patientenstruktur<br />

ein. Ärzte und Pflegende erkennen, dass sie<br />

für diese höchst heterogene Patientengruppe<br />

neue Behandlungs- und Versorgungskonzepte<br />

benötigen. Nicht nur alte Patienten, sie aber<br />

vor allem, benötigen einen ganzheitlichen Behandlungsansatz,<br />

der deutlich über die festgezurrten<br />

Sektorengrenzen der Gesundheitsversorgung<br />

hinausgehen muss.<br />

Alte Patienten haben vielfach andere Versorgungsbedürfnisse<br />

sowie andere Anforderungen<br />

an die Gesundheitsversorgung. Rund ein<br />

Drittel der Klinikpatienten ist heute älter als 65<br />

Jahre. Die Verschiebung hin zur Behandlung älterer<br />

Menschen ist seit Jahren zu beobachten.<br />

Reaktionen auf die damit verbundenen neuen<br />

Anforderungen an Strukturen, Behandlungsspektren,<br />

an die Arbeit von Ärzten und Pflegenden,<br />

an die Vernetzung mit den anderen<br />

Versorgungssektoren und Gesundheitsberufen,<br />

aber auch an gesundheitspolitische Entscheidungen,<br />

erfolgen nicht unbedingt sehr zügig.<br />

Experten weisen seit vielen Jahren bereits darauf<br />

hin, dass die demografische Entwicklung<br />

entsprechende Antworten darauf erzwingen<br />

wird. Inzwischen ist das Thema in der Praxis<br />

„angekommen“.<br />

So zeigen Daten des Bundesversicherungsamtes<br />

zum Risikostrukturausgleich zum Beispiel, dass<br />

mit zunehmendem Alter der Versicherten die<br />

Versorgungskosten steigen (ab einem Alter von<br />

etwa 95 Jahren sinken sie wieder leicht). Dabei<br />

verschieben sich auch die Kostenanteile in den<br />

Gesundheitssektoren. Während bei Zwanzigoder<br />

Dreißigjährigen die höheren Kosten bei<br />

den Vertragsärzten liegen, verschiebt sich das<br />

ab dem Rentenalter der Patienten, und auch die<br />

Ausgaben für ihre Versorgung nehmen natürlicherweise<br />

zu.<br />

Alte Patienten im Krankenhaus<br />

Über ein Drittel der Patienten im Krankenhaus<br />

ist 70 Jahre und älter. Laut der Berliner Altersstudie<br />

hat ein Drittel der über Siebzigjährigen<br />

fünf oder sogar mehr behandlungsbedürftige<br />

Erkrankungen. Multimorbidität, Polypharmazie,<br />

kognitive Einschränkungen, Immobilität, hohe<br />

Gefahr, ein Delir zu erleiden – auf diese Komplexität<br />

kann eine einzelne Berufsgruppe nicht<br />

allein professionell reagieren. Dafür sind interdisziplinäre<br />

und interprofessionelle Teams notwendig.<br />

Darauf müssen sich die Krankenhäuser<br />

bei dieser Patientengruppe einstellen. Von Experten<br />

wird ein geriatrisches Screening empfohlen,<br />

um rechtzeitig Patienten mit hohem<br />

Betreuungsbedarf identifizieren zu können.<br />

Die am schnellsten wachsende Patientengruppe<br />

in den Krankenhäusern sind die über<br />

Achtzigjährigen. Grund dafür ist nicht nur die<br />

Demografie, sondern auch der medizinische<br />

Fortschritt. Heute sind Operationen im Klinikalltag<br />

normal, die vor einigen Jahren noch<br />

nicht möglich waren. Herz-OPs etwa, aber auch<br />

der Einsatz einer neuen Hüfte – heute einer der<br />

Hauptgründe für Klinikaufenthalte dieser Patientengruppe.<br />

In den vergangenen zehn Jahren ist es zu einem<br />

starken Anstieg der Fallzahl in den Fachabteilungen<br />

nicht nur für Geriatrie, sondern auch für<br />

Herzchirurgie und Neurologie von 76,3 Prozent,<br />

54,5 Prozent bzw. 45,7 Prozent gekommen. Hier<br />

werden in der Tendenz viele alte Patienten behandelt.<br />

Obwohl insgesamt eine Verkürzung der<br />

mittleren Verweildauer im Krankenhaus registriert<br />

wird, ist dies gegen den allgemeinen Trend<br />

in den Fachabteilungen für Herzchirurgie und<br />

für Strahlentherapie nicht der Fall. Hier gab es<br />

einen Anstieg der mittleren Verweildauer um 2,1<br />

Prozent bzw. ein Prozent. Als Grund anzunehmen<br />

wären hier ebenfalls die Veränderungen<br />

Gabriele Kirchner<br />

Geschäftsführerin<br />

des Verbandes der<br />

Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands (<strong>VKD</strong>)<br />

»Wir brauchen<br />

geriatriespezifische<br />

Versorgungsstrukturen.«<br />

Gabriele Kirchner<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 7


Der alte Patient<br />

in der Patientenstruktur. Laut Destatis ist hier<br />

der Anteil der Patienten ab dem 80. Lebensjahr<br />

von 9,8 Prozent in 2007 auf 12,9 Prozent in 2016<br />

angestiegen.<br />

Acht Millionen Menschen im Rentenalter werden<br />

pro Jahr stationär in deutsche Krankenhäuser<br />

aufgenommen. Jeder fünfte von ihnen,<br />

schätzen Studien, rutscht in ein Delir. Besonders<br />

gefährdet sind Operierte, vor allem, wenn<br />

sie bereits über siebzig sind - das ist etwa fünf<br />

Millionen Mal der Fall. Nach Hüftgelenkseingriffen<br />

aufgrund eines Oberschenkelhalsbruchs<br />

hat fast jeder Zweite eine solche Bewusstseinsstörung.<br />

Nach herzchirurgischen Eingriffen sind<br />

sogar vier von fünf Patienten betroffen.<br />

Wissenschaftlich fundierte<br />

Leitlinien fehlen<br />

Ein wichtiger Baustein für die Gesundheitsversorgung<br />

alter Patienten fehlt allerdings auch in<br />

der Medizin: Ärzte brauchen wissenschaftlich<br />

fundierte Leitlinien für alte und multimorbide<br />

Patienten. Dafür plädierte die Deutsche Gesellschaft<br />

für Innere Medizin (DGIM) anlässlich<br />

ihrer Jahrespressekonferenz Anfang Februar<br />

<strong>2018</strong>. Sie verwies darauf, dass in die geriatrische<br />

Forschung vor allem auch die speziellen<br />

Bedürfnisse alter Patienten einfließen müssten.<br />

Man ist verwundert, dass dies noch nicht<br />

geschieht. Klinische Studien mit Medikamenten<br />

seien meist nicht auf alte Menschen zugeschnitten,<br />

sondern auf Patienten im mittleren<br />

Alter mit nur einer Krankheit. Alte Patienten<br />

seien aber meist chronisch krank und multimorbid.<br />

Man könne die Studienergebnisse daher<br />

nicht einfach übertragen. Es fehle eine<br />

intensivere altersmedizinische Forschung. Die<br />

Kritik: Es gibt keine wissenschaftlichen Grundlagen<br />

für die evidenzbasierte Versorgung der<br />

alten Menschen. Hier besteht also auch akuter<br />

Handlungsbedarf.<br />

Vielfältige Initiativen<br />

Es gibt inzwischen vielfältige Initiativen der<br />

Krankenhäuser, sich stärker auf die Gruppe der<br />

alten Patienten einzustellen. Zahlreiche Krankenhäuser<br />

haben bereits geriatrische Stationen<br />

eingerichtet. Der Anspruch ist hier die Versorgung<br />

durch ein multiprofessionelles Team, das<br />

nach einem ganzheitlichen Konzept arbeitet,<br />

um damit der komplexen Problematik gerecht<br />

zu werden. Was in der Geriatrie geleistet werden<br />

muss, geht deutlich über die normalen<br />

Routinen der anderen Akutstationen hinaus<br />

und erfordert ein Gesamtkonzept, das die enge<br />

Zusammenarbeit aller medizinischen, pflegerischen,<br />

therapeutischen, psychosozialen Berufsgruppen<br />

zur Grundlage hat.<br />

Zunehmend bieten Krankenhäuser ihren alten<br />

Patienten daher auch eine geriatrische Komplexbehandlung<br />

an, die ebenfalls zum Ziel hat,<br />

Mobilität und Selbstständigkeit zu fördern.<br />

Sehr sinnvoll ist angesichts der Heterogenität<br />

dieser Patientengruppe, bereits bei Aufnahme<br />

ins Krankenhaus zu entscheiden, ob der Aufenthalt<br />

in einer normalen Akutstation oder<br />

eher in einer geriatrischen Abteilung die beste<br />

Lösung ist und dementsprechend den Behandlungspfad<br />

bis hin zur Entlassung zu gestalten.<br />

Wenn – wie der amerikanische Neuropsychologe<br />

Robert Wilson schon 2012 in einer Studie<br />

gezeigt hat – alte Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt<br />

sehr lange brauchten, um<br />

das Ereignis wegzustecken und geistig deutlich<br />

schneller abbauten, als andere Menschen ihres<br />

Alters, kann die Schlussfolgerung ja eigentlich<br />

nur sein, den Klinikaufenthalt so zu gestalten,<br />

dass dies möglichst vermieden wird. Hier wiederum<br />

spielt dann auch das vorhandene oder<br />

eben nicht vorhandene ambulante Netzwerk in<br />

Verbindung mit dem Krankenhaus eine wichtige<br />

Rolle. Das Entlassungsmanagement kann zu<br />

einem Beispiel dafür werden, inwieweit inter-<br />

Gesetzgeber fordert sektorenübergreifende Qualitätssicherung<br />

Aufgrund der heterogenen Strukturen in der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung<br />

hat der Gesetzgeber die Forderung an alle Beteiligten gestellt, eine<br />

sektorenübergreifende Qualitätssicherung (§§ 136 und 137a SGB V) zu etablieren. Es<br />

ist sicher jedem klar, dass sich die für jeden Sektor typischen Systeme der Qualitätssicherung<br />

nicht in ihrer jetzigen Ausprägung einfach übertragen lassen. Dafür sind<br />

auch entsprechende Leitlinien, Versorgungspfade und –konzepte notwendig, die von<br />

allen beteiligten Seiten getragen werden. Das ist eigentlich nichts wirklich Neues.<br />

Es wurde schon u.a. bei der Integrierten Versorgung angewandt. Auch die DMP sind<br />

ein Beispiel. Einheitliche Kodierregeln für den stationären und ambulanten Sektor<br />

hat der <strong>VKD</strong> bereits vor einigen Jahren gefordert. Leider sind sie am Widerstand der<br />

Vertragsärzte gescheitert.<br />

8<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

professionelle, sektorenübergreifende und patientenorientierte<br />

Zusammenarbeit zu einer<br />

bedarfsgerechten und besseren Versorgung<br />

führt – eine Form des Schnittstellenmanagements<br />

mit dem Ziel, Versorgungskontinuität zu<br />

gewährleisten.<br />

Eine besondere Gruppe innerhalb der alten Patienten<br />

sind die unter einer Demenz leidenden<br />

Menschen. Auch für die Versorgung dieser speziellen<br />

Patienten gibt es inzwischen entsprechende<br />

Projekte und Versorgungsmodelle sowie<br />

Initiativen, nicht nur die unmittelbar damit<br />

betrauten, sondern möglichst viele Mitarbeiter<br />

des Krankenhauses fortzubilden.<br />

Die Vorteile dieser Veränderungen für die Versorgung<br />

der Patienten, aber auch für die Organisationsstrukturen<br />

eines Krankenhauses und<br />

für die Arbeit des Personals sind an den Ergebnissen<br />

solcher Projekte durchaus abzulesen.<br />

Dass dies von Krankenkassen nicht immer verstanden<br />

wird, dass diese damit allerdings die<br />

Augen vor Entwicklungen verschließen, die<br />

dennoch ablaufen, zeigte im Juli dieses Jahres<br />

u.a. der von der Barmer veröffentlichte Krankenhausreport<br />

mit dem Schwerpunkt Geriatrie.<br />

Er kritisiert quasi hohe Fallzahlsteigerungen in<br />

der Geriatrie von 60 Prozent zwischen 2005 und<br />

2014 und enthält dabei den impliziten Vorwurf<br />

einer künstlich herbeigeführten Nachfrage. Angesichts<br />

insgesamt steigender Fallzahlen in der<br />

Altersgruppe der über 65jährigen ist das absurd<br />

und negiert die Folgen der demografischen<br />

Entwicklung. Auch die Kassen müssen sich damit<br />

auseinandersetzen, dass für einen Teil der<br />

alten Patienten aus verschiedenen, eben mit<br />

dem Alter zusammenhängenden Gründen, mit<br />

künftig weiterhin steigenden Fallzahlen und<br />

längeren Verweildauern – damit in der Regel<br />

auch steigenden Kosten - zu rechnen ist.<br />

Die zahlreichen Initiativen in der geriatrischen<br />

Versorgung, Fort- und Weiterbildungsangebote,<br />

Facharztausbildungen, die vielfältigen<br />

und anspruchsvollen Geriatriekonzepte in den<br />

Ländern zeigen aber doch, dass in der Geriatrie<br />

eine kontinuierliche Weiterentwicklung zu<br />

konstatieren ist, die ja vor allem auf den realen<br />

Versorgungsbedarf reagiert. Die Gesundheitsversorger<br />

in allen Sektoren sind in der<br />

Praxis zunehmend damit konfrontiert. Hier<br />

aktiv zu werden, entspricht zudem den Intentionen<br />

des Gesetzgebers. Wir brauchen geriatriespezifische<br />

Versorgungsstrukturen.<br />

Bedarfsgerechte Steuerung<br />

notwendig<br />

Es muss insgesamt um eine bedarfsgerechte<br />

Steuerung der Gesundheitsversorgung angesichts<br />

der vielfältigen aktuellen und künftigen<br />

Veränderungen gehen, zu denen die demografische<br />

Entwicklung maßgeblich gehört. Die Alterung<br />

der Gesellschaft erfordert stärker als<br />

bisher eine geplante und vernetzte Versorgung<br />

innerhalb und zwischen den Versorgungssektoren<br />

sowie mit den übrigen Gesundheitsdienstleistern.<br />

Dass dabei die Krankenhäuser als hochspezialisierter<br />

Kern der Gesundheitsversorgung eine<br />

wesentliche Rolle spielen – spielen müssen –<br />

zeigt sich auch beim Blick auf den vertragsärztlichen<br />

Bereich. Zwar steigt die Zahl der Vertragsärtzte,<br />

aber auch deren Durchschnittsalter.<br />

In 2016 betrug es 54 Jahre. Besonders prekär ist<br />

die Lage bei den Hausärzten. Jährlich beginnen<br />

10.000 junge Menschen ein Medizinstudium.<br />

Die wenigsten wollen Hausarzt werden. Hinzu<br />

Neue Versorgungsmodelle<br />

Es gibt bereits viele Beispiele dafür, wie auf die steigenden Zahlen alter<br />

Patienten reagiert werden kann – oft auch eingebettet in regionale Projekte:<br />

Populationsorientiert<br />

Die BKK Werra-Meißner und OptiMedis haben einen Vertrag zur populationsorientierten<br />

regionalen Versorgung im nordhessischen Landkreis Werra-Meißner<br />

geschlossen. Gemeinsam mit dem Landkreis, Ärztenetzen, Krankenhäusern, sozialen<br />

Einrichtungen und der Wirtschaftsförderung planen die Partner, ein umfassendes<br />

Gesundheitsnetzwerk nach dem Modell von Gesundes Kinzigtal in Baden-Württemberg<br />

aufzubauen, um die Versorgung besser und wirtschaftlicher zu machen. Die<br />

Organisation wird eine regionale Managementgesellschaft übernehmen, an der sich<br />

die Ärzte und auch andere Partner beteiligen können. Die Gesundheitsversorgung<br />

soll neu organisiert werden, der medizinische mit dem sozialen Sektor verbunden<br />

werden. In „Gesundes Kinzigtal“ ist der Ansatz, die Anreize im Gesundheitswesen<br />

umzukehren, schon über viele Jahre erprobt worden.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 9


Der alte Patient<br />

kommt, dass der Anteil der Mediziner, die keinen<br />

Vollversorgungsauftrag annehmen wollen,<br />

kontinuierlich zunimmt. Es gibt bei den Jüngeren<br />

einen Trend zu kürzeren Arbeitszeiten<br />

als sie von älteren Kollegen geleistet werden.<br />

Die Anzahl der Ärztinnen nimmt zu – sie betrug<br />

in 2016 bereits laut KBV fast 45 Prozent<br />

– ebenfalls ein Trend, der sich fortsetzt und u.a.<br />

eine steigende Teilzeitquote zur Folge hat. Laut<br />

Destatis betrug im Wintersemester 2015/2016<br />

der Anteil der weiblichen Medizinstudierenden<br />

rund 61 Prozent. Wie das Zentralinstitut für die<br />

kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi)<br />

in einer Studie ermittelt hat, stieg die Anzahl<br />

der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden<br />

Ärzte und Psychotherapeuten von<br />

2009 bis 2015 um ca. 10 Prozent. Das Wachstum<br />

der angebotenen vertragsärztlichen Leistungen<br />

lag jedoch nur bei 2,8 Prozent. Ob hier die gesundheitspolitisch<br />

festgelegten neuen Sprechzeiten<br />

etwas ändern werden, müssen wir erst<br />

einmal sehen.<br />

Das Ziel einer ausgewogenen haus- und fachärztlichen<br />

Versorgungsstruktur bisheriger Prägung<br />

kann also künftig unter den sich weiter<br />

verschärfenden Bedingungen vermutlich nicht<br />

mehr erreicht werden. Auch hier zeigt sich wieder,<br />

dass die getrennten Sektoren einer besseren<br />

Versorgung im Wege sind. Doch gerade für<br />

geriatrische Patienten ist es besonders wichtig,<br />

dass sich die Behandler in den verschiedenen<br />

Sektoren und Gesundheitsberufen (z.B. Hausärzte,<br />

Ergo- und Physiotherapeuten, Krankenhäuser,<br />

Apotheken) untereinander sehr gut<br />

vernetzen und regional abgestimmte Behandlungspfade<br />

entwickeln.<br />

Veränderung der<br />

Versorgungsstrukturen<br />

Dass eine bessere Verzahnung der Versorgungsstrukturen<br />

insgesamt sinnvoll, wäre, sagt<br />

der <strong>VKD</strong> seit Jahren. Vor allem für die Versorgung<br />

alter Patienten ist sie künftig geradezu<br />

zwingend. Inzwischen gibt es zwar eine ganze<br />

Reihe von Möglichkeiten der Vernetzung und<br />

der Kooperation, jedoch keinen systematischen<br />

Ansatz für eine grundlegende flächendeckende<br />

Lösung. Dazu würden eine sektorenübergreifende<br />

Qualitätssicherung und Bedarfsplanung<br />

mit Berücksichtigung regional unterschiedlicher<br />

Bedingungen sowie Regelungen zur Vergütung<br />

gehören.<br />

Viele Patienten werden im Laufe einer Behandlung<br />

in mehreren Sektoren versorgt. Sektorenübergreifende<br />

Qualitätssicherung bedeutet, die<br />

Patientenversorgung über einen gesamten Behandlungsverlauf,<br />

über alle Versorgungsebenen<br />

hinweg in ihrem Ergebnis zu prüfen. Das GKV-<br />

Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) von<br />

2007 hat dafür die gesetzlichen Vorgaben formuliert<br />

und dem Gemeinsamen Bundesausschuss<br />

die Aufgabe übertragen, Verfahren nicht<br />

nur für sektorenspezifische, sondern auch für<br />

sektorenübergreifende Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />

zu erarbeiten. Ziele sind die Sicherung<br />

der Kontinuität der Patientenversorgung,<br />

die Herstellung der Vergleichbarkeit zwischen<br />

den Sektoren sowie Einrichtungen und die Vermeidung<br />

von Qualitätsbrüchen beim Übergang<br />

der Patienten in den jeweils nächsten Sektor.<br />

Schlussendlich geht es um die Sicherung einer<br />

gleichbleibenden Qualität über den gesamten<br />

Behandlungsweg hinweg. Nur leicht optimis-<br />

Neue Versorgungsmodelle: Regional ausgerichtet<br />

Die Unimedizin Greifswald entwickelt Lösungen für die regionale Versorgung in<br />

Mecklenburg-Vorpommern. Kürzlich wurde das Projekt mit neuen Lösungsansätzen<br />

für spezielle Versorgungsbereiche erstmals öffentlich vorgestellt. Gemeinsam mit<br />

niedergelassenen Haus- und Fachärzten, Krankenhäusern, der Pflege, Physio-, Ergound<br />

Logotherapeuten sollen innovative, sektorenübergreifende Modelle entwickelt<br />

werden, um die Versorgung in ländlichen Regionen zu sichern. Im Fokus stehen<br />

dabei neben der Kinderheilkunde die Altersmedizin und die Palliativversorgung. Das<br />

Projekt wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-<br />

Vorpommern mit 1 Million Euro bis Ende 2021 gefördert. Das Ziel ist, die Versorgung<br />

stärker an den regionalen Gegebenheiten auszurichten, innovative, regionale und<br />

am Patienten orientierte Versorgungsmodelle zu entwickeln. Die Nutzung der Telemedizin<br />

sowie die Fachkräftegewinnung und neue Formen der Arbeitsteilung sind<br />

zentrale Elemente. Es wird u.a. eine regionale digitale Fallakte für die geriatrische<br />

Versorgung aufgebaut. Sie wird zunächst als Modell in der Region Waren (Müritz/<br />

Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) zusammen mit den dortigen Akteuren umgesetzt.<br />

Wenn sich das Modell bewährt, sollen weitere Regionen folgen.<br />

10<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

tisch stimmt, dass der G-BA inzwischen für immerhin<br />

zwei Indikationen sektorenübergreifende<br />

Qualitätsvorgaben veröffentlicht hat.<br />

Sektorenübergreifende<br />

Versorgungsplanung<br />

Eine sektorenübergreifende Qualitätssicherung<br />

wäre die Basis für die Entwicklung einer<br />

sektorenübergreifenden Bedarfsplanung.<br />

Der G-BA entwickelt ja bereits für die Kliniken<br />

planungsrelevante Qualitätsindikatoren.<br />

Eine einheitliche Qualitätssicherung ist als<br />

Hundert-Prozent-Lösung aber eher nicht zu<br />

erwarten. Zunächst wird sich diese wohl auf<br />

bestimmte Krankheitsbilder beschränken, die<br />

definitiv in beiden (bzw. mehreren) Sektoren<br />

behandelt werden. Dennoch ist auch über die<br />

anzustrebende regionale Planung die Bildung<br />

von Behandlungsnetzen, in die nicht nur Ärzte<br />

und Pflegedienste, Physiotherapeuten und<br />

Apotheken und auch Firmen, entlang konsentierter<br />

Pfade möglich und auch sinnvoll. Mit<br />

den Krankenhäusern im Zentrum dieser Netze<br />

könnte auch das Klinikmanagement die Steuerungsfunktion<br />

übernehmen.<br />

Die Vorschläge, auch des Sachverständigenrates<br />

für die Entwicklung im Gesundheitswesen,<br />

beziehen sich u.a. darauf, in der Landeskrankenhausplanung<br />

deutlich stärker die regionale Versorgungsplanung<br />

in den Blick zu nehmen. Dazu<br />

müsste dann gehören, regionale Qualitätsindikatoren<br />

zu erarbeiten und entsprechend regionale<br />

Auswertungen vorzunehmen, die stärker<br />

auf die dort lebende Bevölkerung zugeschnitten<br />

sind und daher eher auch sektorenübergreifende<br />

Auswertungen ermöglichen.<br />

Der Sachverständigenrat schlägt daher in seinem<br />

aktuellen Gutachten für das Bundesgesundheitsministerium<br />

eine auf medizinische<br />

Leistungen ausgerichtete Krankenhausplanung<br />

vor. Diese könne die zur Erbringung der Leistungen<br />

notwendigen, bzw. optimalen Personalund<br />

Gerätebedarfe berücksichtigen. Eine bedarfsgerechte<br />

Planung sollte sich, so der Rat,<br />

einzig am medizinischen Bedarf der Bevölkerung<br />

orientieren. Hierzu sei der Fokus “auf die<br />

Identifikation relevanter demografischer, epidemiologischer<br />

und medizintechnischer Einflussgrößen<br />

zu richten.“ Auf nachfragebedingte<br />

Veränderungen könnten zeitnah entsprechende<br />

Anpassungen erfolgen.<br />

Ein weiterer Vorschlag: Um abschätzen zu<br />

können, welche Nachfrage nach stationären<br />

Leistungen sich aus der morbiditätsbedingten<br />

Entwicklung ergeben, müsste man Routinedaten<br />

aus dem ambulanten Bereich nutzen. Auch<br />

Bevölkerungsdaten des Statistischen Bundesamtes<br />

seien wichtig, um Veränderungen in der<br />

Bevölkerungsstruktur berücksichtigen zu können.<br />

Der künftige Bedarf auch an stationären<br />

Leistungen sei dann plausibel aus der Kombination<br />

dieser Daten ableitbar.<br />

Nach Lage der Dinge ist aktuell mit wirklich<br />

sektorenübergreifender Bedarfsplanung leider<br />

nicht zu rechnen. Dennoch ist es angesichts<br />

der Entwicklungen zwingend notwendig, trotz<br />

der dafür ursächlichen sektoralen Interessenunterschiede<br />

darauf hinzuarbeiten. Der Politik<br />

kommt die Aufgabe zu, hier gemeinsam<br />

mit den Vertretern der Sektoren, den Krankenkassen<br />

und den Kommunen an Lösungen<br />

zu arbeiten und zumindest mittelfristig eine<br />

Gesundheitsversorgung aus einem Guss ohne<br />

Sektorengrenzen gesetzlich zu ermöglichen.<br />

Der <strong>VKD</strong> hatte in der Diskussion um ein neues<br />

Konzept der Notfallversorgung bereits darauf<br />

hingewiesen, dass hier die Möglichkeit für erste<br />

Schritte dorthin bestünde.<br />

Dass auch der Gesetzgeber einen langen Atem<br />

haben muss, wenn es um die sektorenübergreifende<br />

Versorgung geht, haben die vergangenen<br />

Jahre deutlich gezeigt. Ein wesentlicher Grund<br />

ist, dass die Verantwortlichen für die Bedarfsplanung<br />

im niedergelassenen als auch stationären<br />

Bereich diese selten im Auge haben.<br />

Neue Versorgungsmodelle: „Alters-Unit“<br />

In einigen Notaufnahmen wird schon für alte Patienten ein spezielles Konzept umgesetzt.<br />

So wurde im Rhön-Krankenhaus Frankfurt(Oder) eine „Alters-Unit“ in der<br />

Notaufnahme installiert, zu der nicht nur entsprechende Schulungen der Mitarbeiter<br />

und bauliche Anpassungen, sondern u.a. auch der Aufbau eines geriatrischen Case<br />

Managements und sektorenübergreifender Informationstransfer gehören. Bis zu 70<br />

Prozent der Akutpatienten in den Notaufnahmen sind älter als 70 Jahre. Projekte<br />

wie dieses verbessern nicht nur die Versorgungsqualität der betreffenden Patienten,<br />

sondern sie entlasten auch das Personal.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 11


Der alte Patient<br />

Veränderungen besser regional<br />

statt zentral?<br />

Ein kleiner Schritt hin zu Veränderungen war<br />

die Einrichtung gemeinsamer Landesgremien<br />

aus Vertretern von Land und Krankenkassen,<br />

Krankenhausgesellschaften, Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen und anderen Beteiligten, die<br />

Empfehlungen zu sektorenübergreifenden Versorgungsfragen<br />

geben können. Planungsverantwortung<br />

haben sie nicht. Der Sachverständigenrat<br />

hat empfohlen, aus dieser Kann-Regelung<br />

eine Muss-Regelung zu machen. Der<br />

Sicherstellungsauftrag solle bei einer drohenden<br />

Unterversorgung auf diese Gremien übergehen.<br />

Die Bilanz des Gesetzgebers zur Schaffung einer<br />

sektorenübergreifenden Versorgung ist<br />

trotz verschiedener Regelungsversuche mager.<br />

Inzwischen schaut man auf die vom Innovationsfonds<br />

geförderten Projekte, die in diese<br />

Richtung gehen.<br />

Digitalisierung gerade auch für<br />

dieVersorgung alter Patienten<br />

notwendig<br />

Die große Bedeutung der Digitalisierung für die<br />

Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsversorgung<br />

ist inzwischen unbestritten. Für die künftig<br />

vernetzte Versorgung der alten Patienten ist<br />

sie natürlich essenziell. Gerade hier geht es<br />

um systematischen Informationsaustausch der<br />

Leistungserbringer untereinander und mit den<br />

Patienten.<br />

Leider kommt die Implementierung einer<br />

nationalen Telematikinfrastruktur und die<br />

damit verbundene Anwendung der elektronischen<br />

Gesundheitskarte nur im Schneckentempo<br />

voran – obwohl hier bereits viel Geld<br />

geflossen ist.<br />

Fazit<br />

Die Versorgung alter Patienten könnte mit der<br />

Macht des Faktischen zum Muster einer sektorenübergreifenden<br />

Versorgung insgesamt<br />

werden – warum soll man die Strukturen nicht<br />

für alle nutzen? Bisher allerdings gibt es zwar<br />

Versorgungsmodelle und Projekte, aber keine<br />

flächendeckenden Lösungen.<br />

Letztlich verantwortlich für die Gesundheitsversorgung<br />

in allen Sektoren sind die Länder.<br />

Grundsätzlich ist festzustellen, dass Impulse<br />

und Initiativen für eine sektorenübergreifende<br />

Versorgung bisher vor allem vom Gesetzgeber<br />

ausgegangen sind – nur ein Beispiel ist die Integrierte<br />

Versorgung.<br />

Regionale und sogar kommunale Planung von<br />

Versorgungsstrukturen scheint ein praktikabler<br />

Einstieg in eine systematische Vernetzung<br />

Neue Versorgungsmodelle: Maßgeschneidert<br />

Maßgeschneiderte Leistungspakete aus Klinikaufenthalt, Kurzzeitpflege und medizinischer<br />

Nachsorge aus einer Hand werden an zahlreichen Standorten der Agaplesion<br />

gAG ausgebaut. So wird - nur ein Beispiel - die Agaplesion Bethesda Klinik Ulm um<br />

Seniorenwohnungen, ein Pflegeheim und eine stationäre geriatrische Rehabilitation<br />

erweitert. Das Unternehmen geht aber auch Kooperationen mit qualitätsbewussten<br />

Partnern ein.<br />

Neue Versorgungsmodelle: Video-Sprechstunden<br />

Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Buntenskamp in Geesthacht bietet<br />

regelmäßige Video-Sprechstunden und Video-Notfallbehandlungen als ergänzendes<br />

Werkzeug zu den regulären, persönlichen Hausbesuchen bei Heimbewohnern an.<br />

Der Gesundheitsversorger für die Stadt Geesthacht und die Region Herzogtum Lauenburg<br />

gehört damit zu den bundesweit ersten Anbietern dieses neuen Formats in<br />

der Patientenversorgung. Den Auftakt für das telemedizinische Angebot macht das<br />

MVZ in Kooperation mit dem „Haus Elbsonne“ in Geesthacht, das zur Gruppe Pflegeheime<br />

Apel gehört. Der Arzt sitzt an seinem Arbeitsplatz-Computer im MVZ und<br />

hat dort die gesamte Patientenakte zur Verfügung. Über einen Tablet-PC ist er mit<br />

dem Senioren- und Pflegeheim verbunden. Von dort aus kann der Patient per Video-<br />

Livestream mit dem Arzt sprechen. Unterstützt wird er dabei von einer Pflegekraft,<br />

die das Tablet für ihn hält und bedient. Neben der regulären Video-Visite bietet das<br />

MVZ Buntenskamp auch eine Video-Notfallbehandlung an. Damit kann das Pflegepersonal<br />

in unklaren Situationen mit einer schnellen medizinischen Einschätzung<br />

unterstützt werden.<br />

12<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

zu sein, weil hier ganz gezielt und flexibel auf<br />

den sich ja auch immer wieder ändernden Bedarf<br />

reagiert werden kann. Hierbei könnte die<br />

Begegnung aller Beteiligten, einschließlich der<br />

Politiker, mit den Patienten einen positiven<br />

Druck aufbauen, gemeinsam auf Augenhöhe<br />

die notwendigen Entscheidungen zu treffen.<br />

Daraus entstünden dann natürlich sehr unterschiedliche<br />

Modelle der Zusammenarbeit –<br />

auch die demografische Entwicklung verläuft<br />

ja nicht überall gleich schnell. Vor Ort sieht die<br />

Welt immer anders aus, als aus Berlin, Düsseldorf<br />

oder Hannover.<br />

Eine Hoffnung liegt auf der von den Landesgesundheitsministern<br />

empfohlenen Bund-Länder-Reformkommission,<br />

die auf „eine gemeinsame<br />

Bedarfsplanung und abgestimmte Zulassung“<br />

sowie eine zusätzliche, damit einhergehende<br />

Angleichung der Honorierungssysteme<br />

hinarbeitet (Beschluss der 90. GMK, TOP 11.1).<br />

Die Vorstellung, dass sich mittelfristig die<br />

Vergütungssystematiken der Sektoren angleichen,<br />

scheint allerdings sehr optimistisch. Eine<br />

grundsätzliche Überarbeitung des Systems<br />

der Fallpauschalen hat der <strong>VKD</strong> schon mehrfach<br />

gefordert. Es geht um die Überprüfung<br />

des Hundert-Prozent-Ansatzes und die Definition<br />

pauschaler Elemente der Vergütung, in<br />

denen spezielle Besonderheiten berücksichtigt<br />

werden können, wie sie etwa die im Vergleich<br />

höheren Vorhaltekosten kleiner, bedarfsnotwendiger<br />

Häuser oder die Bedingungen der<br />

Maximalversorger für deren hochspezialisierte<br />

Leistungen darstellen.<br />

Als ein Einstieg in die sektorenübergreifende<br />

Versorgung wird der Innovationsfonds nach<br />

§ 92a SGB V, gesehen. Er zielt darauf ab, insbesondere<br />

Vorhaben zu fördern, die eine Verbesserung<br />

der sektorenübergreifenden Versorgung<br />

zum Ziel haben. Zu den Förderkriterien<br />

gehören die Optimierung der Zusammenarbeit<br />

innerhalb und zwischen verschiedenen Versorgungsbereichen,<br />

Versorgungseinrichtungen<br />

und Berufsgruppen sowie interdisziplinäre und<br />

fachübergreifende Versorgungsmodelle.<br />

Natürlich müssen auch die Krankenhäuser dort,<br />

wo damit noch nicht begonnen wurde, ihre internen<br />

Strukturen an die weiter wachsende Zahl<br />

alter Patienten anpassen: Änderung der Stationsstrukturen,<br />

Bildung kleinerer Pflegegruppen,<br />

ärztliche Zuordnung zu Pflegegruppen, Verbesserung<br />

der Kommunikation und des Informationsflusses,<br />

Anpassung der baulichen<br />

Strukturen und der Ausstattung. Auch die Beiträge<br />

in diesem Heft zeigen, dass es dafür u.a.<br />

mehr speziell ausgebildetes Personal braucht.<br />

Bessere Kooperation ist auch außerhalb staatlicher<br />

Gesetze und Regelungen möglich. Dass<br />

natürlich auch immer wieder eine andere Vergütung<br />

notwendig ist, scheinen die Kassen<br />

nicht zu begreifen – siehe das Konzept zur<br />

Versorgung von Patienten mit Delir aus Eutin.<br />

Das Konzept ist da, das Netzwerk ist da – aber<br />

völlig ohne Vergütung ist das nun einmal nicht<br />

umzusetzen.<br />

»Die Alterung der<br />

Gesellschaft erfordert<br />

stärker als bisher eine<br />

geplante und vernetzte<br />

Versorgung innerhalb und<br />

zwischen den Versorgungssektoren<br />

sowie den übrigen<br />

Gesundheitsdienstleistern.«<br />

Gabriele Kirchner<br />

Sektorenübergreifende Bedarfsplanung wird erprobt<br />

Wie eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung funktionieren könnte, wird in einem<br />

Modellprojekt erprobt, im Rahmen dessen drei Forscherteams der Universitäten<br />

Frankfurt, Heidelberg und Stuttgart zwei Jahre lang entsprechende Daten erheben.<br />

Einbezogen sind sieben Krankheiten, für die der Ist-Zustand anhand verschiedener<br />

Faktoren, wie etwa Mortalität und Leistungsfähigkeit, sowohl im stationären<br />

als auch im ambulanten Sektor bewertet werden. In den betreffenden Landkreisen<br />

erarbeiten Expertengruppen auf dieser Grundlage Lösungsansätze und Empfehlungen<br />

für die sektorenübergreifende Versorgung. Nach Strukturgesprächen mit den<br />

Kommunen und Versorgern werden dann konkrete Empfehlungen für eine<br />

landesweite Bedarfsplanung gegeben. Ein regionaler Ansatz, wie ihn auch der<br />

Sachverständigenrat empfiehlt.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 13


Der alte Patient<br />

Auf dem Weg zu einem<br />

demenzsensiblen Krankenhaus<br />

Das Ziel: Verbesserung der Versorgungssituation für Patienten mit kognitiven Einschränkungen<br />

Anna-Maria Combes<br />

Gesundheits- und Krankenpflegerin<br />

mit zusätzlichem<br />

Bachelorabschluss<br />

im Pflegemanagement,<br />

Stationsleitung,<br />

Demenzbeauftragte sowie<br />

Ehrenamtskoordinatorin<br />

der Haßberg-Kliniken<br />

»Schulungen zum Thema<br />

Demenz werden oft nur für<br />

Pflegekräfte angeboten.<br />

Sie sind aber für alle<br />

Berufsgruppen mit direktem<br />

Patientenkontakt wichtig.<br />

Nur wenn alle Mitarbeiter<br />

sicher im Umgang mit<br />

demenziell erkrankten<br />

Menschen sind, kann eine<br />

verbesserte Versorgung<br />

für diese Klientel erreicht<br />

werden.«<br />

Anna-Maria Combes<br />

Die Haßberg-Kliniken<br />

Die Haßberg-Kliniken sind ein Verbund der Allgemeinkrankenhäuser im Landkreis<br />

Haßberge an den Standorten Haßfurt und Ebern. Sie stellen die Grund- und Regelversorgung<br />

der Kreisbevölkerung sicher. Das größte Haus der Haßberg-Kliniken ist das<br />

im Jahr 1945 gegründete Krankenhaus in Haßfurt. Das Leistungsspektrum umfasst die<br />

Allgemein- und Unfallchirurgie ebenso wie die Innere Medizin, die Akutgeriatrie mit<br />

Alterstraumazentrum, die Anästhesie, die Abteilung für Geburtshilfe und Frauenheilkunde<br />

sowie eine Belegabteilung für HNO-Heilkunde. Im Jahr 2017 kam die Sektion<br />

Gefäßchirurgie hinzu. Insgesamt werden jährlich rund 10.300 stationäre und rund<br />

18.000 ambulante Fälle versorgt. Die Anzahl der Planbetten beträgt 220. Das Unternehmen<br />

beschäftigt 559 Voll- und Teilzeitmitarbeiter. Der Schwerpunkt der Haßberg-<br />

Kliniken liegt zunehmend in der Altersmedizin.<br />

Im März 2016 wurde im unterfränkischen<br />

Landkreis Haßberge eine Projektgruppe<br />

„Demenzsensible Haßberg-Kliniken“ gegründet.<br />

Die Gründung folgte der Erkenntnis, dass<br />

angesichts der demografischen Entwicklung<br />

die Altersmedizin bereits heute einen deutlich<br />

höheren Stellenwert für das Krankenhaus<br />

hat, als in vergangenen Jahren, dass diese<br />

Entwicklung sich fortsetzen wird und dass alle<br />

Mitarbeiter sich entsprechend ihren Funktionen<br />

und Positionen im Krankenhaus darauf<br />

einstellen müssen. Leiterin der Projektgruppe<br />

ist die Autorin.<br />

Je älter die Menschen werden, desto höher ist<br />

ihr Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Im<br />

Jahr 2010 gab es bereits 1,2 Millionen Demenzkranke<br />

in Deutschland. In jedem Jahr kommen<br />

248.000 Neuerkrankungen dazu (vgl. Bickel;<br />

Weyerer 2007: 42 ff.). Bis 2020 – so die Prognosen<br />

– wird die Zahl der dementen Menschen<br />

in Deutschland bis auf 2,9 Millionen ansteigen<br />

und im Jahr 2030 sogar die Zahl von 3,4 Millionen<br />

Erkrankten erreichen (vgl. statistische Ämter<br />

des Bundes und der Länder 2008).<br />

Bisher leiden schätzungsweise schon mindestens<br />

zehn Prozent aller im Krankenhaus behandelten<br />

Patienten an einer Demenz. Die Nebendiagnose<br />

Demenz verursacht oft einen höheren<br />

Behandlungs- und Betreuungsaufwand als die<br />

Grunderkrankung selbst. Dennoch sind nur die<br />

wenigsten Einrichtungen räumlich und personell<br />

für die Bedürfnisse dementer Menschen<br />

ausgestattet (vgl. Füsgen 2012: 11).<br />

Das Projektziel<br />

Übergeordnetes Ziel des Projektes „Demenzsensible<br />

Haßberg-Kliniken“ war und ist es, eine<br />

strukturelle und qualitative Verbesserung der<br />

Versorgungssituation für Patienten mit kognitiven<br />

Einschränkungen zu schaffen. Drei Teilziele<br />

wurden dafür definiert:<br />

• Schulung des Krankenhauspersonals und die<br />

Umstrukturierung von Prozessen.<br />

• Erarbeitung von demenzsensiblen Konzepten<br />

für die Haßberg-Kliniken. Dabei spielen<br />

neue Beschäftigungs- und Betreuungsmöglichkeiten<br />

sowie der Einsatz von Ehrenamtlichen<br />

eine wichtige Rolle.<br />

• Aufbau von Netzwerken. Sie sollen unter an<br />

derem mit stationären und ambulanten<br />

Pflegediensten gebildet werden, um gegen<br />

seitig vom Wissen und von den Erfahrungen<br />

der anderen Partner profitieren zu können.<br />

Diese drei Ziele sollen letztlich der Vorbereitung<br />

der Haßberg-Kliniken auf die zukünftigen<br />

Herausforderungen durch die steigende Zahl<br />

demenzkranker Menschen dienen.<br />

Dies wird schließlich auch dazu beitragen,<br />

Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit<br />

zu sichern und zu verbessern. Gerade kleine<br />

Landkrankenhäuser sind prädestiniert für die<br />

Behandlung von hochbetagten Patienten, die<br />

häufig in Dauerbetreuung durch ihren Hausarzt<br />

14<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

sind. Aufgrund der Wohnortnähe kann die Einbeziehung<br />

des Hausarztes in das stationäre<br />

Behandlungskonzept über Netzwerkstrukturen<br />

gut gelingen. Und auch das soziale Umfeld des<br />

Patienten kann unproblematisch eingebunden<br />

werden, da häufige Krankenbesuche durch die<br />

Angehörigen im nahegelegenen Krankenhaus<br />

erleichtert sind.<br />

Die Rahmenbedingungen<br />

Das Projektteam wurde vom Pflegedienstleiter<br />

der Haßberg-Kliniken, Michael Weiß-Gehring,<br />

zusammengestellt. Um produktiv arbeiten zu<br />

können, sollte die Gruppengröße zu keinem<br />

Zeitpunkt mehr als zehn Teilnehmer haben. Die<br />

Projektleitung wurde der Autorin übertragen,<br />

die eine Gesundheits- und Krankenpflegerin im<br />

Kommunalunternehmen ist und berufsbegleitend<br />

an der Hamburger Fernhochschule Pflegemanagement<br />

studierte. Sie ist als Demenzbeauftragte<br />

benannt und fungiert auch als<br />

Ehrenamtskoordinatorin der Haßberg-Kliniken.<br />

Als ärztliche Unterstützung wurde ein Facharzt<br />

für Innere Medizin, Angiologie, Diabetologie<br />

und Geriatrie in die Gruppe integriert, der<br />

auch als Chefarzt der Akutgeriatrie im Kommunalunternehmen<br />

tätig ist. Die Pflege ist durch<br />

die Stationsleitung der Inneren Medizin, Haus<br />

Ebern, die stellvertretende Pflegedienstleitung,<br />

die Stationsleitung der Akutgeriatrie Haßfurt<br />

sowie den Pflegedienstleiter selbst vertreten.<br />

Im Auftrag des therapeutischen Teams wurde<br />

eine Physiotherapeutin der Akutgeriatrie in die<br />

Mitgliedsrunde aufgenommen. Um frühzeitig<br />

Netzwerke aufbauen zu können, wurden auch<br />

Vertreter des Landratsamts Haßberge (Pflegestützpunkt<br />

und "Gesundheitsregion plus")<br />

sowie des Sozialdienstes des Krankenhauses<br />

eingeladen. Bei Bedarf wird die Gruppe durch<br />

ausgewählte Gäste komplementiert.<br />

Demenzsensible Konzepte<br />

Die Mahlzeiten<br />

Für einen kognitiv eingeschränkten Menschen<br />

stellt unter anderem die Speiseversorgung im<br />

Krankenhaus ein Problem dar. Meist wird die<br />

Essensbestellung einen Tag im Voraus aufgenommen.<br />

Wenn 24 Stunden später das Essen<br />

gereicht wird, können sich demenzkranke Patienten<br />

nicht mehr an ihre Bestellung vom Vortag<br />

erinnern. Sie haben nun nicht mehr die Möglichkeit,<br />

ein anderes Menü zu wählen, was im<br />

schlimmsten Fall zur Nahrungsverweigerung<br />

führen kann.<br />

Problematisch ist auch das Tablett-System, das<br />

in nahezu allen Krankenhäusern Anwendung<br />

findet. Hierbei werden mehrere Gänge zusammen<br />

auf einem Tablett serviert. Menschen mit<br />

Demenz stellt dies meist vor eine unlösbare<br />

Aufgabe. Sie erkennen die Speisen auf dem Teller<br />

oft nicht mehr und so kommt es vor, dass<br />

etwa die Nachspeise in der Suppe landet. Auch<br />

der fehlende soziale Aspekt durch die Einnahme<br />

der Mahlzeit allein im Zimmer, ohne Gesellschaft,<br />

führt dazu, dass demenziell erkrankte<br />

Patienten weniger oder gar nichts zu sich nehmen.<br />

(vgl. Robert Bosch Stiftung 2007: 16 ff.).<br />

Um die Speiseversorgung für Demenzkranke in<br />

unserem Unternehmen zu optimieren, wird als<br />

eine Konsequenz bereits im Bereich der Akutgeriatrie<br />

und der internistischen Station im<br />

Die Projekttreffen finden in einem Rhythmus<br />

von zwei Wochen statt. Für jede Sitzung ist in<br />

etwa eine Stunde Zeit eingeplant, die den jeweiligen<br />

Teilnehmern als Arbeitsstunde gutgeschrieben<br />

wird.<br />

Das Projekt ist organisatorisch und auch finanziell<br />

direkt der Pflegedienstleitung unterstellt.<br />

Das bedeutet, dass die Kosten, die hier<br />

entstehen, auf die pflegerischen Kostenstellen<br />

aller Klinikstandorte verteilt werden. Weitere<br />

Geldmittel konnten nach einer erfolgreichen<br />

Bewerbung beim Bundesamt für Familie<br />

und zivilgesellschaftliche Aufgaben durch eine<br />

Förderung im Rahmen des Programms „Lokale<br />

Allianzen für Menschen mit Demenz“ generiert<br />

werden.<br />

Haßberg-Kliniken – Geschützter Außenbereich der Akutgeriatrie<br />

mit Terrasse und Rundweg an den Hochbeeten vorbei<br />

Foto: Sybille Themé<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 15


Der alte Patient<br />

gefühl vermittelt. Die Betroffenen sind ruhiger<br />

und weisen deutlich weniger Schlafprobleme<br />

und Verwirrtheitszustände auf, als vom Krankheitsbild<br />

vergleichbare Patienten ohne Begleitung<br />

ihrer Angehörigen (vgl. Saxl 2014: 10 f.).<br />

Aufgrund der begrenzten Planbetten im Haus<br />

kann diese Möglichkeit der Betreuung Demenzkranker<br />

durch ihre Angehörigen allerdings<br />

nur unter Vorbehalt eingeräumt werden.<br />

Platz zwei - Auszeichnung als Nachwuchs-Pflegemanager des Jahres <strong>2018</strong> für Anna-<br />

Maria Combes und ihr Projekt „Demenzsensible Haßberg-Kliniken“. Der Preis wurde<br />

vom Bundesverband Pflegemanagement in Zusammenarbeit mit Springer Pflege beim<br />

Kongress Pflege in Berlin verliehen. In der Begründung heißt es u.a., die Versorgungsqualität<br />

der betroffenen Patienten habe durch eine Vielzahl innovativer Ideen deutlich<br />

gesteigert werden können. Die 28-Jährige habe durch ihr hohes Maß an Kreativität<br />

und Durchhaltevermögen überzeugt. Anna-Maria Combes war eine von drei ausgezeichneten<br />

auf Platz zwei in diesem Wettbewerb.<br />

Foto: Haßberg-Kliniken<br />

Haus Ebern der Gemeinschaftsraum als Speisesaal<br />

genutzt. Hier können nun demente und<br />

nicht demente Patienten gemeinsam essen.<br />

Die Pflegekräfte berichten nach dieser Veränderung<br />

von positiven sozialen Interaktionen<br />

beim Essen und von weniger Problemen bei der<br />

Nahrungsaufnahme durch die kognitiv eingeschränkten<br />

Patienten.<br />

Des Weiteren wurden alle Mitarbeiter, die das<br />

Essen austeilen, dazu angehalten, demenziell<br />

Erkrankten nicht das gesamte Tablett zu reichen,<br />

sondern die einzelnen Gänge nacheinander<br />

bereitzustellen.<br />

Auf Sicht ist die Abschaffung des Tablett-Systems<br />

in diesen beiden Bereichen angedacht.<br />

Das Essen soll künftig erst direkt im Speisesaal<br />

aus einem Küchenwagen auf die Teller gegeben<br />

werden. So kann auch kurzfristig auf Essenswünsche<br />

und auf die benötigte Menge eingegangen<br />

werden.<br />

Einbeziehung der Angehörigen<br />

Um die Angehörigen besser in die Versorgung<br />

des demenziell erkrankten Patienten einbeziehen<br />

zu können, wollen die Haßberg-Kliniken<br />

die Möglichkeit zum Rooming-In anbieten. Mit<br />

Rooming-In ist das Übernachten eines Angehörigen<br />

im Patientenzimmer gemeint. Durch<br />

die Anwesenheit von vertrauten Personen, vor<br />

allem auch in der Nacht, wird dem Demenzerkrankten<br />

sowohl Sicherheit als auch ein Wohl-<br />

Anpassung der räumlichen Bedingungen<br />

Auch die räumlichen und baulichen Gegebenheiten<br />

können an die Bedürfnisse von kognitiv<br />

beeinträchtigten Menschen angepasst werden<br />

und somit zu Erleichterungen im Krankenhausalltag<br />

führen. Für die Unterbringung von<br />

Demenzkranken ist eine ruhige und geschützte<br />

Station empfehlenswert. Die Gestaltung<br />

der Räume und Flure kann die Wahrnehmung<br />

demenziell Erkrankter positiv beeinflussen,<br />

aggressives Verhalten reduzieren und zur gesteigerten<br />

Gesamtzufriedenheit beitragen. Für<br />

demente Patienten sind nicht nur rutschfeste<br />

Fußböden und Handläufe von Vorteil, sondern<br />

auch eine anregende Farbgestaltung und eine<br />

erklärende Bildsprache (vgl. Schwarz 2015: 4).<br />

Die Krankenzimmer selbst sollten hell und<br />

freundlich gestaltet sein. Wichtig ist eine Ausgewogenheit<br />

zwischen Wohnlichkeit, Sicherheit<br />

und klinischer Funktionalität. In allen Bereichen<br />

spielen die Patientensicherheit und Elemente,<br />

die den Patienten Orientierung in der<br />

ungewohnten Umgebung ermöglichen – z.B.<br />

Wegweiser und Bildschriften - eine große Rolle<br />

(vgl. Kirchen-Peters 2013: 37 f.). Bereits kleine<br />

Veränderungen, wie das Streichen einzelner<br />

Wände, das Aufhängen von Bildern oder der<br />

Austausch von Leuchtmitteln, kann ihr Wohlbefinden<br />

steigern (vgl. Brommer et al. 2013: 43<br />

ff.). Auch von zuhause mitgebrachte vertraute<br />

Gegenstände (Bilder, Kissen, etc.) sind hilfreich<br />

und sorgen für eine vertraute Atmosphäre (vgl.<br />

Schwarz 2015: 6).<br />

Schulung der Mitarbeiter<br />

Um demenziell erkrankte Patienten qualitativ<br />

gut versorgen zu können, sind Schulungen der<br />

Mitarbeiter unumgänglich. Schulungen zum<br />

Thema Demenz werden oft nur für Pflegekräfte<br />

angeboten. Sie sind aber für alle Berufsgruppen<br />

mit direktem Patientenkontakt wichtig. Nur<br />

wenn alle Mitarbeiter sicher im Umgang mit<br />

demenziell erkrankten Menschen sind, kann<br />

eine verbesserte Versorgung für diese Klientel<br />

erreicht werden (vgl. Kirchen-Peters 2013: 53).<br />

Die Intensität der Schulungsinhalte sollte<br />

zwischen den einzelnen Berufsgruppen jedoch<br />

variieren. Allen Arbeitnehmern müssen aber<br />

die verschiedenen Inhalte zum Themenkom-<br />

16<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

plex Demenz vermittelt werden, damit sie im<br />

Umgang mit kognitiv Eingeschränkten sicherer<br />

werden und sich somit nicht nur für sie,<br />

sondern vor allem für die betroffenen Patienten<br />

der Klinikalltag verbessert. Durch das<br />

vermittelte Hintergrundwissen zu diesen kognitiven<br />

Erkrankungen werden die Mitarbeiter<br />

für die Situation der Betroffenen sensibilisiert<br />

und können so besser auf die individuellen<br />

Bedürfnisse dieser Patientengruppe eingehen.<br />

Zunächst ist allen Beschäftigten vor Augen zu<br />

führen, dass es kein einheitliches Rezept für<br />

den Umgang mit kognitiv eingeschränkten Patienten<br />

gibt. Unabhängig von der Schwere der<br />

Demenz haben die Erkrankten ganz verschiedene<br />

Bedürfnissen, Biografien, Ressourcen<br />

und Defizite. Die Mitarbeiter müssen erkennen,<br />

wie wichtig es ist, auf diese Individualität<br />

im Umgang mit Betroffenen einzugehen (vgl.<br />

Hipp 2012: 4 f.).<br />

Auch in Bezug auf die Schulungsinhalte müssen<br />

Differenzierungen der einzelnen Berufsgruppen<br />

stattfinden. Die Schulung des Pflegepersonals<br />

ist dabei besonders umfangreich,<br />

da es den meisten Kontakt mit demenziell<br />

erkrankten Patienten hat. In den Haßberg-<br />

Kliniken werden den Pflegekräften folgende<br />

Schulungsinhalte vermittelt:<br />

• Hintergründe zur Krankheit<br />

• Symptome der Demenz inklusive der<br />

Differenzierung Krankheitsbild Delir<br />

• Beobachtung und Wahrnehmung<br />

• spezielle Situation von dementen<br />

Menschen im Krankenhaus<br />

• Kommunikation und Interaktion<br />

• herausforderndes Verhalten<br />

• Validation nach Richard<br />

• Biografiearbeit sowie Milieutherapie<br />

Für die Ärzte sind die Inhalte ähnlich. Allerdings<br />

gehen deren Schulungen bei den pflegespezifischen<br />

Themen nicht so weit in die Tiefe. Ergänzt<br />

werden die Fortbildungen der Mediziner hingegen<br />

durch spezielle diagnostische Möglichkeiten<br />

zur Erkennung einer Demenz sowie durch<br />

medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten<br />

dieser Erkrankung.<br />

Die übrigen Mitarbeiter erhalten eine kurze<br />

Einführung in die Krankheit, die deren Entstehung,<br />

Symptomatik und Behandlungsformen<br />

knapp beinhaltet. Des Weiteren werden sie im<br />

Bereich Kommunikation und Umgang mit kognitiv<br />

eingeschränkten Menschen geschult.<br />

Auch, wie sie in bestimmten Situationen, beispielsweise<br />

bei herausforderndem Verhalten,<br />

handeln sollen, wird ihnen näher gebracht.<br />

Kennzeichnung und Information<br />

Um in bestimmten Situationen alle an der Versorgung<br />

des betreffenden Patienten beteiligten<br />

Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass ihnen ein<br />

Patient mit einer demenziellen Erkrankung gegenübersteht,<br />

ist es sinnvoll, die Krankenakte<br />

mit einem Vermerk über das Vorliegen einer<br />

kognitiven Einschränkung zu versehen. Dies ist<br />

vor allem wichtig, wenn der Patient die Station<br />

für Untersuchungen, Behandlungen oder Operationen<br />

verlassen muss und mit Personal in<br />

Kontakt kommt, das ihn und seine Krankheitsgeschichte<br />

nicht detailliert kennt. Eine Kennzeichnung<br />

kann in der Krankenakte, im Computersystem<br />

oder durch ein spezielles Symbol auf<br />

den Patientenarmbändern stattfinden. Unerlässlich<br />

bei der Kennzeichnung einer kognitiven<br />

Einschränkung in den Patientenunterlagen ist<br />

die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen<br />

(vgl. Bille et al. 2011: 9).<br />

Einsatz von Hilfsmitteln<br />

Der gezielte Einsatz von Hilfsmittel für die Arbeit<br />

mit kognitiv eingeschränkten Menschen<br />

kann ebenfalls zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität<br />

beitragen. Es gibt hier zahlreiche<br />

Möglichkeiten, die allerdings vor einer<br />

Anschaffung gründlich daraufhin zu prüfen<br />

sind, ob sie zum einen notwendig und zum anderen<br />

überhaupt geeignet für die jeweilige Organisation<br />

und deren Versorgungskonzept sind<br />

(vgl. Schwarz 2015: 4).<br />

Für die Patientensicherheit arbeitet das Kommunalunternehmen<br />

mit einem Türalarmsystem,<br />

bei dem die Ausgangstür verriegelt wird, sobald<br />

ein Patient mit einem kompatiblen Armband in<br />

die Nähe des Ausganges kommt. Dadurch soll<br />

Menschen mit einer Lauftendenz die Möglichkeit<br />

gegeben werden, sich frei und sicher im<br />

Bereich der Stationen fortbewegen zu können.<br />

Auch die so genannten Klingelmatten kommen<br />

zum Einsatz. Sie werden vor das Bett oder neben<br />

den Stuhl eines kognitiv eingeschränkten<br />

Patienten gelegt und geben ein akustisches Signal<br />

sobald der Patient aufsteht und diese betritt.<br />

Für eine bessere Orientierung kommen verstärkt<br />

Piktogramme zum Einsatz. Durch die<br />

leichtverständlichen Bilder können auch Menschen,<br />

die die Fähigkeit zu lesen verlernt haben,<br />

Orientierung finden (vgl. Schwarz 2015: 5). In<br />

den Haßberg-Kliniken werden die Piktogramme<br />

an den Toiletten, am Speisesaal oder an anderen,<br />

für die Patienten wichtigen Zimmern der<br />

Station angebracht. An das Patientenzimmer<br />

wird ein individuell auf die Vorlieben des Dementen<br />

zugeschnittenes Bild geheftet. Ausgewählte<br />

Bücher, Musik und Spiele fungieren als<br />

Hilfsmittel im Bereich Beschäftigung.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 17


Der alte Patient<br />

Entwicklung eines Informationsordners<br />

Um allen Mitarbeitern zu jeder Zeit die Möglichkeit<br />

zu geben, Informationen zum Thema<br />

Demenz und den im Kommunalunternehmen<br />

eingeführten demenzsensiblen Konzepten<br />

erhalten zu können, ist die Entwicklung eines<br />

Informationsordners geplant, der künftig<br />

in allen Abteilungen vorhanden sein wird. Der<br />

Ordner soll, neben einer Liste mit den Demenzbeauftragten<br />

und den im Haus eingeführten<br />

Assessments, auch allgemeine Hinweise und<br />

Empfehlungen zum Umgang mit kognitiv eingeschränkten<br />

Patienten beinhalten. Des Weiteren<br />

sollen alle relevanten Flyer und Zeitungsberichte<br />

sowie sämtliche Formulare, die für<br />

die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen nötig<br />

sind, in den Ordner aufgenommen werden. Flyer<br />

und Listen von Anlaufstellen für Angehörige gehören<br />

ebenfalls zum Informationspaket.<br />

Ausbildung von Demenz-Beauftragten<br />

Für eine qualitativ hochwertige Betreuung von<br />

Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen<br />

ist es notwendig, für jede Abteilung einen<br />

Demenz-Beauftragten auszubilden. Seine<br />

Schulung muss detaillierter und ausführlicher<br />

erfolgen, als für die übrige Belegschaft. Dieser<br />

Experte wird Ansprechpartner für das gesamte<br />

Personal der jeweiligen Station sein. Er führt<br />

kleine Schulungen durch und ist als Berater tätig.<br />

In Situationen, in denen das Personal Probleme<br />

im Umgang mit kognitiv eingeschränkten<br />

Patienten hat, kann der Demenz-Beauftragte<br />

hinzugerufen werden und Handlungsmöglichkeiten<br />

aufzeigen.<br />

Vernetzung mit regionalen Partnern<br />

Die Beteiligung an Netzwerken dient einer Verbesserung<br />

der Schnittstellen zu anderen Versorgungsbereichen.<br />

Wichtige Netzwerkpartner<br />

für Kliniken sind niedergelassene Ärzte, ambulante<br />

und stationäre Pflegeeinrichtungen sowie<br />

Beratungsstellen. Auch die Einrichtung eines<br />

Netzwerks für ehrenamtliche Mitarbeiter ist<br />

für ein Krankenhaus von großer Bedeutung (vgl.<br />

Bille et al. 2011: 8).<br />

Ab September <strong>2018</strong> ist die Umsetzung des Ehrenamtskonzepts<br />

in den Haßberg-Kliniken geplant.<br />

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sollen<br />

zur Unterstützung der Pflegekräfte im Bereich<br />

Beschäftigung und Betreuung zum Einsatz<br />

kommen. Aufgabenfelder sind die Begleitung<br />

zu Untersuchungen, die Betreuung nach Operationen<br />

(nicht pflegerisch oder medizinisch),<br />

das Führen von Gesprächen sowie die organisatorische<br />

Hilfe. Auch Singen, Basteln, Vorlesen,<br />

hauswirtschaftliche und handwerkliche Kleinprojekte<br />

zählen zu den möglichen Tätigkeiten<br />

der Ehrenamtlichen.<br />

Bevor die ehrenamtlichen Mitarbeiter ihren<br />

Dienst antreten, sind ein Bewerbungsgespräch,<br />

die Unterzeichnung einer Dienstvereinbarung<br />

sowie eine Vielzahl Unterweisungen notwendig.<br />

Schulungen erhalten sie im Bereich Demenz,<br />

Hygiene, Daten-, Brand- und Arbeitsschutz.<br />

Optimierung der Kernprozesse<br />

Für eine optimale Versorgung von demenzkranken<br />

Patienten war es unumgänglich, Kernprozesse<br />

zu optimieren.<br />

Aufnahme<br />

Bei der Versorgung demenziell Erkrankter<br />

kommt den Pflegern und Ärzten in der Aufnahme<br />

eine entscheidende Rolle zu. Sie haben die<br />

Aufgabe, kognitive Einschränkungen zu erkennen<br />

und die damit verbundenen Herausforderungen<br />

an die weiterbehandelnden Kollegen zu<br />

kommunizieren (vgl. Teschauer; Wagner 2014:<br />

18). Stellen sie eine kognitive Beeinträchtigung<br />

fest, können sie bereits in der Aufnahmesituation<br />

den Aufenthalt des Demenzkranken beeinflussen.<br />

Durch die gezielte Zuteilung dieser<br />

Patienten auf geeignete, demenzsensible Stationen<br />

erreichen sie, dass speziell geschulte<br />

Mitarbeiter auf die individuellen Bedürfnisse<br />

der Betroffenen eingehen können und somit der<br />

Krankenhausaufenthalt demenziell erkrankter<br />

Menschen mit weniger Komplikationen verläuft,<br />

als in einer nicht spezialisierten Fachabteilung<br />

(vgl. Bille et al. 2011: 7). Zur Vereinfachung<br />

der Entscheidung ist ein Assessment in<br />

Planung.<br />

Funktionsbereiche<br />

Durch bessere Planung seitens der Funktionsbereiche<br />

gibt es für kognitiv eingeschränkte<br />

Patienten keine Wartezeiten vor den Untersuchungszimmern<br />

mehr. Sie werden von einer<br />

Hilfskraft direkt zur Untersuchung gebracht<br />

und danach wieder zurückbegleitet. Untersuchungen,<br />

wie eine Sonografie oder ein EKG,<br />

werden auf den Stationen selbst durchgeführt,<br />

damit der Patient durch den räumlichen Wechsel<br />

nicht noch zusätzlich belastet wird.<br />

Entlassung<br />

Ein solides und erfolgversprechendes Entlassungsmanagement<br />

sollte bereits bei der Aufnahme<br />

beginnen und während des gesamten<br />

Krankenhausaufenthaltes weiterlaufen. Mit<br />

der Hilfe des Entlassungsmanagements können<br />

frühzeitig drohende poststationäre Versorgungsdefizite<br />

aufgedeckt und dadurch ebenfalls<br />

zeitnah geeignete Lösungsansätze gefunden<br />

werden (vgl. Wingenfeld 2012: 41). An erster<br />

Stelle bei allen Maßnahmen zur Entlassungsplanung<br />

steht der Kontakt zu den Angehörigen<br />

und den Pflegeheimen. So können zeitnah<br />

18<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

In der Akutgeriatrie<br />

Foto: Sybille Themé<br />

Fragen zur nachstationären Betreuung geklärt<br />

werden. Es kann auf einen erhöhten Hilfebedarf<br />

ebenso eingegangen werden wie auf eine<br />

Versorgung mit Hilfs-, Heil- und Arzneimitteln<br />

(vgl. Kämmer 2008: 17).<br />

Im Rahmen des Projekts „Demenzsensible<br />

Haßberg-Kliniken“ wurde eine Entlassungscheckliste<br />

erarbeitet und implementiert, die<br />

nun nicht nur für Menschen mit Demenz, sondern<br />

für alle Patienten des Kommunalunternehmens<br />

Anwendung findet. Sie ist Grundlage<br />

für das Entlassungsmanagement in den beiden<br />

Häusern.<br />

Interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

Eine qualitativ hochwertige Versorgung von<br />

demenziell Erkrankten kann nur durch interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit erreicht werden.<br />

Schon bei Aufnahme muss das interprofessionelle<br />

Team eine gemeinsame Entscheidung<br />

treffen: Ist ein stationärer Aufenthalt für den<br />

Demenzerkrankten wirklich nötig und auch zumutbar?<br />

Wenn eine Aufnahme in das Krankenhaus<br />

unumgänglich ist, muss geplant werden,<br />

wie der Aufenthalt sowohl möglichst kurz als<br />

auch möglichst angenehm für den Betroffenen<br />

gestaltet werden kann. Auch im weiteren stationären<br />

Verlauf ist die gemeinsame Absprache<br />

und Planung der einzelnen Fachdisziplinen<br />

Grundvoraussetzung für eine optimale Versorgung<br />

von kognitiv eingeschränkten Patienten<br />

(vgl. Kämmer et. al 2008: 10). Geplant sind in<br />

den Haßberg-Kliniken künftig regelmäßige Supervisionen<br />

in Form von interdisziplinären Fallbesprechungen.<br />

Fazit<br />

Mit dem Konzept einer demenzsensiblen Einrichtung<br />

kommen die Haßberg-Kliniken zum<br />

einen ihrem Auftrag im Rahmen der Daseinsvorsorge<br />

für den älteren Teil der Bevölkerung<br />

des Landkreises Haßberge nach und werden<br />

gleichzeitig ihrem Anspruch an eine patientenzugewandte<br />

Betreuung gerecht. Das Engagement<br />

in diesem Bereich ist gleichzeitig auch<br />

Teil der Zukunftssicherung des Krankenhausunternehmens.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 19


Der alte Patient<br />

Quellen<br />

Bickel, H.; Weyerer, S. (2007):<br />

Epidemiologie psychischer Erkrankungen im höheren Alter.<br />

Stuttgart: Kohlhammer Verlag: 42 ff.<br />

Bille, S. et al. (2011):<br />

Betreuung von demenzkranken Menschen im Allgemeinkrankenhaus.<br />

20 Empfehlungen für Krankenhausträger zur verbesserten Versorgung von Patienten<br />

mit kognitiven Einschränkungen.<br />

München: Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit: 3-9.<br />

Brommer et al. (2013):<br />

Menschen mit Demenz im Krankenhaus.<br />

Auf dem Weg zum demenzsensiblen Krankenhaus.<br />

Berlin: Deutsche Alzheimer Gesellschaft: 13, 27-31, 39, 41, 43 ff., Anhang.<br />

Füsgen, I. (2012):<br />

Unsere Krankenhäuser brauchen neue Konzepte.<br />

In: Frölich, L.; Füsgen, I. (2012) Patienten mit Gedächtnisstörungen im Krankenhaus. 35. Workshop<br />

des "Zukunftsforum Demenz".<br />

Wiesbaden: Medical-Tribune-Verlag: 11.<br />

Hipp, S. (2012):<br />

Beschäftigungsangebote für Menschen mit Demenz.<br />

Stuttgart: Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e. V.: 4 f.<br />

Kämmer, K. et al. (2008):<br />

Patienten mit einer Demenz im Krankenhaus.<br />

Begleitheft zum „Informationsbogen für Patienten mit einer Demenz bei einer Aufnahme ins<br />

Krankenhaus“.<br />

Berlin: Deutsche Alzheimer Gesellschaft: 6-10, 13, 17.<br />

Kirchen-Peters, S. (2013):<br />

Akutmedizin in der Krise?<br />

Chancen und Barrieren für das demenzsensible Krankenhaus.<br />

Saarbrücken: Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft: 35-38, 53.<br />

Robert Bosch Stiftung (Hrsg.) (2007):<br />

Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz.<br />

Ernährung bei Demenz.<br />

Bern: Verlag Hans Huber: 16 ff.<br />

Saxl, S. (2014):<br />

Was können Angehörige tun, um den Aufenthalt im Krankenhaus zu erleichtern.<br />

In: Alzheimer Info1/14: 10 f.<br />

Schwarz, G. (2015):<br />

Technische Hilfsmittel für Demenzkranke.<br />

Beispiele aus der Praxis.<br />

Stuttgart: Alzheimer Beratung der Evangelischen Gemeinschaft: 4-6, 13.<br />

Teschauer, W.; Wagner, G. (2014):<br />

Abschlussbericht zum bayernweiten Projekt „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“.<br />

Nürnberg: Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V.: 14, 16, 18.<br />

Wingenfeld, K. (2012):<br />

Patienten mit Demenz – Herausforderungen und Handlungsansätze.<br />

In: Hellmann, W.; Hoefert, H. (Hrsg.): Das Krankenhaus im demografischen Wandel. Theoretische<br />

und praktische Grundlagen zur Zukunftssicherung.<br />

Heidelberg: Medhochzwei Verlag GmbH: 36 f., 41.<br />

20<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Delirtherapie im Krankenhaus<br />

Akute Verwirrtheitszustände im Alter – ein Wettlauf mit der Zeit<br />

Der alte Patient<br />

Das Sankt Elisabeth Krankenhaus Eutin<br />

Das Sankt Elisabeth Krankenhaus Eutin ist ein Fachkrankenhaus für Innere Medizin<br />

mit 98 Planbetten, wobei der Fachabteilung Geriatrie mit 84 Betten ein Bett der Inneren<br />

Medizin und 13 Betten im Palliativ zugeordnet sind. Es werden Patienten aus<br />

anderen Kliniken weiterbehandelt und auch direkt aus dem häuslichen Bereich aufgenommen.<br />

Es besteht die Möglichkeit einer ambulanten geriatrischen Behandlung.<br />

Das Einzugsgebiet ist überregional, weil viele spezialisierte Leistungen, z.B. eine spezialisierte<br />

Palliativversorgung und eine breitgefächerte Diagnostik, angeboten werden.<br />

Betont wird der ganzheitliche Ansatz der Patientenbetreuung, was für betagte<br />

Patienten und Menschen in der letzten Lebensphase und deren Angehörige ein zentrales<br />

Anliegen ist. Durch enge Verzahnung mit ambulanten Pflegediensten und Altenpflegeeinrichtungen,<br />

konsiliarärztlichen Begleitungen aus der Schön Klinik Neustadt<br />

und dem Krankenhaus Preetz, Kooperationen mit der Universitätsklinik Lübeck<br />

sowie mit der Diakonie Malente ist die einheitliche Behandlungsqualität der Patienten<br />

vor und nach dem stationären Aufenthalt sichergestellt. Als Partner zahlreicher Akutkrankenhäuser<br />

und Arztpraxen erfüllt das Haus eine wichtige Funktion zwischen<br />

spezialisierter Akutmedizin und der Weiterversorgung.<br />

Kerstin Ganskopf<br />

Vorsitzende der Landesgruppe<br />

Nord des <strong>VKD</strong><br />

und Mitglied des <strong>VKD</strong>-<br />

Vorstands, Geschäftsführerin<br />

des Sankt Elisabeth-<br />

Krankenhauses Eutin<br />

Das Sankt Elisabeth Krankenhaus Eutin hat<br />

im Rahmen der altersmedizinischen Behandlung<br />

ein eigenes Setting für Patienten mit einem<br />

Delir entwickelt. Bei Auftreten eines Delirs<br />

muss sehr schnell gehandelt werden. Es ist<br />

nicht nur ein Notfall, der potenziell lebensbedrohlich<br />

ist. Schnelle Reaktion ermöglicht<br />

auch die Reversibilität des Geschehens. Patienten<br />

aus dem ambulanten Bereich sowie aus<br />

umliegenden anderen Akutkliniken werden<br />

ebenso rund um die Uhr zügig aufgenommen.<br />

Ein Konzept, das sektorenübergreifend ähnlich<br />

dem in der Palliativversorgung des Krankenhauses<br />

umgesetzt werden könnte. Leider<br />

fehlt die entsprechende Vergütungsstruktur.<br />

Das lateinische „Demenz“ heißt übersetzt Entgeistung,<br />

ohne Geist. So spricht man beim Verlust<br />

von bereits erworbenen Fähigkeiten von<br />

Demenz. Zumeist sind bei dementen Patienten<br />

das Kurzzeit- und später auch das Langzeitgedächtnis,<br />

das Denk- und Sprachvermögen sowie<br />

die Motorik betroffen, bei einigen Formen ist es<br />

die gesamte Persönlichkeitsstruktur.<br />

Menschen mit Demenz sind überdurchschnittlich<br />

häufig auch von sogenannten Deliren, zeitweise<br />

auftretenden Verwirrtheitszuständen,<br />

betroffen. Dabei ist ein Delir unter anderem<br />

meist auch mit schweren Beeinträchtigungen<br />

der kognitiven Fähigkeiten und mit Bewusstseinsstörungen<br />

verbunden. Beim älteren Menschen<br />

geht man von einem multifaktoriellen<br />

Geschehen aus. Ursächlich handelt es sich also<br />

um ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren,<br />

die zu einem deliranten Zustand führen. Auslöser<br />

können zum Beispiel Infektionen sein, aber<br />

auch Schmerzen, psychische und körperliche<br />

Belastungen, wie sie zum Beispiel mit Operationen<br />

einhergehen. Häufig spielen auch Nebenwirkungen<br />

von Medikamenten eine Rolle, die<br />

bei älteren Patienten oftmals vor allem in der<br />

Wechselwirkung verschiedener Substanzen unterschätzt<br />

werden.<br />

Gerade der Aufenthalt in einer fremden Umgebung<br />

wie einem Krankenhaus, verbunden mit<br />

einer neu aufgetretenen körperlichen Beeinträchtigung,<br />

zum Beispiel nach einem akuten<br />

Sturz, lässt bei demenzkranken Patienten überdurchschnittlich<br />

häufig ein Delir entstehen.<br />

Eine solche Ausnahmesituation kann den Heilungserfolg<br />

beziehungsweise das Therapieergebnis<br />

der primären Ursache des Krankenhausaufenthaltes<br />

beeinträchtigen oder oftmals<br />

sogar verhindern.<br />

»Ein spiegelbildliches<br />

Modell einer Spezialisierten<br />

ambulanten Demenzversorgung,<br />

kurz „SADV“, mit dem<br />

medizinischen Anker der<br />

Demenzstation, würde für<br />

Patienten und Angehörige<br />

eine deutlich höhere Sicherheit<br />

schaffen.«<br />

Kerstin Ganskopf<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 21


Der alte Patient<br />

Das Sankt Elisabeth Krankenhaus Eutin<br />

Foto: Frank Siemers<br />

Demenzstation des<br />

Sankt Elisabeth<br />

Krankenhaus Eutin<br />

Fotos: Frank Siemers<br />

22<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

Spezielles Setting entwickelt<br />

Aus diesem Grunde hat das Sankt Elisabeth<br />

Krankenhaus Eutin im Rahmen der altersmedizinischen<br />

Behandlung ein eigenes Setting für<br />

diesen – zeitlich begrenzten – Ausnahmezustand<br />

entwickelt.<br />

„Vielfach geht ein deliranter Zustand mit<br />

Schlafstörungen einher und zeigt sich in unterschiedlichsten<br />

Ausprägungen. Dazu kann ein<br />

‚herausforderndes Verhalten‘ gehören, das sich<br />

in Aggression oder wahnhaftem Erleben ausdrückt,<br />

usw. Die sorgende Umgebung, in der Regel<br />

das Pflegepersonal einer Station, kommt an<br />

ihre Grenzen, kann den betroffenen Menschen<br />

nicht mehr angemessen versorgen und die mit<br />

dem Delir einhergehenden Verhaltensweisen<br />

abfangen“, so Dr. Hartmut Niefer, Ärztlicher Direktor<br />

und Chefarzt für Innere Medizin/Geriatrie<br />

am Sankt Elisabeth Krankenhaus Eutin.<br />

Während eine Demenz irreversibel voranschreitet,<br />

liegt im akuten Auftreten des Delirs<br />

die Möglichkeit der Reversibilität des Geschehens.<br />

So ist ein Delir zunächst immer ein Notfall,<br />

da sowohl Ursachen als auch Folgen potenziell<br />

lebensbedrohlich sein können. Daher<br />

ist auch eine ebenso akute Reaktion mindestens<br />

innerhalb der ersten 48 Stunden seitens<br />

der Behandler erforderlich. Das Sankt Elisabeth<br />

Krankenhaus Eutin hat deswegen im Schwerpunktbereich<br />

seiner geriatrischen Klinik ein<br />

System etabliert, das diese Zustände verhindern<br />

oder professionell abfangen, abmildern<br />

und möglichst rückführen soll. Dabei wird in<br />

erster Linie auf nicht-medikamentöse Strategien<br />

zur Verhinderung des Delirs durch speziell<br />

geschultes Personal gesetzt.<br />

Da Menschen mit Demenz und Delir einen akuten<br />

Bedarf an umsorgender Hilfestellung haben,<br />

bemüht sich das Sankt Elisabeth Krankenhaus<br />

um eine schnellstmögliche Aufnahme der<br />

betroffenen Patienten. Das Krankenhaus nimmt<br />

sie unmittelbar aus dem ambulanten Bereich,<br />

also den Familien, oder auch aus Pflegeheimen,<br />

auf. Kommt es zur Eskalation einer Situation<br />

durch einen deliranten Patienten auf einer<br />

Akutstation eines der umliegenden Krankenhäuser,<br />

wird über eine Kooperation mit den<br />

sozialpsychiatrischen Diensten des Kreises wie<br />

auch mit der örtlichen Polizei die Klinik direkt<br />

angerufen, so dass diese Patienten ebenfalls<br />

rund um die Uhr aufgenommen und entsprechend<br />

versorgt werden können. Damit kann<br />

zudem das Ansteuern der Notfallambulanzen<br />

von Schwerpunktkrankenhäusern, die in der<br />

Regel nicht über die entsprechenden personellen<br />

Strukturen verfügen, vermieden und<br />

schnellste professionelle Reaktion ermöglicht<br />

werden.<br />

Die Klinik stellt im Bedarfsfall als Sofortmaßnahme<br />

über eine Betreuungskraft eine 1:1 Betreuung<br />

sicher, um eine kontinuierliche Begleitung<br />

des Patienten und Gefahrenminimierung<br />

zu erzielen. Auf diese Weise ist es möglich, weitestgehend<br />

auf den Einsatz von Beruhigungsmitteln<br />

und mechanischen Fixierungsmaßnahmen<br />

zu verzichten.<br />

Chefarzt Dr. Hartmut Niefer<br />

Foto: Frank Siemers<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 23


Der alte Patient<br />

Ausgesprochen positiver Effekt<br />

Die Auswertung des Jahres 2017 zeigt den positiven<br />

Effekt dieser Therapie:<br />

Von den Patienten, die in diesem akuten Verwirrtheitszustand<br />

2017 aufgenommen wurden,<br />

konnte das Delir bei mehr als 80 Prozent zurückgedrängt<br />

werden. Dies gelang in allen Fällen,<br />

ohne dass Fixierungsmaßnahmen durchgeführt<br />

werden mussten. Eine gelegentlich<br />

zwingend sedierende Medikation wurde im<br />

Rahmen der Therapie maximal nur jeweils bis<br />

Mitternacht vorgenommen, um eine Einbindung<br />

in eine feste Tagesstruktur am Folgetag<br />

zu ermöglichen.<br />

Mehr noch: Bei 57 Prozent der Patienten konnten<br />

die motorischen Fähigkeiten durch die Therapie<br />

so gestärkt werden, dass sie problemlos<br />

wieder zuhause hätten versorgt werden können.<br />

Der Wermutstropfen: Viele Angehörige<br />

erleben die Situation von deliranten Patienten<br />

als so einschneidend, dass sie sich ein weiteres<br />

Zusammenleben trotz der positiven Behandlungserfolge<br />

nicht mehr zutrauen. In 62 Prozent<br />

der Fälle erfolgte im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt<br />

daher eine Unterbringung in<br />

einem Pflegeheim.<br />

„SADV“ wäre ein sinnvolles Konzept<br />

Das oben beschriebene System könnte durch<br />

eine starke Kooperation ambulanter und stationärer<br />

Strukturen aus Sicht des Sankt Elisabeth<br />

Krankenhauses weiter verbessert werden.<br />

Seit 10 Jahren funktioniert das im Bereich der<br />

Palliativversorgung. Sowohl strukturell als auch<br />

personell ist die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung<br />

(SAPV) eng an das Palliativzentrum<br />

des Krankenhauses angebunden. Ein<br />

spiegelbildliches Modell einer „SADV“ – einer<br />

Spezialisierten ambulanten Demenzversorgung<br />

– mit dem medizinischen Anker der Demenzstation,<br />

würde für Patienten und Angehörige<br />

eine deutlich höhere Sicherheit schaffen, weil<br />

hier koordinierende und gegebenenfalls aufsuchende<br />

Betreuung der Demenzkranken jederzeit<br />

gewährleistet wären. Für dieses sinnvolle<br />

Konzept fehlt leider bisher die entsprechende<br />

Vergütungsstruktur. Die Konzepte und – was<br />

entscheidender ist – das Netzwerk dafür, sind<br />

bereits vorhanden.<br />

Visite auf der Demenzstation<br />

Foto: Frank Siemers<br />

Gemeinsam als ATZ zertifiziert<br />

Die Schön Klinik Neustadt und das Sankt Elisabeth Krankenhaus Eutin sind zusammen<br />

als Alterstraumatologisches Zentrum (ATZ) zertifiziert. Das Zertifikat bestätigt<br />

die hohe medizinische Qualität bei der kooperativen Versorgung älterer Menschen, die<br />

beispielsweise infolge von Knochenbrüchen und anderen Verletzungen in der Klinik<br />

für Orthopädie und Unfallchirurgie (Neustadt) sowie der Geriatrie (Eutin) behandelt<br />

werden. Durch die Kooperation auf Basis des gemeinsamen GeriAktiv-Konzepts wird<br />

mittel- bis langfristig eine weitere Verbesserung der Versorgungsqualität von älteren<br />

Patienten in der Region erzielt und sichergestellt. Mit dem GeriAktiv-Konzept<br />

wurden die Spezialisierungen beider Fachrichtungen – Unfallchirurgie und Geriatrie<br />

– zu einem ganzheitlichen Behandlungsschema im Alterstraumatologischen Zentrum<br />

zusammengefasst und die verschiedenen Expertisen gebündelt, um ältere Patienten<br />

optimal zu versorgen.<br />

24<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Mobilität, Eigenständigkeit<br />

und Selbstbestimmung<br />

Interdisziplinäres Komplexbehandlungszentrum Crivitz (iKBZ) bietet<br />

Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung<br />

Der alte Patient<br />

Das MediClin Krankenhaus am Crivitzer See<br />

Das MediClin Krankenhaus am Crivitzer See ist eine Einrichtung der Grund- und<br />

Regelversorgung mit den Fachbereichen Chirurgie/Orthopädie, Innere Medizin,<br />

Gynäkologie/Geburtshilfe, Anästhesiologie und Radiologie. Es verfügt insgesamt über<br />

74 Patientenbetten. Das 1948 eröffnete Haus liegt direkt am Crivitzer See und wurde<br />

vor allem in den letzten Jahren kontinuierlich modernisiert und mit neuester Medizintechnik<br />

ausgestattet. Im interdisziplinären Komplexbehandlungszentrum werden<br />

insbesondere ältere, aber auch andere chronisch kranke bzw. multimorbide Patienten<br />

mit komplexen Gesundheitsstörungen ganzheitlich und sektorenübergreifend<br />

behandelt. Hierzu wurden verschiedene frührehabilitative und andere Komplexbehandlungen<br />

zu einem integrierten, fachabteilungsübergreifenden Angebot innerhalb<br />

einer Behandlungseinheit zusammengefasst. Neben der geriatrischen frührehabilitativen<br />

Komplexbehandlung werden Palliativkomplexbehandlung, multimodale<br />

Schmerztherapie, komplexes Wundmanagement und komplexe hochaufwändige<br />

Pflege im Rahmen der akutstationären Behandlung (PKMS) angeboten.<br />

Yvonne Bartels<br />

Kaufmännische Direktorin,<br />

MediClin Krankenhaus<br />

am Crivitzer See<br />

Das MediClin Krankenhaus am Crivitzer See<br />

macht sich fit für die Zukunft, denn zukunftsweisend<br />

ist unter anderem die Erweiterung<br />

des Leistungsspektrums für ältere Patienten,<br />

die an chronischen Erkrankungen leiden.<br />

Um dem demografischen Wandel Rechnung<br />

zu tragen und den Behandlungsbedürfnissen<br />

älterer Menschen nachkommen zu können,<br />

wurde Anfang 2017 am Standort in Crivitz ein<br />

neues Kompetenzzentrum gegründet, das „interdisziplinäre<br />

Komplexbehandlungszentrum<br />

(iKBZ)“. Das Ziel der Therapien, die neu in Crivitz<br />

angeboten werden, ist es, die Gesundheit<br />

und Eigenständigkeit und damit die Lebensqualität<br />

der Patienten im Alter möglichst<br />

lange zu erhalten. Insbesondere ältere, aber<br />

auch andere chronisch kranke bzw. multimorbide<br />

Patienten mit komplexen Gesundheitsstörungen<br />

werden ganzheitlich und fachübergreifend<br />

nach einem innovativen Konzept<br />

behandelt.<br />

Viele ältere Patientinnen und Patienten sind<br />

multimorbid. Sie leiden häufig an mehreren<br />

Krankheiten gleichzeitig und sind dadurch in<br />

ihrer Selbstständigkeit, Belastbarkeit und in<br />

ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Gerade<br />

bei diesen Patienten ist es wichtig, so früh wie<br />

möglich schon im Akutkrankenhaus mit einer<br />

gezielten, strukturierten Behandlung zu beginnen,<br />

deren Ziel es ist, nicht nur die eigentliche<br />

Akuterkrankung zu versorgen, sondern die einen<br />

multidimensionalen Therapieansatz hat.<br />

Nicht jeder alte Patient benötigt eine solche<br />

komplexe Behandlung. Es geht um diejenigen<br />

mit großen funktionellen Defiziten, deren<br />

Mobilität, Selbsthilfefähigkeit und Selbstständigkeit<br />

gestärkt werden soll. Ziel des interdisziplinären<br />

Komplexbehandlungszentrums im<br />

MediClin Krankenhaus am Crivitzer See ist es,<br />

mit einer ganzheitlichen Behandlung diesen<br />

Patienten zu einer besseren Lebensqualität zu<br />

verhelfen und ihnen damit auch wieder eine Lebensperspektive<br />

zu geben.<br />

Voraussetzungen für eine Aufnahme<br />

in das Komplexbehandlungszentrum<br />

Zu den Komplextherapien, welche in Crivitz<br />

angeboten werden, gehören die Multimodale<br />

Schmerztherapie, die Palliativmedizin sowie<br />

die Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung.<br />

Allen diesen Komplextherapien<br />

gemeinsam sind die individuellen, auf jeden<br />

einzelnen Patienten ausgerichteten Therapiekonzepte.<br />

Im Rahmen der Geriatrischen frührehabilitativen<br />

Komplexbehandlung werden vor allem<br />

Patienten mit akuten internistischen Krankheitsbildern,<br />

zum Beispiel Herzschwäche,<br />

Magen-Darm-Erkrankungen, Infekten oder<br />

schweren Schmerzzuständen, sowohl nach der<br />

»Ziel des interdisziplinären<br />

Komplexbehandlungszentrums<br />

im MediClin Krankenhaus<br />

am Crivitzer See ist<br />

es, mit einer ganzheitlichen<br />

Behandlung diesen Patienten<br />

zu einer besseren Lebensqualität<br />

zu verhelfen und<br />

ihnen damit auch wieder<br />

eine Lebensperspektive<br />

zu geben.«<br />

Yvonne Bartels<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 25


Der alte Patient<br />

Chefarzt Dr. Torsten Hirche mit einem Teil des Teams des Crivitzer iKBZs: Christin<br />

Gebheim (Ergotherapie), Pflegerin Daniela Fickler, stellvertretende Stationsleitung<br />

Lucie Glaser, Geriatrischer Fachpfleger Falko Grabe (v.l.n.r.)<br />

Foto: MediClin Krankenhaus am Crivitzer See<br />

Akutbehandlung, vor allem auch vom Hausoder<br />

Facharzt überwiesen, stationär behandelt.<br />

Zum Teil werden auch Patienten von umliegenden<br />

Kliniken zur weiteren Behandlung ins<br />

MediClin Krankenhaus am Crivitzer See verlegt,<br />

etwa nach der Akutbehandlung eines Schlaganfalls.<br />

Das geschieht, wenn aufgrund der körperlichen<br />

Instabilität eine Verlegung in eine<br />

Rehabilitationsklinik nicht möglich ist. Auch für<br />

diese Patienten leistet das Crivitzer Krankenhaus<br />

die geriatrische Früh-Rehabilitation.<br />

Allerdings eignet sich nicht jeder Patient im<br />

höheren Lebensalter für diese komplexe Behandlungsform,<br />

da seine persönliche Einsicht<br />

und Mitwirkung dafür notwendig sind. Voraussetzungen<br />

sind u.a. auch eine drohende oder<br />

bereits bestehende Behinderung, die Gefahr einer<br />

Pflegebedürftigkeit oder Verschlechterung<br />

dieses Zustands, Multimorbidität, kognitive<br />

Störungen u.a.<br />

Lebensqualität als wichtigstes<br />

Behandlungsziel<br />

Zu den wichtigsten Behandlungszielen des<br />

Teams um Dr. Torsten Hirche, Chefarzt des interdisziplinären<br />

Komplexbehandlungszentrums,<br />

gehören die Wiedererlangung größtmöglicher<br />

Unabhängigkeit in allen Alltagsaktivitäten<br />

(Selbstständigkeit), die Verbesserung der Mobilität<br />

mit oder ohne Hilfsmittel (z.B. Gehstützen,<br />

Rollator) und die Vermeidung/Minderung bleibender<br />

Pflegebedürftigkeit. Der entscheidende<br />

Gedanke ist die Verbesserung der Lebensqualität,<br />

die in jeder Phase der Therapie und für jeden<br />

Patienten ganz individuell definiert wird.<br />

In einer multimodalen Therapie dieser Form<br />

profitieren die Patienten in Crivitz vom ganzheitlichen<br />

Behandlungsansatz mit individuellem<br />

Therapieprogramm und einer interdisziplinären<br />

Betreuung durch ein Team von Experten<br />

nicht nur der Medizin und der Pflege, sondern<br />

auch weiteren Gesundheitsberufen. Kontinuierlich<br />

werden die Behandlungsergebnisse gemessen<br />

und die Ergebnisqualität gesichert.<br />

Aktiv werden die Patienten in den Behandlungsprozess<br />

einbezogen. Mit jedem von ihnen<br />

gemeinsam wird eine individuelle Rehabilitationstherapie<br />

festgelegt und der Behandlungsplan<br />

bei Bedarf immer wieder angepasst.<br />

Zum interdisziplinären, berufsgruppenübergreifenden<br />

Behandlungsteam gehören Ärzte<br />

verschiedener Fachrichtungen, Therapeuten,<br />

Psychologen und Psychotherapeuten, der Sozialdienst,<br />

ein speziell ausgebildetes Pflegeteam<br />

sowie Seelsorger. Eine Vergrößerung des<br />

Teams wird angestrebt. So werden vor allem<br />

weitere geriatrische Pflegekräfte gebraucht.<br />

Der Pflegeaufwand der Patienten ist hoch. Die<br />

Pflegekräfte sind im iKBZ an allen Therapien direkt<br />

aktiv beteiligt. Sie fungieren als Bindeglied<br />

zwischen den beteiligten Teammitgliedern und<br />

den Patienten und müssen spezielle Kompetenzen<br />

für die hier gängigen Krankheitsbilder<br />

mitbringen. Sie sind aber auch Ansprechpartner<br />

für Familienangehörige, etwa wenn es gilt,<br />

gemeinsam Lösungen für die Zeit nach dem<br />

Klinikaufenthalt zu finden, falls eine Pflegebedürftigkeit<br />

absehbar ist oder eine palliative<br />

Versorgung notwendig wird.<br />

26<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

Die Dauer der Behandlung richtet sich nach<br />

dem Verlauf der Akuterkrankung. In der Regel<br />

beträgt sie etwa zwei Wochen, hängt aber<br />

auch vom persönlichen Bedarf des Patienten<br />

an therapeutischen Maßnahmen ab. Dabei wird<br />

die frührehabilitative Behandlung natürlich nur<br />

mit Einverständnis des Patienten durchgeführt.<br />

Nur so ist seine Mitwirkung und Bereitschaft<br />

zur Zusammenarbeit möglich und ein erfolgreicher<br />

Abschluss der Komplexbehandlung zu<br />

erwarten.<br />

Komplexbehandlungen werden in Crivitz seit<br />

nunmehr einem Jahr angeboten. Inzwischen<br />

wurden mehr als 100 Patienten allein im Bereich<br />

der geriatrischen Komplexbehandlungen<br />

versorgt. Chefarzt Dr. Torsten Hirche und sein<br />

Team freuen sich über viele beeindruckende<br />

Behandlungserfolge und sind von dem Konzept<br />

überzeugt. Sie haben zahlreiche persönliche<br />

Schicksale von Patienten kennengelernt, die zur<br />

Therapie ins iKBZ kamen und es mit messbaren,<br />

ja großen Verbesserungen wieder verlassen<br />

konnten.<br />

Erhebliche Verbesserungen<br />

für die Patienten<br />

Dazu gehörte das Beispiel einer 77jährigen Patientin,<br />

die mit stark gebeugter Wirbelsäule in<br />

die Klinik kam und sich vor Schmerzen kaum<br />

bewegen konnte – Schmerzen die sowohl durch<br />

körperlichen Beschwerden aber auch durch<br />

psychische Faktoren ausgelöst wurden. Sie war<br />

inzwischen depressiv und wagte sich schon aus<br />

Furcht vor den Schmerzen bei jeder Bewegung<br />

kaum aus dem Haus.<br />

Die pflegebedürftige Patientin leidet an starken<br />

Arthrosen und hat eine mehrfach versteifte<br />

Wirbelsäule. Hinzu kommen operierte Gelenke,<br />

Herzerkrankungen, Adipositas und andere Beschwerden<br />

- das klassische Bild mehrfacher<br />

Erkrankungen, wie es Dr. Hirche in seiner täglichen<br />

Arbeit oft sieht.<br />

Die Patientin wurde einer Anamnese und körperlichen<br />

Untersuchung sowie einer umfangreichen<br />

Diagnostik unterzogen, aber auch weiterführend<br />

einem Mobilitätstest und einem<br />

Selbsthilfefähigkeitstest. Geprüft wurden die<br />

kognitiven Fähigkeiten, das Ernährungsverhalten<br />

wurde abgeklärt und eine Einschätzung<br />

der psychischen Verfassung vorgenommen.<br />

Anschließend erfolgte im Team mit den beteiligten<br />

Berufsgruppen und Fachbereichen sowie<br />

gemeinsam mit der Patientin eine Abstimmung<br />

über den individuellen Therapieplan. Das definierte<br />

Therapieziel muss hierbei immer erreichbar<br />

sein und der Patient oder die Patientin<br />

muss aktiv mitarbeiten.<br />

In Fall der 77jährigen Patientin bestand das<br />

Therapieziel neben der Wiederherstellung der<br />

Mobilität und Selbsthilfefähigkeit auch in einer<br />

Schmerzreduktion im Rahmen des chronischen<br />

Schmerzsyndroms. Damit sollte Pflegebedürftigkeit<br />

verhindert und der Patientin die<br />

gewünschte Selbstständigkeit und Mobilität<br />

in der Häuslichkeit wieder ermöglicht werden.<br />

Zusätzlich zur medikamentösen Behandlung<br />

der Schmerzen wurde die Therapie durch nichtmedikamentöse<br />

Maßnahmen ergänzt. Neben<br />

der geriatrischen Pflege wurde eine Vielzahl an<br />

Blick auf das Krankenhaus<br />

Foto: MediClin Krankenhaus am Crivitzer See<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 27


Der alte Patient<br />

physiotherapeutischen Maßnahmen durchgeführt,<br />

darunter Stand- und Gangtraining, Konditionstraining<br />

und Gleichgewichtstraining. Die<br />

Patientin bekam Ergotherapie zur Durchführung<br />

von Aktivitäten des täglichen Lebens, wie<br />

sie für die persönliche Hygiene oder auch das<br />

Ankleiden erforderlich sind. Behandlungen zur<br />

Verbesserung von Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit<br />

kamen hinzu.<br />

Im Verlauf der Therapie wurde die Patientin zudem<br />

psychologisch betreut. Es zeigte sich dabei,<br />

dass ihre gebeugte Haltung auch psychische<br />

Ursachen hatte – eine Last auf ihren Schultern,<br />

die dann Stück für Stück auch zur Instabilität<br />

der Wirbelsäule beitrug.<br />

Die Patientin verließ das Krankenhaus nach 16<br />

Tagen in einem deutlich gebesserten Zustand<br />

in Bezug auf ihre Mobilität und Selbstständigkeit.<br />

Sie konnte mit Hilfe eines Korsetts mehrere<br />

hundert Meter aufrecht an einem Rollator laufen<br />

– dies war bei Aufnahme in die Klinik undenkbar.<br />

„Die Patientin hatte wieder Freude an<br />

der Bewegung und am Leben. Auch ihre Einstellung<br />

zum Essen konnten unsere Diätassistenten<br />

während ihres Aufenthaltes bei uns beeinflussen<br />

und verbessern“ erklärt Dr. Hirche und<br />

fügt hinzu: „Wir haben hier keinen Jungbrunnen,<br />

sondern es ist eine sehr aufwendige Arbeit für<br />

das Team, die allerdings auch sehr viel Freude<br />

macht, wenn man schließlich die Erfolge sieht.<br />

Besonders freut es mich, wenn wir neben der<br />

körperlichen Verfassung auch dazu beitragen<br />

können, dass die psychische Verfassung eine<br />

positivere ist und eben auch damit die Lebensqualität<br />

verbessert werden kann – Freude am<br />

Leben ist so wichtig.“<br />

Umfangreiches Entlassmanagement<br />

Angeschlossen an die stationäre Behandlung<br />

ist ein umfangreiches Entlassmanagement. Es<br />

unterstützt die Patienten und ihre Angehörigen<br />

unter anderem bei der Planung der weiteren<br />

Versorgung in der Häuslichkeit oder in einer<br />

stationären Pflege, bei der Verordnung von<br />

Hilfsmitteln, den Absprachen mit dem Pflegedienst,<br />

bei der Beratung und Hilfestellung zur<br />

Erstellung von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht<br />

oder der Antragstellung für einen<br />

Pflegegrad oder dessen Erhöhung.<br />

Folgende Kriterien sind für die Geriatrische frührehabilitative<br />

Komplexbehandlung einzuhalten:<br />

• Die Behandlung erfolgt durch ein geriatrisches Team unter Leitung eines Facharztes<br />

mit der Zusatzweiterbildung bzw. Schwerpunktbezeichnung für Klinische Geriatrie<br />

• Es findet ein standardisiertes geriatrisches Assessment am Behandlungsbeginn in<br />

mindestens vier Bereichen sowie vor der Entlassung in mindestens zwei Bereichen<br />

statt (falls der Zustand des Patienten in einzelnen Bereichen das nicht zulässt, ist<br />

dies zu dokumentieren und später ggf. nachzuholen)<br />

• Es erfolgt ein soziales Assessment zum Zustand bei Aufnahme in mindestens fünf<br />

Bereichen (lässt der Zustand des Patienten dies nicht für alle Bereiche zu, ist das zu<br />

dokumentieren bzw. ggf. fremd einzuholen bzw. wenn möglich nachzuholen)<br />

• Es finden wöchentliche Teambesprechungen mit Teilnehmern aller Berufsgruppen<br />

statt, bisherige Behandlungsergebnisse sowie weitere Behandlungsziele werden<br />

wöchentlich dokumentiert<br />

• Es erfolgt eine aktivierende therapeutische Pflege durch geschultes Pflegepersonal<br />

• Es findet parallel eine akutmedizinische Diagnostik bzw. Behandlung statt<br />

28<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der alte Patient<br />

Verband der<br />

Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands e.V.<br />

Die universitären Ausbildungen im Health Care Management<br />

der Universität Salzburg in Kooperation mit dem <strong>VKD</strong> e.V.<br />

- Strategisches Rüstzeug für Führungskräfte<br />

im Gesundheitswesen<br />

Experten des Gesundheitswesens sind sich einig: Um Patienten nachhaltig bestmöglich zu versorgen<br />

und unser Gesundheitssystem so auszugestalten, dass noch Generationen nach uns davon profitieren,<br />

ist es für Führungskräfte im Health Care Management unumgänglich, neben einer fachlichen<br />

Ausbildung auch über strategische Qualifikationen zu verfügen. So wird zum Beispiel Know-how im<br />

Prozessmanagement immer wichtiger. Durch optimierte Prozesse können gleichzeitig Kosten gesenkt,<br />

Zeitabläufe verringert und die Qualität gesteigert werden.<br />

Die SMBS – die Business School der Universität Salzburg – bietet basierend auf dieser Herausforderung<br />

sowie dem generellen Anspruch, die strategische Sichtweise im Gesundheitsbereich zu stärken,<br />

berufsbegleitende, universitäre Ausbildungen an:<br />

Zum einen den universitären Lehrgang für Health Care Management, der in zwei Semestern alle wichtigen<br />

Inhalte zu Ökonomie, Controlling in Gesundheitseinrichtungen, Health Care Marketing und auch<br />

Qualitätsmanagement vermittelt.<br />

Zum anderen das MBA-Studium, das über diese Inhalte hinaus auch noch die betriebswirtschaftlichen<br />

und führungsspezifischen Kompetenzen der Studierenden nachhaltig stärkt.<br />

Weitere Informationen zu Ausbildung, Inhalten und Zulassungskriterien sowie Berichten erfolgreicher<br />

Absolventen finden Sie unter:<br />

www.smbs.at<br />

Teilnehmer, die sich über den <strong>VKD</strong> bei den Universitätslehrgängen anmelden,<br />

erhalten eine Ermäßigung auf den Lehrgangspreis in Höhe von 10 %.<br />

Anmeldung und Organisation:<br />

Holger Höhmann<br />

LVR – Klinik Langenfeld<br />

Tel-Nr.: +49 (0)2173102 1000<br />

E-Mail: holger.hoehmann@lvr.de<br />

Susanne Matzat<br />

LVR – Klinik Langenfeld<br />

Tel-Nr.: +49 (0)2173102 1001<br />

E-Mail: susanne.matzat@lvr.de<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 29


Der alte Patient<br />

Verband der<br />

Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands e.V.<br />

HEALTH CARE MANAGEMENT<br />

UNIVERSITÄRES KURZSTUDIUM<br />

In diesem Universitätslehrgang erhalten die Studierenden<br />

eine auf Praxisrelevanz ausgerichtete Vertiefung<br />

über die zentralen Themenbereiche des modernen<br />

Health Care Managements.<br />

Strategisches und Operatives<br />

Health Care Management<br />

Philipps-Universität@Marburg/Frankfurt<br />

Präsenz 1<br />

Der Erfolg von Führungspersönlichkeiten im Gesundheitswesen<br />

beruht auf einem ausgewogenen Verhältnis<br />

von sozialer Kompetenz und ausgezeichneten General<br />

– Management – Kenntnissen. Die Studierenden<br />

lernen die Hauptaufgaben eines effektiven und effizienten<br />

Managements durch die Fokussierung auf die<br />

Aufgaben und Rolle einer erfolgreichen Führungskraft<br />

im Gesundheitswesen kennen.<br />

Durch zahlreiche Fallstudien und eine vertiefende Beschäftigung<br />

mit Analysemethoden unternehmerischen<br />

Handelns erhalten die Studierenden die Möglichkeit,<br />

die unterschiedlichen Variablen des Managementhandelns<br />

in ihrem Zusammenhang zu erkennen und sich<br />

so ein Urteil über die zu setzenden Interventionen zu<br />

bilden.<br />

Die maximale Gruppengröße ist aus didaktischen<br />

Gründen mit 25 Studierenden festgesetzt. Das SMBS<br />

Upgrade Modell ermöglicht die inhaltliche und finanzielle<br />

Absicherung zum „International Executive MBA“.<br />

Inhalte der Module<br />

(speziell für den Gesundheitsbereich)<br />

• General Management<br />

• Strategisches und operatives Management<br />

• Gesundheitswesen und Sozialversicherung<br />

• Gesundheitsökonomie und Finanzierung<br />

• Qualitätsmanagement und Ethik<br />

• Organisationslehre<br />

• Projektmanagement<br />

• Krisenkommunikationsmanagement<br />

• Die Rechtsstellung der Führungskraft<br />

Präsenz 2<br />

Instrumente des Health Care Managements<br />

SMBS@Schloss Urstein Puch/Salzburg<br />

Projektmanagement, Leadership<br />

& Krisenkommunikationsmanagement<br />

SMBS@Schloss Urstein Puch/Salzburg<br />

Studiendauer: 2 Semester<br />

Präsenztage: 19 Tage<br />

ECTS: 29<br />

Unterrichtssprache: Deutsch<br />

Gesamtpreis: € 6.025,00<br />

Präsenz 3<br />

Universitätslehrgang Health Care Management<br />

Abschluss „Univ. Health Care ManagerIn“<br />

• Rechtliche Grundlagen<br />

• Rechnungswesen<br />

• Controlling<br />

• Finanzierung<br />

• Personalmanagement und Employer Branding<br />

• Prozessmanagement<br />

• Marketing<br />

• Leadership<br />

• Soziale Kompetenzen<br />

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<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

Digitalisierung<br />

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<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Wir brauchen jetzt<br />

einen gemeinsamen Kraftakt<br />

Alle Beteiligten müssen sich aufeinander zubewegen – es geht um die Patienten!<br />

Digitalisierung<br />

Die Digitalisierung der Krankenhäuser ist<br />

Voraussetzung für die Lösung zahlreicher<br />

Herausforderungen und Probleme nicht nur<br />

in den Kliniken, sondern im Gesundheitsbereich<br />

überhaupt. In den Krankenhäusern ist<br />

das dem Management und auch den meisten<br />

Mitarbeitern sehr bewusst. Dennoch verfügen<br />

25 Prozent der Häuser noch nicht über eine<br />

eHealth-Strategie. Deren Umsetzung ist für<br />

viele, vor allem die kleineren Kliniken, allerdings<br />

auch schwierig. Ein Hauptgrund ist die<br />

mangelnde Investitionsfähigkeit. Das Thema<br />

ist in der Politik zwar angekommen, es wird<br />

aber nur in sehr kleinen Schritten angegangen.<br />

Der große Wurf – der vom <strong>VKD</strong> seit einigen<br />

Jahren bereits immer wieder eingeforderte<br />

gesamtgesellschaftliche finanzielle<br />

Kraftakt – bleibt absehbar aus. Das deutsche<br />

Gesundheitswesen fällt damit hinter andere<br />

Länder immer weiter zurück. Das wirkt negativ<br />

auf die Zukunftsfähigkeit einer für die<br />

Bürger wichtigen Infrastruktur.<br />

Am Anfang und am Ende der Digitalisierung<br />

stehe der Mensch, schreibt der renommierte<br />

Management-Berater Reinhard K. Sprenger.<br />

Digitalisierung bedeute nicht die Macht der<br />

Maschinen oder Herrschaft der Algorithmen,<br />

sondern ermögliche die Konzentration auf das<br />

Wesentliche. Das Wesentliche in den Krankenhäusern<br />

ist die Pflege und Medizin, die von motivierten<br />

Mitarbeitern für kranke Menschen geleistet<br />

wird. Pflegende und Ärzte beklagen seit<br />

langem, dass ihnen genau für diese ihre Hauptaufgabe<br />

immer weniger Zeit bleibt. Deswegen<br />

gibt es unter ihnen auch nur wenige, die Vorbehalte<br />

gegen die Digitalisierung haben oder<br />

gar Ängste, ihre Arbeit zu verlieren. Ganz im<br />

Gegenteil. Sie wünschen sich, dass es endlich<br />

den vom Verband der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands (<strong>VKD</strong>) schon seit Jahren geforderten<br />

gesellschaftlichen, finanziellen Kraftakt<br />

gibt, der den Kliniken ermöglicht, umfassend<br />

in die digitale Welt einzusteigen. Sie sehen das<br />

zurecht als essenziell für die Lösung zahlreicher<br />

Probleme an, mit denen sich die Krankenhäuser<br />

herumplagen.<br />

Zukunftssichere Infrastruktur ist<br />

ohne Digitalisierung eine Illusion<br />

Alle reden von Digitalisierung. Was meint sie in<br />

Bezug auf die Krankenhäuser? Digitale Strukturen<br />

halten ja seit etlichen Jahren immer stärker<br />

in den Kliniken Einzug. Gemeint ist hier aber ein<br />

deutlicher Quantensprung, der alle Häuser einbezieht.<br />

Digitalisierung in diesem Sinne bedeutet,<br />

dass alle Behandlungs- und Versorgungsprozesse<br />

intern und auch sektorenübergreifend<br />

durch IT unterstützt werden. Priorität haben<br />

dabei Projekte mit hohen Nutzenpotenzialen<br />

für die unmittelbare Patientenversorgung. Ein<br />

wichtiger Schritt dorthin ist die elektronische<br />

Patientenakte (ePA). Auch entscheidungsunterstützende<br />

Krankenhaus-Informationssysteme<br />

und eine digitale Pflegedokumentation sind<br />

wichtig, ebenso Aufnahme und Verarbeitung<br />

von medizinischen Daten über mobile Endgeräte.<br />

Künftig immer wichtiger werden Systeme,<br />

die Patienten direkt in den Behandlungsprozess<br />

einbeziehen. Angesichts der an sich schon hohen<br />

Datenschutzregelungen hat die Sicherheit<br />

der Patientendaten in allen IT-Feldern einen<br />

nochmals deutlich höheren Stellenwert.<br />

Und eines ist daher klar: Isolierte IT-Lösungen<br />

sind keine Digitalisierung in diesem Sinne. Es<br />

geht um Prozesse, die es ermöglichen, die digitalen<br />

Falldaten der Patienten unabhängig von<br />

Zeit und Ort für alle Berechtigten über eine entsprechende<br />

Benutzerschnittstelle verfügbar zu<br />

machen. Leistungsprozesse werden dabei durch<br />

flexible elektronische Workflows über alle Bearbeitungsebenen<br />

unterstützt. So definiert es<br />

der Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter<br />

(KH-IT e.V.) in einem 2017 veröffentlichten<br />

Steckbrief (http://bit.ly/2mi6Ult).<br />

Status Quo deutlich verbesserbar<br />

Leider steht Deutschland im internationalen<br />

Vergleich, was die Digitalisierung des Gesundheitssektors<br />

betrifft, nicht unbedingt in einer<br />

führenden Position. Ganz im Gegenteil.<br />

Reife und Qualität der Digitalisierung<br />

unzureichend<br />

Eine Bestandsaufnahme zur Digitalisierung in<br />

deutschen Krankenhäusern hat die Unterneh-<br />

Peter Asché<br />

Vizepräsident des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands, Sprecher des<br />

IuiG-Initiativ-Rates der<br />

ENTSCHEIDERFABRIK, Kaufmännischer<br />

Direktor der<br />

Uniklinik RWTH Aachen<br />

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Digitalisierung<br />

mensberatung McKinsey im vorigen Jahr veröffentlicht.<br />

Im Rahmen einer qualitativen Umfrage<br />

wurden 2016 und 2017 Geschäftsführer,<br />

ärztliche und kaufmännische Direktoren von<br />

deutschen Krankenhäusern zum Status quo<br />

und den Potenzialen der Digitalisierung in ihren<br />

Häusern befragt. Die 200 relevantesten Krankenhäuser<br />

in ihrer Größengruppe und Trägerschaft<br />

wurden kontaktiert, 76 Führungskräfte<br />

nahmen an der Umfrage teil. Repräsentativität<br />

ergebe sich aus der breiten Streuung über unterschiedliche<br />

Trägerschaften (öffentlich: 42%,<br />

freigemeinnützig: 33%, privat: 25%) und der<br />

Bandbreite an Größen (weniger als 200 Betten:<br />

21%, 200 bis 499 Betten: 38%, 500 Betten und<br />

mehr: 41%), so die Studienautoren.<br />

Ein Ergebnis, das nicht verwundert: Reife und<br />

Qualität der Digitalisierung sind unzureichend.<br />

So hätte das die große Mehrheit der befragten<br />

Geschäftsführer (85%) für ihr Haus beschrieben.<br />

Kein einziger der Befragten würde die Reife<br />

und Qualität der Digitalisierung in seinem<br />

Haus als hoch beschreiben. Die Patientenakte<br />

sei in keinem der Häuser vollständig digitalisiert.<br />

Bisher sind danach vor allem Dienst- und<br />

Schichtpläne sowie die Essensbestellung in<br />

deutschen Krankenhäusern digitalisiert. Zusätzlich<br />

hätten die Führungskräfte angegeben,<br />

in den vergangenen Jahren vor allem das WLAN<br />

in ihren Häusern ausgebaut zu haben, um künftig<br />

mobile Visitenwagen einsetzen zu können.<br />

Zudem sei das Krankenhausinformationssystem<br />

(KIS) um weitere Komponenten ergänzt<br />

worden.<br />

Verantwortliche von Krankenhausketten gaben<br />

beispielsweise vermehrt an, bisher lediglich Pilotprojekte<br />

an einzelnen Standorten durchzuführen,<br />

um diese künftig nach Validierung auf<br />

die gesamte Kette auszuweiten. Einige der Pilotprojekte<br />

fänden im Bereich der Telemedizin<br />

statt.<br />

Digitale Inseln reichen nicht<br />

Natürlich nutzen die Krankenhäuser bereits<br />

digitale Möglichkeiten. Es gibt digitale Inseln<br />

und Insellösungen, Eigeninitiativen, auch digital<br />

voll ausgestattete Kliniken, wie einige Universitätskliniken<br />

etwa in Hamburg, Aachen oder<br />

Münster. Einige Krankenhausunternehmen, wie<br />

der christliche Konzern Agaplesion, der in diesem<br />

Heft berichtet, setzen schon längere Zeit<br />

ihre Digitalisierungsstrategie intensiv um. Auch<br />

die vom <strong>VKD</strong> mitgegründete ENTSCHEIDERFA-<br />

BRIK gibt seit immerhin schon 12 Jahren mit<br />

ihrem Wettbewerb um die IT-Schlüsselthemen<br />

des Jahres und deren Umsetzung immer wieder<br />

Anstöße für wichtige Projekte. Das alles kann<br />

aber naturgemäß nicht die Anforderungen erfüllen,<br />

die an eine wirklich für alle Bereiche der<br />

Gesundheitsversorgung kompatibel nutzbare<br />

digitale Infrastruktur zu stellen sind. Denn das<br />

ist ja gerade das große Plus der Digitalisierung:<br />

Vernetzung aller Bereiche innerhalb des Krankenhauses,<br />

aber auch nach außen, hin zu den<br />

übrigen Beteiligten. Grenzen entsprechen nicht<br />

dem Wesen einer digitalen Infrastruktur.<br />

Auch eine Krankenhausstudie der Unternehmensberatung<br />

Roland Berger aus dem vergangenen<br />

Jahr zeigte, dass die Krankenhäuser Digitalisierung<br />

zwar als eine Chance sehen, ihnen<br />

für eine moderne IT-Infrastruktur aber die notwendigen<br />

Investitionsmittel fehlen. Zu teuer<br />

und zu aufwändig, hätten die Studienteilnehmer<br />

erklärt. Die IT-Ausgaben der Häuser machten<br />

nur einen geringen Umsatzanteil aus – bei<br />

91 Prozent der Häuser weniger als zwei Prozent.<br />

Bei knapp der Hälfte (41 Prozent) sei es sogar<br />

weniger als ein Prozent. Sie wissen also, wie<br />

wichtig Investitionen in die IT wären, können<br />

sie aber nicht finanzieren. Dabei gab ein Drittel<br />

der Befragten an, dass es durch Digitalisierungsmaßnahmen<br />

zu Ergebnisverbesserungen<br />

gekommen ist. Höherer Grad der Digitalisierung<br />

kann also bessere Ergebnisse bringen.<br />

Im Vergleich zum Vorjahr hätten zwar weniger<br />

Krankenhäuser (58%) angegeben, zur Ergebnisverbesserung<br />

auf Digitalisierungsmaßnahmen<br />

zu setzen. Gleichzeitig steige aber der Anteil<br />

der Häuser, die mit Digitalisierungsmaßnahmen<br />

einen signifikanten Ergebnisbeitrag erreichen<br />

konnten. Das lege den Schluss nahe,<br />

dass die Krankenhäuser im Bereich Digitalisierung<br />

mittlerweile zielgerichteter investierten.<br />

Ihre Erfahrungen aus den vergangenen Jahren<br />

würden ihnen offenbar helfen, ihre Ressourcen<br />

genau in die Maßnahmen zu investieren, durch<br />

die ein größtmöglicher Ergebnisbeitrag zu erwarten<br />

ist.<br />

Als weitere Herausforderungen neben den<br />

fehlenden Investitionsmitteln seien die Zusatzbelastung<br />

für Organisation und Beteiligte<br />

angegeben worden, sowie Fragen der Datensicherheit<br />

und mangelndes digitales Knowhow.<br />

Mangelnde Priorität sei dagegen die geringste<br />

Umsetzungshürde. Dem Thema Digitalisierung<br />

werde große Bedeutung beigemessen.<br />

Keine Sorge um Jobs, aber bessere<br />

Information gewünscht<br />

Auch die meisten Mitarbeiter stehen einer Digitalisierung<br />

ihrer Krankenhäuser durchaus<br />

mehrheitlich positiv gegenüber. Es gibt inzwischen<br />

eine Reihe von Studien, die zeigen, dass<br />

die Mehrzahl darauf bei allen Abstrichen doch<br />

positiv reagiert.<br />

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<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

Welche Auswirkungen die zunehmende Nutzung<br />

digitaler Techniken in den Krankenhäusern auf<br />

die Beschäftigten hat, haben z.B. Gesundheitsund<br />

Sozialwissenschaftler um Michaela Evans,<br />

Prof. Dr. Josef Hilbert, und Christoph Bräutigam<br />

vom Institut Arbeit und Technik (IAT) im Auftrag<br />

der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Aufgrund<br />

ihrer Anlage sei die Studie zwar nicht im<br />

strengen Sinne repräsentativ, ermögliche aber<br />

dennoch einen außergewöhnlich detaillierten<br />

und empirisch fundierten Einblick in den Digitalisierungsalltag<br />

deutscher Krankenhäuser,<br />

so die Autoren. Die Wissenschaftler führten<br />

zwischen Juni und Oktober 2016 eine Online-<br />

Befragung durch, an der 648 Klinikbeschäftigte<br />

teilnahmen. Von den Befragten arbeiteten 79<br />

Prozent in der Pflege, 6 Prozent waren Ärzte.<br />

Die übrigen Teilnehmer waren in Assistenzberufen,<br />

im therapeutischen Bereich oder in Verwaltung<br />

und Technik tätig. Zusätzlich wurden<br />

Interviews mit den Managern zweier Krankenhäuser<br />

geführt.<br />

Der Studie zufolge sorgten sich Pfleger und<br />

Ärzte nicht um die Sicherheit ihrer Jobs. Sie<br />

stellten Arbeitserleichterungen fest, auf der<br />

anderen Seite sei es aber zu mehr Druck gekommen.<br />

Ein Problem, das dabei auch angesprochen<br />

wurde: Vielfach würden die neuen<br />

Techniken eingeführt, ohne die Beschäftigten<br />

zu beteiligen. Generell befürchteten mit zwei<br />

Prozent nur die wenigsten Befragten, selbst<br />

überflüssig zu werden. Die Auswirkungen, so<br />

die Autoren, scheinen „eher qualitativer als<br />

quantitativer Natur“ zu sein: Drei Viertel der<br />

Befragten hätten bestätigt, dass das Aufgabenspektrum<br />

der bestehenden Arbeitsplätze größer<br />

geworden sei.<br />

Der Auswertung zufolge stehen die Arbeitnehmer<br />

im Gesundheitswesen technischen Neuerungen<br />

aufgeschlossen gegenüber: Fast 90<br />

Prozent der Befragten waren daran interessiert,<br />

die Mehrheit traute sich den Umgang mit den<br />

technischen Neuerungen zu. Nur fünf Prozent<br />

fühlten sich überfordert.<br />

Jeweils über 70 Prozent der Studienteilnehmer<br />

nutzten bereits regelmäßig digitale Technik in<br />

den Bereichen Kommunikation, Logistik, Management<br />

und Personal, Patientenversorgung,<br />

Information und Qualifizierung. 84 Prozent<br />

der Befragten nutzten Computer, 60 Prozent<br />

Digitalkameras und 53 Prozent Monitoring-<br />

Systeme, mit denen sich beispielsweise die Vitalwerte<br />

von Patienten überwachen lassen. Ein<br />

Viertel verwendete im Dienst Smartphones, ein<br />

Zehntel Tablets.<br />

Allerdings hätten sich die konkreten Veränderungen<br />

im Bereich Kommunikation und Zusammenarbeit<br />

der Studie zufolge „auffallend<br />

begrenzt“ gezeigt. Informationen über Patienten<br />

würden nach wie vor zu 55 Prozent mündlich<br />

ausgetauscht, Dokumentationen erfolgten<br />

zu 58 Prozent in Papierform. Deutlich verbessert<br />

habe sich infolge der Digitalisierung vor<br />

allem die Zusammenarbeit mit anderen Krankenhausabteilungen.<br />

Bezüglich der Arbeitsbelastung zeigt die Studie<br />

ein ambivalentes Bild. Einerseits fanden<br />

61 Prozent der Beschäftigten, dass digitale<br />

Technologien die eigene Arbeit erleichtere. Jeweils<br />

40 bis 50 Prozent berichteten von Zeitersparnis,<br />

mehr Effektivität und qualitativen<br />

Verbesserungen bei der Patientenversorgung.<br />

Andererseits gab es aber auch Klagen über<br />

größeren Leistungsdruck, häufigere Störungen<br />

und stärkere Kontrolle am Arbeitsplatz. Aus<br />

Sicht der Krankenhausmanager ist es übrigens<br />

eine zentrale Anforderung und Chance der Digitalisierung:<br />

Gerade in Zeiten extremer Personalknappheit<br />

muss mittels Digitalisierung eine<br />

Prozessoptimierung und somit Arbeitsentlastung<br />

einhergehen.<br />

Positive Reaktionen bezüglich der Digitalisierung<br />

ergab auch die zur Jahreswende 2017/18<br />

veröffentlichte Studie der Stiftung Gesundheit<br />

„Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2017“. Danach<br />

halten die meisten Mediziner eine digitale<br />

Kommunikation zwischen Krankenhäusern und<br />

Arztpraxen für wünschenswert. Befragt worden<br />

waren niedergelassene Ärzte und leitende<br />

Krankenhausärzte zur transsektoralen Zusammenarbeit.<br />

Danach würden 36,4 Prozent der<br />

Niedergelassenen am liebsten per E-Mail in<br />

sicherer Umgebung, 21,5 Prozent über ein IT-<br />

System, das möglichst in das Arztinformationssystem<br />

integriert werden kann, kommunizieren.<br />

Die Klinikärzte präferieren das ebenfalls. 40,4<br />

Prozent wünschten sich ein IT-System,<br />

38,5 Prozent Kommunikation in<br />

sicherer Umgebung per E-Mail.<br />

Die Realität allerdings<br />

sieht auch hier noch<br />

ganz anders aus. Überwiegend<br />

wird der<br />

„gute alte“ Brief genutzt<br />

- der Studie<br />

nach von 60 Prozent<br />

der Ärzte und sogar<br />

von 80 Prozent der<br />

Krankenhäuser.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 35


Digitalisierung<br />

Was bremst die Digitalisierung aus?<br />

Zum Hauptgrund für die meisten Häuser, den<br />

mangelhaften Finanzierungsmöglichkeiten,<br />

kommen weitere: mangelnde Kompatibilität<br />

bzw. Interoperabilität der vorhandenen IT-Lösungen,<br />

fehlende Standardisierung. Hohe Hürden<br />

beinhalten auch die Datenschutzregelungen.<br />

Ein nicht zu übersehender Grund liegt aber in<br />

den Krankenhäusern selbst: Bisher verfügen<br />

nicht alle über eine eHealth-Strategie als Basis.<br />

Das Krankenhaus 4.0. braucht zwingend standardisierte<br />

Prozesse. Sie sind die Voraussetzung<br />

für das Gelingen umfassender Digitalisierung.<br />

Projekte scheitern häufig, weil die vorhandenen<br />

Prozesse Eins zu Eins digitalisiert werden<br />

sollen. Die Prozessabläufe müssen neu gestaltet<br />

werden, die nicht nur z.B. rein medizinische<br />

Pfade abbilden, sondern auch damit zusammenhängende<br />

administrative Aufgaben, was<br />

eine akribische und kritische Analyse des IST<br />

voraussetzt. Neue, umfassendere Prozessstandards<br />

also. Das ist keine einfache Aufgabe, für<br />

die Expertise benötigt und Zeit eingeplant werden<br />

muss. Das muss aber geleistet werden. Das<br />

Fehlen von Prozessstandards und Prozessindikatoren<br />

erschwert, ja behindert die Einführung<br />

digitaler Lösungen in Krankenhäusern.<br />

Gerade für kleine Krankenhäuser stellt die<br />

Digitalisierung zudem einen gewaltigen Kraftakt<br />

dar – nicht nur finanziell, sondern auch<br />

personell.<br />

Doch ebenso wie die Krankenhäuser müssen<br />

auch die Firmen im Bereich der IT ihre eigenen<br />

Hausaufgaben machen. Mangelnde Kompatibilität<br />

der IT-Systeme stellt ein wichtiges<br />

Hindernis der Digitalisierung dar – sowohl innerhalb<br />

der Krankenhäuser als auch in der Vernetzung<br />

nach draußen. Unterschiedlichste Systeme<br />

mit unterschiedlichsten Zusatzmodulen,<br />

Speziallösungen für bestimmte Bereiche – das<br />

alles passt meist nicht zusammen. Wir brauchen<br />

hier standardisierte Lösungen.<br />

Was planen die Krankenhäuser,<br />

welche Ziele sind anzusteuern?<br />

Sicher ist die vollständige Digitalisierung der<br />

Patientenakte und die digitale Einbindung<br />

niedergelassener Ärzte und anderer Gesundheitsberufe<br />

ein wichtiges Ziel. Am Ende soll das<br />

papierlose Krankenhaus stehen. Eine aktuelle<br />

Studie des Deutschen Krankenhausinstituts<br />

(DKI) in Zusammenarbeit mit der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

zur mittelfristigen<br />

Strategieausrichtung der Krankenhäuser<br />

bis 2020 zeigt als aktuelle Bestandsaufnahme<br />

der strategischen Herausforderungen, dass<br />

dazu auch die IT-Strategie gehört. Ohne IT-<br />

Unterstützung könne heute kein Krankenhaus<br />

mehr arbeiten. Umso deutlicher falle ins Auge,<br />

dass insgesamt immer noch knapp 25 Prozent<br />

der Häuser keine IT-Strategie in Planung hätten.<br />

Besonders betroffen seien Krankenhäuser<br />

in ländlichen Regionen und solche mit Jahresfehlbeträgen.<br />

Immerhin jedoch planten 61 Prozent der befragten<br />

Krankenhäuser ihre IT-Technologie<br />

strategisch. Gut ein Viertel der Häuser habe<br />

darüber hinaus eine Vorstellung davon, in welche<br />

Richtung sich die Serviceleistungen der IT-<br />

Dienstleister bis 2020 entwickeln sollten.<br />

Inhaltlich werde die IT-Strategie meist aus der<br />

allgemeinen Unternehmensstrategie abgeleitet,<br />

wobei die Entwicklung von Sicherheitsleitlinien<br />

besonders wichtig sei. Daneben sei auch der<br />

Einsatz und Ausbau telemedizinischer Anwendungen<br />

häufig Bestandteil der IT-Strategie. Dies<br />

würden vor allem auch Krankenhäuser in ländlichen<br />

Regionen als Chance sehen. Als Beispiel sei<br />

hier angeführt die etablierte teleintensivmedizinische<br />

Betreuung von mittlerweile ca. 15 Krankenhäusern<br />

durch die Uniklinik Aachen.<br />

Eine Bestandsaufnahme der Digitalisierung in<br />

den Krankenhäusern veröffentlichte Anfang<br />

Juli dieses Jahres die Marabu EDV-Beratung<br />

und -Service GmbH in ihrem Magazin. Darin<br />

werden auch die Aufgaben, die notwendigen<br />

Zielsetzungen im Hinblick auf das papierlose<br />

Krankenhaus definiert: die Vollständigkeit und<br />

unmittelbare Verfügbarkeit von (Patienten-)<br />

Informationen, eine prozessorientierte Informationsaufbereitung<br />

und Prozessoptimierung,<br />

medizinische Entscheidungshilfen durch dezidierte<br />

Informationsanalyse, automatisierte<br />

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<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Melde- und Frühwarnsysteme, z.B. CIRS, klinisches<br />

Risikomanagement, Orientierungshilfen<br />

und Compliance-Unterstützung durch Datamining,<br />

automatisierte Verteilung von Informationen<br />

bzw. Aufgaben, z.B. im Rahmen eines systematischen<br />

Qualitätsmanagements sowie die<br />

Entlastung der Mitarbeiter und eine Verbesserung<br />

des Datenschutzes.<br />

Was tut die Politik?<br />

Auch die Politik – sogar die Bundespolitik – hat<br />

den hohen Stellenwert der Digitalisierung im<br />

Gesundheitsbereich inzwischen erkannt. Erste<br />

Verbesserungen sollten mit dem E-Health-<br />

Gesetz vom 18. Dezember 2015 erreicht werden.<br />

Laut Bundesgesundheitsministerium will das<br />

Gesetz die zügige Einführung nutzbringender<br />

Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte<br />

unterstützen, die Telematikinfrastruktur<br />

mit ihren Sicherheitsmerkmalen als die zentrale<br />

Infrastruktur für eine sichere Kommunikation<br />

im Gesundheitswesen etablieren und sie<br />

für weitere Anwendungen im Gesundheitswesen<br />

und für weitere Leistungserbringer öffnen,<br />

die Strukturen der Gesellschaft für Telematik<br />

(gematik) verbessern und ihre Kompetenzen<br />

erweitern, die Interoperabilität der informationstechnischen<br />

Systeme im Gesundheitswesen<br />

verbessern und telemedizinische Leistungen<br />

fördern.<br />

Gesetz vertieft die Grenzen zwischen<br />

den Sektoren<br />

Das Gesetz bezieht sich allerdings – das hat<br />

auch der <strong>VKD</strong> seinerzeit kritisiert – sehr einseitig<br />

fast nur auf den niedergelassenen Bereich.<br />

Selbst dort, wo sektorenübergreifende<br />

Regelungen sinnvoll wären, wird an der Grenze<br />

haltgemacht. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft<br />

kritisierte in einer Stellungnahme<br />

zum Gesetzentwurf ebenfalls: „Das Gesetz<br />

ist deutlich defizitär bei der Einbindung der<br />

Krankenhäuser in eine künftige elektronische<br />

Kommunikation im Gesundheitswesen.“ Die<br />

Krankenhäuser würden bei der Einführung telematischer<br />

Anwendungen systematisch „in die<br />

zweite Reihe“ gestellt. Auch die Chancen einer<br />

sektorenübergreifenden Telemedizin würden<br />

verschenkt, die Gräben zwischen den Sektoren<br />

vertieft. Der Entwurf fokussiere fast vollständig<br />

auf den vertragsärztlichen Bereich, schließe<br />

die Krankenhäuser von der Vergütung für<br />

die Nutzung und Pflege der Anwendungen der<br />

elektronischen Gesundheitskarte (eGK) aus und<br />

stärke einseitig den GKV-Spitzenverband und<br />

die Kassenärztliche Bundesvereinigung bei der<br />

Definition und Festlegung der künftigen Rahmenbedingungen<br />

der Telematikinfrastruktur in<br />

Deutschland.<br />

Ebenfalls auch für den <strong>VKD</strong> nicht nachvollziehbar<br />

ist der Ausschluss der Kliniken aus der<br />

Neuregelung zur Erstellung und Aushändigung<br />

eines Medikationsplans in Papierform und<br />

dessen Weiterentwicklung zum elektronischen<br />

Medikationsplan. Dabei ist dies eine wichtige<br />

Informationsgrundlage für alle beteiligten<br />

Leistungserbringer und ein wichtiges Instrument<br />

zur Überwindung der Sektorengrenzen in<br />

der Arzneimitteltherapie und zur Verbesserung<br />

der Arzneimitteltherapiesicherheit. Man muss<br />

sich ja nur den Weg des Patienten vom niedergelassenen<br />

Arzt ins Krankenhaus und zurück<br />

vorstellen oder an die ungeplante, kurzfristige<br />

Aufnahme von Patienten in Notfällen ins Krankenhaus<br />

denken, um zu sehen, welche Bedeutung<br />

das hat. Der Medikationsplan muss zwingend<br />

sektorenübergreifend anwendbar sein.<br />

Inzwischen haben Versicherte, die gleichzeitig<br />

mindestens drei verordnete Arzneimittel anwenden,<br />

einen Rechtsanspruch auf Erstellung<br />

und Aushändigung eines Medikationsplans in<br />

Papierform durch einen an der vertragsärztlichen<br />

Versorgung teilnehmenden Arzt. Ab diesem<br />

Jahr soll der Medikationsplan auch elektronisch<br />

von der Gesundheitskarte abrufbar<br />

sein.<br />

Ein Beispiel für den unsinnigen Ausschluss<br />

der Krankenhäuser außerhalb ambulanter<br />

Ermächtigungen ist auch die Regelung zur<br />

telemedizinischen konsiliarischen Befundbeurteilung<br />

von Röntgenaufnahmen und die<br />

Einführung der Online-Videosprechstunde in<br />

die vertragsärztliche Versorgung. Die radiologischen<br />

Abteilungen in Krankenhäusern haben<br />

hier eine besondere Expertise. An der Grenze<br />

zum ambulanten Sektor wird Stopp gesagt. Was<br />

für eine Fehlregulierung.<br />

Bis zum 31. Dezember 2017 sollte die gematik<br />

alle Maßnahmen für die Nutzung des Notfalldatenmanagements<br />

abschließen. Ab diesem<br />

Jahr, so der Plan, sollen Versicherte die Möglichkeit<br />

erhalten, auf Wunsch ihre notfallrelevanten<br />

medizinischen Daten auf der elektronischen<br />

Gesundheitskarte bereitzustellen. Eine<br />

Vergütung für das Notfalldatenmanagement ist<br />

allerdings nur für den vertragsärztlichen Bereich<br />

vorgesehen.<br />

Bis Ende dieses Jahres schließlich muss nach<br />

dem Gesetz die gematik die Voraussetzungen<br />

dafür schaffen, dass Patienten eine fall- und<br />

einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte<br />

und ein elektronisches Patientenfach<br />

für eigene Gesundheitsdaten nutzen können.<br />

Ob das gelingt, werden wir sehen.<br />

Zu begrüßen waren die Bemühungen zur lang-<br />

Digitalisierung<br />

»Der <strong>VKD</strong> hat in 12 Jahren<br />

ENTSCHEIDERFABRIK sehr<br />

gute Erfahrungen in der<br />

Zusammenarbeit von Krankenhäusern,<br />

Industrie und<br />

Beratern bei der Umsetzung<br />

von IT-Projekten gemacht.<br />

In den Krankenhäusern, bei<br />

Krankenkassen, den Kassenärzten<br />

– überall werden IT-<br />

Projekte gestartet. Überall<br />

sind auch Industrie und<br />

Dienstleister mit dabei.<br />

Seit Jahren machen wir<br />

Erfahrungen auf dem<br />

Gebiet. Aus diesem vielfältigen<br />

Nebeneinander muss<br />

ein Miteinander werden.<br />

Sonst schaffen wir die Digitalisierung<br />

unseres Gesundheitswesens<br />

nicht.«<br />

Peter Asché<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 37


Digitalisierung<br />

fristigen Verbesserung der Interoperabilität der<br />

verwendeten IT-Systeme im Gesundheitswesen<br />

durch Etablierung eines Interoperabilitätsregisters<br />

bei der gematik. Das ist termingerecht<br />

gelungen. Allerdings liegt die Interoperabilität<br />

zwischen den informationstechnischen Systemen,<br />

die den elektronischen Entlassbrief und<br />

den elektronischen Arztbrief umsetzen sollen,<br />

weiterhin in sektoraler Zuständigkeit.<br />

Update angekündigt<br />

Im Herbst 2017 hat die Bundesregierung ein E-<br />

Health-Gesetz II angekündigt – im Grunde wohl<br />

ein Update zum ersten Gesetz. Danach soll es in<br />

der laufenden Legislaturperiode vor allem um<br />

einen für uns auch sehr wichtigen Teil, nämlich<br />

die elektronische Patientenakte ePA gehen. Das<br />

jedenfalls hat Stefan Bales, Ministerialrat im<br />

Bundesministerium für Gesundheit (BMG), auf<br />

der Fachtagung „eHealth.NRW – Das digitale<br />

Gesundheitswesen“ im vergangenen Oktober<br />

in Essen mitgeteilt. Neben dem Versichertenstammdatenmanagement<br />

(VSDM) sollen als<br />

weitere Anwendungen in der neuen Legislaturperiode<br />

u.a. der elektronische Medikationsplan<br />

und das Notfalldatenmanagement (NFDM)<br />

starten. Die ePA soll auch von den Patienten<br />

eingesehen werden können und bei der gematik<br />

hinterlegt werden.<br />

Der Deutsche Ärztetag im Mai dieses Jahres hat<br />

sich für ein solches zweites E-Health-Gesetz<br />

bereits ausgesprochen. Der Gesetzgeber müsse<br />

nachsteuern, so die Begründung. Definiert<br />

wurden die Punkte, um die es u.a. gehen sollte:<br />

eine beschleunigte Einführung der Anwendungen<br />

der elektronischen Gesundheitskarte durch<br />

Etablierung einer dauerhaften Erprobungsregion<br />

durch die gematik, Sicherung der Qualität<br />

der Umsetzung durch die Hersteller von Primärsystemen,<br />

darunter Krankenhausinformationssysteme,<br />

Zugang zur Telematikinfrastruktur<br />

auch für nur privatärztlich tätige Mediziner und<br />

Psychotherapeuten, Ärzte sowie die Aufnahme<br />

mobiler E-Health-Anwendungen in die GKV-<br />

Versorgung.<br />

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat<br />

Mitte Juli <strong>2018</strong> angekündigt, dass GKV-Versicherte<br />

spätestens ab 2021 die Möglichkeit haben<br />

sollen, digital auf Tablets und Smartphones<br />

auf ihre elektronische Patientenakte zuzugreifen.<br />

Entsprechende gesetzliche Vorgaben<br />

wolle er demnächst vorlegen. Er sehe das nicht<br />

als Ende der elektronischen Gesundheitskarte,<br />

sondern als zusätzliche, patientenfreundliche<br />

Option. Auch das Authentifizierungsverfahren<br />

soll vereinfacht und erweitert werden. Kassen,<br />

die mit diesen Neuerungen nicht bis 2021<br />

warten wollen, würden so Rechtssicherheit bekommen,<br />

bereits aktuell eine elektronische Patientenakte<br />

anbieten zu dürfen. Entscheidend<br />

sei bei der Einführung der ePA, dass die Digitalakten<br />

unterschiedlicher Kassen kompatibel<br />

und interoperabel seien. Für alle Krankenkassen<br />

würden deshalb die gleichen Vorgaben gelten.<br />

Als einen konkreten Entwicklungsschritt ist die<br />

Uniklinik Aachen seit Juli <strong>2018</strong> als erste Universitätsklinik<br />

mit der elektronischen Gesundheitsakte<br />

der Techniker Krankenkasse „TK-Safe“<br />

vernetzt.<br />

Position des <strong>VKD</strong><br />

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens<br />

in Deutschland ist im Vergleich zu den USA<br />

und den skandinavischen Ländern deutlich im<br />

Rückstand. Das muss sich dringend ändern,<br />

denn wir verspielen hier Optimierungs- und Effektivitätspotenziale,<br />

Ärzte und Pflegende werden<br />

durch bürokratische Aufgaben von ihren<br />

eigentlichen Pflichten abgehalten. Optimierte<br />

digitale Prozesse dienen der Qualitätsverbesserung<br />

und mildern den Mangel an Fachkräften.<br />

Die mit der demografischen Entwicklung<br />

einher gehende Änderung im Krankheitsspektrum<br />

vieler Krankenhäuser, vor allem mit der<br />

Zunahme chronischer Erkrankungen, könnte<br />

durch digitalisierte Behandlungspfade deutlich<br />

kostengünstiger werden. Profitieren würden<br />

aber vor allem auch die Patienten durch bruchlose<br />

Behandlungspfade, engere, kontinuierliche<br />

Bindung an die behandelnden Ärzte und höhere<br />

Lebensqualität.<br />

Wir sehen in anderen Ländern – den USA etwa<br />

– wie das alles funktionieren kann. Der Staat<br />

hat dort aber auch sehr viel Geld dafür zur<br />

Verfügung gestellt. Der <strong>VKD</strong> rechnet aus dieser<br />

Kenntnis mit rund zwei Milliarden Euro im<br />

Jahr über einen Zeitraum von fünf Jahren – eine<br />

Investitionsoffensive, die von den Krankenhäusern<br />

angesichts der jahrelangen Misere im<br />

Bereich der Investitionsfinanzierung durch die<br />

Länder nicht gestemmt werden kann.<br />

Aus Sicht des <strong>VKD</strong> muss die Digitalisierung der<br />

Krankenhäuser in den nächsten fünf Jahren umgesetzt<br />

werden. Nur so können wir die Strukturen<br />

und Prozesse in der Weise verändern, dass<br />

damit auch zahlreiche uns alle drückende Probleme<br />

zu lösen sind. Schnellere, effizienter zu<br />

gestaltende Prozesse, Teilung von Knowhow<br />

und Expertenwissen, Verlagerung bürokratischer<br />

Aufgaben und Entlastung von Ärzten und<br />

Pflegenden. Personal fehlt vielfach – es sitzt<br />

an Dokumentationsaufgaben. Nicht zuletzt bedeutet<br />

Digitalisierung auch, näher an den Patienten<br />

zu sein, auf neue Weise Kontakt zu ihnen<br />

zu bekommen und zu halten, ihnen auch das<br />

Gefühl von Sicherheit zu geben, wo immer sie<br />

38<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

leben. Unsere Patienten sind hier oft deutlich<br />

weiter als es die Möglichkeiten der Krankenhäuser<br />

hergeben.<br />

<strong>VKD</strong> und Branchenverbände der industriellen<br />

Gesundheitswirtschaft gehen hier durchaus<br />

konform mit ihren Vorstellungen. Der <strong>VKD</strong><br />

hat in 12 Jahren ENTSCHEIDERFABRIK sehr<br />

gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit von<br />

Krankenhäusern, Industrie und Beratern bei<br />

der Umsetzung von IT-Projekten gemacht. In<br />

den Krankenhäusern, bei Krankenkassen, den<br />

Kassenärzten – überall werden IT-Projekte<br />

gestartet. Überall sind auch Industrie und<br />

Dienstleister mit dabei. Seit Jahren machen wir<br />

Erfahrungen auf dem Gebiet. Aus diesem vielfältigen<br />

Nebeneinander muss ein Miteinander<br />

werden. Sonst schaffen wir die Digitalisierung<br />

unseres Gesundheitswesens nicht.<br />

Wir haben daher die Branchenverbände der<br />

Gesundheitswirtschaft in ihrer Forderung an<br />

den Bund unterstützt, zügig ein nationales E-<br />

Health-Zielbild zu entwickeln. „Die Ausgestaltung<br />

eines Zielbildes für die digitale Transformation<br />

des Gesundheitssystems kann nur<br />

gelingen, wenn die an der industriellen Gesundheitswirtschaft<br />

und an der Gesundheitsversorgung<br />

beteiligten Gruppen dieses unter<br />

Leitung der politischen Akteure und Entscheidungsträger<br />

gemeinsam entwickeln“, heißt es<br />

in dem Positionspapier. Nötig sei ein „zielorientierter<br />

und zeitlich definierter Prozess“. Ein<br />

solches Zielbild soll in einem politisch moderierten<br />

Prozess ressortübergreifend und sektorenübergreifend<br />

erarbeitet und daraus eine nationale<br />

E-Health-Strategie abgeleitet werden,<br />

die in einen konkreten Aktionsplan mündet und<br />

flächendeckend umgesetzt wird.<br />

Unser Verband wirbt schon seit Jahren für eine<br />

Investitionsoffensive zur Digitalisierung des<br />

Gesundheitssystems. Trotz vieler Modellprojekte,<br />

zahlreicher Initiativen und einer über zwölfjährigen<br />

Zusammenarbeit von Krankenhäusern<br />

und IT-Firmen in der vom <strong>VKD</strong> mit begründeten<br />

ENTSCHEIDERFABRIK fehlt es an einer flächendeckenden<br />

Umsetzung. Diese ist erst realistisch<br />

mit einer von Bund und Ländern getragenen E-<br />

Health-Strategie und deren Umsetzung. Dass<br />

diese erhebliche Investitionen erfordert, ist<br />

unbenommen. Die Stabilität und Zukunftsfähigkeit<br />

unserer Gesundheitsversorgung sind es<br />

wert, diesen gesellschaftlichen Kraftakt jetzt<br />

endlich in Angriff zu nehmen.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 39


Digitalisierung<br />

AGAPLESION auf dem Weg<br />

zur Digitalen Transformation<br />

Die Strategie: In vier Stufen zum digitalen Gesundheitsunternehmen<br />

Die AGAPLESION gAG<br />

Zu AGAPLESION gehören bundesweit mehr als 100 Einrichtungen, darunter 22 Krankenhausstandorte<br />

mit über 6.400 Betten, knapp 40 Wohn- und Pflegeeinrichtungen<br />

mit über 3.200 Pflegeplätzen und zusätzlich 800 Betreuten Wohnungen, vier<br />

Hospize, über 30 Medizinische Versorgungszentren, 15 Ambulante Pflegedienste und<br />

eine Fortbildungsakademie. Darüber hinaus bildet AGAPLESION an 19 Standorten im<br />

Bereich Gesundheits- und Krankenpflege aus. Mehr als 19.000 Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter sorgen für eine patientenorientierte Medizin und Pflege nach anerkannten<br />

Qualitätsstandards. Pro Jahr werden über eine Million Patienten versorgt.<br />

Dr. Markus Horneber<br />

Vorstandsvorsitzender,<br />

AGAPLESION gAG<br />

Der Begriff Digitale Transformation bzw. die<br />

Digitalisierung ist derzeit nicht aus den Gesundheitsmedien<br />

wegzudenken. Erstellt man<br />

einen täglichen Pressespiegel, so sind mindestens<br />

zwei Artikel dabei, die über aktuelle<br />

digitale Entwicklungen im Gesundheitswesen<br />

berichten. Doch was ist eigentlich diese „Digitale<br />

Transformation“? Die Boston Consulting<br />

Group hat im Vorfeld der Cebit <strong>2018</strong> eine Umfrage<br />

bei deutschen Managern zum Stand der<br />

Digitalisierung in ihren Unternehmen durchgeführt.<br />

In dem Zusammenhang bezeichnen<br />

sich mehr als ein Drittel der Unternehmen<br />

selbst als Nachzügler in Sachen Digitalisierung<br />

(ssu/dpa, <strong>2018</strong>). Laut einer Umfrage von<br />

McKinsey hatten speziell im Gesundheitswesen<br />

58,5 Prozent der deutschen Kliniken 2017<br />

noch nicht einmal eine Digitalisierungsstrategie.<br />

AGAPLESION hat sich dem Megatrend<br />

Digitalisierung bereits angenommen und sich<br />

auf den Weg zur Digitalen Transformation<br />

gemacht.<br />

Für AGAPLESION begann der Weg in Richtung<br />

Digitaler Transformation mit der Definition<br />

einer Digitalisierungsstrategie. Dabei kristallisierten<br />

sich vier Stufen heraus, die in dem fortlaufenden<br />

Änderungsprozess auf Basis digitaler<br />

Technologien zu erreichen sind.<br />

Digitale Transformation – Modewort<br />

oder überlebenswichtig?<br />

Wer von uns hat nicht schon mal einen Urlaub<br />

über Anbieter wie ab-in-den-urlaub.de oder<br />

holidaycheck.de gebucht? Man kann angeben,<br />

ob man ans Meer will oder doch eher in<br />

die Berge, wie viele Sterne das Hotel mindestens<br />

haben sollte und welche Ausstattung wie<br />

bspw. Sauna gewünscht ist. Schnell werden<br />

einem Hotels angezeigt, die man dann anhand<br />

der Preise oder Kundenbewertungen sortieren<br />

kann. Hat man mit Hilfe der Bilder und Kundenbewertungen<br />

sein ideales Urlaubsziel gefunden,<br />

schlägt der digitale Assistent noch passende<br />

Flüge, den Transfer vom Flughafen zum<br />

Hotel und die Option „Mietwagen hinzubuchen“<br />

vor. Alle Services werden zur Verfügung gestellt,<br />

nichts wird vergessen. Am Ende des Vorgangs<br />

kann der Kunde gleich die Rechnung über<br />

Paypal oder andere Mobile Cash Anbieter zahlen.<br />

Ticket, Hotelbuchung, etc. können per App<br />

oder QR-Code auf das Handy geladen werden<br />

und sind nun jederzeit verfügbar. Alles perfekt<br />

organisiert, schnell, kundenfreundlich und vor<br />

allem digital.<br />

So sieht die Realität mittlerweile in vielen<br />

Branchen aus. Und wer sind die Unternehmen<br />

hinter diesen Angeboten? Sind es Traditionsunternehmen<br />

wie TUI oder Thomas Cook? Nein.<br />

Hinter fast allen aktuell angesagten Plattformen<br />

stehen junge, dynamische Startups. Diese<br />

sind zudem fast immer „Digital Natives“ oder<br />

anders gesagt: Das Geschäftsmodell basiert<br />

rein auf digitalen Services. Diese Unternehmen<br />

haben den Trend der Digitalisierung mit geprägt.<br />

Ein Paradebeispiel ist die Gründung von Amazon<br />

im Jahr 1994. Das Unternehmen begann<br />

damals als Online-Buchhandlung und baute<br />

schnell zahlreiche weitere Dienste wie den<br />

Amazon Marketplace auf. Deutsche Traditionsfirmen<br />

wie Europas größtes Versandhaus, die<br />

40<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

Quelle GmbH in Fürth, wurden durch dieses<br />

neue Geschäftsmodell dem Erdboden gleichgemacht.<br />

Jetzt könnte man meinen: Was interessiert das<br />

Krankenhäuser bzw. Unternehmen im Gesundheitswesen?<br />

Das ist genau die richtige Frage,<br />

denn solch digitale Konzerne, vor allem aus den<br />

USA, haben den Gesundheitsmarkt für sich als<br />

Wachstumsbranche entdeckt. Apple eröffnet<br />

bereits die ersten Krankenhäuer für Mitarbeitende,<br />

Alphabet unterhält mehrere Tochterunternehmen,<br />

die sich mit Gesundheitsthemen<br />

beschäftigten und Amazon plant den Verkauf<br />

von Arzneimitteln an Kliniken. Letztere haben<br />

zwar aktuell ihre Pläne, Medikamente über die<br />

Geschäftssparte Amazon Business an Krankenhäuser<br />

zu verkaufen, offenbar noch einmal zurückgestellt<br />

(Sleziona, <strong>2018</strong>), das Unternehmen<br />

schließt indes nicht aus, künftig in die Pharmabranche<br />

einzusteigen. Des Weiteren ist Amazon<br />

mit seiner Sprachassistentin Alexa bereits jetzt<br />

schon in vielen Haushalten zu Hause und erinnert<br />

zum Beispiel an Medikamenteneinnahmen<br />

oder an die notwendige Nachbestellung von<br />

bestimmten Produkten.<br />

Was haben die Unternehmen wie Apple, Alphabet<br />

und Amazon gemeinsam? Warum haben sie<br />

einen so großen Vorteil gegenüber Traditionsunternehmen<br />

im Gesundheitswesen? Sie müssen<br />

sich nicht erst digital transformieren. Sie<br />

sind es schon. Alle Prozesse und Touchpoints<br />

mit Kunden werden in digitalen Dimensionen<br />

gedacht. Es stellt sich nicht die Frage, ob der<br />

Kunde noch einen Ausdruck benötigt oder ob<br />

etwas unterschrieben werden muss. Alles wird<br />

digital abgewickelt.<br />

Traditionsunternehmen hingegen, vor allem im<br />

Gesundheitswesen, sind noch nicht in dieser<br />

digitalen Ära angekommen. In vielen Einrichtungen<br />

werden noch immer Patientenakten<br />

durch die Gänge getragen, gesucht und irgendwann<br />

in riesigen Archiven abgelegt. Vielleicht<br />

werden sie auch schon eingescannt. Laut einer<br />

qualitativen Umfrage von McKinsey und Orphoz<br />

zum Thema „DIGITALISIERUNG IN DEUT-<br />

SCHEN KRANKENHÄUSERN – Eine Chance mit<br />

Milliardenpotenzial für das Gesundheitswesen“<br />

aus 2017 haben 58,5 Prozent der deutschen<br />

Kliniken noch keine Digitalisierungsstrategie<br />

(Ophoz, 2017). Zudem machen die IT-Ausgaben<br />

bei 91 Prozent der Krankenhäuser weniger als 2<br />

Prozent des Umsatzes aus (Berger, 2017)<br />

Digitale Transformation – die vier<br />

Stufen zur Zukunftsfähigkeit<br />

AGAPLESION gilt hier als Vorreiter. Der christliche<br />

Gesundheitsanbieter hat bereits 2015 eine<br />

Digitalstrategie erarbeitet und setzt diese konsequent<br />

um. Die Strategie zur Digitalen Transformation<br />

bei AGAPLESION baut auf vier Stufen<br />

auf. Diese sind Digitale Daten (Digitization),<br />

Digitale Prozesse (Digitalization) und Services<br />

sowie Plattformen. Die Stufen lassen sich zur<br />

Digitalen Transformation als solcher zusammenfassen.<br />

Abbildung 1 : Digitalstrategie<br />

(Quelle: eigene Darstellung, AGAPLESION gAG)<br />

Stufe 1 Digitale Daten (Digitization)<br />

Im ersten Schritt, Digitization, geht es bei<br />

AGAPLESION darum, die gesamten Informationen<br />

/ Daten, die im Krankenhaus oder auch<br />

in anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens<br />

erhoben werden, in ein digitales Format,<br />

also in Digitale Daten, zu übertragen. Zu dieser<br />

Phase gehört im Konzern vor allem die Einführung<br />

einer elektronischen / digitalen (mobilen)<br />

Patientenakte, einschließlich der elektronischen<br />

Kurve (Vitaldaten des Patienten) in allen<br />

Krankenhäusern. In dem Zusammenhang sind<br />

auch Schnittstellen zu den verschiedenen medizinischen<br />

Geräten, z. B. CT, MRT, und Fremdsystemen,<br />

wie dem Laborinformationssystem,<br />

einzurichten. Unsere Wohnen und Pflegeeinrichtungen<br />

(WuP) sind im Prozess der Digitization<br />

meist schon weiter bzw. haben diese Stufe<br />

bereits erreicht. Alle Daten müssen zudem<br />

in einer übergreifenden zentralen Datenbank<br />

(Data Warehouse) zur Verfügung gestellt werden.<br />

Dies ist bei AGAPLESION grundsätzlich weitgehend<br />

problemlos zu realisieren bzw. bereits<br />

jetzt umgesetzt, da der Konzern über eine homogene<br />

IT-Landschaft verfügt. Fast alle Akut-<br />

Krankenhäuser nutzen dasselbe Krankenhausinformationssystem<br />

(KIS). Des Weiteren<br />

nutzen alle WuP-Einrichtungen ein einheitliches<br />

Pflegedokumentationssystem (DAN).<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 41


Digitalisierung<br />

Im Prinzip ist die Digitale Transformation jedoch nicht<br />

anders zu bewerten als die Industrialisierung im 18. und<br />

19. Jahrhundert. Auch diese war ein technisch-wirtschaftlicher<br />

Prozess des Übergangs, damals von agrarischen zu industriellen<br />

Produktionsweisen, in dem sich die maschinelle Erzeugung von<br />

Gütern und Dienstleistungen durchsetzte. Handarbeit wurde<br />

durch Maschinen ersetzt. Es entstanden völlig neue Berufsbilder.<br />

Und so wird es auch im Zeitalter der Digitalen Transformation<br />

kommen. Wichtig ist der „ethische“ Umgang mit den<br />

freiwerdenden Ressourcen.<br />

Dr. Markus Horneber<br />

Für Außenstehende scheint dieser Schritt trivial<br />

und einfach lösbar zu sein. Doch dies täuscht.<br />

Aufgrund der hohen Komplexität der medizinischen<br />

Behandlungsroutinen stehen Digitalisierungsprojekte<br />

im Krankenhaus vor der Herausforderung,<br />

eine Vielzahl von IT-Systemen<br />

und eine große Zahl von Prozessvarianten modellieren<br />

zu müssen, um eine Ende-zu-Ende-<br />

Unterstützung von medizinischen Eingriffen zu<br />

ermöglichen.<br />

Um den ersten Schritt der digitalen (mobilen)<br />

Patientenakte umsetzen zu können, müssen<br />

daher verschiedene Grundpfeiler betrachtet,<br />

Maßnahmen festgelegt und umgesetzt werden.<br />

Dazu gehören die Infrastruktur, das Dokumenten-<br />

und Prozessmanagement, die Personalstruktur<br />

und Organisation sowie der Datenschutz<br />

und die Datensicherheit.<br />

Infrastruktur<br />

Zum Thema Infrastruktur gehört neben einer<br />

kompletten Ausstattung der Gebäude mit WLAN<br />

die Planung, welche einheitlichen Module des<br />

KIS konzernweit zur Patientendokumentation<br />

genutzt werden können und wo Prozesse über<br />

strukturierte Formulare abgebildet werden<br />

müssen. Weiterhin muss sich jede Einrichtung<br />

und Abteilung darüber verständigen, was für<br />

sie eine digitale Patientenakte ist. Einige Einrichtungen<br />

arbeiten mit mobilen Visitenwagen,<br />

andere mit Laptops oder Tablets. Zudem muss<br />

geklärt werden, wie viele elektronische Arbeitsplätze<br />

benötigt werden, um entsprechende<br />

Anschaffungen zu tätigen.<br />

Im weiteren Verlauf sollen dann Daten aus<br />

medizinischen Geräten sowie Dokumente und<br />

Daten externer Dienstleister in das System integriert<br />

werden. Grundlage hierfür ist auch die<br />

Standardisierung von Schnittstellen.<br />

Dokumenten- und Prozessmanagement<br />

Es reicht nicht, einfach nur Formulare zu digita-<br />

lisieren. Konzernweit sind z. B. über 600 teilweise<br />

verschiedene Formulare im Einsatz. Diese<br />

müssen möglichst vereinheitlicht und standardisiert<br />

werden, um den Aufwand zu minimieren.<br />

In diesem Zusammenhang müssen sich verschiedene<br />

Berufsgruppen und Fachrichtungen<br />

austauschen und zu gemeinsamen Lösungen<br />

kommen. Zudem muss entschieden werden,<br />

welche Formularfelder wie genutzt werden<br />

sollen. Welche Daten werden als strukturierte<br />

Daten benötigt, so dass sie später für weitere<br />

Formulare als Basis dienen oder am Ende in<br />

den Entlassbrief einfließen können?<br />

AGAPLESION befindet sich mitten in diesem<br />

Abstimmungsprozess. Alle medizinischen Arbeitsbereichstreffen<br />

haben diesen Punkt auf<br />

ihrer Agenda. In dem Zusammenhang haben<br />

sich z. B. alle Chefärzte der Geriatrie auf ein<br />

konzernweites Aufnahme- und Entlassformular<br />

geeinigt.<br />

Die Einrichtungen müssen im Bereich des Prozessmanagements<br />

weiterhin festlegen, wie und<br />

wann sie dokumentieren, wer dokumentiert und<br />

wo.<br />

Personal und Organisation<br />

Einer der wichtigsten Punkte am Anfang des<br />

Projektes war die Umstrukturierung der IT. Aus<br />

dezentralen Strukturen wurden zentrale und<br />

regionale Strukturen geschaffen. Der Zentrale<br />

Dienst IT umfasst nun rund 90 Mitarbeitende<br />

und wird weiter ausgebaut.<br />

Darüber hinaus können die Mitarbeitenden, die<br />

das Kerngeschäft stemmen, die Digitalisierung<br />

auf eingefahrenen Wegen nicht bewerkstelligen.<br />

Für die Digitalisierung heißt es daher,<br />

unternehmensinterne Widerstände gegen neue<br />

digitale Arbeitsformen zu minimieren und bestehende<br />

Ängste zu nehmen. Die Erfahrung<br />

zeigt, dass vor allem die Key-User-Schulungen<br />

Dreh- und Angelpunkt sind. Gerade im Kerngeschäft<br />

müssen die Mitarbeitenden die möglichen<br />

Funktionalitäten des KIS oder auch der<br />

Pflegedokumentation kennen und anwenden<br />

können.<br />

Datenschutz- und Datensicherheit<br />

In diesem Bereich ist nach neuesten Erfahrungen<br />

vor allem das Thema Cyber Security wichtig.<br />

Wie schützt man sich effektiv vor Angriffen von<br />

außen? Diese Fragen müssen stetig neu beantwortet<br />

werden.<br />

Aber auch das Thema „Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit<br />

und Ausfall- bzw. Notfallkonzepte“<br />

muss geklärt sein. In Zukunft muss jederzeit<br />

standortunabhängiger Echtzeitdatenzugriff ermöglicht<br />

werden.<br />

42<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

Stufe 2 Digitale Prozesse<br />

(Digitalization)<br />

Auf der zweiten Stufe, der Digitalization, geht<br />

es dann um einen sozio-technischen Prozess.<br />

Dabei wird die Digitalisierung auf größere Organisationseinheiten<br />

und damit auch Prozesse<br />

und deren Steuerung übertragen. Die Prozesssteuerung<br />

kann aber nur gelingen, wenn Stufe<br />

1 umgesetzt wurde und Prozessdaten sowie<br />

Outcomes vorliegen. Insgesamt steigen damit<br />

natürlich die produzierten und gesammelten<br />

Datenmengen. Diese können nicht mehr einfach<br />

durchsucht, verteilt, analysiert und visualisiert<br />

werden. Mit der zweiten Stufe werden<br />

daher auch entsprechende Datenanalysten<br />

bzw. Data Scientisten benötigt. Schlagworte<br />

sind hier Data Mining, Machine Learning oder<br />

auch Künstliche Intelligenz. Diese Modelle bzw.<br />

Ansätze dienen dazu, große Datenmengen zu<br />

strukturieren, auszuwerten und ggf. prospektiv<br />

Dinge abzuleiten. Es geht darum, Algorithmen<br />

zu erkennen bzw. festzulegen. Das geht so weit,<br />

dass selbstlernende Systeme eigenständig Zusammenhänge<br />

erkennen und dem Anwender<br />

Hinweise geben oder Lösungsvorschläge anbieten.<br />

Dazu steht AGAPLESION, wie schon beschrieben,<br />

ein konzernweites Data Warehouse<br />

zur Verfügung. Gesundheitsdaten werden in<br />

Zukunft die Lead-Funktion übernehmen. Die<br />

gesamte Behandlungskette der Zukunft ist<br />

datenzentriert. Ziel muss dabei immer eine<br />

Prozessoptimierung zum Wohle des Patienten<br />

sein.<br />

Die Daten werden zur Automatisierung bestimmter<br />

Prozesse führen. Durch Kombination<br />

klassischer Technologien mit künstlicher<br />

Intelligenz entstehen zunehmend autonom<br />

arbeitende, sich selbst organisierende Systeme,<br />

welche die Fehlerquote senken, die Geschwindigkeit<br />

erhöhen und die Betriebskosten<br />

reduzieren. So könnten Behandlungspfade im<br />

Krankenhaus optimiert und individuell pro Patient<br />

geplant werden. Das System weiß, dass<br />

am Aufnahmetag noch ein Röntgen gemacht<br />

werden muss und sichert automatisch für den<br />

Patienten einen entsprechenden Termin bzw.<br />

ein Zeitfenster. So kann zum einen die Patientenzufriedenheit<br />

erhöht und zum anderen die<br />

Auslastung der Geräte optimiert werden.<br />

Zudem müssen noch die weltweit vorhandenen,<br />

externen Gesundheits- und Wissensdaten<br />

betrachtet werden. Alleine in Deutschland<br />

werden etwa 600 klinische Studien pro Jahr<br />

durchgeführt und veröffentlicht. Weltweit kann<br />

man von über 5000 Studien pro Jahr ausgehen<br />

(vfa., <strong>2018</strong>). Wie soll sich ein Arzt oder auch eine<br />

Pflegekraft trotz aller Bemühungen bei einer<br />

solchen Wissens- bzw. Datenflut auf dem aktuellen<br />

Stand halten? Daher werden wissensbasierte,<br />

auf künstlicher Intelligenz aufbauende<br />

Systeme immer wichtiger zur Diagnose- und<br />

Therapieunterstützung. Die Qualität der Diagnosestellung<br />

solcher Systeme verbessert sich<br />

stetig, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis<br />

diese den Arzt in seiner Routine unterstützen.<br />

Stufe 3 und 4 Services und Plattformen<br />

(Digitale Transformation)<br />

Erst wenn die ersten beiden Stufen erreicht<br />

wurden, kann in Kombination mit neuen digitalen<br />

Technologien ein ganzheitlicher Veränderungsprozess<br />

angeregt werden. Es reicht aber<br />

nicht aus, die bestehenden Prozesse und die damit<br />

verbundenen Dienstleistungen einfach nur<br />

mittels digitaler Unterstützung auf ein höheres<br />

Level zu überführen. Digitale Transformation<br />

heißt auch, die Prozesse und Dienstleistungen<br />

zu erneuern bzw. ganz andere Prozesse intern<br />

und in der Kommunikation mit dem Patienten<br />

einzuführen. Nur wenn beide Dimensionen betrachtet<br />

und digitalisiert werden, können neue<br />

Digitale Geschäftsmodelle entstehen (Abb. 2).<br />

Abbildung 2: Digitale Transformation<br />

(Quelle: eigene Darstellung, AGAPLESION gAG)<br />

Zu diesen neuen Geschäftsmodellen gehören<br />

interaktive Dienstleistungen wie die Online-<br />

Terminvergabe oder -Sprechstunde. Auch die<br />

vorstationäre Unterstützung von Patienten mit<br />

Angststörungen mittels Virtual Reality und einer<br />

dazugehörigen App oder die telemedizinische<br />

Nachsorge von Herzschrittmacherpatienten<br />

stellen solche neuen Dienstleistungen dar.<br />

Eine Auswertung von Statista ermittelte für das<br />

Jahr 2016 1,3 Millionen downloadbare Health<br />

Apps im Google Play Store und 1,2 Millionen im<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 43


Digitalisierung<br />

iTunes Store (Statista, 2016). Neben Tausenden<br />

von Fitnesstrackern und Ernährungs-Coaches<br />

beschäftigt sich aber nur ein kleiner Teil davon<br />

mit „echter“ Medizin. Eine der ersten Apps auf<br />

Rezept ist die Tinnitus-App „Tinnitracks“. Sie<br />

wird bereits von einigen Krankenkassen finanziert.<br />

Durch Waagen oder Blutzuckermessgeräte<br />

mit digitalen Schnittstellen, mobilen EKG-<br />

Geräten und vielem mehr, lassen sich ganz neue<br />

Versorgungsmodelle für bspw. chronisch kranke<br />

Patienten entwickeln. Auch im Bereich der Prävention<br />

sind neue digitale Geschäftsmodelle<br />

bzw. Dienstleistungen denkbar.<br />

Grundlage dabei ist immer das Zur-Verfügung-<br />

Stellen von Daten. Diese nutzen auch sogenannte<br />

Plattformanbieter als Arbeitsgrundlage.<br />

Ein Plattformbetreiber kann grundsätzlich jede<br />

Art von Leistungen in sein System integrieren,<br />

von der persönlichen ambulanten Pflege bis<br />

hin zum Krankenhaus der Maximalversorgung.<br />

Plattformen koordinieren in immer größerem<br />

Umfang Angebot und Nachfrage. Erfolgreiche<br />

Plattformbetreiber setzen Schnittstellenstandards<br />

durch, wodurch sie das Geschäftsmodell<br />

in ihrem Sektor vollständig beherrschen.<br />

Auch hier gibt es bei AGAPLESION schon erste<br />

Ansätze, etwa beim Projekt „Sicherung intersektoraler<br />

Versorgung durch ein IT-gestütztes<br />

Dienstleistungskonzept für multimorbide Patienten<br />

mit Demenz“ (SimPat). Hier wird eine<br />

digitale Fallmanagementlösung als Plattform<br />

erarbeitet. Sie unterstützt vor allem den Entlassungsprozess<br />

und verbindet das Krankenhaus<br />

mit nachsorgenden Einrichtungen zum<br />

Wohle des Patienten. In Zusammenarbeit mit<br />

der Techniker Krankenkasse und IBM werden<br />

in einem weiteren Projekt der AGAPLESION gAG<br />

die Entlassbriefe in einer elektronischen Patientenakte<br />

für nachsorgende Einrichtungen zur<br />

Verfügung gestellt. Dies ermöglicht eine bestmögliche,<br />

effiziente Versorgung der Patienten,<br />

bspw. auch in Notfallsituationen wie Bewusstlosigkeit<br />

oder bei einer vorangeschrittenen dementiellen<br />

Erkrankung, wenn der Patient sich<br />

selber nicht mehr zu vorangegangenen Interventionen<br />

äußern kann.<br />

Digitalstrategie und Finanzierung<br />

Alle beschriebenen Maßnahmen, vor allem auf<br />

Stufe 1, sind jedoch mit hohen Investitionskosten<br />

verbunden. Dies war uns von Anfang an<br />

bewusst. Man kann die Digitale Transformation<br />

nicht ohne eine gewisse finanzielle Belastung<br />

erreichen. So wie AGAPLESION die letzten Jahre<br />

in Infrastruktur und neuste Medizintechnik investiert<br />

hat, muss nun auch in die Digitalisierung<br />

investiert werden (Abb. 3).<br />

Wichtig ist jedoch, nicht blind Tablets, Lizenzen<br />

und Schnittstellen anzuschaffen. Digitalisierung<br />

ist kein Selbstzweck. Das Ziel muss klar<br />

sein. Prozesse müssen geprüft und neu durchdacht<br />

werden. Die Digitalisierung muss zu einer<br />

Erhöhung der Effizienz und Effektivität der<br />

Prozesse führen und hat immer das Wohl des<br />

Patienten und Bewohners im Blick.<br />

Digitale Transformation –<br />

Ein Frage der Ethik?<br />

Neben hohen Investitionskosten und Fragen<br />

der Datensicherheit kommen bei der Digitalen<br />

Transformation aber auch ethische Fragestellungen<br />

in den Blick: Was macht die Digitalisierung<br />

mit dem Personal? Wie nehmen die Patienten<br />

die Digitalisierung wahr? Wie sehen die<br />

Berufsbilder „Pflege“ und „Arzt“ in Zukunft aus?<br />

Ändert sich das Berufsethos? Was ist erforderlich,<br />

um Mitarbeitende auf die kommenden<br />

Veränderungen vorzubereiten und sie für neue<br />

Aufgaben zu befähigen?<br />

Im Prinzip ist die Digitale Transformation jedoch<br />

nicht anders zu bewerten als die Industrialisierung<br />

im 18. und 19. Jahrhundert. Auch<br />

diese war ein technisch-wirtschaftlicher Prozess<br />

des Übergangs, damals von agrarischen<br />

zu industriellen Produktionsweisen, in dem<br />

sich die maschinelle Erzeugung von Gütern und<br />

Abbildung 3:<br />

Finanzielle Belastung<br />

Digitale Transformation<br />

(Quelle: eigene Darstellung,<br />

in Anlehnung an das Fish Model,<br />

Technology Services<br />

Industry Association, 2016)<br />

44<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

Dienstleistungen durchsetzte. Handarbeit wurde<br />

durch Maschinen ersetzt. Es entstanden<br />

völlig neue Berufsbilder. Und so wird es auch<br />

im Zeitalter der Digitalen Transformation kommen.<br />

Wichtig ist der „ethische“ Umgang mit den<br />

freiwerdenden Ressourcen.<br />

Es müssen zudem gesamtgesellschaftliche<br />

Fragen geklärt werden. Zu fragen ist hier z. B.<br />

nach den möglichen Auswirkungen verhaltensbasierter<br />

Bonussysteme und Versicherungsmodelle<br />

auf die solidarische Krankenversicherung,<br />

wenn mithilfe digitaler Technologien immer<br />

mehr und immer vielfältigere Verhaltensdaten<br />

in Echtzeit erhoben und ausgewertet werden<br />

können (Friele, Schmitz-Luhn, & Woopen,<br />

<strong>2018</strong>).<br />

Wo geht der Weg noch hin?<br />

Trotz intensiver Analyse der Trends und internationaler<br />

Entwicklungen sowie Erstellung von<br />

möglichen Zukunftsszenarien ist diese noch<br />

nicht erkennbar. Man kann sie höchstens in<br />

Teilen erahnen. Allein die Geschwindigkeit der<br />

Entwicklung im Bereich Kommunikation – man<br />

bedenke, dass erst 2007 das erste iPhone auf<br />

den Markt kam – ist atemberaubend und auch<br />

ein bisschen beängstigend. Es wird sich daher<br />

in den nächsten Jahren noch einiges auf dem<br />

Markt und gerade im Gesundheitswesen tun.<br />

Umso wichtiger ist es, jetzt zu starten und den<br />

Weg zur Digitalen Transformation anzugehen.<br />

AGAPLESION geht diesen Weg bereits.<br />

AGAPLESION Diakonieklinikum Rotenburg:<br />

Gitta Schnaepp und Judith Cassier<br />

nutzen die Mobile Digitale Patientenakte.<br />

Das Agaplesion Diakonieklinikum<br />

Rotenburg hat sich einer besonderen<br />

Herausforderung gestellt: Durch die<br />

internationale Zertifizierungsgesellschaft<br />

HIMSS Analytics hat das Klinikum den<br />

Reifegrad der digitalisierten Prozesse rund<br />

um den Patienten prüfen lassen. Das<br />

Ergebnis ist die EMRAM Stufe 6. Das ist<br />

derzeit der höchste Reifegrad, den deutsche<br />

Krankenhäuser erreicht haben. Das Diakonieklinikum<br />

Rotenburg ist aktuell eines<br />

von insgesamt zwei Krankenhäusern in<br />

Deutschland auf diesem hohen Niveau.<br />

Foto: AGAPLESION Diakonieklinikum<br />

Rotenburg<br />

Literaturverzeichnis<br />

Berger, R. (Juli 2017). Krankenhausstudie 2017. Von RolandBerger: https://www.rolandberger.com/de/<br />

Publications/pub_german_hospitals_2017.html abgerufen<br />

Friele, M., Schmitz-Luhn, B., & Woopen, C. (<strong>2018</strong>). Medizin 4.0 – Ethik im digitalen Gesundheitswesen.<br />

Köln.<br />

Ophoz, M. u. (2017). Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern.<br />

Sleziona, M. (18. April <strong>2018</strong>). Rückzieher: Amazon verkauft keine Arzneimittel an Kliniken. Von BibliomedManager:<br />

https://www.bibliomedmanager.de/news-des-tages/detailansicht/35082-rueckzieher-amazon-verkauft-keine-arzneimittel-an-kliniken/<br />

abgerufen<br />

ssu/dpa. (07. Juni <strong>2018</strong>). Viele deutsche Firmen halten sich für digitale Nachzügler. Von Spiegel Online:<br />

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/digitalisierung-deutsche-firmen-halten-sichfuer-nachzuegler-a-1211619.html<br />

abgerufen<br />

Statista. (2016). Anzahl der verfügbaren Gesundheits-Apps nach App Store im Jahr 2016. Von www.<br />

Statista.com: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/688545/umfrage/anzahl-der-verfuegbaren-gesundheits-apps-nach-app-store/<br />

abgerufen<br />

vfa. (12. Juni <strong>2018</strong>). Deutschland ist weltweit Nr. 2 bei klinischen Studien forschender Pharma-<br />

Unternehmen. Von Die forschenden Pharma-Unternehmen: https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/forschungsstandort-deutschland/klinische-studien-deutschland.html<br />

abgerufen<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 45


Digitalisierung<br />

Digitalisierung:<br />

Treibende sein statt Getriebene<br />

Klinikum Darmstadt punktet mit klarer Positionierung, Bereitschaft zum Wandel<br />

und starker Digitalisierungsstrategie<br />

Die Klinikum Darmstadt GmbH<br />

Das Klinikum Darmstadt ist das einzige kommunale Krankenhaus der Maximalversorgung<br />

in Südhessen; mit drei großen Intensivstationen, 21 Kliniken und Instituten hat<br />

es zahlreiche Alleinstellungsmerkmale in der Region.<br />

Sichtbar ist das Haus in der Veränderung und am Wachsen: In zwei Bauabschnitten<br />

entsteht bis 2021 ein Zentraler Neubau. Der erste ging im Dezember 2017 in den Patientenbetrieb.<br />

Mit den Neubauten wird es 1.000 moderne Betten bereithalten. In 2017<br />

hat das Klinikum mehr als 100.000 Patientinnen und Patienten ambulant und 40.000<br />

stationär behandelt. Seit 2015 gehört das Marienhospital Darmstadt dazu. Als größter<br />

kommunaler Arbeitgeber hat die GmbH 3.200 Mitarbeitende.<br />

www.klinikum-darmstadt.de<br />

Eva Bredow-Cordier<br />

Leiterin Unternehmenskommunikation<br />

und Marketing,<br />

Pressesprecherin<br />

Klinikum Darmstadt GmbH<br />

Statt eines radikalen Sparkurses führen ein<br />

Fünfjahresplan für den Ausbau der IT-Technik<br />

und -Infrastruktur und gezielte Investitionen<br />

in Höhe von drei Prozent des Jahresbudgets<br />

das Klinikum Darmstadt in die<br />

Digitalisierung. Dabei darf die Digitalisierung<br />

niemals nur Selbstzweck sein. Maßgeschneidert<br />

umgesetzt, eröffnet sie viele Chancen<br />

und Potenziale: Eine bessere Versorgung,<br />

mehr Sicherheit und Qualität, transparentere<br />

Prozesse, effizienteres Arbeiten, attraktivere<br />

Arbeitsplätze, Mehrwert für alle am Behandlungsprozess<br />

Beteiligten und die Aussicht, im<br />

Wettbewerb zu bestehen. Treibende sein, statt<br />

Getriebene – so lautet die Maxime.<br />

„Es ist verrückt, die Dinge immer gleich zu<br />

machen und dabei auf andere Ergebnisse zu<br />

hoffen.“ Albert Einsteins Sicht leitet die Geschäftsführung<br />

der Klinikum Darmstadt GmbH.<br />

Das Krankenhaus ist im Wandel. Sichtbar in<br />

den Neubauten, die im laufenden Klinikbetrieb<br />

auf dem engen Innenstadt-Gelände entstehen.<br />

Aber auch im Inneren. Die unzureichende Krankenhausfinanzierung<br />

zwingt dazu, alle Prozesse<br />

auf den Kopf zu stellen und wo nötig zu verändern.<br />

Die Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden<br />

und der Wunsch, gute Mitarbeitende<br />

zu halten, unterstützen den Modernisierungsschub,<br />

der nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit,<br />

sondern auch die medizin- und<br />

IT-technische Ausstattung umfasst.<br />

Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck. Sie<br />

muss den Menschen dienen. Den Mitarbeitenden,<br />

aber auch den Patientinnen und Patienten.<br />

Denn wenn ein schlechter Prozess digitalisiert<br />

wird, dann ist er danach eben nur ein schlechter<br />

digitaler Prozess. Digitalisierung soll und<br />

kann aber durchaus dabei helfen, das begrenzte<br />

Krankenhausbudget optimal zu nutzen.<br />

Derzeit verfügt das Klinikum Darmstadt, wie so<br />

viele deutsche Krankenhäuser, über viele parallele<br />

einzelne Digitalleistungen – dazu gehören<br />

teil-digitale Patientenakten, elektronische<br />

Arztbrieferstellung, mobile Visiten, digitales<br />

Archiv, Online-Terminvergabe oder zum Beispiel<br />

die Labor-Datenabfrage am Patientenbett.<br />

Gelebte Praxis sind auch Videokonferenzen<br />

in den wöchentlichen Tumorboards mit<br />

niedergelassenen Praxen aus dem Odenwald<br />

oder in Kooperation mit der Radiologie eines<br />

Kreiskrankenhauses. Auch der Einstieg in die<br />

digitale Patientenaufklärung ist geschafft.<br />

Der entscheidende nächste Schritt aber fehlt<br />

noch: Damit jeder Mediziner zu jeder Tagesund<br />

Nachtzeit auf alle Anamnesen, Befunde,<br />

Arztbriefe, OP-Berichte zugreifen kann, müssen<br />

alle Systeme ineinandergreifen und alle<br />

Daten müssen zu jeder Zeit von allen am Behandlungsprozess<br />

Beteiligten abrufbar sein.<br />

Das macht den Ausbau der Digitalisierung, des<br />

Datenschutzes und der Datensicherheit notwendig.<br />

Trotz Sparkurs:<br />

hohe Investitionen im IT-Bereich<br />

Das Klinikum Darmstadt hat sich daher schon<br />

46<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

früh dazu entschieden, diesen Themen einen<br />

hohen Stellenwert zuzumessen. Organisatorisch<br />

ist die IT-Abteilung direkt der Geschäftsführung<br />

unterstellt. Die Geschäftsführung hat<br />

die Digitalisierung und die IT-Sicherheit damit<br />

zur Managementaufgabe gemacht. Zudem<br />

wurde der Bereich Medizintechnik in die IT-<br />

Abteilung integriert, weil es heute keine medizintechnischen<br />

Produkte mehr gibt, die nicht<br />

digital angebunden sind. Im Investitionshaushalt<br />

wurde ein Fünfjahresplan für den Ausbau<br />

der IT-Technik und -Infrastruktur aufgestellt,<br />

der sich auch im Wirtschaftsplan niederschlägt.<br />

Die Geschäftsführung hat damit statt eines radikalen<br />

Sparkurses auf gezielte Investition und<br />

eine Verbesserung der Prozessabläufe durch<br />

intensiven IT-Einsatz gesetzt.<br />

„Digitalisierung und IT-Sicherheit sind als<br />

Kernfunktionen eines Krankenhauses von strategischer<br />

Bedeutung. Deswegen haben wir uns<br />

organisatorisch entsprechend aufgestellt und<br />

investieren massiv in unsere IT-Infrastruktur<br />

und Schulungsmaßnahmen. Drei Prozent des<br />

Jahresbudgets fließen in die IT und in die Schulung<br />

der Mitarbeitenden, denn Digitalisierung<br />

funktioniert nur, wenn auch ein Kulturwandel<br />

gelingt“, so formuliert es Clemens Maurer, Geschäftsführer<br />

seit Mitte 2013.<br />

Digitalisierung braucht<br />

einen Kulturwandel<br />

Entscheidend mit angestoßen hat Gerhard Ertl<br />

die Digitalisierung, seit 2015 Leiter und CIO<br />

(Chief Information Officer) der Abteilung Informations-,<br />

Medizin- und Telekommunikationstechnik<br />

der Klinikum Darmstadt GmbH:<br />

„In unserem Haus war viele Jahre so verfahren<br />

worden, wie in vielen anderen Kliniken auch: IT<br />

wurde vorwiegend als Notwendigkeit im Abrechnungsbereich<br />

und als Kostenfaktor gesehen.<br />

Deswegen wurden IT-Projekte auch nur<br />

mit möglichst geringem Budget und Aufwand<br />

umgesetzt.“ Entsprechend wichtig war es für<br />

den IT-Leiter, möglichst schnell die Kommunikation<br />

zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

und eine Kultur gegenseitigen Verständnisses<br />

aufzubauen. Für ihn und sein Team hatte<br />

Clemens Maurer<br />

Geschäftsführer des<br />

Klinikums Darmstadt<br />

Digitalisierung und IT-Sicherheit sind als Kernfunktionen<br />

eines Krankenhauses von strategischer Bedeutung.<br />

Deswegen haben wir uns organisatorisch entsprechend aufgestellt<br />

und investieren massiv in unsere IT-Infrastruktur und<br />

Schulungsmaßnahmen. Drei Prozent des Jahresbudgets fließen in<br />

die IT und in die Schulung der Mitarbeitenden, denn<br />

Digitalisierung funktioniert nur, wenn auch ein<br />

Kulturwandel gelingt.<br />

Clemens Maurer, Geschäftsführer des Klinikums Darmstadt<br />

es Priorität, das Krankenhausinformationssystem<br />

Medico von Cerner möglichst zügig auszubauen<br />

und so die Grundlage für eine weitergehende<br />

Digitalisierung des Hauses zu legen.<br />

Gerhard Ertl<br />

Leiter und CIO (Chief Information<br />

Officer) der Abteilung<br />

Informations-, Medizin- und<br />

Telekommunikationstechnik<br />

des Klinikums Darmstadt<br />

„Die gute Nachricht war, dass wir uns seitens<br />

der IT-Abteilung voll auf die Kolleginnen und<br />

Kollegen im Haus konzentrieren konnten, da<br />

uns die Geschäftsführung völlig freie Hand ließ.<br />

Die Geschäftsführung vertraut uns in fachlicher<br />

Hinsicht und sieht ihre Aufgabe im Hinblick auf<br />

die IT darin, die Mittel bereitzustellen, die wir<br />

benötigen, um unsere Aufgabe sachgerecht<br />

durchzuführen. Natürlich ist das kein Freibrief.<br />

Aber man vertraut unserem Urteil als Fachleute“,<br />

so Ertl weiter.<br />

Für Gerhard Ertl klappt die Digitalisierung nur,<br />

„wenn eine Kultur etabliert werden kann, die<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 47


Digitalisierung<br />

Wandel als etwas Positives sieht, als etwas,<br />

das die Chance zu Verbesserungen bietet und<br />

nicht nur Risiken. Den menschlichen Drang, an<br />

Bewährtem festzuhalten, sollte man nicht unterschätzen.“<br />

eines leistungsfähigen Klinikinformationssystems.<br />

Damit können sowohl die Qualität der<br />

Krankenversorgung als auch die wirtschaftliche<br />

Effizienz erhöht werden. Wer Patientensicherheit<br />

ernst meint, kommt um eine vollständige<br />

Digitalisierung der Daten und Abläufe in der<br />

Gesundheitsversorgung nicht herum – natürlich<br />

unter Gewährleistung höchsten Patientendatenschutzes.<br />

Digitale Bilder ...<br />

Foto: Klinikum Darmstadt<br />

GmbH<br />

Um eine Klinik ins digitale Zeitalter zu führen,<br />

ist es elementar, zunächst Verständnis für<br />

die Komplexität von Healthcare-IT zu wecken,<br />

um eine Kultur des Wandels zu etablieren. Das<br />

betrifft nicht nur die Leitungsebene, sondern<br />

auch die Ebene der Anwendenden. Nur auf dieser<br />

Basis kann man einen Dialog führen und<br />

eine sinnvolle IT-Strategie entwerfen, die den<br />

Anforderungen aller gerecht wird und den individuellen<br />

Gegebenheiten im Haus angepasst<br />

ist. Mitarbeitende müssen befähigt und mitgenommen<br />

werden.<br />

Dahinter steht die Überzeugung: Man kann<br />

durch gezielten IT-Einsatz mit relativ einfachen<br />

Mitteln Arbeitsabläufe nicht nur beschleunigen,<br />

sondern auch eine höhere Behandlungsqualität<br />

erzielen – allein schon dadurch, dass<br />

wichtige Informationen schneller zu den Adressaten<br />

durchdringen. Dadurch steigt auf der<br />

einen Seite die Arbeitsmotivation der Anwendenden,<br />

weil sie sich auf ihre eigentliche Arbeit<br />

konzentrieren können. Auf der anderen Seite<br />

merken die Patientinnen und Patienten, dass<br />

sie schnell und gut behandelt werden.<br />

Geschäftsführung und IT-Leiter sind sich einig:<br />

Die Digitalisierung birgt viele Chancen und die<br />

Krankenhaus-IT bietet ein enormes Potenzial.<br />

Für die Patienten eine bessere Versorgung und<br />

mehr Sicherheit; für das Krankenhaus transparentere<br />

Prozesse und damit auch die Möglichkeit,<br />

effizienter zu arbeiten und im Wettbewerb<br />

zu bestehen.<br />

Starker Umsetzungswille<br />

Grundlage aller Digitalisierung ist der Aufbau<br />

Das deutsche Gesundheitswesen heute setzt<br />

Innovationen nur sehr langsam um. Und manche<br />

Innovation – Beispiel Gesundheitskarte<br />

– klappt trotz Millionen-Einsatz und jahrelanger<br />

Diskussionen und Planungen (immer noch)<br />

nicht. Dabei wächst der Druck von Mitarbeitenden<br />

und Patientinnen und Patienten, die in<br />

ihrem Alltag digitale Anwendungen selbstverständlich<br />

nutzen. Wer geht heute noch in ein<br />

Reisebüro, um Hotel oder Urlaub zu buchen?<br />

Wer geht heute noch zur Bank, um eine Überweisung<br />

zu tätigen?<br />

Wer treibt also die Veränderung im Krankenhaus<br />

voran? Das geht nur im Schulterschluss<br />

von oben nach unten und mit Vertrauen zwischen<br />

IT-Leitung und Geschäftsführung. Ein<br />

wesentlicher Punkt, um ein Krankenhaus in<br />

das Zeitalter der Digitalisierung zu führen: Die<br />

konsequente Umsetzung und Nutzung von IT-<br />

Systemen benötigt vor allem eine direkte Integration<br />

der IT in die Unternehmensstrategie<br />

und einen starken Umsetzungswillen durch die<br />

Krankenhausführung. Das Verständnis und die<br />

Zukunftsorientierung der Geschäftsführung<br />

bestimmen maßgeblich den Digitalisierungsgrad.<br />

Maßgeschneiderte<br />

Digitalisierungsstrategie<br />

Als zweites gehören eine klar definierte und<br />

zielgerichtete IT-Strategie mit einem konkreten<br />

abgeleiteten IT-Bebauungsplan dazu. Dabei<br />

muss die Digitalisierungsstrategie maßgeschneidert<br />

sein.<br />

Zunächst wurden die betagten Server durch<br />

eine moderne Infrastruktur ausgetauscht –<br />

elementar wichtig für die Sicherheit der IT-<br />

Infrastruktur und auch eine Frage der Performance<br />

und damit auch der Motivation und der<br />

Arbeitsfähigkeit der Anwendenden. Jetzt steht<br />

der Aufbau und Ausbau eines einheitlichen<br />

und umfassenden Klinikinformationssystems<br />

mit einheitlicher Hard- und Software auf dem<br />

Programm. Klinikübergreifende Anwendungssysteme,<br />

Standards haben absolut Vorrang vor<br />

klinikspezifischen Systemen.<br />

Durch die flächendeckende Einführung klinischer<br />

Arbeitsplatzsysteme sollen multimediale<br />

48<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

... ermöglichen die<br />

digitale mobile Visite<br />

Foto: Klinikum Darmstadt<br />

GmbH<br />

Patientendaten jeder am Behandlungsprozess<br />

beteiligten Person zeitgerecht und vollständig<br />

zur Verfügung stehen. Voraussetzung ist<br />

eine umfassende elektronische Krankenakte,<br />

die auch alle pflegerischen Dokumentationen<br />

umfasst. Aber auch der Abruf von Online-Monitoring-Daten,<br />

Medikamenten- und Materialbestellungen,<br />

Einbestellungen und Terminvergabe,<br />

der Export der notwendigen Daten für<br />

die Qualitätssicherung, der Zugriff auf lokale<br />

und weltweite Informations- und Wissensserver<br />

und vieles mehr müssen darüber möglich<br />

sein. Ebenso wie sichere Schnittstellen, so dass<br />

die elektronische Kommunikation mit Gesundheitsversorgungseinrichtungen<br />

auch außerhalb<br />

des Klinikums möglich ist.<br />

Mit dem Gewinn des deutschlandweiten Wettbewerbs<br />

der Bitkom im vergangenen Jahr und<br />

der Auszeichnung Darmstadts als Digitalstadt<br />

haben das Thema und der Wandel im Klinikum<br />

Darmstadt bundesweite Aufmerksamkeit nach<br />

sich gezogen. In die „Digitale Stadt“ Darmstadt<br />

werden mehrere Millionen Euro investiert, um<br />

aus ihr eine digitale Musterstadt zu machen,<br />

von der andere Städte lernen können. Dabei ist<br />

der Bereich Gesundheit ganz zentral, weil er<br />

das tägliche Leben der Menschen in einer Stadt<br />

ganz persönlich betrifft. Von Anfang an war das<br />

Klinikum Darmstadt in der Lead-Funktion für<br />

Ziel des Masterplans ist das Krankenhaus 4.0,<br />

das für die Vision einer modernen, auf die<br />

Bedürfnisse des Patienten und der Patientin<br />

abgestimmten Gesundheitsversorgung steht,<br />

in der verteilte Krankenhausinformationssysteme,<br />

Medizingeräte, Anlagen und Anwendungen<br />

durch Vernetzung und strukturierten<br />

Datenaustausch direkt mit den Anwendern<br />

interagieren.<br />

Dabei ist die Digitalisierung eben kein Selbstzweck.<br />

Sie stärkt, so verstanden und realisiert,<br />

auch die Selbstbestimmung im Versorgungsprozess<br />

– Patientinnen und Patienten sind in<br />

der Lage, mit diesen Daten die eigene Gesundheit<br />

aktiv zu gestalten.<br />

Treiber der Digitalisierung ist die IT-Abteilung<br />

Foto: Klinikum Darmstadt GmbH<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 49


Digitalisierung<br />

den Bereich Gesundheit schon in der Wettbewerbsphase<br />

involviert und ist es noch in der<br />

bis Ende 2019 laufenden Projekt- und Umsetzungsphase.<br />

Vision: Gesund bleiben und werden<br />

Der Gewinn des Wettbewerbs hat uns bei der Digitalisierung<br />

auch intern einen weiteren Schub<br />

gegeben. Die Vision ist, dass die Digitalstadt<br />

Darmstadt – und wir als Teil und Treiber des<br />

Bereichs Gesundheit – ihren Bürgerinnen und<br />

Bürgern hilft, gesund zu bleiben und zu werden.<br />

Unser Ziel ist es, die Digitalisierung voranzutreiben<br />

und nicht zu Getriebenen zu werden.<br />

Wir wollen mithelfen, dass jeder Patient, der<br />

dies möchte, auf seine Gesundheitsdaten<br />

zugreifen und diese auch weitergeben<br />

kann. Dabei steht die IT-Sicherheit<br />

immer im Vordergrund. IT-Sicherheit<br />

auf allerhöchstem Niveau, lückenlose Verfügbarkeit<br />

aller Daten – ohne Medienbruch. Denn<br />

dies kann und wird die Patientensicherheit und<br />

-selbstbestimmung jedes einzelnen enorm erhöhen.<br />

Dazu brauchen wir nur einen gesetzlichen Rahmen,<br />

Innovationsfreude und eine ausreichende<br />

Finanzierung, dann ist die Digitalisierung im<br />

Gesundheitswesen kein Traum mehr.<br />

Auszeichnung als<br />

„Digital-Champion“<br />

Digital Champion<br />

Eine aktuelle Studie zeichnet 415 „Digital-Champions“ als Vorreiter in Sachen Digitalisierung<br />

in Deutschland aus. Focus Money hat in Kooperation mit dem Hamburgischen<br />

Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) die Studie durchgeführt, in der 10.000 Unternehmen<br />

aus gut 50 Branchen analysiert wurden. Spitzenreiter im Bereich Krankenhäuser ist<br />

das Klinikum Darmstadt mit 100 Punkten, gefolgt vom Klinikum Frankfurt (Oder);<br />

Rhön Klinikum, Helios Kliniken, Asklepios Kliniken und Vivantes liegen auf den<br />

Plätzen 5 bis 8.<br />

Das Siegel „Digital Champion“ fußt auf Basis zweier Erhebungen, so heißt es im Focus/<br />

Money Heft 10/<strong>2018</strong>: Zum einen in einem umfassenden Fragebogen, der 30 Einzelaspekte<br />

der Digitalisierung im Betrieb abdeckte, zum anderen auf der Auswertung<br />

eines Social Listenings, das sämtliche Texte, die im Jahr 2017 im Internet zu den<br />

untersuchten Unternehmen erschienen sind, in einer Datenbank gebündelt und nach<br />

Aussagen zu Digitalisierungsprojekten und -fortschritten bewertet hat.<br />

Die Auszeichnung als Digital Champion für das Klinikum Darmstadt ist ein sichtbares<br />

Zeichen dafür, dass das Haus von Anfang an auf diesen Bereich mit den richtigen<br />

Strategien gesetzt hat.<br />

50<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

TELnet@NRW: Gemeinsam handeln.<br />

Kompetent behandeln.<br />

Telemedizinisches, intersektorales Netzwerk als neue digitale Gesundheitsstruktur<br />

zur messbaren Verbesserung der wohnortnahen Versorgung<br />

Das Projekt „TELnet@NRW“<br />

TELnet@NRW verfolgt das Ziel, ein sektorenübergreifendes digitales Netzwerk aufzubauen<br />

und als neue Versorgungsform zu etablieren. Im Rahmen des Projektes sollen<br />

in den Regionen Aachen und Münster telemedizinische Anwendungen beispielhaft in<br />

den Bereichen Infektiologie und Intensivmedizin eingesetzt werden, um die Behandlungs-<br />

und Prozessqualität sowie die Effizienz der Patientenversorgung zu optimieren.<br />

Das auf drei Jahre ausgelegte Projekt ist im Februar 2017 offiziell gestartet und wird<br />

durch Mittel des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses mit rund<br />

20 Millionen Euro gefördert. Die Projektleitung bzw. Konsortialführung liegt bei der<br />

Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care des Universitätsklinikums<br />

Aachen, das Universitätsklinikum Münster hat die regionale Projektleitung inne. Die<br />

Infektiologen und Intensivmediziner der beiden Universitätskliniken stehen während<br />

des Projektes den ärztlichen Kollegen aus den rund 17 Partnerkrankenhäusern und<br />

über 100 teilnehmenden Arztpraxen der beiden Arztnetze GKS (Köln) und MuM eG<br />

(Bünde) mittels Telemedizin beratend zur Seite. Beispiele sind etwa schwere und / oder<br />

seltene Infektionen oder hochkomplexe medizinische Fragestellungen. An dem Projekt<br />

beteiligt sind weiterhin die Techniker Krankenkasse zusammen mit den GKVen NRW,<br />

die Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-<br />

Lippe sowie die Universität Bielefeld und das ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin<br />

als evaluierende Einrichtungen. Es konnten bereits über 50.000 Patienten<br />

eingeschlossen werden, und es findet ein reger Austausch zwischen allen beteiligten<br />

Projektpartnern statt. Das Projekt wird regelmäßig auf Veranstaltungen, Messen und<br />

Tagungen vorgestellt.<br />

[www.telnet.nrw]<br />

Autoren/Kontakt:<br />

TELnet@NRW-<br />

Projektkonsortium<br />

vertreten durch Univ.-Prof.<br />

Dr. med. Gernot Marx, FRCA<br />

Klinik für Operative<br />

Intensivmedizin und<br />

Intermediate Care<br />

Pauwelsstr. 30<br />

52074 Aachen<br />

Tel.: 0241 80-80444<br />

Fax: 0241 80-3380444<br />

Mail: info@telnet.nrw<br />

www.telnet.nrw<br />

Das mit Mitteln des Innovationsfonds geförderte<br />

Projekt „TELnet@NRW“ verfolgt das<br />

Ziel, ein sektorenübergreifendes digitales<br />

Qualitätsnetzwerk als neue Versorgungsform<br />

aufzubauen. In den Regionen Aachen und<br />

Münster werden telemedizinische Anwendungen<br />

beispielhaft in der Infektiologie und<br />

Intensivmedizin zur Optimierung der Behandlung<br />

eingesetzt. Der Beitrag stellt das Projekt<br />

in Bezug auf Ziele, Projekteilnehmer, Technik<br />

und Evaluation vor und berichtet von den bisherigen<br />

Erfahrungen im ambulanten und stationären<br />

Bereich.<br />

Eine bestmögliche und wohnortnahe Gesundheitsversorgung<br />

in jeder Region ist Ziel und<br />

Wunsch von Patienten, Bürgern, Gesundheitseinrichtungen<br />

und nicht zuletzt der Politik.<br />

Dieses Ziel ist jedoch vor dem Hintergrund eines<br />

sich abzeichnenden Mangels an Ärzten und<br />

Gesundheitsfachkräften und einer sich verändernden<br />

Patientenstruktur mit mehr älteren<br />

und multimorbiden Patienten immer schwieriger<br />

zu erreichen. Insbesondere ländliche und<br />

/ oder strukturschwache Regionen spüren bereits<br />

die Auswirkungen dieser Entwicklung und<br />

sind daher auf innovative Versorgungskonzepte<br />

angewiesen. Digitale Technologien bieten hier<br />

die Möglichkeit, die Versorgung vor Ort flexibler<br />

und leistungsfähiger zu gestalten.<br />

Herausforderungen in Intensivmedizin<br />

und Infektiologie<br />

Zwei medizinische Felder, die von der Entwicklung<br />

besonders betroffen und daher ein wichtiges<br />

Anwendungsfeld digitaler Technologien<br />

sind, sind die personalintensiven Bereiche der<br />

Infektiologie und Intensivmedizin.<br />

In der Infektiologie etwa stellen zunehmende<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 51


Digitalisierung<br />

»Intersektorale und telemedizinisch<br />

gestützte Kooperationsstrukturen<br />

stellen ein<br />

wichtiges Instrument dar, um<br />

spezialisierte Expertise auch<br />

in der Fläche zeitnah und<br />

kontinuierlich zur Verfügung<br />

zu stellen.«<br />

»Damit die telemedizinische<br />

Mitbehandlung von technischer<br />

Seite her möglichst unkompliziert<br />

umgesetzt werden<br />

kann, wird beim Projekt auf<br />

bereits erprobte Lösungen, wie<br />

z. B. die FallAkte+ und die<br />

elektronische Visite (elVi®),<br />

gesetzt.«<br />

Antibiotikaresistenzen die Behandelnden vor<br />

die Herausforderung, für jeden Patienten ein<br />

passendes und wirksames Antibiotikum zu finden.<br />

Bereits jetzt sterben weltweit schätzungsweise<br />

700.000 Menschen an Infektionen, gegen<br />

welche die aktuell verfügbaren Therapien bzw.<br />

Medikamente wirkungslos sind. Dies stellt nicht<br />

nur auf individueller Ebene ein Problem dar,<br />

auch die gesellschaftlichen Kosten durch Infektionen<br />

mit resistenten Keimen sollten nicht<br />

unterschätzt werden (vgl. O`Neill, J., 2016). Für<br />

eine patientenorientierte Antibiotikatherapie<br />

ist es daher erforderlich, leitlinienkonform zu<br />

behandeln, d.h. konkret, die Empfehlungen der<br />

Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI)<br />

„Klug entscheiden“ und die Vorgaben der S3-<br />

Leitlinie „Strategie zur Sicherung rationaler<br />

Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ umzusetzen<br />

(vgl. DeWith, K. et al., 2016 & Jung, N.<br />

et al., 2016). Dies stellt im medizinischen Alltag<br />

häufig ein Problem dar, so dass zunehmend<br />

eine Diskrepanz zwischen den wissenschaftlichen<br />

Vorgaben und der praktischen Umsetzung<br />

besteht. Eine leitlinienkonforme und individuell<br />

bestmögliche Behandlung erfordert intensivmedizinisches<br />

und infektiologisches Fachwissen<br />

seitens erfahrener Ärzte. Nicht alle Krankenhäuser<br />

(und Praxen) können rund um die<br />

Uhr auf die geforderte Expertise zurückgreifen.<br />

Es gibt bspw. überhaupt nur rund 300 ausgebildete<br />

Infektiologen in ganz Deutschland.<br />

Intersektorale und telemedizinisch gestützte<br />

Kooperationsstrukturen stellen ein wichtiges<br />

Instrument dar, um spezialisierte Expertise<br />

auch in der Fläche zeitnah und kontinuierlich<br />

zur Verfügung zu stellen (vgl. Marx, G., 2017).<br />

Gleiches gilt für die Intensivmedizin. Rund<br />

zwei Millionen Menschen werden jedes Jahr in<br />

Deutschland intensivmedizinisch betreut. Rund<br />

11% der Intensivpatienten, die in Häusern der<br />

Maximalversorgung oder in Unikliniken versorgt<br />

werden, erleiden eine Sepsis („Blutvergiftung“).<br />

Diese Erkrankung weist mit rund 40%<br />

eine recht hohe Krankenhaussterblichkeit auf,<br />

d.h. dass jedes Jahr rund 75.000 Menschen an<br />

dieser in der Öffentlichkeit noch eher unbekannten<br />

Erkrankung sterben (vgl. Reinhart, K.,<br />

Brunkhorst, F.M., 2011). Aber auch Patienten,<br />

die überleben, haben teils noch lange Zeit nach<br />

Entlassung aus dem Krankenhaus mit Komplikationen<br />

und Nachwirkungen physiologischer<br />

und / oder psychologischer Art zu kämpfen (vgl.<br />

Deutsche Sepsis-Hilfe e.V., o. J.)<br />

Telemedizinische Prozesse und kooperative interdisziplinäre<br />

Versorgungsstrukturen können<br />

dazu beitragen, die Sterblichkeit von Sepsis-<br />

Patienten zu senken – und das um bis zu 25%,<br />

wie das Projekt „TIM – Telematik in der Intensivmedizin“<br />

am Uniklinikum Aachen deutlich<br />

gemacht hat (vgl. Deisz, R. et al., 2016).<br />

Telemedizinische Netzwerke<br />

als neue Versorgungsform<br />

An genau diesem Punkt setzt auch das hier vorgestellte<br />

Projekt „TELnet@NRW“ an. Das Projekt<br />

verfolgt das Ziel, ein sektorenübergreifendes<br />

Netzwerk als neue digitale Versorgungsform<br />

aufzubauen, beispielhaft implementiert in der<br />

Infektiologie und Intensivmedizin. Zusätzlich<br />

zur ärztlichen Expertise vor Ort in den teilnehmenden<br />

Krankenhäusern und Arztpraxen soll<br />

Abbildung 1:<br />

Projektstruktur<br />

TELnet@NRW<br />

ZTG GmbH (2017)<br />

52<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

eine spezialisierte infektiologische und intensivmedizinische<br />

Beratung zeitnah und kosteneffizient<br />

genau an dem Ort verfügbar gemacht<br />

werden, an dem sie gebraucht wird. Eine leitliniengerechte<br />

Behandlung und damit eine<br />

optimierte Behandlungsqualität sollen durch<br />

telemedizinischen Anwendungen ermöglicht<br />

werden. Ziel ist dabei vor allem die Erhöhung<br />

des Umsetzungsgrades der zehn DGI Empfehlungen<br />

„Klug entscheiden“.<br />

Telemedizinische und digitale Anwendungen<br />

spielen dabei, wie in Abbildung 1 zu sehen, eine<br />

entscheidende Rolle. Zum einen ermöglichen<br />

sie es, dass medizinische Daten, Informationen,<br />

Befunde und Dokumente zu jeder Zeit und an<br />

jedem beliebigen Ort über eine gemeinsam genutzte<br />

Online-Plattform zur Verfügung steht.<br />

Gleichzeitig können sich die ärztlichen Kollegen<br />

über Audio-Videokonferenzsysteme in Bild<br />

und Ton austauschen. Die mobilen Visitewagen<br />

in den Kliniken können direkt zum Patientenbett<br />

gefahren werden und vermitteln in sehr<br />

hoher Qualität einen konkreten Eindruck vom<br />

Gesundheitszustand des Patienten. Gleiches<br />

gilt für den ambulanten Bereich. Über ein gemeinsam<br />

genutztes System können sich die<br />

Ärzte aus Uniklinik und Praxis in Form einer<br />

Videokonferenz über bzw. mit dem Patienten<br />

austauschen.<br />

Abbildung 2:<br />

TeleVisite zwischen Aachen und<br />

Jülich: Dr. med. Thorsten Janisch<br />

und Henna Schulze-Steinen<br />

(UK Aachen) unterhalten sich mit<br />

Marcus Flucht vom St. Elisabeth-<br />

Hospital Jülich (im Monitor) über<br />

das weitere Vorgehen<br />

Quelle: Uniklinik RWTH Aachen<br />

Die Idee hinter dem Projekt ist, dass sich die<br />

Ärzte der teilnehmenden Krankenhäuser und<br />

Arztpraxen mit den Spezialisten aus den beiden<br />

Universitätskliniken, wann immer erforderlich,<br />

auf kurzem Wege austauschen und<br />

gemeinsam die Behandlung planen – gemäß<br />

dem Prinzip: Vier Augen sehen mehr als zwei.<br />

So haben kleinere Krankenhäuser nicht immer<br />

die notwendigen Erfahrungswerte, wenn es um<br />

bestimmte intensivmedizinische oder infektiologische<br />

Fragestellungen, wie etwa die Diagnose<br />

und Behandlung der Sepsis, geht. Durch die<br />

kooperative Behandlung und den gemeinsamen<br />

Wissens- und Erfahrungsaustausch können<br />

auch schwerer erkrankte Patienten weiterhin<br />

in ihrem Krankenhaus vor Ort bei hoher Qualität<br />

versorgt werden und müssen nicht verlegt<br />

werden.<br />

An dem Projekt TELnet@NRW unter der Leitung<br />

von Konsortialführer Prof. Dr. med. Gernot<br />

Marx, FRCA, von der Uniklinik RWTH Aachen<br />

sind Partner aus verschiedenen Bereichen beteiligt,<br />

die ihre jeweiligen Erfahrungen und<br />

Kompetenzen miteinbringen.<br />

• Universitätsklinikum Aachen (UKA) als Zentrum<br />

mit neun Krankenhäusern<br />

• Universitätsklinikum Münster (UKM) als<br />

Zentrum mit acht Krankenhäusern<br />

(siehe Tabelle 1)<br />

• Ärztenetz MuM - Medizin und Mehr, Bünde<br />

mit 55 niedergelassenen Ärzten<br />

• Gesundheitsnetz Köln-Süd (GKS) mit 77<br />

niedergelassenen Ärzten<br />

• Techniker Krankenkasse (TK), Landesvertretung<br />

NRW mit den GKVen NRW<br />

• Fakultät für Gesundheitswissenschaften,<br />

Universität Bielefeld<br />

• Zentrum für Telematik und Telemedizin<br />

GmbH (ZTG), Bochum<br />

»Die Akzeptanz der telemedizinischen<br />

bzw. digitalen<br />

Anwendungen ist ein wichtiges<br />

Kriterium für die Verbreitung<br />

neuer Technologien auch in<br />

der Fläche.«<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 53


Digitalisierung<br />

Uniklinik RWTH Aachen<br />

Universitätsklinikum Münster<br />

Tabelle 1:<br />

Beteiligte Krankenhäuser<br />

und Arztnetze<br />

St. Elisabeth Krankenhaus, Jülich<br />

Christophorus-Kliniken GmbH, St.-Vincenz-<br />

Hospital, Coesfeld<br />

Franziskushospital, Aachen<br />

St. Antonius-Hospital, Gronau<br />

St. Elisabeth Krankenhaus, Geilenkirchen Josephs-Hospital, Warendorf<br />

Krankenhaus Düren, Düren<br />

Evangelisches Krankenhaus, Münster<br />

Bethlehem Gesundheitszentrum, Stolberg Jakobi Krankenhaus, Rheine<br />

Eifelklinik St. Brigida, Simmerath<br />

Klinikum Arnsberg, Marienhospital Arnsberg<br />

St. Elisabeth Krankenhaus, Grevenbroich Klinikum Arnsberg, Karolinen-Hospital<br />

Kreiskrankenhaus Dormagen, Dormagen UKM Marienhospital, Steinfurt<br />

St. Josef-Krankenhaus, Linnich<br />

Ärztenetz MuM – Medizin und Mehr eG, Bünde / Gesundheitsnetz Köln-Süd (GKS)<br />

Als Kooperationspartner sind außerdem noch<br />

folgende Institutionen an TELnet@NRW beteiligt:<br />

• Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo)<br />

• Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL)<br />

• GKVen NRW<br />

• Krankenhausgesellschaft<br />

Nordrhein-Westfalen e.V. (KGNW)<br />

Technik und Datenschutz<br />

Damit die telemedizinische Mitbehandlung<br />

von technischer Seite her möglichst unkompliziert<br />

umgesetzt werden kann, wird beim Projekt<br />

auf bereits erprobte Lösungen, wie z. B. die<br />

FallAkte+ und die elektronische Visite (elVi®),<br />

gesetzt. Mittels der hochauflösenden Audio-<br />

Video-Verbindungen und der datenschutzkonformen<br />

Fallakte können sich die teilnehmenden<br />

Ärzte jederzeit und auf unkompliziertem Wege<br />

beraten. Für die Abhaltung der Televisiten in<br />

den Klinken werden mobile Visitewagen (sog.<br />

Tele-ICU-Mobile) mit integrierten Monitoren<br />

genutzt, die eine Bild- und Tonübertragung in<br />

hoher Qualität ermöglichen, sozusagen so, als<br />

ob der ärztliche Kollege direkt anwesend wäre.<br />

Die teilnehmenden Ärzte des Uniklinikums<br />

Münster oder Aachen können ebenso Verlaufskurven<br />

und Vitalwerte über die Monitore einsehen,<br />

um ein umfassendes Bild des Patienten<br />

zu erhalten.<br />

Voraussetzung für die Durchführung der Televisiten<br />

in den teilnehmenden Unikliniken und Kooperationskrankenhäusern<br />

ist, dass hochwertige<br />

Videokonferenzsysteme als feste Einheit in<br />

dem (Telemedizin-)Zentrum sowie mobil (Tele-<br />

ICU-Mobile) kontinuierlich einsatzbereit sind.<br />

Für den Gebrauch im Klinikalltag müssen die<br />

Systeme die entsprechenden Voraussetzungen<br />

erfüllen, bspw. eine Integration der Fallakten<br />

ermöglichen oder leicht desinfizierbar sein.<br />

Abbildung 3:<br />

Telemedizinzentrum am<br />

Uniklinikum Aachen<br />

Quelle: RWTH Aachen<br />

Campus GmbH<br />

54<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

Abbildung 4:<br />

Telemedizinische Visite mit<br />

dem Antibiotic Stewardship<br />

(ABS)-Team: Sebastian Schwerbrock<br />

und Christian Immanuel<br />

aus dem St. Josephs-Hospital<br />

Warendorf (im Monitor) besprechen<br />

sich mit Dr. med. Marcus<br />

Ahrends, Dr. med. Christian<br />

Lanckohr und der Apothekerin<br />

Dagmar Horn<br />

Quelle:<br />

UKM Fotozentrale Deiters<br />

Im ambulanten Bereich setzen die teilnehmenden<br />

Arztpraxen für die Telekonsile mit der<br />

Uniklinik auf das elVi®-System, welches seitens<br />

der TÜV IT GmbH zertifiziert wurde und<br />

die technischen und datenschutzrechtlichen<br />

Anforderungen für Anbieter von Systemen für<br />

Videosprechstunden/Telekonsile seitens der<br />

Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des<br />

GKV-Spitzenverbandes erfüllt.<br />

Insgesamt kommt den datenschutzrechtlichen<br />

Aspekten beim Einsatz mobiler Videokonferenzsysteme<br />

eine besondere Bedeutung<br />

zu, auch wenn es um die Akzeptanz und einen<br />

späteren möglichen flächendeckenden Einsatz<br />

geht. Bedrohungen müssen kontinuierlich gesichtet<br />

und analysiert werden. Ein umfassendes<br />

Risikomanagement ist bei allen bei TELnet@<br />

NRW teilnehmenden Krankenhäusern und Ärztenetzen<br />

fest verankert. Ein externer Datenschutzbeauftragter<br />

überwacht die Einhaltung<br />

der Anforderungen.<br />

Evaluation<br />

Projekte dieser Art bzw. telemedizinische<br />

Services allgemein müssen immer einen Nutzen<br />

für die Beteiligten haben und nicht aus reinem<br />

Selbstzweck durchgeführt werden. In erster<br />

Abbildung 5:<br />

Telekonsil in der Arztpraxis:<br />

Dr. Gero Quante (HNO-Praxis in<br />

der Klinik links vom Rhein) und<br />

Dr. Marcus Ahrends aus dem UK<br />

Münster (im Monitor) tauschen<br />

sich mittels Telemedizin aus<br />

Quelle:<br />

Gesundheitsnetz Köln-Süd<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 55


Digitalisierung<br />

»Vernetzung und Kooperation<br />

sind zwei entscheidende<br />

Aspekte bei der zukünftigen<br />

Gestaltung der Krankenhausversorgung,<br />

vor allem auch<br />

angesichts drängender Fragen,<br />

wie einem angemessenen<br />

Antibiotikaeinsatz und der<br />

Prävention von Resistenzentwicklungen.«<br />

Linie gilt dies für die Patienten und ihre Angehörigen,<br />

aber ebenso sollen auch die Ärzte<br />

und Gesundheitsfachkräfte sowie die Krankenkassen<br />

einen Mehrwert haben. Eine begleitende<br />

Evaluation ist daher unumgänglich.<br />

Daher nimmt auch bei TELnet@NRW die wissenschaftliche<br />

Begleitung einen hohen Stellenwert<br />

ein. Es gilt zu überprüfen, welche Auswirkungen<br />

TELnet@NRW auf die Patientenversorgung hat.<br />

Nur wenn das Projekt zeigt, dass es zusätzliche<br />

Vorteile gegenüber der konventionellen<br />

Behandlung bietet, ist eine flächendeckende<br />

Implementierung zu rechtfertigen.<br />

Bei der Evaluation des Projektes soll insbesondere<br />

untersucht werden, inwiefern die „10<br />

Empfehlungen“ der Initiative „Klug entscheiden“<br />

im medizinischen Alltag in Klinik und Praxis<br />

umgesetzt werden können. Zudem sollen<br />

u.a. die folgenden Fragen durch die Evaluation<br />

beantwortet werden:<br />

• Inwiefern kann die Zahl der Sepsis-Patienten<br />

reduziert werden, die an der Erkrankung<br />

versterben?<br />

• Um wie viele Tage kann die Verweildauer<br />

auf der Intensivstation und im Krankenhaus<br />

reduziert werden?<br />

• Wie sieht es mit der gesundheitsbezogenen<br />

Lebensqualität der Patienten aus, sowohl<br />

bei Entlassung als auch nach 12 sowie 24<br />

Monaten?<br />

Zusätzlich zu diesen medizinischen und gesundheitsökonomischen<br />

Parametern erfolgt<br />

eine Analyse der Akzeptanz der teilnehmenden<br />

Ärzte in Klinik und Praxis. Die Akzeptanz der<br />

telemedizinischen bzw. digitalen Anwendungen<br />

ist ein wichtiges Kriterium für die Verbreitung<br />

neuer Technologien auch in der Fläche. Bei<br />

der Befragung sollen akzeptanzfördernde und<br />

-hemmende Faktoren herausgefiltert werden.<br />

Ziel ist es, herauszufinden, durch welche Instrumente<br />

(z.B. Gestaltung der Technik, Schulungen,<br />

kontinuierlicher Support etc.) die Akzeptanz<br />

der eingesetzten telemedizinischen<br />

Anwendungen und damit im weiteren Verlauf<br />

die kontinuierliche Nutzung im medizinischen<br />

Alltag gefördert werden können.<br />

Die Evaluation eines doch recht komplexen<br />

Projektes wie TELnet, welches verschiedene<br />

Elemente und Maßnahmen beinhaltet, erfordert<br />

ein anderes evaluatives Vorgehen als<br />

bspw. klassische Arzneimittelstudien, in denen<br />

„einfach“ eine Einteilung in eine Interventionsgruppe<br />

(Medikament) und eine Kontrollgruppe<br />

(Placebo) erfolgt. Da die Projektpartner aber<br />

dennoch, wie auch der Gemeinsame Bundesausschuss,<br />

hohe methodische Ansprüche an<br />

die Evaluation stellen, wird für die Studie ein<br />

„Stepped-Wedge-Design“ verwendet. Es handelt<br />

sich hierbei um eine Cluster-randomisierte,<br />

kontrollierte Studie, welche die Wirkung der<br />

Intervention auf das gesamte Patientenkollektiv<br />

hin evaluiert. Die Intervention, also die telemedizinische<br />

Mitbehandlung, wird zufällig und<br />

zeitversetzt („Steps“) auf die einzelnen Cluster<br />

(aus Arztpraxen und Krankenhäusern gebildet)<br />

ausgerollt. Jedes Krankenhaus oder jede Praxis<br />

ist zuerst in der Kontrollphase, in welcher keine<br />

Intervention stattfindet und anschließend in<br />

der Interventionsphase, in der dann die telemedizinische<br />

Intervention erfolgt. Jedes Cluster<br />

wird also irgendwann Teil der Interventionsgruppe.<br />

Die Akzeptanz dieses Studiendesigns<br />

durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist<br />

ein wichtiger methodischer Schritt auch für zukünftige<br />

Telemedizinprojekte.<br />

Zeit für ein Zwischenfazit:<br />

Wo steht TELnet@NRW aktuell?<br />

Die vielen Vorbereitungen, die im Vorfeld des<br />

Projektes zu leisten waren, und der engagierte<br />

Einsatz der Teilnehmer in Klinik, Praxis und<br />

bei der Evaluation zahlen sich bereits aus. Die<br />

zu Projektbeginn vorhandenen Herausforderungen<br />

konnten erfolgreich bewältigt werden.<br />

Es hat sich bereits ein sektorenübergreifendes<br />

Qualitätsnetzwerk mit einer erprobten Kommunikationsstruktur<br />

gebildet, und die eingesetzte<br />

Technik leistet wertvolle Dienste, wenngleich<br />

natürlich hier einige Anpassungen und<br />

kleinere Fehlerkorrekturen zu Beginn erforderlich<br />

waren. Auch bezüglich des Einschlusses<br />

bzw. der Patientenrekrutierung konnte bereits<br />

einiges erreicht werden.<br />

Vor der eigentlichen Interventionsphase (telemedizinische<br />

Mitbehandlung) im Projekt wurden<br />

diverse krankheitsrelevante Daten (z. B.<br />

Antibiotikatherapie, Liegedauer, Organversagen<br />

etc.) bei Intensivpatienten in den teilnehmenden<br />

Krankenhäusern erhoben. Diese bilden<br />

auch die Grundlage für die spätere Evaluation.<br />

Mit Beginn der ersten Interventionsphase<br />

seit August 2017 werden Televisiten regelhaft<br />

durchgeführt und hinsichtlich ihres Einflusses<br />

auf die krankheitsrelevanten Parameter analysiert.<br />

Dank einer gut strukturierten partnerschaftlichen<br />

Projektführung, in der verschiedene<br />

intersektorale Arbeitsgruppen gebündelt werden,<br />

konnten die neuen Versorgungsformen<br />

zügig in das Projekt implementiert werden.<br />

Über 50.000 Patienten wurden seit Beginn der<br />

Erfassungsphase bereits für das Projekt gewonnen.<br />

56<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

Der telemedizinische Service wird dabei aus<br />

ganz unterschiedlichen Gründen nachgefragt<br />

– vielfach auch auf Patienten- bzw. Angehörigenwunsch.<br />

Marcus Flucht, Facharzt für Anästhesiologie<br />

und Intensivmedizin und Oberarzt<br />

am St. Elisabeth-Hospital Jülich berichtet: „Die<br />

Patienten sind, wenn sie denn wach sind, sehr<br />

interessiert, und auch die Angehörigen sind<br />

sehr interessiert, vor allem bei Fragestellungen,<br />

wo der Patient oder der Angehörige sich überlegt,<br />

ob er hier denn auch richtig aufgehoben<br />

ist.“<br />

Dr. med. Verena Lange vom Evangelischen<br />

Krankenhaus Johannisstift Münster pflichtet<br />

ihm bei: „TELnet@NRW ist ein sehr innovatives<br />

Projekt. Mit dem Einsatz der Audio-Video-Konferenzsysteme<br />

werden die Kommunikation sowie<br />

der Informationsaustausch erleichtert, wir<br />

können ein ganzheitliches Bild des Patienten<br />

übermitteln. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit,<br />

neben den regelhaften Visiten jederzeit<br />

in den persönlichen Kontakt zu treten, um<br />

dringende Fragen niederschwellig zu klären.“<br />

Vernetzung und Kooperation sind zwei entscheidende<br />

Aspekte bei der zukünftigen Gestaltung<br />

der Krankenhausversorgung, vor allem<br />

auch angesichts drängender Fragen, wie einem<br />

angemessenen Antibiotikaeinsatz und der<br />

Beispiel: Sepsis-Detektion<br />

Beispielhaft für Telekonsile bei TELnet@NRW ist die Beratung bei nachgewiesener<br />

Blutstrominfektion (Sepsis). Aufgrund der zunächst eher undeutlichen Symptomatik<br />

bzw. dem Fehlen eindeutiger, von außen erkennbarer Symptome ist die Diagnosestellung<br />

komplex. Da es bei der Sepsis auf eine möglichst frühzeitige Diagnose und einen<br />

raschen Therapiebeginn ankommt, stellen Verzögerungen hier ein großes Problem dar.<br />

Frühzeitige Interventionen hingegen erhöhen die Überlebenschancen und können den<br />

Krankheitsverlauf bei einer Sepsis positiv beeinflussen (vgl. Borchard-Tuch, C., 2012).<br />

Studien zeigen, dass die Sterblichkeit bei Staphylococcus aureus, dem zweithäufigsten<br />

Erreger einer Sepsis, fast halbiert werden kann, wenn ein durch Infektiologen<br />

veranlasstes und standardisiertes Vorgehen umgesetzt wird. Daher wird bei Eingang<br />

eines Blutkulturergebnisses mit bspw. dem o.g. Erreger in einem der TELnet@NRW-<br />

Kooperationskrankenhäuser das Studienzentrum in Aachen oder Münster parallel zu<br />

den behandelnden Ärzten vor Ort informiert. Eine erste gemeinsame telemedizinische<br />

Beratung durch einen Infektionsspezialisten erfolgt so bereits innerhalb von 24 Stunden<br />

nach Eingang der positiven Blutkultur.<br />

Ergänzend dazu werden in der Intensivmedizin täglich Televisiten durchgeführt. Mit<br />

Hilfe eines standardisierten Screenings können schwere Infektionen frühzeitig erkannt<br />

und therapiert werden. Durch die interdisziplinäre Teamarbeit zwischen Intensivmedizinern<br />

und Infektiologen wird die Behandlung zum Wohle des Patienten<br />

optimiert, z. B. indem die Medikation konsequent auf hochwirksame Antibiotika mit<br />

maßgeschneiderter Wirkung auf den auslösenden Erreger angepasst wird. Dem allgegenwärtigen<br />

Problem der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen und möglichen<br />

unerwünschten Arzneimittelwirkungen wird so entgegen gewirkt.<br />

Neben den Patienten erleben auch die teilnehmenden<br />

Ärzte und Studienassistenten die<br />

Vorteile einer zusätzlichen telemedizinischen<br />

Mitbehandlung in ihrem klinischen Alltag.<br />

Dazu Dr. med. Tobias Mock vom Josephs-Hospital<br />

Warendorf: „TELnet@NRW ist ein sehr wertvolles<br />

Projekt. Wir haben die Möglichkeit, zu<br />

jeder Tages- und Nachtzeit eine Zweitmeinung<br />

einzuholen und profitieren vom kollegialen<br />

Austausch mit den Universitätsmedizinern.“<br />

Prävention von Resistenzentwicklungen. Diese<br />

Fragen betreffen nicht nur einzelne Patienten<br />

oder Krankenhäuser, sondern stellen vielmehr<br />

eine Herausforderung für das gesamte Gesundheitswesen<br />

dar. Die Förderung des kollegialen<br />

Austauschs und die Bildung vernetzter Strukturen<br />

sind hierbei zwei Schlüsselelemente.<br />

Prof. Dr. med. Gernot Marx, FRCA, Direktor der<br />

Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate<br />

Care an der Uniklinik RWTH Aachen,<br />

Konsortialführer TELnet@NRW, betont<br />

die Chancen einer digitalen Zusammenarbeit:<br />

„TELnet@NRW wird ein sektorenübergreifendes<br />

und lebendiges Qualitätsnetzwerk schaffen unter<br />

dem Motto „Gemeinsam kompetenter“. Diese<br />

digitale Vernetzung wird in der Infektiologie<br />

»TELnet@NRW wird ein<br />

sektorenübergreifendes und<br />

lebendiges Qualitätsnetzwerk<br />

schaffen unter dem Motto<br />

‚Gemeinsam kompetenter‘.«<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 57


Digitalisierung<br />

»Vielmehr war und ist es Ziel<br />

von TELnet@NRW, über einen<br />

kontinuierlichen Austausch<br />

mit Entscheidungsträgern aus<br />

Politik, Öffentlichkeit, Wissenschaft<br />

und Praxis die richtigen<br />

Impulse für einen Übergang<br />

in die Regelversorgung zu<br />

setzen.«<br />

und Intensivmedizin eine 24/7-Versorgung mit<br />

hoher Effizienz und Behandlungsqualität zum<br />

Wohle der Patientinnen und Patienten auch in<br />

der Zukunft sichern.“<br />

Dr. Med. Christian Lanckohr vom Antibiotic Stewardship<br />

(ABS)-Team des Uniklinikums Münster<br />

berichtet in diesem Zusammenhang, dass<br />

TELnet@NRW dem ABS-Team die Möglichkeit<br />

bietet, „sich in den kooperierenden Klinken für<br />

einen rationalen Antibiotikaeinsatz zu engagieren“<br />

und ergänzt: „Diese krankenhausübergreifende<br />

Vernetzung ist im Gesundheitssystem‎<br />

bisher viel zu selten gegeben und ein wichtiger<br />

Schritt in die Zukunft. Die telematische Unterstützung<br />

dieser Inhalte ist darüber hinaus in<br />

hohem Maße zeitgemäß und ermöglicht eine<br />

effiziente Zusammenarbeit.“<br />

Eine regelmäßige Kommunikation über die<br />

Grenzen der eigenen Abteilung bzw. Einrichtung<br />

hinweg erfordert auch gegenseitiges Vertrauen<br />

und die Bereitschaft, sich gegenüber Medizinern<br />

aus anderen Einrichtungen wie dem<br />

Uniklinikum zu öffnen. Dabei soll nicht „von<br />

oben“ kontrolliert werden. Vielmehr geht es darum,<br />

durch einen regelmäßigen Wissens- und<br />

Erfahrungsaustausch die Qualität der Behandlung<br />

kontinuierlich zu steigern und von den Erfahrungen<br />

und vom Wissen anderer Abteilungen<br />

und Einrichtungen zu profitieren. Ein digitales<br />

Netzwerk, wie derzeit bei TELnet@NRW erprobt,<br />

kann hier ein wichtiger Schritt sein.<br />

Daniela Bause, Projektkoordination am UKM,<br />

hebt die Bedeutung einer Kommunikation auf<br />

Augenhöhe hervor: „Die Face-to-Face-Kommunikation<br />

im Rahmen des Projektes TELnet@NRW<br />

fördert das Vertrauen und schafft<br />

Verbindlichkeiten. Patienten, Angehörige und<br />

Mediziner schätzen die Möglichkeit des kollegialen<br />

Austausches über die Audio-Video-Konferenzsysteme.“<br />

Der Umgang mit der Technik bzw. die Kommunikation<br />

mittels Telemedizin war nur am Anfang<br />

etwas ungewohnt. Marcus Flucht aus dem<br />

St. Elisabeth Hospital Jülich meint dazu: „Die<br />

Steuerung der Kamera und der Tonqualität ist<br />

sowohl von hier aus als auch von Aachen aus<br />

relativ einfach zu handhaben. Die anfängliche<br />

Überwindung, mit einer Kamera zu sprechen<br />

oder Videokonferenzen abzuhalten, ist natürlich<br />

bei uns allen dagewesen, aber nach relativ<br />

kurzer Zeit wieder verflogen.“<br />

Auch bei den niedergelassenen Ärzten stößt<br />

das Projekt mittlerweile auf große Zustimmung.<br />

Dr. Bruno Weil, Allgemeinmediziner aus<br />

Bünde, schätzt die Möglichkeit des Austauschs<br />

mit den ärztlichen Kollegen aus dem Uniklinikum<br />

Aachen: „Beim TELnet-Projekt war ich zu<br />

Beginn skeptisch, ob das wirklich notwendig ist.<br />

Denn hier werden sehr große finanzielle Mittel<br />

aufgewandt. Mittlerweile habe ich meine<br />

Meinung geändert, insbesondere dadurch, dass<br />

man jetzt mit Experten der Uniklinik Aachen die<br />

Televisiten durchführen kann. Man tauscht sich<br />

mit Kollegen aus und bekommt neue Ideen und<br />

Informationen, was man in bestimmten Situationen<br />

tun sollte.“<br />

Neben den vielen positiven Erfahrungen zeigt<br />

der bisherige Projektverlauf natürlich auch<br />

systembedingte Rahmenbedingungen auf, die<br />

eine weitere Implementierung telemedizinischer<br />

Lösungen potenziell erschweren, wie z.B.<br />

ein mangelnder Breitbandausbau in einzelnen<br />

Kommunen/Kreisen. Diese Erfahrungen werden<br />

systematisch dokumentiert, um insbesondere<br />

nach Projektabschluss entsprechende<br />

Handlungsempfehlungen erarbeiten zu können.<br />

Die Ergebnisse der Abschluss-Evaluation,<br />

welche Aspekte der Behandlungsqualität, der<br />

gesundheitsökonomischen Evaluation und der<br />

Technikakzeptanz umfassen wird, werden im<br />

Frühjahr 2020 vorliegen.<br />

Telemedizin in die<br />

Regelversorgung?!<br />

Viele, auch erfolgreiche Telemedizinprojekte in<br />

Deutschland verschwinden nach Auslaufen der<br />

Förderung wieder in der Schublade. Dies soll bei<br />

TELnet@NRW nicht passieren. Andere Vorhaben<br />

zur telemedizinischen Mitbehandlung sollen<br />

vielmehr von den Erfahrungen und Ergebnissen<br />

des Projektes profitieren können und nicht immer<br />

wieder von Null anfangen (müssen). Daher<br />

wurden schon im Vorfeld Vorkehrungen getroffen,<br />

damit eine Übertragbarkeit der Erfahrungen<br />

und Ergebnisse möglich ist.<br />

TELnet@NRW ist gewissermaßen als modulares<br />

Netzwerk zu verstehen. Interessierte können<br />

auch einzelne Maßnahmen bzw. Elemente<br />

bei ihren eigenen Vorhaben für sich nutzen.<br />

Durch die Nutzung des lizenzfreien und öffentlich<br />

zugänglichen Standards FallAkte+ etwa hat<br />

das Projekt von Anfang an auf interoperable<br />

Strukturen für den medizinischen Datenaustausch<br />

gesetzt. Auch die Videokonferenzstruktur<br />

ist ohne Probleme skalierbar und entspricht<br />

den hohen Anforderungen hinsichtlich Qualität,<br />

Datenschutz und Datensicherheit. Auch<br />

eine Übertragbarkeit auf andere medizinische<br />

Fachbereiche außerhalb von Infektiologie und<br />

Intensivmedizin ist gut denkbar. Durch die in<br />

TELnet@NRW erprobte telemedizinische Mitbehandlung<br />

kann spezialisierte Expertise vor<br />

allem in den Feldern, die sehr personalintensiv<br />

sind, bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

58<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Die Ergebnisse und Erfahrungen sollen am<br />

Ende nicht nur im obligatorischen Abschlussbericht<br />

erscheinen. Vielmehr war und ist es Ziel<br />

von TELnet@NRW, über einen kontinuierlichen<br />

Austausch mit Entscheidungsträgern aus Politik,<br />

Öffentlichkeit, Wissenschaft und Praxis<br />

die richtigen Impulse für einen Übergang in die<br />

Regelversorgung zu setzen. Durch die Präsentation<br />

des Projektes auf Veranstaltungen, Kongressen<br />

und Tagungen (wie z.B. im März <strong>2018</strong><br />

auf dem TELnet@NRW-Kongress in Münster)<br />

und durch regelmäßige Berichte in Fachzeitschriften<br />

und den allgemeinen Medien wie Tageszeitungen,<br />

Lokalfernsehen etc. möchten die<br />

Projektpartner dazu beitragen, die Rahmenbedingungen<br />

für einen Übergang von telemedizinischen<br />

Services in die Regelversorgung zu<br />

fördern. Denn nur, wenn sich Patienten, Bürger,<br />

Leistungserbringer und Entscheidungsträger im<br />

Gesundheitswesen ausreichend über Rahmenbedingungen,<br />

Chancen und Grenzen digitaler<br />

Anwendungen informiert fühlen, wird eine<br />

breite Akzeptanz und Anwendung digitaler Gesundheitstechnologien<br />

gelingen.<br />

Prof. Dr. Gernot Marx zeigt sich bezüglich der<br />

Nachhaltigkeit des Projektes optimistisch: „Wir<br />

haben ja klein angefangen mit Pilotprojekten<br />

und haben jetzt wirklich dieses größte Telemedizinprojekt<br />

Deutschlands gewonnen und führen<br />

es gerade durch, mit ganz vielen Institutionen,<br />

Arztpraxen, Klinken, aber vor allem auch<br />

mit unheimlich vielen Menschen. Das macht<br />

sehr viel Spaß, ist aber auch eine große Herausforderung.<br />

Aber wir haben ein großartiges<br />

Team und werden das Ziel erreichen, nämlich<br />

die Intensivmedizin und Infektiologie telemedizinisch<br />

in die Regelversorgung zu bringen.<br />

Das ist unser Ziel und das werden wir auch<br />

schaffen.“<br />

Digitalisierung<br />

»Die Evaluation eines doch<br />

recht komplexen Projektes wie<br />

TELnet, welches verschiedene<br />

Elemente und Maßnahmen<br />

beinhaltet, erfordert ein<br />

anderes evaluatives Vorgehen<br />

als bspw. klassische Arzneimittelstudien.«<br />

Literaturverzeichnis<br />

Borchard-Tuch, C. (2012):<br />

Gefährliches Geflecht im Körper.<br />

Pharmazeutische Zeitung online. Ausgabe 04/2012. Online verfügbar unter https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=40662.<br />

(Zugriff am 21.06.<strong>2018</strong>).<br />

Deisz R., et al.<br />

Einfluss von Tele-Intensivmedizin auf Diagnostik & Therapie des septischen Schocks.<br />

http://s3-eu-west-1.amazonaws.com/poster-dac2016/original/PO2.2.9.pdf<br />

Deutsche Sepsis-Hilfe e.V. (o. J.):<br />

(Spät-) Folgen einer Sepsis.<br />

Online verfügbar unter https://sepsis-hilfe.org/de/informationen-zur-sepsis/folgen.html.<br />

Zugriff am 21.06.<strong>2018</strong>.<br />

De With K. et al.<br />

Strategies to enhance rational use of antibiotics in hospital: a guideline by the German Society<br />

for Infectious Diseases.<br />

Infection. 2016 Apr 11.<br />

Jung N, Berner R, Bogner J, Lemmen S, et al.<br />

Klug entscheiden in der Infektiologie.<br />

Deutsches Ärzteblatt. 2016; 113:13.<br />

Marx, G. (2017):<br />

Telemedizinisches, intersektorales Netzwerk als neue digitale Gesundheitsstruktur zur messbaren<br />

Verbesserung der wohnortnahen Versorgung: TELnet@NRW.<br />

In: Amelung, V. et al. (2017): Innovationsfonds- Impulse für das deutsche Gesundheitswesen.<br />

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.<br />

O`Neill, J et al. (2016):<br />

Trackling Drug-Resistant Infections globally: Final Report and Recomendations. The Review<br />

on Antimicrobial Resistance.<br />

Online verfügbar unter https://amr-review.org/sites/default/files/160525_Final%20paper_<br />

with%20cover.pdf. (Zugriff am 21.06.<strong>2018</strong>).<br />

Reinhart K, Brunkhorst FM, Bone HG, Bardutzky J, Dempfle CE, Forst H, et al.<br />

Prevention, diagnosis, therapy and follow-up care of sepsis: 1st revision of S-2k guidelines of<br />

the German Sepsis Society (Deutsche Sepsis-Gesellschaft e.V. (DSG)) and the German Interdisciplinary<br />

Association of Intensive Care and Emergency Medicine (Deutsche Interdisziplinäre<br />

Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI))<br />

GMS Ger Med Sci. 2010;8:Doc14. DOI: 10.3205/000103<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 59


Digitalisierung<br />

Assistenzsysteme und Robotik –<br />

mehr Zeit für gute Pflege<br />

Unser Pflegesystem wird sich mit dem Einsatz moderner technischer Lösungen verändern –<br />

zum Besseren, wenn wir dabei die menschliche Zuwendung stärken<br />

Der digitale Wandel wird offenbar von den meisten Heimleitern und Geschäftsführern<br />

von Altenpflegeeinrichtungen begrüßt, die für das Investitionsbarometer Altenpflege<br />

<strong>2018</strong> befragt wurden. Das zeigten die geplanten Investitionen für <strong>2018</strong>. Danach<br />

wollte jeder dritte Anbieter mindestens 20.000 Euro in die Digitalisierung von Prozessen<br />

investieren, zehn Prozent der Befragten sogar 100.000 Euro. Als sinnvollste<br />

Einsatzgebiete wurden Pflegeplanung (82%), Buchhaltung und Personalverwaltung<br />

(78%), Bewohnerverwaltung (67%) und Einkaufssysteme (78%) gesehen. Eine bisher<br />

nur untergeordnete Rolle spielten für die Befragten Assistenztechnologie (knapp 20%)<br />

und Robotertechnologie (3%).<br />

Das Investitionsbarometer Altenpflege <strong>2018</strong> wurde durch das Verlagshaus Vincentz<br />

Network im Vorfeld der diesjährigen Fachmesse ALTENPFLEGE in Auftrag gegeben.<br />

Franz Hartinger<br />

Vorsitzender der <strong>VKD</strong>-Fachgruppe<br />

Pflegeeinrichtungen<br />

Leiter des Alten- und Pflegeheims<br />

Klinikum Ingolstadt<br />

GmbH<br />

Pflege 4.0. – angesichts der demografischen<br />

Entwicklung und des gravierenden Fachkräftemangels<br />

scheinen Digitalisierung und technische<br />

Assistenzsysteme nirgends wichtiger<br />

zu sein als in der professionellen Altenpflege.<br />

Die Hoffnung: Digitale Innovationen können<br />

Pflegekräfte entlasten, ihnen mehr Zeit<br />

geben, sich auf das zu konzentrieren, was<br />

Technik nicht zu leisten imstande ist. Altersgerechte<br />

Assistenzsysteme und E-Health-<br />

Lösungen werden die Arbeit in den Pflegeheimen<br />

nachhaltig verändern – und verändern<br />

sie bereits. Zum Teil noch umstritten sind<br />

sogenannte Pflegeroboter. Zu Recht? Franz<br />

Hartinger, Vorsitzender der Fachgruppe Pflegeeinrichtungen<br />

im Verband der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands, hat sich mit<br />

der Frage intensiv auseinandergesetzt.<br />

Herr Hartinger, Sie haben sich Pflegeroboter<br />

„bei der Arbeit“ angeschaut, mit Kolleginnen<br />

gesprochen, die sie testweise einsetzen. Welchen<br />

Eindruck hatten Sie?<br />

Franz Hartinger: Zunächst einmal würde ich<br />

die – zugegeben sehr bildhafte – Bezeichnung<br />

nicht unbedingt verwenden wollen. Sie führt in<br />

die Irre, denn diese Roboter pflegen ja nicht.<br />

Schon durch die Bezeichnung vermittelt sich<br />

der falsche Eindruck, obwohl der „Pepper“<br />

etwa, den ich im Siegener Pflegeheim meiner<br />

Vorstandskollegin Diana Ruhmöller in Aktion<br />

beobachten konnte, durchaus mit menschlichen,<br />

ja kindlichen Zügen ausgestattet wurde<br />

und sehr viele Funktionen hat, die im täglichen<br />

Einsatz auch Interaktionen mit den Bewohnern<br />

vornehmen können.<br />

Technik – wie niedlich sie wie in diesem Fall<br />

auch sein mag - kann die ganzheitliche, achtsame<br />

menschliche Zuwendung und emotionale<br />

Verbundenheit nicht ersetzen. Das wäre ein<br />

grundfalsches Verständnis von Pflege. Sie kann<br />

ihr aber mehr Zeit geben. Wir wenden ja bereits<br />

heute in patientenfernen Bereichen digitale<br />

Technik an, etwa zur Dokumentation.<br />

Assistenzsysteme und Roboter werden Teil des<br />

Pflegeprozesses, sie übernehmen den Prozess<br />

aber nicht, sondern sie assistieren. Das ist ja<br />

im Grunde auch nichts wirklich Neues – es<br />

gibt Treppenlifte und Badewannenlifte, es gibt<br />

Rollstühle, Pflegebetten, die sich per Fernbedienung<br />

verstellen lassen. Robotik allerdings<br />

bringt diese Hilfssysteme in eine neue Dimension.<br />

Welche Möglichkeiten bietet Robotik in der<br />

Versorgung von Kranken- und pflegebedürftigen<br />

Menschen?<br />

Franz Hartinger: Zwischenzeitlich beschäftigen<br />

sich mit diesen Fragen einige Forschungsgruppen<br />

im Auftrag mehrerer Stiftungen.<br />

Gleichzeitig werden auch durch Universitäten<br />

Erkenntnisse gesammelt und ausgewertet. Die<br />

demografischen Veränderungen und der Fachkräftemangel<br />

im Bereich Pflege sind die großen<br />

gesellschaftlichen Herausforderungen für heute<br />

und für die Zukunft. Die fehlenden Fachkräfte<br />

60<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


forcieren den Einsatz neuer, innovativer Technologien.<br />

Nochmals sei betont: Roboter dürfen<br />

dabei nicht zum Ersatz von qualifizierten<br />

Fachkräften werden, sie können allenfalls helfen,<br />

tägliche Abläufe in Einrichtungen effizienter<br />

zu gestalten und damit das Personal zu<br />

entlasten.<br />

Die derzeit an einigen Orten bereits eingesetzten<br />

oder testweise eingesetzten Roboter können<br />

aus meiner Sicht allerdings derzeit lediglich<br />

als Vorläufer von echten Assistenten gelten. Es<br />

muss auch nicht unbedingt ein Roboter seinen<br />

Dienst unmittelbar am Patienten oder Bewohner<br />

erbringen. Er kann aber durchaus als Hilfe<br />

bei der Versorgung und Entsorgung von Gütern<br />

(Verpflegung, Wäsche, Abfall) eingesetzt werden,<br />

als Serviceroboter.<br />

Was unterscheidet einen Roboter von den ja<br />

bereits seit Jahren genutzten IT-Systemen?<br />

Franz Hartinger: Klassische IT funktioniert<br />

nach dem einfachen Eingabe-Ausgabe-Prinzip.<br />

Das heißt, es werden von Menschen eingegebene<br />

Daten nach vorgegebenen Regeln verarbeitet<br />

und auf Befehl wieder ausgegeben. Die Assistenzsysteme<br />

und Roboter, die wir jetzt testen<br />

und einführen, können deutlich mehr. Sie agieren<br />

eigenständiger, können komplexe Handlungen<br />

vornehmen und sind so in der Lage, auch die<br />

Prozesse und Tätigkeiten in einem Pflegeheim<br />

zu verändern. So verfügt zum Beispiel der „Pepper<br />

2.0“ über hohe Spracherkennungsfähigkeiten,<br />

kann zum Empfang von Gästen eingesetzt<br />

werden, verfügt über ein Unterhaltungspaket<br />

mit interaktiven Spielen, Musik, Tänzen, sucht<br />

gezielt nach Bewohnern, und anderes mehr.<br />

Öffentlichkeit überzeugen, denn ohne einen<br />

entsprechenden Wandel des gesellschaftlichen<br />

Meinungsbildes ist ein Einsatz nahe dem Patienten<br />

und Bewohner nicht denkbar.<br />

Letztlich soll der Einsatz von Assistenzsystemen<br />

ja nicht nur in stationären Einrichtungen erfolgen,<br />

sondern auch dazu beitragen, dass ältere<br />

und pflegebedürftige Menschen länger selbstständig<br />

in ihren eigenen Räumen leben können.<br />

Das ist für die meisten Menschen ein wichtiges<br />

Ziel. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie sich –<br />

wenn sie erst einmal den Nutzen erkannt haben<br />

– solche Helfer auch wünschen.<br />

Das ist derzeit vermutlich auch eine Frage der<br />

Finanzierung?<br />

Franz Hartinger: Wie es zunächst meist bei<br />

Innovationen der Fall ist. Als Modell, Geld zu<br />

sparen, sollten wir – und auch die Krankenund<br />

Pflegekassen - sie erst einmal nicht sehen.<br />

Doch ich denke, dass mit zunehmender Nutzung<br />

– und wir sprechen hier ja von einer wachsenden<br />

Zielgruppe für solche Anwendungen – die<br />

Preise sich anpassen werden.<br />

Ob und in wie weit sich der Einsatz eines Roboters<br />

bei Pflegesatzverhandlungen in Vollkraftfaktoren<br />

und Durchschnittsentgelte umsetzen<br />

lässt, ist derzeit noch völlig offen. Dennoch<br />

muss auch für die Anbieter von Pflegeleistungen<br />

die Finanzierung einer entsprechenden<br />

Verwendung gesichert werden.<br />

In welchen Bereichen lassen sich Roboter in<br />

der Alten- und Behindertenpflege sinnvoll<br />

einsetzen?<br />

Digitalisierung<br />

"Pepper",<br />

ein humanoider Roboter<br />

Quelle:<br />

Soft Banks Robotic<br />

Wie reagieren aus Ihrer Sicht die Patienten<br />

oder Bewohner sowie Angehörige?<br />

Franz Hartinger: Bei allem Bemühen um die<br />

Intensivierung der Forschung für Robotik im<br />

Gesundheitswesen darf keinesfalls vergessen<br />

werden, dass sehr viel Unsicherheit vorherrscht,<br />

was den Einsatz von Robotern unmittelbar in<br />

der Versorgung der Patienten oder Bewohner<br />

betrifft. Insofern ist eine wesentliche Aufgabe<br />

darin zu sehen, dass die Öffentlichkeit auf einen<br />

entsprechenden Einsatz vorbereitet wird.<br />

Bewohner, Angehörige, die Öffentlichkeit müssen<br />

informiert werden. In Siegen wurden die<br />

Bewohner zum Beispiel mit Pepper konfrontiert,<br />

konnten ihn anfassen, ansprechen, er reagierte<br />

und löste auch Heiterkeit aus. Wir müssen<br />

aktiv der Vorstellung entgegentreten, dass<br />

künftig menschliche, zugewandte Pflege durch<br />

seelenlose Maschinen ersetzt wird. Genau das<br />

Gegenteil ist ja der Fall. Davon müssen wir die<br />

Franz Hartinger: Für den Einsatz in Gesundheitseinrichtungen<br />

oder auch im häuslichen<br />

Bereich sind vor allem Serviceroboter erforderlich.<br />

Sie unterscheiden sich untereinander in ihrem<br />

Aufbau und ihren Funktionen. Sie übernehmen<br />

Assistenzarbeiten und Dienstleistungen im<br />

weitesten Sinne in direkter Zusammenarbeit<br />

Die notwendige qualitativ hochwertige und würdevolle<br />

Pflege eines Menschen muss stets im Vordergrund<br />

stehen. Es muss gewährleistet werden, dass die zeitlichen<br />

Freiräume, die beim Pflegepersonal entstehen, dann tatsächlich<br />

für den direkten Kontakt mit dem Bewohner oder Patienten<br />

genutzt werden. Hier liegt auch eine verantwortungsvolle<br />

Aufgabe für das Management.<br />

Franz Hartinger<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 61


Digitalisierung<br />

"Pepper"<br />

Quelle:<br />

Soft Banks Robotic<br />

mit dem Menschen sowohl in der Rehabilitation<br />

in Form von köpergetragenen Systemen und<br />

Trainingsgeräten, in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen<br />

für die fahrerlose Logistik, z.B.<br />

in der Essens- und Wäscheversorgung, für die<br />

Reinigung der Nutzflächen, in der Beschäftigungstherapie<br />

verknüpft mit entsprechenden<br />

Spieleinrichtungen, als sogenannte Edutainment-Roboter.<br />

Es ist unbestritten, dass auch<br />

die tägliche Dokumentation einen ungeheuren<br />

Aufwand für Pflegekräfte bedeutet, der letztlich<br />

beim Kontakt zu Patienten und Bewohnern<br />

fehlt. Es wäre also auch viel gewonnen, wenn<br />

die Dokumentation über einen Roboter mit<br />

Spracherkennung und Dokumentationsmöglichkeit<br />

stattfinden würde.<br />

Die eingangs erwähnten Forschungen haben<br />

gezeigt, dass vor allem die täglich anfallenden<br />

Routineaufgaben entfernt vom Bewohner und<br />

Patienten stattfinden. Sogenannte pflegefremde<br />

Tätigkeiten bieten ein gutes Betätigungsfeld<br />

für einen Roboter. Pflegekräfte könnten aber<br />

auch von körperlichen Herausforderungen,<br />

etwa beim Patiententransport, durch einen<br />

Roboter entlastet und die Zahl der dafür sonst<br />

notwendigen Mitarbeiter reduziert werden.<br />

Allerdings sind wir in Europa derzeit noch weit<br />

entfernt von einem nennenswerten Anteil solcher<br />

Serviceroboter. Erst in den nächsten fünf<br />

bis zehn Jahren wird hier ein deutliches Wachstum<br />

erwartet.<br />

Was sind für Sie die Voraussetzungen dafür,<br />

dass Roboter von den Mitarbeitern akzeptiert<br />

werden?<br />

Franz Hartinger: Für die Mitarbeiter gilt genau<br />

das, was auch für die Akzeptanz durch Bewohner<br />

und Patienten gilt: Sie müssen einen deutlichen<br />

Nutzen erkennen. Niemand sollte befürchten<br />

müssen, dass sein Arbeitsplatz durch ihren<br />

Einsatz in Frage gestellt wird. Wir alle wissen,<br />

dass die Belastungen für die Mitarbeiter in der<br />

Pflege hoch sind. Der wichtigste Faktor ist hier<br />

Zeit – Zeit, sich professionell und liebevoll mit<br />

den Patienten und Bewohnern zu beschäftigen.<br />

Zeit gewinnen wir künftig vor allem auch durch<br />

innovative Assistenzsysteme und Robotik.<br />

Die Roboter selbst müssen bedienerfreundlich<br />

sein, die Kommunikation fördern und sich nicht<br />

gegen sie stellen, sie gar verhindern. Die Maschine<br />

muss sich dem Nutzer anpassen und seinen<br />

Fortschritt begleiten können. Der Roboter<br />

darf nicht zum Pfleger zweiter Klasse werden,<br />

sondern als echte Unterstützung akzeptiert<br />

werden können. Die Akzeptanz bei den pflegebedürftigen<br />

Menschen ist auch davon abhängig,<br />

wie sich die Meinung der Gesellschaft zu<br />

Robotik entwickelt. Aber in unterschiedlichen<br />

Versuchen und Probeeinsätzen hat sich gezeigt,<br />

dass bei Bewohnern die Neugier gegenüber<br />

Angst und Widerständen überwiegt.<br />

Ein ganz wesentlicher Aspekt ist sicher auch<br />

der Datenschutz, der mit dem Einsatz und den<br />

Speichermöglichkeiten derartiger Systeme verbunden<br />

ist. Auch die Möglichkeit, dass ein Roboter<br />

äußerlich fremdgesteuert werden könnte<br />

und damit nicht mehr die gewünschten erwarteten<br />

Funktionen durchgeführt werden, muss<br />

gründlich bedacht werden.<br />

Mehrere Untersuchungen mit vielen Interviews<br />

zeigten bisher noch eine relativ große<br />

Skepsis, um nicht zu sagen mangelnde Akzeptanz<br />

gegenüber dem Einsatz der Robotik im<br />

Gesundheitswesen.<br />

Franz Hartinger: Nicht nur die Patienten, auch<br />

die Leistungserbringer, die Kostenträger und<br />

schließlich die Politik müssen sich solchen für<br />

die Pflege sinnvollen Innovationen öffnen. Derzeit<br />

gibt es hier Signale, die mich durchaus positiv<br />

stimmen. Die Macht des Faktischen kommt<br />

hinzu. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen<br />

steigt durch die demografische Entwicklung.<br />

Dass wir die aus der aktuellen Situation für die<br />

Zukunft hochgerechneten Fachkräftezahlen in<br />

den nächsten Jahren tatsächlich finden werden,<br />

scheint mir sehr optimistisch zu sein. Wir müssen<br />

uns daher zwingend neuen Entlastungsmöglichkeiten<br />

in unseren Prozessen und in der<br />

Organisation der Einrichtungen öffnen, damit<br />

unsere Fachkräfte für die eigentlich Pflege und<br />

Zuwendung auch in zehn Jahren dann hoffentlich<br />

sogar mehr Zeit haben als heute.<br />

Sorgen sich Mitarbeiter vor einem Personalabbau<br />

durch den Einsatz von Robotern, kann<br />

dieser sich nur kontraproduktiv auswirken. Es<br />

geht aber auch um ethische Fragen. Pflegende<br />

haben meist ganz bestimmte Vorstellungen<br />

von ihrem Beruf als Tätigkeit für hilfebedürftige<br />

Menschen. Das darf durch den Einsatz von<br />

Robotern als technischen Assistenten nicht in<br />

Frage gestellt sein. Die notwendige, qualitativ<br />

hochwertige und würdevolle Pflege eines Menschen<br />

muss stets im Vordergrund stehen. Es<br />

muss gewährleistet werden, dass die zeitlichen<br />

Freiräume, die beim Pflegepersonal entstehen,<br />

dann tatsächlich für den direkten Kontakt mit<br />

dem Bewohner oder Patienten genutzt werden.<br />

Hier liegt auch eine verantwortungsvolle Aufgabe<br />

für das Management.<br />

62<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitalisierung<br />

"Pepper" bei der Arbeit<br />

Quelle: Soft Banks Robotic<br />

Ihr Fazit?<br />

Franz Hartinger: Für mich steht fest, dass sich<br />

das klassische Pflegesetting durch die neuen<br />

technischen Möglichkeiten deutlich verändern<br />

wird. So lange die menschliche Zuwendung dadurch<br />

mehr Raum erhält, ist das eine gute Entwicklung.<br />

Ich kann mir auch sehr gut vorstellen,<br />

dass der Einsatz moderner Assistenztechnik und<br />

Robotik im Pflegebereich für junge Menschen<br />

sogar ein Anreiz ist, den Beruf des Altenpflegers<br />

mit anderen Augen zu sehen – als modernen,<br />

attraktiven Beruf, der die Zuwendung zu hilfebedürftigen<br />

Menschen kombiniert mit innovativen,<br />

sich stetig auch weiterentwickelnden<br />

technischen Systemen und Robotik. Das wäre<br />

ein doppelter, wünschenswerter Effekt, den die<br />

Digitalisierung in der Pflege mit sich bringen<br />

kann. Im Übrigen denke ich auch, dass pflegebedürftige<br />

Menschen künftig diese Möglichkeiten<br />

selbst ebenfalls gern nutzen, vielleicht sogar<br />

einfordern werden, weil sie ihnen ermöglichen,<br />

ihre Selbstständigkeit lange zu bewahren.<br />

"Pepper"<br />

Quelle:<br />

Soft Banks Robotic<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 63


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64<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Aktuelle Themen<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 65


66<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Baustellen über Baustellen - wieviel<br />

Wandel braucht das Krankenhaus?<br />

Nicht jede Veränderung ist als naturgegeben unkritisch hinzunehmen<br />

Aktuelle Themen<br />

Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Ein Zitat<br />

von Wolf Biermann, das uns alle auffordert,<br />

Veränderungen als Notwendigkeit, ja, Selbstverständlichkeit,<br />

anzunehmen. Was für jeden<br />

einzelnen Menschen gilt, gilt auch für Unternehmen,<br />

für ganze Systeme. Das bedeutet<br />

allerdings nicht, jede Veränderung als naturgegeben<br />

unkritisch hinzunehmen. Angesichts<br />

der gesellschaftlichen Herausforderungen<br />

muss sich auch im Krankenhausbereich vieles<br />

ändern. Doch nicht alles, was von Politik,<br />

Krankenkassen, Lobbyisten an die Adresse der<br />

Kliniken als Forderungen und Mahnungen herangetragen<br />

wird, dient aus Sicht des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren Deutschlands<br />

tatsächlich der Zukunftsfähigkeit unserer<br />

Gesundheitsversorgung, also sinnvollem<br />

Wandel. Das Interview dazu mit Dr. Josef<br />

Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands (<strong>VKD</strong>).<br />

Eine Veränderung im vergangenen Jahr hat<br />

die Krankenhaus-Führungskräfte besonders<br />

stutzig gemacht. Es war die Entwicklung der<br />

Fallzahlen. Eine Veränderung, die unerwartet<br />

kam?<br />

Dr. Josef Düllings: Durchaus. Es gab hier völlig<br />

unerwartet einen Bruch. Jahrzehntelange Zeitreihen<br />

stetig steigender Fallzahlen, abgeleitet<br />

aus der demografischen Alterung und dem<br />

medizinischen Fortschritt, schienen schon fast<br />

Gesetz, bis ein großer Teil der Kliniken mit ihrem<br />

Leistungsniveau 2017 sogar noch unter das<br />

Niveau von 2016 geriet. Wir fragten uns: Wie war<br />

das möglich? Waren es unerwartete Auswirkungen<br />

systemischer Veränderungen? Diese Frage<br />

hat uns tatsächlich umgetrieben.<br />

In unserer <strong>VKD</strong>-Umfrage 2017 haben wir anhand<br />

der Hochrechnungsdaten von 288 Krankenhäusern<br />

festgestellt, dass auch in Folge dieser<br />

Fallzahlabsenkungen der Anteil der Kliniken<br />

mit roten Zahlen von 23 Prozent in 2016 wieder<br />

auf 46 Prozent in 2017 anstieg. Eine Verdoppelung,<br />

und dies, obwohl kein Gesetzgebungsverfahren<br />

hier neue Kollateralschäden produziert<br />

hätte. Im November dieses Jahres werden wir<br />

genauere Zahlen haben, wenn die Deutsche<br />

Krankenhausgesellschaft und das Deutsche<br />

Krankenhausinstitut darüber verfügen.<br />

Eine Bestätigung des eigenartigen Effekts erhielt<br />

ich persönlich vom Geschäftsführer des<br />

Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus,<br />

Dr. Frank Heimig. Er sagte mir, erstmals<br />

seit dem 15jährigen Bestehen des DRG-Systems<br />

habe es 2017 bei den aktuellen Kalkulationshäusern<br />

keinen Fallzahlanstieg gegeben.<br />

Die Krankenkassen wird das freuen. Sie sind<br />

doch ohnehin der Ansicht, dass zu viel operiert<br />

wird, zu viele Patienten auch zu lange im<br />

Krankenhaus liegen, Notaufnahmen angeblich<br />

dazu genutzt werden, Patienten stationär<br />

aufzunehmen, die das nicht nötig hätten… Sie<br />

fordern Veränderungen.<br />

Dr. Josef Düllings: Veränderungen müssen den<br />

Patienten nützen, die Krankenhausversorgung<br />

zukunftsfest machen und den Kliniken ermöglichen,<br />

dabei auch wirtschaftlich zu arbeiten.<br />

Das kann ich in der aktuellen Fallzahlentwicklung<br />

nicht erkennen. Auf jeden Fall müssen wir<br />

die Situation ernst nehmen und die Ursachen<br />

analysieren, um wirksam agieren zu können:<br />

Geht es um Spezifika bestimmter Häuser? Geht<br />

es aber vielleicht auch um eine Anomalie, die<br />

einen grundlegenden Systemwechsel ankündigt?<br />

Unser Thema im Verband sind mögliche Systemfaktoren<br />

für diese Entwicklung. Es stellt<br />

sich die Frage: Was hat sich in den vergangenen<br />

vielleicht fünf Jahren negativ verändert, obwohl<br />

der Gesetzgeber durch Krankenhausstrukturgesetz,<br />

diverse Zuschläge und Sonderprogramme<br />

doch vermeintlich eher mehr als weniger getan<br />

hat für die Krankenhäuser? Das alles scheint<br />

nicht wirklich zusammenzupassen.<br />

Was sagt Ihnen Ihre eigene Praxiserfahrung<br />

als Hauptgeschäftsführer der St. Vincenz-<br />

Krankenhaus GmbH, Paderborn?<br />

Dr. Josef Düllings: Ich möchte aus eigener Erfahrung,<br />

aber auch der von Kollegen, eine Interpretation<br />

anbieten, die aus meiner Sicht nicht<br />

Dr. Josef Düllings<br />

Präsident des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 67


Aktuelle Themen<br />

ganz unwahrscheinlich ist. Wir könnten hier<br />

einen „Kipppunkt“ erreicht haben, der Ergebnis<br />

einer Reihe von Regelungen ist, die in den<br />

vergangenen Jahren immer stärker im Sinne der<br />

Qualitätssicherung von den Kliniken bei Strafe<br />

zu beachten sind. Es sind Regelungen der<br />

Selbstverwaltung, die im Gemeinsamen Bundesausschuss<br />

beschlossen wurden und aus<br />

Sicht des Krankenhausmanagements häufig<br />

deutlich in ihrer unnötigen Schärfe zu Lasten<br />

der Krankenhäuser gehen.<br />

Ziel dieser Regelungen soll die Verbesserung<br />

und Sicherung der Qualität sein – was wäre<br />

grundsätzlich falsch daran?<br />

Dr. Josef Düllings: Grundsätzlich ist natürlich<br />

nichts falsch an Regelungen zur Qualitätssicherung.<br />

Diese gehen aber sozusagen „nach<br />

hinten los“, wenn sie mehr und mehr zum<br />

Ausdruck einer Misstrauenskultur werden und<br />

massive und überzogene Kontrollen nach sich<br />

ziehen. Auch hier möchte ich nicht missverstanden<br />

werden. Kontrollen müssen sein. Sie<br />

dürfen aber nicht dazu führen, dass sie als<br />

Instrumente massiver Zahlungsverweigerung<br />

durch die Krankenkassen genutzt werden und<br />

Krankenhäuser wirtschaftlich in Bedrängnis<br />

bringen. Konkret: Leistungen werden nicht, nur<br />

teilweise oder erst sehr spät nach langwierigen<br />

Auseinandersetzungen bezahlt, tauchen daher<br />

nicht in den Bilanzen auf. Die Regelungen zur<br />

Qualitätssicherung werden so aus meiner Sicht<br />

zu Zahlungsverweigerungsinstrumenten – eine<br />

Veränderung, die aus einer vermuteten Tatgelegenheitsstruktur<br />

herrührt und die beschriebenen<br />

negativen Auswirkungen hat.<br />

Sie sehen hier auch den Medizinischen Dienst<br />

der Krankenkassen in seiner Kontrollfunktion<br />

sehr kritisch?<br />

Dr. Josef Düllings: Zunehmend kritisch. Man<br />

halte sich folgende Zahlen vor Augen: Beim<br />

MDK arbeiten rund 8.500 Beschäftigte, davon<br />

2.200 Ärzte. Das Budget umfasst etwa 800 Millionen<br />

Euro. Aus dem System der Krankenhausversorgung<br />

werden jährlich in Folge von MDK-<br />

Kontrollen schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro<br />

herausgezogen. Der MDK hat damit eine Umsatzrendite<br />

von fast 50 Prozent, also doppelt<br />

so hoch, wie der ehemalige Deutsche Bank Chef<br />

Ackermann seinerzeit als Profitziel für sein<br />

Institut ausgegeben hatte, und dafür mächtig<br />

kritisiert wurde. Der MDK ist wahrscheinlich<br />

weltweit das profitabelste „Gesundheitsunternehmen“.<br />

Er trägt damit massiv zu den Überschüssen<br />

und Rücklagen bei den Krankenkassen<br />

bei.<br />

Dabei fahren die Krankenkassen eine Art Doppelstrategie.<br />

Auf der Ebene der Budgetvereinbarungen<br />

werden Zusagen von Mehrmengen<br />

und Budgets vergeben, die von den Krankenhäusern<br />

mit einem happigen Fixkostendegressionsabschlag<br />

„eingekauft“ werden. Auf der<br />

Abrechnungsebene setzen Kassen und MDK aber<br />

alles daran, sich vor den auf der Budgetebene<br />

vereinbarten Zahlungen soweit wie möglich zu<br />

drücken. So werden zum Beispiel Leitlinien der<br />

medizinischen Fachgesellschaften ignoriert.<br />

Die Versorgungslage der Patienten vor Ort wird<br />

außer Acht gelassen. Und auch bei einem negativen<br />

Befund einer MDK-Prüfung beauftragen<br />

Krankenkassen den MDK vielfach noch einmal,<br />

solange zu prüfen, bis eine Zahlung verweigert<br />

werden kann.<br />

Angesichts dessen sind Ärger und Enttäuschung<br />

in den Krankenhäusern verständlich. Es wird<br />

sehr deutlich, dass es beim Einsatz des MDK<br />

inzwischen nicht primär um Rechnungsprüfung<br />

und gerechtfertigte Kürzung geht, sondern um<br />

blanke Zahlungsverweigerung. Noch vor fünf<br />

Jahren lag die Verfolgungsquote bei deutlich<br />

unter zehn Prozent. Heute liegt sie in vielen<br />

Krankenhäusern, die insbesondere in ländlichen<br />

Regionen die medizinische Versorgung insgesamt<br />

sicherstellen müssen, bei 20 Prozent.<br />

Weil hier vor allem der Argwohn besteht, dass<br />

überversorgt wird?<br />

Dr. Josef Düllings: Das ist anzunehmen. Dabei<br />

muss gerade in ländlichen Regionen die gesamte<br />

Gesundheitsversorgung, ja der Zustand<br />

der Infrastruktur, etwa des Nahverkehrs, insgesamt<br />

betrachtet werden. Wo Haus- und<br />

Fachärzte fehlen, bleibt den Menschen nur das<br />

Krankenhaus. Und wir haben es gerade hier<br />

auch mit besonders vielen alten Patienten zu<br />

tun.<br />

Es gibt zahlreiche Berichte aus Kliniken, die<br />

Patienten entsprechend der medizinisch notwendigen<br />

Versorgung behandeln, denen das<br />

Geld aber verweigert wird. Man fragt sich dann<br />

schon, ob es fair ist, wenn zum Beispiel der FC<br />

Bayern gegen Dortmund spielt und dafür seinen<br />

eigenen Schiedsrichter einsetzen darf.<br />

Der MDK behauptet stets, er handle neutral –<br />

Sie sind nicht der Ansicht?<br />

Dr. Josef Düllings: Der <strong>VKD</strong> bezweifelt diese<br />

Neutralität aus vielfältiger Praxiserfahrung<br />

seiner Mitglieder sehr stark. Das DRG-System<br />

hat das, was seit seiner Einführung Anfang<br />

der 2000er Jahre die Geschäftsgrundlage war,<br />

68<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Aktuelle Themen<br />

durch den MDK verloren. Der Grundsatz „Geld<br />

folgt der Leistung“ gilt nicht mehr. Die Leistung<br />

wird erbracht. Die Kosten fallen an. Die Vergütung<br />

fällt aus. Dieses System ist in seiner jetzigen<br />

Form schädlich für die Krankenhäuser.<br />

Wir fordern hier einen deutlichen Wandel hin<br />

zu einem fairen Miteinander. Das erfordert aus<br />

unserer Sicht auch eine tatsächlich neutrale<br />

Kontrollinstitution.<br />

Wir fordern außerdem – und das seit Jahren –<br />

eine substanzielle, verlässliche Gesamtfinanzierung.<br />

Davor drückt sich auch die aktuelle<br />

Regierungskoalition.<br />

Meinen Sie einen grundsätzlichen Wandel in<br />

der Finanzierung der Krankenhäuser?<br />

Dr. Josef Düllings: Viele Krankenhäuser haben<br />

jedenfalls kein Vertrauen mehr in das DRG-System<br />

in seiner jetzigen Form. Hinzu kommt die<br />

völlig unzureichende Investitionsfinanzierung<br />

durch die Bundesländer, die zu vielen Problemen<br />

geführt hat. Wir stehen vor enormen Herausforderungen<br />

– der Fachpersonalmangel, die<br />

notwendige Digitalisierung der Branche, auch<br />

die immer wieder geforderten und ja durchaus<br />

sinnvollen Zusammenschlüsse von Häusern.<br />

Die damit einhergehenden Struktur- und Angebotsveränderungen<br />

sind nicht zum Nulltarif<br />

zu haben. Aus unserer Sicht müssen beide Finanzierungsschienen<br />

auf den Prüfstand.<br />

Das Bundesgesundheitsministerium plant mit<br />

dem Pflegepersonalstärkungsgesetz bereits<br />

einen durchaus massiven Eingriff in das DRG-<br />

System. Wäre das ein Anfang?<br />

Dr. Josef Düllings: Es ist immer heikel, bei einem<br />

so komplexen System an einer Stelle eine<br />

massive Veränderung vorzunehmen. Zunächst<br />

klingt es sinnvoll, die Pflegekosten vom DRG-<br />

System abzukoppeln und außerhalb dessen voll<br />

finanzieren zu wollen. Es stellt sich aber bei<br />

längerem Nachdenken die Frage, welche Auswirkungen<br />

das am Ende wirklich auf die Budgets<br />

der Krankenhäuser haben wird. Abgesehen<br />

davon, dass wir hier vermutlich ein neues Bürokratiemonster<br />

mit noch mehr Prüfungen und<br />

Erlösausfällen vor uns haben. Aufwertung der<br />

Pflege ist richtig. Aber gibt es nicht intelligentere<br />

Wege?<br />

Hinzu kommt, dass Leistungen vor allem kleiner<br />

Krankenhäuser sowie von Maximalversorgern<br />

inzwischen im DRG-System nicht mehr<br />

adäquat abgebildet werden. Der <strong>VKD</strong> plädiert<br />

daher dafür, das DRG-System insgesamt auf<br />

den Prüfstand zu stellen – nicht unbedingt mit<br />

der Forderung, es abzuschaffen, sondern es den<br />

aktuellen Bedingungen anzupassen.<br />

Solange dabei die Investitionsfinanzierung –<br />

mit einer Unterfinanzierung von jährlich 3,7<br />

Milliarden Euro und dies von Jahr zu Jahr – ausgeklammert<br />

bleibt, solange ist die aktuelle Gesetzgebung<br />

aber Kosmetik. Der Koalitionsvertrag<br />

verheißt hier leider auch keinen wirklichen<br />

und sinnvollen Wandel.<br />

Neben der Finanzierungsproblematik ist die<br />

Notfallversorgung eine weitere Baustelle. Darauf<br />

jedenfalls ist die Politik im Koalitionsvertrag<br />

eingegangen.<br />

Dr. Josef Düllings: Das stimmt und ist sicher<br />

auch gut gemeint, aber leider nur halbherzig<br />

und auch etwas weltfremd. Wir sind für eine<br />

konsequente Lösung, obwohl wir dafür auch auf<br />

Krankenhausseite in der Selbstverwaltung eine<br />

eher unentschlossene Haltung beobachten.<br />

Kurz gesagt: Was wir wollen ist, dass diejenigen,<br />

von denen die Leistungen erbracht werden,<br />

dafür auch die entsprechend faire Vergütung<br />

erhalten und darüber zudem mitbestimmen<br />

können – was derzeit bekannterweise nicht der<br />

Fall ist. Der Sicherstellungsauftrag für die ambulante<br />

Notfallversorgung sollte denen übertragen<br />

werden, die sie tatsächlich leisten.<br />

Wo also sehen Sie vor allem die Treiber des<br />

Wandels – und wie viel Wandel ist notwendig,<br />

um die Krankenhausversorgung zukunftsfest<br />

zu gestalten?<br />

Dr. Josef Düllings: Das Vergütungssystem insgesamt<br />

– mit Fallpauschalen und Investitionsfinanzierung<br />

– muss auf den Prüfstand.<br />

Es darf dabei aber nicht weiter mit Komplexität<br />

aufgeladen werden. Ein Vorschlag wäre, die<br />

Leistungsentgelte zur Verteilung des Budgets<br />

einzusetzen. Ein ähnlicher Ansatz wurde für<br />

das Entgeltsystem in der Psychiatrie gefunden.<br />

Daran könnte sich eine Weiterentwicklung des<br />

DRG-Systems orientieren.<br />

Der notwendige Strukturwandel muss von den<br />

Krankenhäusern selbst – auch mit Mitteln des<br />

Strukturfonds, Darlehen oder Eigenmittel – angegangen<br />

werden. Kleinere Standorte müssen<br />

sich zu größeren Einheiten zusammenschließen<br />

und Leistungsschwerpunkte komplementär<br />

konzentrieren. Dazu sollten auch Leistungsabsprachen<br />

zwischen Krankenhäusern zählen, die<br />

nicht unbedingt Trägerzusammenschlüsse erfordern,<br />

sondern ebenso über Strukturverträge<br />

umgesetzt werden können.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 69


Aktuelle Themen<br />

Unbestritten ist, dass Struktur- und Standortkonzentrationen<br />

eine bessere Qualität, höhere<br />

Wirtschaftlichkeit und eine Teilentlastung für<br />

den Ärzte- und Pflegekräftemangel ermöglichen.<br />

Da sowohl der Bund als auch die Länder<br />

derzeit nicht bereit sind, hier erhebliche Mittel<br />

zu investieren – wie es übrigens in anderen Ländern<br />

geschieht und wie es in den neuen Bundesländern<br />

seit Mitte der 90er Jahre über zwei<br />

Jahrzehnte erfolgreich umgesetzt wurde – wird<br />

dieser Prozess länger dauern, als es für die Versorgung<br />

und Finanzierung gut ist. Zu bedenken<br />

ist dabei zudem, dass zwischen 2020 und 2030<br />

die Babyboomer in die behandlungsrelevanten<br />

Altersjahrgänge aufsteigen und im System, wie<br />

wir es heute haben, entweder Qualitätsabstriche<br />

hinnehmen müssen oder die Krankenkassen<br />

durch den erhöhten Versorgungsbedarf in<br />

den Defizitbereich abrutschen. Der politische<br />

Handlungsbedarf auf diesem Feld wird enorm<br />

ansteigen. Dann greift – deutlich zu spät - die<br />

Macht des Faktischen.<br />

Eine dringende Aufgabe ist die umfassende<br />

Digitalisierung der Gesundheitsbranche, zu der<br />

man sich die Blaupausen anderer Länder ansehen<br />

kann. Wir als <strong>VKD</strong> sehen die Digitalisierung<br />

der Krankenhäuser als öffentliche Aufgabe. Wir<br />

haben sie gemeinsam mit der von uns mitbegründeten<br />

ENTSCHEIDERFABRIK immer wieder<br />

zum Thema gemacht nach dem Motto: Was die<br />

Amerikaner können, sollten wir doch auch können.<br />

Medizinisch sind wir vielleicht Champions<br />

League, aber digital wollen wir erst dorthin.<br />

Selbst in dem auf Eigeninitiative setzenden<br />

System der USA hat der Staat als Innovationstreiber<br />

die Kliniken quasi in die Moderne katapultiert.<br />

2008 lag der Anteil der US-Kliniken<br />

mit elek-tronischer Gesundheitsakte noch bei<br />

unter zehn Prozent. Dann wurden aus dem<br />

Bundeshaushalt 30 Milliarden US-Dollar über<br />

sieben Jahre investiert. Bis Ende 2016 stieg der<br />

Anteil der Häuser mit elektronischer Gesundheitsakte<br />

auf über 80 Prozent. Das Beispiel<br />

zeigt: Die Infrastrukturleistung muss der Staat<br />

erbringen.<br />

Die Digitalisierung führt zu einem Quantensprung<br />

in der medizinischen Versorgung, der<br />

Patientensicherheit und der Behandlungsqualität.<br />

Das zeigen alle internationalen Erfahrungen.<br />

Und auch aktuell sind die USA schon wieder<br />

einen Schritt weiter: Allein zwischen 2012 und<br />

2015 hat sich der Anteil der Kliniken, die ihren<br />

Patienten ermöglichen, ihre Gesundheitsdaten<br />

einzusehen, herunterzuladen oder weiterzugeben,<br />

von 10 auf 70 Prozent versiebenfacht.<br />

Die Krankenhäuser stehen vor enormen Herausforderungen,<br />

zu deren Bewältigung wir auch<br />

die Hilfe der Politik brauchen. Was wir doch<br />

alle gemeinsam wollen, ist eine hochwertige<br />

medizinische Versorgung, ein insgesamt wirtschaftliches<br />

Versorgungssystem und trotzdem<br />

die freie Arzt- und Krankenhauswahl. Wir wollen<br />

moderne digitale Strukturen. Die Menschen,<br />

die in diesem System arbeiten, sollen sich dort<br />

wohl fühlen und gerne zum Patientennutzen<br />

beitragen. Vor allem aber wollen wir, dass<br />

Patienten sich auf dieses System verlassen<br />

können.<br />

70<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Aktuelle Themen<br />

Forderung nach Folgenabschätzung<br />

und gründlichen Nachbesserungen<br />

Zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungs-<br />

Gesetz – PpSG) des Bundesministeriums für Gesundheit<br />

Der Verband der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands hat die Initiative des Bundesministeriums<br />

für Gesundheit begrüßt, dem<br />

Pflegekräftemangel und der Arbeitsverdichtung<br />

in der Alten- und Krankenpflege entgegenzutreten,<br />

um eine spürbare Verbesserung<br />

im Pflegealltag zu erreichen. Die bereits im<br />

Koalitionsvertrag der regierenden Koalition<br />

angekündigte Herauslösung der Kosten für<br />

den Pflegebereich der Krankenhäuser aus den<br />

DRGs schien zunächst als eine zwar mit einer<br />

Reihe von Risiken behaftete annehmbare Lösung,<br />

stellte sich bei der Analyse der Auswirkungen<br />

auf die Budgets der Krankenhäuser<br />

insgesamt aber als erheblich heikler heraus.<br />

Sorgfältige Nachbesserungen sind daher aus<br />

Sicht des Krankenhausmanagements unabdingbar.<br />

Das gilt auch für die vorgesehenen<br />

Regelungen für psychiatrische und psychosomatische<br />

Kliniken sowie die stationäre Altenpflege<br />

und eine Aufnahme der Rehabilitation<br />

in das Gesetz. Inzwischen hat das Bundeskabinett<br />

den Entwurf für ein Pflegepersonalstärkungsgesetz<br />

beschlossen.<br />

Die anscheinend plausiblen und einfachen Lösungen<br />

bergen häufig mit Blick auf die komplexen<br />

Auswirkungen, Unwägbarkeiten und Risiken,<br />

die am Ende in der vorgelegten Form<br />

nicht zu akzeptieren sind. Gut gemeint ist eben<br />

oft doch nicht gut gemacht. Das ist auch der<br />

Fall bei einer Reihe der geplanten Regelungen<br />

des PpSG. Hier sieht der Verband der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands erhebliche Änderungsnotwendigkeiten,<br />

wenn es nicht zu einer<br />

„Verschlimmbesserung“ der Situation kommen<br />

soll.<br />

Regelungen für die Pflege<br />

im Krankenhaus<br />

Pflegekosten und -budgets:<br />

Positiv scheint zunächst zu sein, dass den Krankenhäusern<br />

jede zusätzliche und jede aufgestockte<br />

Pflegestelle voll finanziert werden soll.<br />

Das Negative ist allerdings, dass dies in seiner<br />

absoluten Form nur für das Jahr 2019 vorgesehen<br />

ist. Wie es dann 2020 weitergeht, steht bisher<br />

in den Sternen. Wie dann die Ermittlung des<br />

Pflegebudgets erfolgt, ist leider nicht klar.<br />

Positiv ist, dass schon ab diesem Jahr die Tarifsteigerungen<br />

für die Pflegekräfte von den<br />

Kostenträgern vollständig refinanziert und die<br />

Finanzierung durch die Kostenträger bei erhöhtem<br />

Bedarf an Pflegepersonal ebenso verbessert<br />

wird wie auch die Finanzierung der Ausbildungsvergütungen.<br />

Grundsätzlich besteht hier jedoch eine gravierende<br />

Abweichung zur ursprünglichen Ansage<br />

der vollständigen Refinanzierung der Tarifkostensteigerungen<br />

im Krankenhaus. Die im Referentenentwurf<br />

vorgesehene Regelung betrifft<br />

lediglich die Pflege. Deshalb muss der <strong>VKD</strong> hier<br />

die Forderung nach der zugesagten vollständigen<br />

Refinanzierung weiterhin aufrechterhalten.<br />

Fixkostendegressionsabschlag:<br />

Positiv zu bewerten ist die Festsetzung eines<br />

bundeseinheitlichen Fixkostendegressionsabschlags<br />

und seiner Laufzeit. Mit dieser Regelung<br />

erfahren die Krankenhäuser Schutz vor<br />

überzogenen Refinanzierungserwartungen der<br />

Kostenträger im Rahmen ihrer zusätzlichen<br />

finanziellen Verpflichtungen im Sinne des<br />

PpSG.<br />

Gefordert werden muss aber eine Anpassungsklausel<br />

zur jährlichen Überprüfung und<br />

Festsetzung der Abschlagshöhe aufgrund von<br />

Leistungsänderungen. Ein fester und auf Dauer<br />

angelegter Abschlagssatz ist abzulehnen. Es<br />

muss sichergestellt sein, dass die nach § 4, Abs.<br />

2b, Satz 3 KHEntgG ausgewiesenen Ausnahmetatbestände<br />

auch weiterhin keine Berücksichtigung<br />

bei der Kalkulation des FDA finden.<br />

Ausgliederung aus dem DRG-System:<br />

Die Ausgliederung der Pflegekosten stellt einen<br />

Paradigmenwechsel in der Finanzierung der<br />

Krankenhäuser dar. Die Krankenhäuser sehen<br />

vor dem Hintergrund der vom <strong>VKD</strong> inzwischen<br />

mehrfach thematisierten Unzulänglichkeiten<br />

des ordnungspolitischen Rahmens des DRG-<br />

Systems in einer hausindividuellen bedarfsorientierten<br />

Pflegekostenfinanzierung Chancen<br />

für eine besser abgesicherte Finanzierung des<br />

Pflegepersonals und begrüßen und unterstützen<br />

diesen Weg.<br />

Martin Schmid<br />

Mitglied des Präsidiums<br />

des <strong>VKD</strong>, Geschäftsführer<br />

der Klinikum Fichtelgebirge<br />

gGmbH - Marktredwitz<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 71


Aktuelle Themen<br />

Allerdings darf eine Ausgliederung der Pflegekostenfinanzierung<br />

zu keinem Bruch in der<br />

Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser<br />

führen. Vor Ausgliederung der Pflegekosten<br />

ist hinlänglich zu definieren, was unter<br />

diesem Kostenansatz subsummiert und verstanden<br />

wird. Die Krankenhäuser haben in den<br />

vergangenen Jahren gerade wegen des Fachkräftemangels<br />

unterstützende Mitarbeiter<br />

eingestellt, zum Beispiel Pflegesekretärinnen,<br />

Arzthelferinnen, Stationshilfen, Verpflegungsassistenten,<br />

Logistikassistenten etc. Es geht<br />

weit an der Praxis in den Krankenhäusern vorbei,<br />

sich hier nur auf examinierte Pflegekräfte,<br />

die unmittelbar am Patienten tätig sind, zu fokussieren.<br />

Bisher nicht klar ist, auf welcher Basis die<br />

Ausgliederung der Pflegekosten erfolgen soll.<br />

Wird das Jahr <strong>2018</strong> zur Grundlage genommen,<br />

besteht die Gefahr, dass sich die aktuelle Situation<br />

im Pflegepersonalbereich fortsetzt.<br />

Das darf nicht passieren. Im nun vom Bundeskabinett<br />

beschlossenen Gesetzentwurf ist<br />

festgelegt, dass DKG, GKV-Spitzenverband<br />

und Verband der privaten Krankenversicherung<br />

(PKV) bis Ende 2019 eine „eindeutige, bundeseinheitliche<br />

Definition der auszugliedernden<br />

Pflegepersonalkosten“ vereinbaren sollen. Sie<br />

sollen außerdem erstmals für das Jahr 2020<br />

die Pflegepersonalkosten aus den Bewertungsrelationen<br />

der Fallpauschalen sowie aus den<br />

Zusatzentgelten herausrechnen. Bis zum 30.<br />

September 2019 sollen außerdem die auszugliedernden<br />

Pflegepersonalkosten in einem<br />

Katalog mit bundeseinheitlichen Bewertungsrelationen<br />

ausgewiesen werden. Die Deutsche<br />

Krankenhausgesellschaft hat kritisiert, dass die<br />

vorgesehene Umsetzung der Ausgliederung zu<br />

kompliziert sei und der geplante Start des dann<br />

geänderten Systems ab Januar 2020 kaum noch<br />

geschafft werden könne.<br />

Personaluntergrenzen:<br />

Mit der Ausgliederung ist die Kalkulation der<br />

hausindividuellen Pflegebudgets verbunden.<br />

Diese Kalkulation erfordert eine einheitliche<br />

Personalbedarfsermittlung, die allgemeingültig<br />

Anwendung finden muss. Sie ist zwingende<br />

Voraussetzung für die Verhandlungen mit den<br />

Krankenkassen.<br />

Vermieden werden muss der zu erwartende<br />

Nachweisdruck durch die Krankenkassen. Wir<br />

brauchen hier einen pragmatischen und möglichst<br />

unbürokratischen Lösungsansatz. Noch<br />

mehr Bürokratie kann nicht das Ziel sein.<br />

Abzulehnen ist, dass den Krankenhäusern mit<br />

der einen Hand gegeben, mit der anderen aber<br />

genommen werden soll. Ab 2020 soll der Pflegezuschlag<br />

in Höhe von 0,5 Milliarden Euro im<br />

Jahr wegfallen. Der Pflegezuschlag – ursprünglich<br />

Versorgungszuschlag – hatte zum Ziel, die<br />

Auswirkungen der doppelten Degression abzufedern.<br />

Er hatte also ursprünglich mit der Finanzierung<br />

der Pflege nichts zu tun. Seit 2017<br />

allerdings bekommen die Krankenhäuser den<br />

Versorgungszuschlag in Höhe von 0,8 Prozent<br />

vom Budget nicht mehr, sondern die 500 Millionen<br />

Euro werden in Relation zu den eingesetzten<br />

Kosten der Pflege verteilt. Wer also mehr<br />

für die Pflege ausgibt, erhält einen größeren<br />

Anteil von diesen 500 Millionen Euro. Diese Finanzierung<br />

soll ab 2020 nun ersatzlos wegfallen.<br />

Das ist abzulehnen.<br />

Grundsätzlich kritisiert wird vom <strong>VKD</strong> die geplante<br />

Festsetzung von Personaluntergrenzen<br />

– künftig laut Koalitionsbeschluss für sämtliche<br />

Abteilungen. Finanzierung der Pflegekosten<br />

und Personaluntergrenzen passen nicht<br />

zusammen. Diese Untergrenzen sind aus Sicht<br />

des <strong>VKD</strong> daher obsolet. Diesen Zusammenhang<br />

sieht die Politik anscheinend nicht. So ist im<br />

Kabinettsentwurf nun eine Ermächtigung des<br />

Bundesgesundheitsministeriums vorgesehen,<br />

wonach die Grenzwerte auch mittels einer<br />

Rechtsverordnung festgelegt werden können,<br />

wenn die Selbstverwaltung sich nicht fristgerecht<br />

einigen kann. Hierzu hat der <strong>VKD</strong> gesondert<br />

Stellung genommen.<br />

Strukturfonds und Investitionsmisere:<br />

Der Ausbau des Krankenhausstrukturfonds<br />

wird vom <strong>VKD</strong> zwar begrüßt, dieser Ausbau löst<br />

aber nicht die grundlegende Investitionsmisere.<br />

Anstelle der jährlich erforderlichen Investitionsfördermittel<br />

in Höhe von mindestens<br />

sechs Milliarden Euro stellen die Länder den<br />

Krankenhäusern aktuell bekanntlich lediglich<br />

2,8 Milliarden Euro zu Investitionszwecken<br />

zur Verfügung. Die jährliche Förderlücke von<br />

über drei Milliarden Euro ist eine der zentralen<br />

Ursachen für die wirtschaftlich äußerst<br />

angespannte Situation vieler Krankenhäuser.<br />

Hier sieht der <strong>VKD</strong> den Bund in der Pflicht, die<br />

Länder zu unterstützen. Immer wieder auf die<br />

Länder zu verweisen, ignoriert die seit Jahren<br />

auch vom <strong>VKD</strong> benannten Fakten, die zeigen,<br />

dass die Länder eben nicht in der Lage sind,<br />

ihren Verpflichtungen auf dem Gebiet der Investitionsfinanzierung<br />

nachzukommen. Der im<br />

Gesetzentwurf angelegte Ausbau des Krankenhausstrukturfonds<br />

ist keine Lösung der bestehenden<br />

Investitionsproblematik. Dass er einen<br />

wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der<br />

Versorgungsstrukturen leisten kann, wird von<br />

den Krankenhäusern natürlich gesehen. Auch<br />

die Ausweitung der Förderkriterien auf Ausbil-<br />

72<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Aktuelle Themen<br />

dungsplätze und digitale Anwendungen entspricht<br />

einer langjährigen Forderung der Krankenhäuser.<br />

Dennoch geht diese Regelung nicht weit genug<br />

angesichts der investiven Herausforderungen,<br />

die sich vor allem aus der Digitalisierung ergeben.<br />

Gerade letztere machen ein mehrjähriges<br />

Sonderprogramm „Digitales Krankenhaus“<br />

dringend erforderlich, wenn die ambitionierten<br />

Ziele der Bundesregierung auf diesem Gebiet<br />

eine Chance zur Umsetzung haben sollen.<br />

Gleichzeitig kann sich als ein Ergebnis der Digitalisierung<br />

auch die Situation im Personalbereich<br />

entspannen. Die Förderkriterien sind<br />

so auszugestalten, dass der Bundes- und Landesanteil<br />

jeweils in vollem Umfang finanziert<br />

wird. Der Landesanteil darf nicht so ausgestaltet<br />

werden, dass die Investitionsfinanzierung<br />

der Länder (ganz oder teilweise) zu Lasten der<br />

Krankenhäuser verringert wird.<br />

Regelungen für die<br />

Psychiatrie/Psychosomatik<br />

Tarif-Berichtigungsrate:<br />

Der Gesetzentwurf sieht eine Erhöhung der in<br />

§ 3 Abs. 4 Satz 2 BPflV geregelten Tarif-Berichtigungsrate<br />

von derzeit 40 Prozent der Differenz<br />

zwischen dem Veränderungswert und der<br />

tatsächlichen Personalkostensteigerung auf<br />

zukünftig 55 Prozent vor. Laut der Gesetzesbegründung<br />

soll durch diese Regelung eine Tarifrefinanzierung<br />

der Personalkostensteigerung<br />

von 100 Prozent in der Pflege sowie 50 Prozent<br />

in dem übrigen nichtärztlichen und ärztlichen<br />

Personalbereich erreicht werden.<br />

Grundsätzlich begrüßt der <strong>VKD</strong> diese Intention<br />

einer vollständigen Refinanzierung der Personalkostensteigerung<br />

in der Pflege. Vor dem<br />

Hintergrund, dass die Pflege in psychiatrischen<br />

Einrichtungen den weitaus größten Personalanteil<br />

darstellt, ist eine Erhöhung der Tarif-<br />

Berichtigungsrate auf 55 Prozent aus Sicht der<br />

Praxis jedoch längst nicht ausreichend, um eine<br />

100-prozentige Refinanzierung zu erzielen. Aus<br />

Sicht des <strong>VKD</strong> wäre zur Erreichung dieses Ziels<br />

eine Anhebung der Quote auf mindestens 80<br />

Prozent nötig.<br />

Mit der in Artikel 8 Nr. 7 des Entwurfes beschriebenen<br />

Ergänzung des § 9 Abs. 1 Nr. 7 KHEntgG<br />

soll eine Nachweispflicht für die Verwendung<br />

der Tarif-Berichtigungsrate für Personalkosten<br />

eingeführt werden. Der <strong>VKD</strong> weist hier darauf<br />

hin, dass sich dieser vorgesehene Nachweis für<br />

den Bereich der Psychiatrie erübrigt. Es besteht<br />

bereits eine vollständige Nachweispflicht für<br />

die Psych-PV Berufsgruppen (§ 18 Abs. 2 und 3<br />

BPflV).<br />

Refinanzierung der<br />

Personalkostensteigerungen:<br />

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung<br />

der Versorgung und Vergütung für<br />

psychiatrische und psychosomatische Leistungen<br />

(PsychVVG) besteht für psychiatrische<br />

Krankenhäuser eine Nachweispflicht (§ 18 Abs.<br />

2 und 3 BPflV) aller Berufsgruppen. Der <strong>VKD</strong><br />

fordert daher auch für die psychiatrischen und<br />

psychosomatischen Häuser und Abteilungen<br />

eine vollständige Refinanzierung von tariflich<br />

induzierten Personalkostensteigerungen nicht<br />

nur für die Pflege, sondern für alle Berufsgruppen.<br />

Regelungen für die<br />

stationäre Altenpflege<br />

Mit dem Gesetzentwurf will die Politik spürbare<br />

Verbesserungen im Alltag auch der Pflegekräfte<br />

in den Altenpflegeeinrichtungen möglich<br />

machen. Bessere Personalausstattung, bessere<br />

Arbeitsbedingungen sind die Ziele. Diese Ziele<br />

sind zu begrüßen, ihre Umsetzung ist auch für<br />

die Altenpflege allerdings vielfach unklar oder<br />

nicht durchdacht.<br />

So sollen 13.000 zusätzliche Stellen für die<br />

Behandlungspflege geschaffen werden. Woher<br />

diese Fachkräfte kommen sollen, auch,<br />

wie diese Zahl zustande kommt, liegt für den<br />

<strong>VKD</strong> und die in der <strong>VKD</strong>-Fachgruppe der Alten-<br />

Pflegeeinrichtungen zusammengeschlossenen<br />

Führungskräfte dieses Bereichs allerdings im<br />

Nebel. Stellen sind noch keine Pflegekräfte.<br />

Dennoch gibt der Gesetzentwurf sowohl im Bereich<br />

des SGB V als auch des SGB XI positive<br />

Zielstellungen für die Altenpflege vor.<br />

Wichtige Änderungen im SGB V für<br />

den stationären Altenpflegebereich<br />

Finanzierung der Behandlungspflege:<br />

Ein überfälliger Schritt hin zu einer kompletten<br />

Finanzierung der Behandlungspflege im stationären<br />

Altenpflegebereich ist die vorgesehene<br />

Änderung des Paragrafen 37 SGB V – Kompensationszahlungen<br />

der GKV an die Soziale<br />

Pflegeversicherung (SPV) - für 13.000 neue<br />

Stellen.<br />

Der <strong>VKD</strong> forderte in diesem Zusammenhang<br />

bereits die komplette Finanzierung der Behandlungspflege<br />

durch die gesetzlichen Krankenkassen.<br />

Weitere Umsetzungsschritte müssen<br />

aber bereits jetzt vereinbart, zumindest<br />

aber muss der Betrag von 640 Millionen Euro<br />

pro Jahr laufend dynamisiert werden.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 73


Aktuelle Themen<br />

74<br />

Kooperationsverträge mit Ärzten:<br />

Der vorgesehene Zwang zum Abschluss von Kooperationsverträgen<br />

(1. Änderung §119 b Abs.1<br />

SGB V – Abschluss von Kooperationsverträgen<br />

zwischen Ärzten und Pflegeheimen) wird dazu<br />

führen, dass auch Ärzte zum Zuge kommen,<br />

die für die Betreuung der Pflegeheimbewohner<br />

wenig geeignet sind. Diese Regelung, so plausibel<br />

sie auf den ersten Blick vielleicht scheint,<br />

ist daher kontraproduktiv. Aus Sicht des <strong>VKD</strong> ist<br />

die Beibehaltung der bisherigen Soll-Regelung<br />

deutlich besser.<br />

Wenig sinnvoll scheint in diesem Zusammenhang<br />

auch die Pflicht, eine verantwortliche<br />

Pflegefachkraft für die Zusammenarbeit mit<br />

den Ärzten zu benennen. Das würde nicht nur<br />

organisatorischen Zusatzaufwand bedeuten,<br />

sondern in der praktischen Umsetzung wegen<br />

der arbeitsorganisatorischen Abläufe im<br />

Pflegeheim mit Schichtdiensten zudem kaum<br />

möglich sein. Falls diese Regelung, wie jetzt<br />

vorgesehen, im Gesetz bleibt, fordert der <strong>VKD</strong>,<br />

den Einrichtungen den dafür notwendigen zeitlichen<br />

Aufwand zu refinanzieren.<br />

Elektronische Kommunikation<br />

und Digitalisierung:<br />

Der neu vorgesehene § 119b Abs. 2a und 2b SGB<br />

V zu den Anforderungen für die elektronische<br />

Kommunikation zwischen Pflegeheim und Vertragsarzt<br />

fordert die Herstellung nur des „Benehmens“<br />

mit den Spitzenverbänden der Pflegeeinrichtungen.<br />

Das genügt nicht. Hier muss<br />

es um „Einvernehmen“ gehen.<br />

Der Gesetzgeber will einheitliche Anforderungen<br />

für die digitale Kommunikation. Digitalisierung<br />

kann zur Entlastung der Pflege beitragen<br />

und ist daher zu begrüßen. Grundsätzlich<br />

ist die perspektivische Einbindung der Altenpflege<br />

in eine Telematikinfrastruktur ebenfalls<br />

positiv. Voraussetzung ist allerdings, dass zusätzliche<br />

Fördermittel für den Aufbau solcher<br />

Strukturen und für die Schulung des Personals<br />

zur Verfügung gestellt werden. Die Altenpflegeeinrichtungen<br />

benötigen zudem Zugang zu den<br />

für ihre Bewohner wichtigen Daten, wie u.a. den<br />

elektronischen Medikationsplan.<br />

Als eine positive Weiterentwicklung sind Videosprechstunden<br />

zu bewerten.<br />

Allerdings bleibt der Gesetzgeber hier im Vagen<br />

– Konkretes gibt es nicht.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung<br />

Wichtige Änderungen im SGB XI für<br />

die stationäre Altenpflege<br />

Vergütungszuschlag Behandlungspflege Anfügung<br />

von § 8 Abs. 6 SGB XI:<br />

Vollstationäre Pflegeeinrichtungen erhalten als<br />

Ergänzung zur Pflegevergütung nach dem achten<br />

Kapitel „auf Antrag einen Vergütungszuschlag<br />

zur Unterstützung der Leistungserbringung<br />

der medizinischen Behandlungspflege“.<br />

Voraussetzung hierfür ist aber die Vorhaltung<br />

von zusätzlichem Pflegepersonal über das in<br />

der Pflegesatzvereinbarung vereinbarte Personal<br />

hinaus.<br />

Positiv ist hier, dass dieses zusätzliche Personal<br />

kein Pflegefachpersonal sein muss. Das Problem<br />

der Erfüllung der Fachkraftquote bleibt<br />

aber. In der Pflegesatzvereinbarung wird ja kein<br />

Pflegepersonal, sondern es werden Personalschlüssel<br />

vereinbart. Bekanntlich sind deren<br />

Auswirkungen auf den Personalbestand abhängig<br />

von der Belegung und der Verteilung der<br />

Pflegegrade.<br />

Folgende Klarstellungen sind aus Sicht des <strong>VKD</strong><br />

im Gesetzentwurf ebenfalls vorzunehmen:<br />

Gilt die Finanzierung auch dann, wenn die Einrichtung<br />

schon im Status Quo mehr Personal<br />

als vereinbart vorhält oder muss – das wäre abzulehnen<br />

– ein Nachweis für Neueinstellungen<br />

erbracht werden? Was versteht der Gesetzgeber<br />

unter zusätzlichem Personal?<br />

Geht eine Einrichtung, die mehr Personal einstellt,<br />

als vereinbart war, jedoch weniger als<br />

refinanzierbar ist, leer aus oder erfolgt eine<br />

Teilfinanzierung?<br />

An welcher Bezugsgröße orientiert sich der Zuschlag?<br />

Der Grundsatz des SGB XI, dass Tarifgehälter<br />

als wirtschaftlich anzusehen sind und<br />

refinanziert werden müssen, muss auch bei den<br />

zusätzlichen 13.000 Stellen gelten.<br />

Bessere Vereinbarkeit von Pflege,<br />

Familie und Beruf:<br />

In den Jahren 2019 bis 2024 werden Maßnahmen<br />

in Pflegeeinrichtungen zur besseren Vereinbarkeit<br />

von Pflege, Familie und Beruf gefördert<br />

(Anfügung von § 8 Abs. 7 SGB XI). Dieses<br />

ist sicher ein begrüßenswertes Ziel, das mit der<br />

vorgesehenen Regelung allerdings nur rudimentär<br />

erreicht werden kann. Dagegen fließen<br />

erhebliche Mittel für eine neue Förderbürokratie,<br />

die letztlich einseitig von den Kostenträgern<br />

bestimmt werden. Daher muss gefordert<br />

werden, dass die Fördertatbestände für<br />

Betreuungsangebote und Weiterbildung gesondert<br />

geregelt werden. Auch die Mitsprache


Aktuelle Themen<br />

der Leistungserbringer sollte sichergestellt<br />

sein.<br />

Um nachhaltig Betreuungsangebote schaffen<br />

zu können genügt es nicht, Förderung, auf maximal<br />

fünf Jahre zu begrenzen. Auch die Förderbeträge<br />

selbst müssen deutlich aufgestockt<br />

werden.<br />

Rehabilitation nicht beschädigen<br />

Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die neuen<br />

gesetzlichen Regelungen Auswirkungen auf<br />

die Rehabilitationskliniken haben werden. Dass<br />

Krankenhäuser und Pflegeheime bei Neueinstellungen<br />

kaum zusätzliche Personalkosten<br />

zu tragen haben, kann in der Rehabilitation zu<br />

größerer Abwanderung von Personal in die beiden<br />

anderen Sektoren führen. Die Belange der<br />

Rehabilitation sind im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt.<br />

Die Kliniken hier müssen auf jeden<br />

Fall ebenfalls Refinanzierungsmöglichkeiten<br />

für steigende Personalkosten erhalten.<br />

Gründlichkeit vor Schnelligkeit<br />

Angesichts der zahlreichen nicht nur vom <strong>VKD</strong><br />

thematisierten Unzulänglichkeiten und des<br />

häufigen Fehlens von Umsetzungspräzisierungen<br />

scheint es überlegenswert, gründliche<br />

Folgenabschätzungen des Gesetzes – nicht nur<br />

auf die Pflege, sondern auf die Krankenhäuser<br />

insgesamt sowie auf die anderen Versorgungssektoren<br />

- vorzunehmen. Auch dem InEK sollte<br />

mehr Zeit für seine nicht ganz einfache Arbeit<br />

gegeben werden, damit am Ende ein Gesetz zur<br />

Verfügung steht, das tatsächlich zur Umsetzung<br />

der politisch postulierten Ziele beiträgt.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 75


Termine, die Sie nicht verpassen sollten:<br />

12. - 15. NOVEMBER <strong>2018</strong><br />

18. - 21. NOVEMBER 2019<br />

IN DÜSSELDORF<br />

Der 41. Deutsche Krankenhaustag findet<br />

wieder im Rahmen der Weltleitmesse der<br />

Medizinbranche MEDICA in Düsseldorf<br />

vom 12. - 15. November <strong>2018</strong> statt.<br />

Besuchen Sie uns auch an unserem <strong>VKD</strong>-<br />

Stand in Halle 15D35. Wir freuen uns auf Sie!<br />

Termine, die Sie nicht verpassen sollten:<br />

• Auftaktveranstaltung (12.11.<strong>2018</strong>)<br />

• Abendveranstaltung „Treffpunkt Krankenhaus“<br />

(12.11.<strong>2018</strong>)<br />

• 12. Entscheiderfabrik (13.11.<strong>2018</strong>)<br />

• 4. <strong>VKD</strong>-Forum (13.11.<strong>2018</strong>)<br />

• 102. <strong>VKD</strong>-Mitgliederversammlung (13.11.<strong>2018</strong>)<br />

• Abendveranstaltung „meeIT der Club“ (13.11.<strong>2018</strong>)<br />

• IMPO-Workshop der Europäischen Vereinigung der<br />

Krankenhausmanager (15.11.<strong>2018</strong>)<br />

www.medica.de | www.deutscher-krankenhaustag.de | www.entscheiderfabrik.com | www.vkd-online.de<br />

Entscheider-Event<br />

Unter dem Motto „Unternehmenserfolg durch Nutzen stiftende<br />

Digitalisierungsprojekte“ können sich beim Entscheider-Event,<br />

dem ersten Baustein im Entscheiderfabrik-Zyklus, wieder mindestens<br />

10 Kliniken an Digitalisierungsprojekten kostenneutral<br />

beteiligen und diese 12 Monate auf ihren Wertbeitrag testen.<br />

Dadurch werden mögliche Fehlinvestitionen<br />

vermieden - von der Idee zum Nutzen stiftenden<br />

Digitalisierungsprojekt.<br />

Für Fragen wenden Sie sich an<br />

Iris Meier<br />

Tel.: + 49 (0) 21 82 - 88 65 066<br />

E-Mail: Iris.Meier@GuiG.org<br />

www.ENTSCHEIDERFABRIK.com<br />

Die Auftaktveranstaltung zum neuen Zyklus der ENTSCHEI-<br />

DERFABRIK findet in der Zeit vom 13.-14. Februar 2019 im<br />

Industrieclub in Düsseldorf statt.<br />

Die Entscheiderfabrik<br />

bringt 33 fördernde<br />

Verbände<br />

und von diesen<br />

gewählte Berater,<br />

Kliniken mit mehr<br />

als 800 Standorten<br />

und mehr als 120<br />

Industrie-Unternehmen<br />

seit 2006<br />

zusammen.<br />

76<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Gemeinsam für mehr Wissen.<br />

DKI-/<strong>VKD</strong>-Branchentreffen:<br />

Psychiatrie-Branchentreff<br />

am 05.12.<strong>2018</strong> und 05.12.2019 in Düsseldorf<br />

Reha-Wirtschaftstag<br />

11.12.<strong>2018</strong> und 10.12.2019 in Berlin<br />

Krankenhaus-Branchentreff<br />

12.12.<strong>2018</strong> und 11.12.2019 in Berlin<br />

Der Branchentreff hat sich als wichtiger und<br />

beliebter Treffpunkt etabliert. Nutzen Sie<br />

die Tagesseminare, um Ihre Einrichtung<br />

betriebswirtschaftlich und organisatorisch<br />

optimal auszurichten und tauschen Sie sich<br />

hierüber im Kollegenkreis aus.<br />

<strong>VKD</strong>-Mitglieder erhalten eine vergünstigte<br />

Teilnehmergebühr!<br />

Weitere Infos finden Sie unter:<br />

www.dki.de<br />

www.vkd-online.de<br />

Anmeldung und Organisation:<br />

DKI-Seminarsekretariat<br />

E-Mail: seminar@dki.de<br />

Telefon: 0211 47051 16<br />

www.dki.de<br />

www.vkd-online.de<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 77


18. NATIONALES DRG-FORUM<br />

3. NATIONALES REHA-FORUM<br />

5. <strong>VKD</strong>-FORUM<br />

DAS EVENT DES JAHRES<br />

DRG-FORUM.DE | NATIONALESREHAFORUM.DE<br />

DER <strong>VKD</strong> IST MIT DABEI!<br />

21./22. MÄRZ 2019, BERLIN<br />

SEIEN AUCH SIE MIT DABEI!<br />

Sonderkonditionen für <strong>VKD</strong>-Mitglieder<br />

78<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung<br />

62. <strong>VKD</strong>-<br />

Jahrestagung<br />

9. - 10. Mai 2019<br />

im Novotel Berlin Tiergarten


IT-ENTSCHEIDERFABRIK<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 79


80<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Innovative Ideen,<br />

engagierte Projektteams<br />

12. Jahreszyklus der ENTSCHEIDERFABRIK geht in den Endspurt<br />

IT-Entscheiderfabrik<br />

Auf dem Entscheiderevent im Februar <strong>2018</strong> in<br />

Düsseldorf fiel traditionell wieder der Startschuss<br />

für den nunmehr 12. Jahreszyklus der<br />

ENTSCHEIDERFABRIK für Unternehmenserfolg<br />

durch optimalen IT-Einsatz. Die teilnehmenden<br />

Führungskräfte aus den Krankenhäusern<br />

wählten die fünf Digitalisierungsthemen aus,<br />

an denen Krankenhäuser, IT-Unternehmen<br />

und Berater in gemeinsamen Projektgruppen<br />

nun im Laufe dieses Jahres arbeiten würden.<br />

„Die nun ausgewählten Projekte stellen für die<br />

Krankenhäuser Schlüsselthemen dar, die für<br />

die Zukunft der stationären und vernetzten Gesundheitsversorgung<br />

sowie für die Patienten<br />

eine große Rolle spielen“, sagte Peter Asché,<br />

Vizepräsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands (<strong>VKD</strong>) und im Präsidium<br />

des Verbandes für den Bereich IT zuständig.<br />

„Dass im Laufe der vergangenen Jahre in rund<br />

60 Projektrunden die Praxistauglichkeit von IT-<br />

Lösungen erprobt werden konnte, ist für uns als<br />

Mitgründer der ENTSCHEIDERFABRIK ein großer<br />

Erfolg. Wir stellen ein stetig wachsendes<br />

Interesse an der Arbeit der ENTSCHEIDERFA-<br />

BRIK sowohl in Krankenhäusern als auch in der<br />

Industrie fest.“<br />

Die ENTSCHEIDERFABRIK überzeugt in den<br />

Krankenhäusern durch die Möglichkeit, Digitalisierungsprojekte<br />

kostenlos zu erproben.<br />

Die beteiligten Firmen wiederum können ihre<br />

Lösungen in der Praxis gemeinsam mit künftigen<br />

Nutzern testen und weiter verbessern. Eine<br />

optimale Win-Win-Situation. Auch nicht beteiligte<br />

Kliniken profitieren, weil der strukturierte<br />

Erprobungsprozess sehr transparent gestaltet<br />

wird und die Ergebnisse in Workshops und<br />

Seminaren sowie im Rahmen des Deutschen<br />

Krankenhaustages im November in Düsseldorf<br />

ausführlich dargestellt werden.<br />

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens<br />

wurde im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und<br />

SPD als „eine der größten Herausforderungen<br />

des Gesundheitswesens in den nächsten Jahren“<br />

bezeichnet. „Eine richtige Einschätzung, die der<br />

<strong>VKD</strong> nicht nur teilt. Wir betonen das bereits<br />

seit Jahren“, erklärte <strong>VKD</strong>-Präsident Dr. Josef<br />

Düllings. Die 25 Zeilen, die dieser Herausforderung<br />

in dem Papier gewidmet würden, seien<br />

allerdings nur wenig aussagekräftig, kritisierte<br />

er. Entgegen den Aussagen zu anderen gesellschaftlichen<br />

Bereichen vermeide der Koalitionsvertrag<br />

hier eine konkrete finanzielle<br />

Festlegung.<br />

Die ENTSCHEIDERFABRIK dokumentiere seit<br />

Jahren ganz praktisch, welchen großen Nutzen<br />

die IT für die Prozesse in den Krankenhäusern,<br />

für eine moderne Medizin und Pflege, für die<br />

Vernetzung von Gesundheitsangeboten und<br />

auch für die Wirtschaftlichkeit der Kliniken<br />

habe.<br />

Gemeinsam werden<br />

Schlüsselthemen bearbeitet<br />

Gemeinsam erproben Krankenhäuser, Firmen<br />

und Beratungsunternehmen im Rahmen der<br />

jährlichen IT-Schlüsselthemen neue Lösungen,<br />

Konzepte, Systeme. Alle haben den Nutzen davon.<br />

In den Kliniken erfolgt der Praxistest, die<br />

Firmen erkennen Verbesserungsnotwendigkeiten.<br />

Berater bringen ihr Projekt-Know-how ein.<br />

<strong>2018</strong> profitieren 16 Kliniken von den gewählten<br />

fünf Schlüsselthemen, deutlich mehr als in den<br />

Vorjahren. In Vorträgen, Workshops und Publikationen<br />

wird darüber berichtet. Auch nicht<br />

direkt beteiligte Kliniken profitieren davon. Erfahrungsaustausch<br />

sieht der <strong>VKD</strong> als wichtige<br />

Verbandsaufgabe.<br />

Wertbeitrag der Digitalisierung<br />

zur „Entscheidungsunterstützung“<br />

aufgezeigt<br />

In zahlreichen Veranstaltungen im Jahresverlauf<br />

demonstrierte die ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Chancen und Risiken der Digitalisierung, so auf<br />

dem Krankenhaus-Controller-Tag und im Rahmen<br />

der conhIT. So wurde zum Beispiel in einem<br />

gemeinsamen Workshop mit dem Bundesverband<br />

Medizinischer Informatiker BVMI im Rahmen<br />

eines conhIT-Satellitensymposiums das<br />

Thema "Digital Transformation – Transforming<br />

Healthcare in Disruptive Times" behandelt.<br />

In der Fachgruppen-Tagung der ENTSCHEIDER-<br />

FABRIK im Klinikum Region Hannover im Mai<br />

<strong>2018</strong> wurde der Wertbeitrag der Digitalisierung<br />

Dr. Pierre-Michael Meier<br />

Stellvertretender Sprecher<br />

des IuiG-Initiativ-Rates,<br />

Vertreter der EVKM im<br />

IuiG-Initiativ-Rat,<br />

Vorsitzender IT Arbeitsgruppe<br />

EVKM<br />

Peter Asché<br />

Kaufmännischer Direktor<br />

der Uniklinik RWTH Aachen,<br />

Vizepräsident des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands (<strong>VKD</strong>)<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 81


IT-Entscheiderfabrik<br />

Die ENTSCHEIDERFABRIK-Fachgruppen IT-<br />

Benchmarking, Datenschutz und ECM-Systeme<br />

und IHE führten ihre siebte gemeinsame Tagung<br />

am 16. und 17. Mai <strong>2018</strong> im Klinikum Region<br />

Hannover durch. Es ging um “Die richtige<br />

Information zur richtigen Zeit - Clinical Data<br />

Decision Support (CDDS), d.h. die optimale<br />

Vereinigung von Big Data Tools & Semantik<br />

Fähigkeiten zur Daten-Interpretation und Entscheidungsunterstützung!“.<br />

Der Gastgeber, das<br />

Klinikum Region Hannover, stellte Herausforderungen<br />

im Bereich der Entscheidungsunterstützung<br />

vor. Es folgten gemeinsame Vorträge<br />

zu diesem Thema von Industrie- und Klinikvertretern.<br />

Fachgruppen-Tagung der<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

im Klinikum Region<br />

Hannover im Mai <strong>2018</strong><br />

zum Thema „Die richtige Information zur richtigen<br />

Zeit braucht Daten-Interpretation und<br />

Entscheidungsunterstützung“ aufgezeigt.<br />

Die nächste Tagung ist für den 15. und 16. Mai<br />

nächsten Jahres im Universitätsklinikum Düsseldorf<br />

geplant. Dann wird es um das Thema<br />

„Krankenhausführung und digitale Transformation:<br />

Transforming Healthcare in Disruptive<br />

Times - Strategic Health Information Management“<br />

gehen.<br />

Sommer-Camp<br />

Im Juni ging der aktuelle Zyklus der ENT-<br />

SCHEIDERFABRIK dann in seine heiße Phase:<br />

Sommer-Camp bei der Firma ID – Information<br />

und Dokumentation im Gesundheitswesen.<br />

Hier wurden die Effizienzpotenziale von Digitalisierungsprojekten<br />

auf gezeigt. Gastgeber des<br />

Sommer-Camps der ENTSCHEIDERFABRIK im<br />

Jahr <strong>2018</strong> war ID. Es fand am 11. Und 12. Juni im<br />

Konferenzzentrum Ernst v. Bergmann in Potsdam<br />

statt. ​Motto: „Unternehmenserfolg durch<br />

Nutzen stiftende Digitalisierungsprojekte“.<br />

Gastgeber Dr. Daniel Diekmann, Geschäftsführer<br />

von ID, und der Kaufmännische Direktor des<br />

Klinikums Ernst von Bergmann, Tim Steckel,<br />

begrüßten die Teilnehmer. Als Feedbackgeber<br />

des Entscheider-Zyklus <strong>2018</strong> gab Christoph<br />

Schmelter, Geschäftsführer von DMI, die richtigen<br />

Impulse, um die Ausarbeitungen der einzelnen<br />

Digitalisierungsprojekte auf die nächste<br />

Ebene zu heben.<br />

Sommer-Camp der<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

am 11. und 12. Juni <strong>2018</strong><br />

in Potsdam<br />

82<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Der Wettbewerb: Auswahl der<br />

fünf Digitalisierungsthemen <strong>2018</strong><br />

Auf dem Entscheider-Event bewarben sich 12 Finalisten um den Zuschlag<br />

IT-Entscheiderfabrik<br />

Für den Wettbewerb der ENTSCHEIDERFABRIK<br />

<strong>2018</strong> wurden 12 der eingereichten Projekte<br />

ausgewählt. Diese wurden in der Finalistenrunde<br />

im Rahmen des Entscheider-Events am<br />

7. und 8. Februar in Düsseldorf vorgestellt.<br />

Die Teilnehmer des Entscheider-Events in Düsseldorf<br />

unterzogen an zwei Tagen im Februar<br />

die vorgestellten 12 Finalistenprojekte einer<br />

kritischen Prüfung. Sind es tatsächlich die Themen,<br />

die uns im Krankenhaus auf den Nägeln<br />

brennen? An welchen würden wir uns selbst beteiligen<br />

wollen? Welche sind von besonderem<br />

Nutzen für unser Haus? Die Entscheidung war<br />

nicht ganz einfach, denn alle zwölf Themen trafen<br />

Herausforderungen der Zeit.<br />

Die 12 Projekte im Einzelnen:<br />

Benchmark-gestützte Krankenhaussimulation<br />

(real time)<br />

Vorgestellt wurde das Thema von REDCOM, als<br />

Klinikpartner war das Bethesda Krankenhaus<br />

Bergedorf dabei.<br />

Das Problem strategischer, kostenintensiver<br />

Vorhaben ist die Berechnung des Return on<br />

Investment (ROI), die oft schwierig ist. Eine<br />

Benchmark-gestützte Simulation ermöglicht<br />

hier, planerisch die Konsequenzen solcher Entscheidungen<br />

zu ermitteln. Ziel des Projektes ist,<br />

auf Basis einer Benchmarkdatenbank und der<br />

Zuordnung von Daten des jeweiligen Krankenhauses<br />

zeitnah solche Aussagen zu treffen und<br />

damit Fehlentscheidungen zu vermeiden.<br />

Computer-interpretierbare Leitlinien –<br />

Unterstützung klinischer Entscheidungen,<br />

Reduktion von Fehlern, Verbesserung der<br />

klinischen Ergebnisse<br />

Vorgestellt wurde das Thema von Elsevier Clinical<br />

Solutions, beteiligter Klinikpartner war das<br />

Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK), Stuttgart.<br />

Auch in Deutschland sind chronische Krankheiten<br />

und Multimorbidität gesundheitsökonomisch<br />

besonders bedeutsam. Gerade für<br />

multimorbide Patienten sind Therapien mit<br />

Leitlinien nur bedingt zu standardisieren. Ziel<br />

des Projektes ist der Einsatz eines Therapieunterstützungssystems,<br />

das dem behandelnden<br />

Arzt die für jeden betroffenen Patienten relevanten<br />

Leitlinienempfehlungen anzeigt und so<br />

den Entscheidungsprozess sicherer macht.<br />

Beseitigung des „WhatsApp-Dilemmas“<br />

durch sichere mobile Krankenhaus-Kommunikationslösung<br />

Vorgestellt wurde das Thema von Infinite Convergence<br />

Solutions, beteiligter Klinikpartner<br />

war das Klinikum Oldenburg.<br />

Die meisten Krankenhäuser stellen ihren Mitarbeitern<br />

und Partnern keine mobile Chat-<br />

Messaging-Lösung zur Verfügung. Daher nutzen<br />

viele eigene Consumer-Lösungen, zum<br />

Beispiel WhatsApp – mit allen damit verbundenen<br />

Risiken. Das Ziel des Projektes ist daher die<br />

Einführung der sicheren mobilen Kommunikationslösung<br />

NetSfere. Sie wurde speziell für den<br />

Einsatz in Unternehmen und Krankenhäusern<br />

konzipiert und kann vom IT-Administrator kontrolliert<br />

werden.<br />

Kapazitätsnutzung und Behandlungserfolge<br />

optimieren durch standortübergreifende<br />

Kollaboration in der Radiologie<br />

Vorgestellt wurde das Thema von TNC, Klinikpartner<br />

war das Södra Älvsborgs Sjukhus,<br />

Bo°ras, Schweden.<br />

In Deutschland ist die Zahl radiologischer Untersuchungen<br />

im internationalen Vergleich<br />

relativ hoch. Es gibt zudem nicht genügend<br />

Radiologen. Die Krankenhäuser arbeiten in<br />

diesem Bereich oft isoliert voneinander. Das<br />

Ziel des Projektes ist daher, ein radiologisches<br />

Netzwerk über mehrere Standorte hinweg zu<br />

spannen, Zusammenarbeit der Radiologieabteilungen<br />

zu ermöglichen und Knowhow für alle<br />

Patienten, unabhängig vom Standort der Klinik,<br />

zur Verfügung zu stellen. Es geht aber auch um<br />

Reduzierung der Kosten für den Bereitschaftsdienst<br />

und eine bessere Auslastung der Kapazitäten.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 83


IT-Entscheiderfabrik<br />

Bilddokumentation radikal vereinfacht.<br />

Prozessoptimierung für Fotos und endoskopische<br />

Aufzeichnungen.<br />

Der komfortable, einfache und zeitsparende<br />

Weg vom KIS zum PACS<br />

Vorgestellt wurde das Thema von meso international,<br />

Klinikpartner waren die Charité – Universitätsmedizin<br />

Berlin und das Städtische Klinikum<br />

Dresden.<br />

Tausende von Bildern werden in den Krankenhäusern<br />

mit herkömmlichen Kameras aufgenommen.<br />

Die Zuordnung der Bilder zu den<br />

Patienten erfolgt manuell – ein langwieriges<br />

Verfahren. Ziel des Projekts ist es, diese Prozesse<br />

bei der Bildspeicherung von Endoskopen,<br />

Laparoskopen, Video- und Fotokameras weitestgehend<br />

zu automatisieren und dafür die<br />

vorhandene digitale Struktur des Krankenhauses<br />

zu nutzen, damit Fehler und Risiken zu vermeiden<br />

und auch Zeit zu sparen.<br />

Fallakte Plus - Überleitung der nächsten<br />

Generation, und der Patient ist stets dabei<br />

Vorgestellt wurde das Thema von CGM und<br />

Health Care IT Solutions, Klinikpartner war die<br />

Uniklinik RWTH Aachen.<br />

Die Versorgung der Patienten erfordert schon<br />

heute, zunehmend jedoch noch stärker, interdisziplinäre<br />

und sektorenübergreifende Zusammenarbeit<br />

der Behandler. Ziel ist es, die<br />

Leistungserbringer aus Krankenhaus, Praxis<br />

und Rehabilitation technisch in die Lage zu<br />

versetzen, vertrauliche Behandlungsinformationen<br />

untereinander und mit den Patienten<br />

verlässlich und sicher auszutauschen. Das soll<br />

regelhaft, automatisiert und ohne manuelle<br />

Eingriffe durch Behandler ermöglicht werden.<br />

Liegedauermanagement, Erlössicherung,<br />

Entlassmanagement: C A S E C H E C K<br />

Integrierendes Werkzeug und Web-basierte<br />

Plattform für Fallmanagement und Medizincontrolling<br />

Vorgestellt wurde das Thema von d-fine GmbH,<br />

Klinikpartner war das St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus<br />

Ludwigshafen.<br />

Moderne digitale und quantitativ unterstützte<br />

Steuerung beinhaltet ein großes Potenzial für<br />

ein patientenorientiertes Management, ist aber<br />

leider im Vergleich mit anderen Wirtschaftsbranchen<br />

in Krankenhäusern bisher nicht sehr<br />

weit entwickelt. Ziel des Projektes ist es, wesentliche<br />

Aspekte des Fallmanagements zu integrieren<br />

und nicht nebeneinander zu stellen.<br />

Im Projekt wird der Klinikleitung und den anderen<br />

Managementebenen ein übersichtliches,<br />

umfassendes und leicht zu bedienendes Werkzeug<br />

an die Hand gegeben, das alle wesentlichen<br />

Informationen bündelt und in die entsprechenden<br />

Prozesse einfließen lässt.<br />

Das digitale Krankenhaus: Next Generation<br />

Pflege- und Servicekommunikation am<br />

Krankenbett<br />

Vorgestellt wurde das Thema von BEWATEC,<br />

Klinikpartner war das Universitätsklinikum<br />

Münster.<br />

Immer wichtiger werden die Einbeziehung der<br />

Patienten, Mehrwertdienste und ein gehobenes<br />

Service-Level für die Krankenhäuser. Noch<br />

nicht zufriedenstellend gelöst ist aber die Integration<br />

von Patienteninformations-Tablets und<br />

KIS. Ziel des Projekts ist die Fortführung eines<br />

Projekts aus dem Entscheiderfabrik-Zyklus<br />

2016/2017, in dessen Rahmen bereits eine unidirektionale<br />

Schnittstelle zwischen Patienten-<br />

Tablets und KIS geschaffen wurde. Diese Integration<br />

soll im diesjährigen Projekt fortgesetzt<br />

und intensiviert werden. Anvisiert wird zudem<br />

die Berücksichtigung der aktuellen Standardisierungsarbeit<br />

(HLE, FHIR).<br />

Digitalisierung der Patientenreise durch den<br />

Einsatz einer patientenzentrierten IHE-konformen<br />

mHealth-Plattform<br />

Vorgestellt wurde das Thema von Sales Healthcare<br />

m. Doc, Klinikpartner waren das St. Adolf-<br />

Stift, Reinbek und die Median Kliniken.<br />

Eine auch künftig hochwertige medizinische<br />

Versorgung erfordert den effizienteren Einsatz<br />

von Ärzten, Pflegenden und anderem Fachpersonal.<br />

Ziel des Projekts ist die Digitalisierung<br />

von Businessmodellen durch den Einsatz einer<br />

mHealth-Plattform, die eine digitale Begleitung<br />

der Patienten während des Krankenhausaufenthalts<br />

vereinfacht und die Kommunikation<br />

aller Beteiligten sichert.<br />

Aufbau eines telemedizinischen Zentrums<br />

in einer ländlichen Region. Wege zu einer<br />

Steigerung der Behandlungsqualität unter<br />

den Herausforderungen des demografischen<br />

Wandels<br />

Vorgestellt wurde das Thema von Comarch S.A.,<br />

Krankenhauspartner war das Klinikum Kulmbach.<br />

In ländlichen Regionen fehlen niedergelassene<br />

Ärzte, die Versorgungsstrukturen dünnen<br />

aus, die Wege zur nächsten Klinik sind gerade<br />

für ältere, mobilitätseingeschränkte Patienten<br />

mühsam und lang. Ziel des Projekts ist die<br />

Errichtung eines telemedizinischen Zentrums,<br />

das Patienten mit entsprechenden Indikationen<br />

dauerhaft überwacht.<br />

84<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


IT-Entscheiderfabrik<br />

Virtuelle Videokonferenzen auf Basis einer<br />

IHA-konformen Vernetzungsplattform: Von<br />

Arzt zu Arzt und Patient<br />

Vorgestellt wurde das Thema von Siemens<br />

Healthineers, Krankenhauspartner war die Universitätsmedizin<br />

Rostock.<br />

Die IHE stellt mit dem IT-Infrastructure-<br />

Framework eine praxistaugliche Basis für<br />

Vernetzungen im Gesundheitswesen bereit.<br />

Die bloße Vernetzung allerdings - die Bereitstellung<br />

einer technischen Plattform – genügt<br />

nicht. Den Handlungsträgern muss auch<br />

die Möglichkeit für einen direkten Austausch<br />

gegeben werden, während sie auf die einrichtungsübergreifend<br />

verfügbaren Dokumente<br />

zugreifen. Ziel des Projektes ist es daher, darzustellen,<br />

inwieweit sich eine XDS-konforme<br />

Affinity Domaine durch Audio/Video-Konsultationen<br />

umsetzen lässt. Die Lösung muss bestehende<br />

Webkonferenzlösungen eingliedern bzw.<br />

aufrufen können.<br />

Zwar erfassen heute schon viele Patienten eine<br />

Vielzahl von Gesundheitsdaten mit Smartwatches<br />

und Smartphones, deren Übertragung auf<br />

einfachem elektronischem Weg ist derzeit aber<br />

nur mit viel Aufwand möglich. Ziel des Projektes<br />

ist die Implementierung eins technischen<br />

Systems, bei dem die Daten aus Apple Health-<br />

Kit und CareKit über das IHE XDS-Profil mit<br />

den Krankenakten verschiedener Gesundheitseinrichtungen<br />

und dem Smartphone des Patienten<br />

synchronisiert werden. Patienten sollen<br />

das System mit minimalem Aufwand nutzen<br />

können. Es baut auf dem Schlüsselthema 2017<br />

der Firma aycan auf.<br />

Digitalisierung 4.0: IHE XDS Connector für<br />

Apple HealthKit und CareKit<br />

Vorgestellt wurde das Thema von aycan Digitalsysteme<br />

mbH, Krankenhauspartner waren<br />

die Kliniken Kreis Mühldorf am Inn.<br />

Die Siegerprojekte <strong>2018</strong><br />

Diese fünf Projekte wurden zur Bearbeitung in <strong>2018</strong> ausgewählt:<br />

1. Beseitigung des „WhatsApp-Dilemmas“ durch sichere mobile Krankenhaus-<br />

Kommunikationslösung für Apple HealthKit und CareKit<br />

2. Digitalisierung 4.0: IHE XDS Connector<br />

3. Fallakte Plus - Überleitung der nächsten Generation, und der Patient ist stets<br />

dabei<br />

4. Computer-interpretierbare Leitlinien – Unterstützung klinischer Entscheidungen,<br />

Reduktion von Fehlern, Verbesserung der klinischen Ergebnisse<br />

5. Virtuelle Videokonferenzen auf Basis einer IHA-konformen Vernetzungsplattform:<br />

von Arzt zu Arzt und Patient.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 85


IT-Entscheiderfabrik<br />

Beseitigung des<br />

"WhatsApp-Dilemmas"<br />

NetSfere bietet eine sichere, mobile Chat-Messaging-Lösung für Krankenhäuser<br />

Infinite Convergence Solutions<br />

Infinite Convergence Solutions bietet Messaging- und Mobilitätslösungen der nächsten<br />

Generation für öffentliche Einrichtungen und Unternehmen, darunter eine<br />

Enterprise Messaging Services-Suite, eine sichere mobile Komunikationslösung über<br />

den eigenständigen Dienst NetSfere, sowie SMS-, MMS- und RCS-Lösungen. Die<br />

Technologie des Unternehmens unterstützt mehr als 400 Millionen Anwender weltweit<br />

und übermittelt jährlich über eine Billion Nachrichten. Infinite Convergence<br />

Solutions beschäftigt ca. 200 Mitarbeiter verteilt auf Niederlassungen in den USA,<br />

Deutschland, Indien und Singapur.<br />

Franz Obermayer<br />

Vice President Europe<br />

NetSfere /Infinite Convergence<br />

Solutions<br />

Wie sicher<br />

kommunizieren<br />

Klinik-Mitarbeiter?<br />

Die Nutzung von WhatsApp ist eine weit verbreitete<br />

und beliebte Kommunikationsform.<br />

Doch für den Einsatz zu dienstlichen Zwecken<br />

in Krankenhäusern ist die Lösung nicht geeignet<br />

und birgt sogar große Gefahren. Abhilfe<br />

schafft NetSfere, eine DSGVO-konforme, sichere,<br />

mobile Kommunikationslösung, die<br />

Konversationen Ende-zu-Ende verschlüsselt,<br />

der Klinik-IT die volle Kontrolle über die<br />

Kommunikationsbeziehungen gibt und den<br />

Nutzern alle Vorzüge einer modernen Chat-<br />

Lösung bietet. Die Mitglieder der ENTSCHEI-<br />

DERFABRIK mit ihren über 800 Klinik-Standorten<br />

bekräftigen den Bedarf nach sicheren<br />

Lösungen im Markt und haben NetSfere <strong>2018</strong><br />

auf Platz 1 der „Digitalisierungsthemen der<br />

Gesundheitswirtschaft <strong>2018</strong>“gewählt.<br />

Die schnelle und zuverlässige mobile Kommunikation<br />

zwischen Krankenhaus-Mitarbeitern<br />

ist ein Schlüssel zur Steigerung der Produktivität<br />

und der Qualität der Patientenversorgung.<br />

Da die meisten Kliniken ihren Angestellten<br />

keine Chat-Messaging-Lösung zur Verfügung<br />

stellen, werden häufig Consumer-Lösungen wie<br />

WhatsApp genutzt.<br />

Deren Einsatz kann von der Krankenhaus-IT<br />

nicht kontrolliert werden, ist nicht sicher, und<br />

birgt für die Kliniken neben IT-Mehrarbeit auch<br />

erhebliche Risiken, gerade vor dem Hintergrund<br />

der EU-Datenschutz-Grundverordnung. Viele<br />

IT-Verantwortliche sehen jedoch keine echte<br />

Alternative zu WhatsApp und unterschätzen die<br />

Risiken hinsichtlich des Datenschutzes und der<br />

Nichteinhaltung der DSGVO.<br />

WhatsApp ist nicht für den<br />

dienstlichen Gebrauch geeignet<br />

Doch Consumer Chat Messaging Apps sind<br />

nicht für den dienstlichen Gebrauch geeignet<br />

und wurden auch nie dafür konzipiert. Das Argument,<br />

dass WhatsApp ja auch verschlüsselt,<br />

greift zu kurz. Allein im Hinblick auf die DSGVO<br />

erfüllt WhatsApp in vielen Punkten die Anforderungen<br />

nicht. Dazu gehören neben dem Serverstandort<br />

außerhalb der EU vor allem fehlende<br />

Kontroll- und Datensicherheitsmechanismen<br />

für die IT-Abteilung. Zudem sammeln Whats-<br />

App & Co Metadaten über die Nutzung und<br />

greifen dabei auch auf Daten im Telefonbuch<br />

des Nutzers zu. Dies alles gilt es zu verhindern,<br />

um Reputationsverlust und mögliche Strafen<br />

aufgrund von Verstößen gegen die DSGVO zu<br />

vermeiden.<br />

86<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Die Lösung des Dilemmas: NetSfere<br />

Um das Dilemma zu beseitigen, sollten Krankenhaus-Verantwortliche<br />

neben dem Verbot<br />

von Consumer Messaging Lösungen wie<br />

WhatsApp für den dienstlichen Gebrauch, ihren<br />

Mitarbeitern zwingend eine eigene, sichere<br />

Chat-Messaging-Lösung zur Verfügung stellen.<br />

Bestens geeignet dafür ist NetSfere, eine<br />

sichere, mobile Kommunikationslösung für<br />

geschlossene Benutzergruppen von Infinite<br />

Convergence Solutions. NetSfere verschlüsselt<br />

alle Konversationen Ende-zu-Ende, gibt der<br />

Klinik-IT die volle Kontrolle über die Kommunikationsbeziehungen<br />

und bietet den Nutzern<br />

alle Vorzüge einer modernen Chat-Messaging-<br />

Lösung.<br />

• Mit NetSfere können IT-Administratoren<br />

sicherstellen, dass DSGVO Vorgaben erfüllt<br />

werden.<br />

• Neben sicherem Chat Messaging kann man<br />

mit NetSfere voll verschlüsselte Sprachanrufe<br />

in HD-Qualität führen und Live Video<br />

Broadcasts tätigen.<br />

• NetSfere verfügt über eine sichere API, über<br />

die sich Klinik-Systeme und Applikationen<br />

bei Bedarf anbinden lassen.<br />

• Mit NetSfere können Kliniken nicht nur<br />

intern, sondern auch extern sicher und<br />

DSGVO-konform kommunizieren, also z.B.<br />

zwischen Kliniken, mit externen Ärzten oder<br />

auch mit Patienten.<br />

• NetSfere ist auf den mobilen Betriebssystemen<br />

iOS und Android verfügbar und kann<br />

auch über den Browser auf dem Desktop genutzt<br />

werden.<br />

• NetSfere ist sowohl als Public-Cloud-Lösung<br />

mit Serverstandort Deutschland, als<br />

auch als dedizierte On-Prem-Lösung im<br />

Rechenzentrum des Krankenhauses erhältlich.<br />

Wahl zum „Digitalisierungsthema<br />

der Gesundheitswirtschaft <strong>2018</strong>“<br />

und Proof of Concept<br />

Im Februar <strong>2018</strong> hat NetSfere gemeinsam mit<br />

dem Klinikpartner Klinikum Oldenburg den ersten<br />

Platz im Wettbewerb um die fünf Digitaliserungsthemen<br />

<strong>2018</strong> erreicht. Am Wahlabend<br />

wählten sich weitere Kliniken auf das Thema,<br />

um einen offiziellen Proof of Concept zu starten.<br />

Neben dem Klinikum Oldenburg sind das<br />

die Vestischen Caritas-Kliniken, das Westpfalz-<br />

Klinikum, das Universitätsklinikum Münster, die<br />

Kliniken Nordoberpfalz und die St. Augustinus-<br />

Kliniken. Ralf Boldt, IT-Leiter des Klinikums Oldenburg,<br />

brachte die Relevanz der Lösung auf<br />

den Punkt: "Wir glauben, dass es entscheidend<br />

ist, unsere Mitarbeiter mit den mobilen Lösungen<br />

auszustatten, die sie benötigen, um ihre<br />

Aufgaben besser zu erfüllen, so dass sie nicht<br />

mehr mit unsicheren Messaging-Anwendungen<br />

aus dem privaten Gebrauch kommunizieren<br />

müssen. Dies ist ein großes Dilemma, mit dem<br />

fast jedes Krankenhaus in Deutschland konfrontiert<br />

ist. NetSfere hat uns die notwendige<br />

Kontrolle gegeben, um diese Art von mobiler<br />

Kommunikation zu regeln und zu sichern."<br />

Das Feedback aller sechs Häuser im Proof of<br />

Concept ist äußerst positiv und die beteiligten<br />

Verantwortlichen denken bereits über eine<br />

weitere Ausbaustufe der Lösung nach. Nachdem<br />

das primäre Ziel der Beseitigung des Whats-<br />

App Dilemmas mit der jetzigen Lösung erreicht<br />

wurde, arbeitet man nun an der Schaffung von<br />

Mehrwerten in der Kommunikation durch die<br />

Integration der Lösung in klinische Systeme.<br />

Den weiteren Fortschritt des Projektes präsentiert<br />

das Projektteam auf dem Deutschen<br />

Krankenhaustag auf der MEDICA im November<br />

<strong>2018</strong> in Düsseldorf und auf dem ENTSCHEIDER-<br />

EVENT in Düsseldorf im Februar 2019.<br />

IT-Entscheiderfabrik<br />

»Consumer Chat Messaging<br />

Apps sind nicht für den<br />

dienstlichen Gebrauch<br />

geeignet und wurden auch<br />

nie dafür konzipiert. Das<br />

Argument, dass Whats-<br />

App ja auch verschlüsselt,<br />

greift zu kurz. Allein im<br />

Hinblick auf die DSGVO<br />

erfüllt WhatsApp in vielen<br />

Punkten die Anforderungen<br />

nicht.«<br />

Franz Obermayer<br />

Multi device –<br />

intern und extern<br />

sicher kommunizieren<br />

Weitere Informationen auf www.netsfere.com/de<br />

oder per E-Mail an: sales@netsfere.com<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 87


IT-Entscheiderfabrik<br />

Chancen<br />

für junge Unternehmen<br />

Wettbewerb um den Start Up- und Young Professional Preis der ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Erneut gab es im vorigen Jahr wieder den<br />

Wettbewerb um den Start Up und Young Professional<br />

Preis. Dabei geht es um junge Unternehmen,<br />

die relativ neu am Markt sind und<br />

interessante Geschäftsideen für Kliniken und<br />

Pflegeheime entwickelt haben.<br />

Ziel dieses Wettbewerbs ist es, innovativen Start<br />

Up Unternehmen und Young Professionals den<br />

Zugang zum Erfolgskonzept der ENTSCHEIDER-<br />

FABRIK zu erleichtern. Das Querdenken gerade<br />

junger, innovativer Unternehmen wird auch –<br />

so die Hoffnung - die Kreativität von am Markt<br />

bereits etablierten Firmen anregen. Es geht um<br />

Austausch und Networking und den Nutzen,<br />

den alle Beteiligten daraus ziehen können.<br />

Ausgewählt werden können Unternehmen,<br />

die in den vergangenen drei Jahren ihr Start<br />

Up-Unternehmen gegründet haben und eine<br />

innovative Lösung für Prozesse der Gesundheitswirtschaft<br />

anbieten. Sie erhalten die<br />

Möglichkeit, die ENTSCHEIDERFABRIK als<br />

Forum für diese Lösung zu nutzen. Diese Lösung<br />

bzw. Geschäftsidee kann sowohl auf primäre,<br />

sekundäre, als auch tertiäre Prozesse der<br />

Patientenversorgung sowie administrative Abläufe<br />

gerichtet sein. Bewerbungen sind jeweils<br />

bis zum Sommer-Camp der Entscheiderfabrik<br />

einzureichen (Email: Pierre-Michael.Meier@<br />

vuiG.org). Aus den Bewerbungen werden die<br />

besten Beiträge ausgewählt. Die Start Up Session<br />

findet auf dem Deutschen Krankenhaustag<br />

im Rahmen der Medica im November in Düsseldorf<br />

statt. Die Preisträger werden hier auf<br />

dem LiveView Stand der ENTSCHEIDERFABRIK<br />

präsentiert und nehmen am Entscheider-Event<br />

des folgenden Jahres in Düsseldorf teil.<br />

Ähnliche Kriterien gelten für die Bewerbung zur<br />

Young Professional Session der ENTSCHEIDER-<br />

FABRIK. Sie sollten in den letzten drei Jahren<br />

ihre Ausbildung abgeschlossen haben und ein<br />

innovatives Projekt bei einem Leistungserbringer<br />

in der Patientenversorgung umgesetzt<br />

bzw. eine innovative Idee entwickelt haben.<br />

Auch ihnen gibt die ENTSCHEIDERFABRIK eine<br />

Plattform, sich damit vorzustellen und gegebenenfalls<br />

Partner zu finden, diese weiterzuentwickeln.<br />

Die drei erstplatzierten Unternehmen im Wettbewerb um den Start-Upund<br />

Digitalisierungspreis der ENTSCHEIDERFABRIK stellten im vorigen Jahr<br />

folgende Lösungen vor:<br />

1. Recare:<br />

Effizientes Entlassmanagement mit Recare – Nachversorgung schneller<br />

und wirtschaftlicher organisieren<br />

2. imito:<br />

imito Lösungen fördern die visuelle Dokumentation und Kollaboration in<br />

Krankenhäusern<br />

3. connectedhealth:<br />

Patient-Empowerment mit der innovativen Lösung „Life Time“<br />

88<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Digitaler Marktplatz<br />

für Überleitungen<br />

Recare: Bessere Verweildauersteuerung durch stabile, digitale Prozesse.<br />

IT-Entscheiderfabrik<br />

Die Recare GmbH<br />

Recare wurde 2017 in Berlin gegründet und besteht aus einem jungen, internationalen<br />

Team. „Uns alle verbindet die Motivation, eine gute Pflegekraft für unsere Lieben<br />

zu finden. Nun vereinfachen wir die Prozesse für alle: Kliniken, Pflegedienste und<br />

Familien“ heißt es auf der Unternehmenshomepage. Recare gewann beim Entscheider-Event<br />

im Februar <strong>2018</strong> in Düsseldorf den 1. Platz im Wettbewerb um den Start<br />

Up und Young Professional Preis.<br />

Seit dem 1. Oktober 2017 ist der Rahmenvertrag<br />

Entlassmanagement für die Krankenhäuser<br />

verbindlich. Die Kliniken müssen<br />

einen nahtlosen Übergang der Patienten in<br />

die nachfolgenden Versorgungsbereiche garantieren.<br />

Ein funktionierendes Entlassmanagement<br />

ist aber nicht nur durch die nun<br />

verschärften Anforderungen zentral für Kliniken.<br />

Auch der demographische Wandel und<br />

das damit steigende Patientenalter erhöhen<br />

unabhängig davon den Aufwand: Es gibt mehr<br />

Patienten mit pflegerischem oder geriatrischem<br />

Versorgungsbedarf und somit mehr<br />

Arbeit im Überleitungsbereich.<br />

Wie in vielen anderen Bereichen auch, laufen<br />

im Überleitungsbereich hochgradig individuelle<br />

Prozesse in den Krankenhäusern ab. Je nach<br />

Situation des Patienten sind sehr unterschiedliche<br />

Arten von Überleitungen und Verlegungen<br />

notwendig und müssen individuell geregelt<br />

werden. Oft übernimmt der Sozialdienst viele<br />

der Pflichten, häufig gibt es aber auch andere<br />

funktionale Strukturen wie Case Management,<br />

pflegerisches Entlassmanagement oder Entlasskoordinatoren.<br />

Manchmal sind sogar Stationspflege<br />

oder auch Ärzte über die normale Informationsweitergabe<br />

hinaus aktiv am Prozess<br />

der Überleitung beteiligt.<br />

Was alle diese Prozesse im Krankenhaus jedoch<br />

in der Regel gemeinsam haben, ist die analoge<br />

und manuelle Umsetzung. Allein im Pflegebereich<br />

haben wir in Deutschland jedoch schon<br />

fast 27.000 Versorger. Um für alle Patienten, die<br />

das benötigen, eine adäquate Nachversorgung<br />

zu organisieren, muss ein Krankenhaus häufig<br />

mit mehreren hundert Partnern im ambulanten<br />

Bereich zusammenarbeiten. Eine durchaus<br />

schwierige Aufgabe, denn die Lücke zwischen<br />

wachsendem Bedarf und verfügbaren Kapazitäten<br />

wächst, wenn auch regional sehr unterschiedlich.<br />

Das führt dazu, dass für bestimmte Überleitungen<br />

oft eine Vielzahl an potenziellen Partnern<br />

kontaktiert werden muss – mit einem entsprechend<br />

hohen Zeitaufwand und den naheliegenden<br />

Prozessproblemen.<br />

Diese Entwicklungen werden in den meisten<br />

Häusern jedoch nicht nur einen Ausbau der<br />

überleitenden Strukturen (zum Beispiel im Sozialdienst)<br />

erfordern – eine Überlastung an der<br />

Schnittstelle „Überleitung“ führt auch nachweislich<br />

zu unnötigen Liegetagen im Krankenhaus,<br />

die rein administrativer Natur sind, keine<br />

medizinische Relevanz besitzen und gegebenenfalls<br />

die zuständige Krankenkasse auf den<br />

Plan rufen.<br />

Sehr kurzfristige Entlassplanung begünstigt<br />

dieses Problem, da dann entsprechend wenig<br />

Zeit für die Organisation des Nachversorgungsplatzes<br />

besteht.<br />

Analog zu Plattformen in anderen Märkten wie<br />

Booking.com betreibt das Berliner Start Up<br />

Recare erfolgreich einen digitalen Marktplatz<br />

für Überleitungen in den post-akuten Sektor.<br />

Krankenhausanwender können in der <strong>web</strong>basierten<br />

Plattform anonyme Versorgungsprofile<br />

für Überleitungen anlegen. Diese werden<br />

im nächsten Schritt mit Verfügbarkeiten und<br />

Leistungsspektren von lokalen Nachversorgern<br />

zusammengeführt. Die Plattform kommuniziert<br />

komplett eigenständig mit den jeweiligen<br />

Nachversorgern und fragt basierend auf einer<br />

Maximilian Greschke<br />

Geschäftsführer, Recare<br />

GmbH<br />

»Um für alle Patienten,<br />

die das benötigen, eine<br />

adäquate Nachversorgung<br />

zu organisieren, muss ein<br />

Krankenhaus häufig mit<br />

mehreren hundert Partnern<br />

im ambulanten Bereich<br />

zusammenarbeiten - mit<br />

einem entsprechend hohen<br />

Zeitaufwand und den naheliegenden<br />

Prozessproblemen.<br />

Eine durchaus schwierige<br />

Aufgabe, denn die Lücke<br />

zwischen wachsendem<br />

Bedarf und verfügbaren<br />

Kapazitäten wächst.«<br />

Maximilian Greschke<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 89


IT-Entscheiderfabrik<br />

statistischen Annahmewahrscheinlichkeit Versorgungsplätze<br />

an. Das Ergebnis ist eine Liste<br />

mit passenden Nachversorgern, welche den Patienten<br />

zum geplanten Entlassdatum fließend<br />

übernehmen können.<br />

Im Vergleich zum analogen Prozess vorher sind<br />

nun außerdem alle Datenpunkte aus der Überleitung<br />

digital vorhanden. Basierend darauf<br />

entsteht die Möglichkeit, zum ersten Mal die<br />

Performance Metriken eines Überleitungsprozesses<br />

zu analysieren und Benchmarks zu bilden.<br />

Seit dem Beginn der Arbeit an der Recare Plattform<br />

im Januar 2017 konnte das Start Up rasant<br />

wachsen: Mittlerweile benutzen rund 30 Krankenhäuser<br />

und 3000 Pflegedienste und Pflegeheime<br />

bundesweit Recare, um Überleitungen<br />

und Verlegungen digital schneller und effizienter<br />

abzuwickeln.<br />

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im Schnitt<br />

wird für 96 Prozent aller Anfragen eine Kapazität<br />

zur fließenden Weiterversorgung über<br />

Recare gefunden. In durchschnittlich unter 3,5<br />

Stunden wird die erste Kapazitätszusage von<br />

Nachversorgern abgegeben.<br />

So können Kliniken einen stabilen Prozess einführen:<br />

Wenn die Suchanfrage für die Nachsorge<br />

auch nur einen Tag vor dem geplanten<br />

Entlassdatum gestartet wird, kann man davon<br />

ausgehen, einen flüssigen Übergang herstellen<br />

zu können. Als Konsequenz spart das durchschnittliche<br />

Krankenhaus in Deutschland rund<br />

0,5 Verweildauertage pro Überleitung in die<br />

pflegerische Nachversorgung.<br />

Das Start Up weitet seinen Service außerdem<br />

weiter auf vergleichbare Koordinationsleistungen<br />

im Bereich Anschlussrehabilitation und<br />

Hilfsmittel aus.<br />

Digitale Überleitprozesse im pflegerischen Bereich<br />

sind schon heute signifikant verlässlicher<br />

als manuelle Vorgänger. Mit einer höheren Anzahl<br />

an Patienten mit Pflegebedarf und weiterem<br />

Druck auf Kapazitäten und Verweildauer<br />

wird dieser Vorteil sich weiter verstärken.<br />

Recare möchte eine zentrale Rolle in diesem<br />

Trend einnehmen und Kliniken helfen, Nachversorgungsprobleme<br />

elegant zu lösen.<br />

www.recaresolutions.com<br />

So funktioniert Recare<br />

Quelle: Recare<br />

90<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


WhatsApp und Instagram<br />

für Mediziner<br />

Ein Bild (im richtigen Kontext) sagt mehr als 1000 Worte<br />

IT-Entscheiderfabrik<br />

Die imito AG wurde im Jahr 2015 von Chrysanth Sulzberger und Manuel Studer in<br />

Zürich gegründet. Eine Umfrage im Vorfeld der Gründung hatte ergeben, dass von<br />

rund 500 Ärzten der DACH-Region bereits mehr als die Hälfte das Smartphone für<br />

die klinische Fotodokumentation nutzte. Heute sind die Lösungen des Unternehmens<br />

bereits in über einem Dutzend Krankenhäuser in der Schweiz und Deutschland im<br />

Einsatz. 80 Prozent der Schweizer Universitäts-Spitäler nutzen die Lösungen. Seit<br />

2016 konnte das interdisziplinäre Team durch die Umsetzung dieser ersten Projekte<br />

enorm viel beim praktischen Einsatz der Apps lernen! Die imito AG belegte den<br />

zweiten Platz im Wettbewerb der Entscheiderfabrik um den Start Up und Young<br />

Professional Preis.<br />

Die imito AG spart Ärzten und Pflegenden mit<br />

smarten Werkzeugen wertvolle Zeit im klinischen<br />

Alltag und verbessert die Qualität der<br />

Dokumentation. Im Privaten nutzen wir alle<br />

gerne Fotos als Gedankenstützen, z.B. um uns<br />

eine interessante Folie von einem Vortrag<br />

zu erinnern - oder um bei IKEA die richtigen<br />

Regale im Selbstbedienungslager zu finden.<br />

In der Medizin, im speziellen in den Krankenhäusern,<br />

treffen oft die technologischen<br />

Möglichkeiten aus dem Privaten auf unflexible<br />

und fragmentierte Strukturen. Gerade<br />

die klinische Fotodokumentation ist häufig<br />

nur rudimentär von Hand auf Dateiservern<br />

strukturiert, was die Ablage und Wiederverwendung<br />

mühsam und zeitintensiv gestaltet.<br />

sicheren Austausch für Zweitmeinungen mittels<br />

Team Chat und die nahtlose Integration<br />

in die elektronische Patientenakte. Fehler bei<br />

der Zuordnung und verwaiste Fotos und Videos<br />

werden vermieden.<br />

Chrysanth Sulzberger<br />

CEO und Co-Founder, imito<br />

AG, Schweiz<br />

Die Marktanalyse im Vorfeld der Unternehmensgründung<br />

hatte ergeben, das von den an<br />

einer Umfrage beteiligten rund 500 Ärzten über<br />

die Hälfte das Smartphone für die klinische Fotodokumentation<br />

verwenden. Viele verwalten<br />

ihre Patientenbilder mit Cloud-Diensten und<br />

tauschen sich über nicht datenschutzkonforme<br />

Messenger wie WhatsApp zu den Aufnahmen<br />

aus.<br />

Wir entschieden, diese losen Enden zu untersuchen<br />

und mit unseren klinischen Apps zu<br />

verbinden. Damit ist es uns mit imitoCam gelungen,<br />

die Fotodokumentation deutlich zu erleichtern.<br />

So ermöglicht imitoCam die Befunddokumentation<br />

mit Fotos und Videos inkl. Wundvermessung<br />

direkt am Patienten, einen direkten und<br />

Klinische Fotodokumentation und Kommunikation mit der<br />

App imitoCam<br />

Quelle: imito AG<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 91


IT-Entscheiderfabrik<br />

imitoScan für alle,<br />

die noch nicht ganz<br />

ohne Papierakte<br />

auskommen<br />

Quelle: imito AG<br />

Zweitmeinungen von Kollegen im Hintergrunddienst<br />

können, ähnlich wie mit Instagram, jedoch<br />

verschlüsselt und datenschutzkonform,<br />

über den Team-Chat eingeholt werden.<br />

Damit zu einem späteren Zeitpunkt Fotos und<br />

Videos einfach wiedergefunden werden, muss<br />

es möglich sein, die relevanten Informationen<br />

(Suchkriterien) bereits während der Aufnahme<br />

zu dokumentieren. Dafür können #Hashtags in<br />

den Kommentaren verwendet werden, die eine<br />

einfache und dynamische Strukturierung der visuellen<br />

Befunde ermöglichen. Die fotografische<br />

Visualisierung von Krankheiten und Verletzungen<br />

ist eine wichtige Ergänzung zur schriftlichen<br />

Dokumentation und dient der Verlaufsdokumentation<br />

und Qualitätssicherung.<br />

Ȁrzte und Pflegende sparen<br />

mit smarten Werkzeugen<br />

wertvolle Zeit im klinischen<br />

Alltag und verbessern die<br />

Qualität der Dokumentation.<br />

Der klare Fokus auf die Prozessvereinfachung<br />

ermöglicht<br />

den erfolgreichen Einsatz von<br />

imitoCam in vielen unterschiedlichen<br />

Fachbereichen.«<br />

Chrysanth Sulzberger<br />

Der klare Fokus auf die Prozessvereinfachung<br />

ermöglicht den erfolgreichen Einsatz von<br />

imitoCam in vielen unterschiedlichen Fachbereichen,<br />

u.a. in der Dermatologie, Krankenpflege<br />

(Wunddokumentation), allgemeinen Chirurgie,<br />

plastischen Chirurgie, Orthopädie, Neurologie<br />

(hauptsächlich Videos), Hals-Nasen-Ohren-<br />

Krankheiten, Pädiatrie.<br />

Unsere Leidenschaft, die radikale Vereinfachung<br />

von Aufgaben im klinischen Alltag, hat<br />

mit imitoScan bereits ein weiteres intuitives<br />

Werkzeug hervorgebracht. Mitgebrachte Dokumente<br />

werden direkt mit dem Smartphone<br />

digitalisiert, damit diese unverzüglich Teil der<br />

elektronischen Patientenakte sind.<br />

Bereits 80% der Schweizer Unispitäler zählen<br />

zu unseren Kunden, sowie namhafte Krankenhäuser<br />

Deutschlands, wie das Universitätsklinikum<br />

Hamburg-Eppendorf oder die Sana Kliniken<br />

AG.<br />

Es ist großartig, mit der imito AG einen Beitrag<br />

zur digitalen Transformation im Gesundheitswesen<br />

zu leisten!<br />

https://imito.io<br />

Befunddokumentation mit Fotos und Videos inklusive Wundvermessung direkt am Patienten<br />

Quelle: imito AG<br />

92<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Befundübergabe<br />

digital und datenschutzkonform<br />

Vom Arztrechner direkt auf das Patienten-Smartphone – und umgekehrt<br />

IT-Entscheiderfabrik<br />

Die connected-health.eu GmbH<br />

Gegründet wurde die connected-health.eu GmbH 2014 von Dr. med. Johannes Jacubeit,<br />

der sich als Arzt täglich über die veraltete IT-Welt wunderte, mit der er und<br />

seine Kollegen sich herumärgern mussten. Gemeinsam mit dem IT-Allrounder Matthias<br />

Lau nahm er sich der Sache an. Inzwischen ist das Unternehmen auf rund 30<br />

Mitarbeiter angewachsen, hat viele Preise gewonnen und Unterstützer gefunden. Als<br />

erstes deutsches Digital Health Unternehmen erhält die connected-health.eu GmbH<br />

im Rahmen eines 6,5 Millionen-Euro-Projektes Förderung aus dem Innovationsfonds<br />

der Bundesregierung. Weiterhin hat im Verlauf der Unternehmensgeschichte neben<br />

der Stadt Hamburg, dem High-Tech-Gründerfonds, zahlreichen Business Angels und<br />

dem Thieme Verlag mittlerweile auch die Beteiligungsgesellschaft des SAP-Gründers<br />

Hasso Plattner in das Unternehmen investiert.<br />

Janika Ebmeyer<br />

connected-health.eu GmbH<br />

Einkaufen, reisen, bezahlen - es gibt kaum<br />

etwas, das heute nicht mit dem Smartphone<br />

erledigt werden kann. Doch in der Medizin<br />

werden Ärzte und Patienten immer wieder mit<br />

Kommunikationsmitteln aus vergangenen<br />

Jahrzehnten konfrontiert: Papierausdrucke,<br />

CDs, Faxe. Dabei können Ärzte schon mit wenig<br />

Aufwand analoge Prozesse digitalisieren<br />

und somit vereinfachen. Mit der LifeTime<br />

Software können Arztpraxen, Kliniken und<br />

MVZs Befunde digital und verschlüsselt an<br />

Kollegen und Patienten versenden. Die Handhabung<br />

ist so einfach wie der Fax-Versand,<br />

nur datenschutzkonform. Patienten erhalten<br />

die Dokumente in einer geschützten App auf<br />

ihrem Smartphone. Zuweiser empfangen die<br />

mit LifeTime gesendeten Befunde von Kollegen<br />

direkt auf ihrem Praxisrechner.<br />

Die Vorteile: Dank dem digitalen Befundversand<br />

sparen Ärzte Zeit und Kosten. Ausgaben<br />

für Briefumschläge, Papier, Drucker und Porto<br />

entfallen. LifeTime ermöglicht einen deutlich<br />

schnelleren Versandprozess. Haben Patienten<br />

Zugriff auf ihre Befunde und bringen diese<br />

zum Termin in der Arztpraxis mit, reduziert dies<br />

zudem die Anzahl eingehender Anfragen von<br />

Kollegen, die sich nach Befunden erkundigen.<br />

Werden die Dokumente gleich in digitaler Form<br />

mitgebracht, entfällt das Scannen und sie können<br />

direkt archiviert werden. Indem der Patient<br />

die Hoheit über seine Daten besitzt, wird er<br />

stärker in den Behandlungsprozess einbezogen.<br />

Das hat wiederum positiven Einfluss auf die<br />

Therapietreue. Gleichzeitig bieten Ärzte ihren<br />

Patienten mit LifeTime einen praktischen Service,<br />

der ihre Patientenbindung stärkt.<br />

Auch Patienten profitieren: In der LifeTime App<br />

haben sie ihre medizinischen Dokumente immer<br />

auf dem Smartphone dabei und zu jeder<br />

Zeit das Profil ihrer Ärzte inklusive Kontaktinformationen<br />

im Blick. Die Patienten entscheiden,<br />

wann sie welche Dokumente mit wem teilen<br />

wollen. Zusätzlich können sie sich mit der<br />

LifeTime App an die Einnahme von Medikamenten<br />

erinnern lassen, was die Therapie-Adhärenz<br />

unterstützt.<br />

Datenschutzkonform und schnell<br />

Dokumente übergeben<br />

Ob der Empfänger LifeTime bereits nutzt, muss<br />

beim Versenden nicht beachtet werden. Der<br />

Patient erhält eine SMS-Benachrichtigung darüber,<br />

in welcher Form er das Dokument erhält<br />

- inklusive Anleitung. Wird etwas an einen<br />

Zuweiser versendet, der die LifeTime Software<br />

noch nicht nutzt, erhält dieser das Dokument<br />

auf dem herkömmlichen Wege per Fax. Wenn<br />

ein Dateityp versendet wird, z.B. ein Röntgenbild,<br />

erhält der Zuweiser eine Info via Fax mit<br />

einer kurzen Anleitung, wie das Röntgenbild per<br />

LifeTime datenschutzkonform empfangen werden<br />

kann.<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 93


IT-Entscheiderfabrik<br />

Dr. med. Johannes Jacubeit<br />

Gründer der connectedhealth.eu<br />

GmbH<br />

»Durch digitale und mobile<br />

Technologien in Arztpraxen<br />

und Krankenhäusern<br />

definieren wir den Arztbesuch<br />

neu. Unsere Vision<br />

ist es, ein freundliches,<br />

transparentes und fürsorgliches<br />

medizinisches Umfeld<br />

zu schaffen, in dem der<br />

Zugang und die Nutzung von<br />

medizinischen Daten nahtlos<br />

funktionieren.«<br />

Dr. med. Johannes Jacubeit,<br />

Gründer der connected-health.<br />

eu GmbH<br />

Keyvisual LifeTime: Befundversand digital<br />

Fotos: LifeTime<br />

Sicherer, zertifizierter Versand<br />

Die zu übertragenden Dokumente werden am<br />

Praxiscomputer von der LifeTime Software verschlüsselt<br />

und dann über eine Ende-zu-Endeverschlüsselte<br />

Verbindung gesendet. Dadurch<br />

ist auch während der Übertragung kein Fremdzugriff<br />

möglich. Auf dem Smartphone kann nur<br />

ein identifizierter Patient seine Dokumente<br />

empfangen. Die Identifikation erfolgt dabei<br />

über die Angabe der Mobilfunknummer sowie<br />

der Versichertennummer des Patienten bzw. einer<br />

TAN-Nummer. Auch der Identitätsnachweis<br />

beim Zuweiser erfolgt über eine sogenannte<br />

2-Faktor-Authentifizierung.<br />

Die digitale Befundübergabe mit LifeTime ist<br />

somit gemäß der Europäischen Datenschutz-<br />

Grundverordnung (DSGVO) datenschutzkonform.<br />

Das hat sich das Unternehmen von der<br />

unabhängigen Zertifizierungsstelle ePrivacy<br />

bestätigen lassen.<br />

doc.lifetime.eu<br />

94<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung


Blick über den „Tellerrand“<br />

Richtung USA<br />

Die Entscheider-Reise <strong>2018</strong> – ein Höhepunkt des ENTESCHEIDERFABRIK-Jahres<br />

IT-Entscheiderfabrik<br />

Ein besonderes Highlight im Rahmen der ENT-<br />

SCHEIDERFABRIK ist in jedem Jahr die Entscheider-Reise<br />

in die USA, die auch in diesem<br />

Sommer wieder stattfand.<br />

Beeindruckt nahmen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen<br />

wahr, was die US-Kliniken und<br />

das Health Care System in San Diego mit den<br />

Fördermitteln des "High Tech Act" erreicht<br />

haben und wie durch die Investitionen in<br />

Health IT die digitale Transformation der<br />

Einrichtungen bewältigt wurde.<br />

Besucht wurden San Ysidro Health Center,<br />

SHARP Healthcare, Rady Childrens Hospital<br />

Foundation, UCSD Health System, UCSD Moores<br />

Cancer Center sowie Scripps Mercy Hospital.<br />

Es folgten ein Management Training on digital<br />

Transformation und der AHA Leadership Summit.<br />

Auf der Entscheider-Reise erfuhren die Teilnehmer<br />

u.a., dass die US Health Systems Rady<br />

Childrens Foundation, Scripps Clinics, SHARP<br />

Healthcare und UC SD Health System von ihrer<br />

institutionellen Patientenakte Verbindungsstellen<br />

zu einer Vielzahl von individuellen Gesundheitsakten<br />

realisiert haben. Das stellt einen<br />

Paradigmenwechsel im Datenaustausch<br />

hin zum Patienten dar. Das ist die Digitalisierung<br />

4.0. Nicht nur in den USA, auch auf europäischer<br />

Ebene wird von Health Information<br />

Management (HIM) gesprochen.<br />

Die IT –Informationstechnologie – wird damit<br />

aufgrund der Vielzahl an Datenquellen zum IM<br />

zum Informationsmanagement – und in der<br />

Gesundheitsbranche zum Health Information<br />

Management (HIM). Wir befinden uns mitten in<br />

der Transformation vom analogen ins digitale<br />

Zeitalter. Das bedeutet, Krankenhäuser brauchen<br />

IHE-konforme Archiv-und Interoperabilitäts-Plattformen,<br />

um mit den Patienten kommunizieren<br />

zu können.<br />

Die ENTSCHEIDERFABRIK besuchte mit den US<br />

amerikanischen Freunden als ihren Gästen in<br />

Deutschland wiederum das Universitätsklinikum<br />

Heidelberg, das Humboldt-Klinikum<br />

der Vivantes-Kliniken, das Unfallkrankenhaus<br />

Berlin der BG-Kliniken, die Uniklinik der RWTH<br />

Aachen und das Lukas Krankenhaus Neuss.<br />

Die Entscheider-Reise <strong>2018</strong> – ein Höhepunkt des ENTSCHEIDERFABRIK-Jahres<br />

Foto: ENTSCHEIDEREFABRIK<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 95


IT-Entscheiderfabrik<br />

„Young-Silver“<br />

unabhängig - erfahren - intern<br />

Von Kollegen für Kollegen<br />

Unter dem Motto „Young-Silver im <strong>VKD</strong>“ hat der <strong>VKD</strong> eine<br />

neue Möglichkeit des Erfahrungsaustauschs geschaffen.<br />

Erfahrene, vor kurzem aus der Berufstätigkeit ausgeschiedene<br />

Kollegen stellen ihr Wissen und Können den aktiven<br />

Kollegen in den Einrichtungen zur Verfügung sowie ein<br />

Coaching für junge Mitglieder.<br />

Wenn Sie dieses Thema anspricht, kontaktieren Sie dazu<br />

gerne:<br />

Gabriele Kirchner<br />

Geschäftsführerin<br />

Tel-Nr.: 030 28885914<br />

96<br />

E-Mail: g.kirchner@vkd-online.de<br />

<strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung<br />

www.vkd-online.de


Impressum<br />

<strong>Praxisberichte</strong><br />

Zu aktuellen Fragen des<br />

Krankenhausmanagements <strong>2018</strong><br />

Projekte Positionen Perspektiven<br />

Titelthemen::<br />

Der alte Patient<br />

Digitalisierung<br />

Herausgeber:<br />

Verband der<br />

Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands e.V.<br />

Geschäftsstelle<br />

Oranienburger Straße 17<br />

D-10178 Berlin<br />

www.vkd-online.de<br />

Redaktion:<br />

Angelika Volk<br />

Redaktionsbüro Wirtschaft<br />

und Wissenschaft<br />

Bad Harzburg<br />

kontakt@angelika-volk.de<br />

Satz / Layout:<br />

brainvibes.com<br />

D-47647 Kerken<br />

contact@brainvibes.com<br />

Druck und Verarbeitung:<br />

Vesterdruck GmbH<br />

D-47167 Duisburg<br />

www.vesterdruck.de<br />

Auflage:<br />

3.000<br />

Schutzgebühr:<br />

14,90 Euro<br />

ISBN 978-3-00-060749-3


115 Jahre<br />

... und kein bisschen leise !<br />

Gründungstag: 5. Juli 1903<br />

Gründungsort: Dresden<br />

Titelthemen:<br />

Der alte Patient<br />

Digitalisierung<br />

ISBN 978-3-00-060749-3

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