Nr. 22 (III-2018) - Osnabrücker Wissen

Nr. 22 (III-2018) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de Nr. 22 (III-2018) - Osnabrücker Wissen

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12.09.2018 Aufrufe

WIRTSCHAFT & TECHNIK Tabakarbeiter in einem Manufakturbetrieb - Gemälde von Johannes Marx aus dem Jahre 1889 Wann gab es die ersten Osnabrücker Gewerkschaften? Gewerkschaften besitzen auch in Osnabrück eine lange Geschichte. Jahrzehnte bevor sie sich, wie heute, in einzelnen Wirtschaftsbereichen organisierten, prägte zuerst der jeweilige Berufsverband den Alltag. Auch in der Hasestadt bestanden unter jungen „wandernden“ Handwerkern sogenannte Gesellenbruderschaften, die sich in selbstverwalteten Herbergen versammelten. Derartige, mit Handwerkstolz geschmiedete Zusammenschlüsse erkämpften sich feste Regelungen über Arbeitsvergütungen, Kündigungsbestimmungen bis hin zu frei gewählten „Altgesellen“. Im Jahre 1801 wurde ein Streik von Osnabrücker Handwerksgesellen – es gab zehn Tote - brutal von hannoverschen Soldaten niedergeschlagen. Die Folgejahre waren auch außerhalb Osnabrücks von einem massiven Abbau der Gesellenrechte gekennzeichnet. Wer organisierte sich zuerst? Als auch im wirtschaftlich rückständigen Königreich Hannover im Zuge der 1848er-Revolution das freie Vereinigungsund Versammlungsrecht verkündet wurde, schossen erste Formen gewerkschaftlicher Interessenvertretung in die Höhe. Besonders eng war der Zusammenhalt unter den Zigarrenarbeitern. Sie stellten um 1848 herum den größten Berufsstand. Die Gesamtzahl bemaß sich auf bis zu 600. Ihr Zusammenschluss nannte sich seit Ende Juli 1848 „Cigarrenmacher-Vereinigung zu Osnabrück“, die schon 1850 rund 110 Mitglieder organisierte. Konkurrenz im eigenen Lager entstand durch die “ Cigarrenarbeiter-Assoziation“. Die Osnabrücker Buchdrucker wollten den Tabakverarbeitern in nichts nachstehen und gründeten den „Gutenbergbund“. Osnabrück vor der industriellen Revolution – Gemälde im Osnabrücker Rathaus Gab es einen Osnabrücker Gründungsvater? Besonders bekannt wurde der Tischlergeselle Johann Heinrich Schucht, der 1849 nach Osnabrück kam und eine Art Dachorganisation aller Arbeitervereinigungen schuf. Der von ihm gegründete Arbeiterbildungsverein (ABV) besaß Grundzüge einer Gewerkschaft. Zugleich kam auch so etwas wie ein Partei-Charakter zum Tragen. Insbesondere Zigarrenarbeiter, Buchdrucker und Handwerksgesellen aller Gewerke schlossen sich dem ABV an, der überregional der „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung“ beitrat. Das erste Statut des Vereins benannte die „Vertretung von Arbeiterinteressen“ als zentrales Ziel. Vor allem sollten auch „Arbeiterinteressen in öffentlichen Versammlungen“ besprochen werden. Wer musste vertreten werden? Zigarrenarbeiter gab es um 1850 etwa 500 bis 600, was angesichts einer Einwohnerzahl von rund 12.000 beachtlich war. Rund 200 waren als Knappen auf dem Piesberg mit dem Kohleabbau befasst. Die Textilfabrik Wilhelm von Gülichs zählte rund 150 Beschäftigte. Carl Goslings diverse Produktionsstätten für Seife, Branntwein, Ziegel oder Mineralwasser etwa 100. In Quirlls Papiermühle dürften – ebenso wie in der Papiermühle Siegfried Gruners – jeweils gut 100 Arbeiter ihren Lohn bekommen haben. Hinzu kamen die wachsenden Belegschaftszahlen der Weymannschen Eisengießerei und rund 450 Handwerksgesellen. Bilder © privat, Buchcover © Geest-Verlag Welche Rolle spielten Handwerker? Die ersten Industriearbeiter, deren Zahl sich im wirtschaftlich rückständigen Osnabrück ohnehin erst allmählich steigerte, waren aufgrund ihrer schweren Arbeit und Arbeitszeiten von bis zu 12 Stunden kaum für gewerkschaftliche Arbeit zu gewinnen. Bei Handwerkern war dies anders: Hier herrschte gemeinhin ein gewisser „Handwerkerstolz“, was gepflegte Rituale bis hin zum Liedgut ausdrückten. Eine besonders wichtige Funktion besaßen „Vorleser“: Wenn in einer Stube sechs für sieben arbeiteten, wurde der siebte Kollege dazu abgestellt, den Arbeitsprozess durch Lesen interessanter Schriften erträglicher zu machen. Sobald zur Lektüre auch demokratische und sozialistische Schriften gehörten, entstanden hier die Grundlagen der Arbeiterbildung. Was hemmte die gewerkschaftliche Betätigung? Die Obrigkeit, aber auch zahllose Unternehmer wachten mit Argusaugen über die Aktivitäten der spärlich entlohnten Beschäftigten. Seit den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden Arbeiterorganisationen systematisch zerschlagen. Eine unrühmliche Rolle spielte dabei auch Johann Carl Bertram Stüve. Der Osnabrücker Bürgermeister und preußische Innenminister zeigte sich immer wieder als vehementer Gegner von Demokraten und Arbeitervereinen. Erst in den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es zarte Versuche, Gewerksgenossenschaften zu gründen. Nach der Reichsgründung von 1871 setzte Kanzler Otto von Bismarck aber das „Sozialistengesetz“ durch, wonach sozialdemokratische wie gewerkschaftliche Betätigung von 1878 bis 1890 bei Strafe verboten war. | Heiko Schulze WISSEN KOMPAKT OSNABRÜCKER GEWERKSCHAFTS- PIONIER ALS ROMANFIGUR Die Frühgeschichte der Osnabrücker Gewerkschaften steht im Mittelpunkt von Heiko Schulzes Roman „Mit Feder und Hobel. Johann Heinrich Schucht und die Osnabrücker Arbeiterverbrüderung 1849 – 1851“. Das Buch ist 2009 im Geest- Verlag erschienen, weiterhin lieferbar und kostet 12,50 EUR. VERSTÄRKE UNSERE KREATIV-CREW! Mit unseren Kunden brechen wir immer wieder zu spannenden Marketing- & Content-Expeditionen auf. Unsere Magazinleser schicken wir auf lehrreiche und unterhaltsame Entdeckungsreisen. Für bevorstehende neue Abenteuer & Ziele erweitern wir jetzt unsere (Redaktions-)Crew und suchen zu sofort: TRAINEE (M/W) MEDIENGESTALTUNG Während der mind. 6 bis 12 Monate in unserem Team lernst Du vor allem, wie (Print-)Magazine und andere coole Drucksachen professionell erstellt werden. Auch für Onlineprojekte wirst Du tätig. idealerweise hast Du bereits grafische Vorerfahrungen und Basiswissen. Spätere Übernahme in Teiloder Vollzeitanstellung ggf. möglich. (FREIE) REDAKTEURE für wissenswerte Storys sowohl in Print- als auch Onlinewelten. Gerne auch als Jahrespraktikum von unserem Basiscamp in Westerkappeln aus (inkl. Social-Media-Aktivitäten). VIDEO-PRODUCER Hast Du Lust, mit uns ein neues Geschäftsfeld zu erschließen und als Pioneer der ersten Stunde mit dabei zu sein? Du verfügst bereits über erste Erfahrungen im Filmen, Schneiden und Vertonen kleiner Videoclips? Dann geht's los - lass uns bewegende Geschichten produzieren ... Medieagentur KreativKompass ein Unternehmen der sinus Firmengruppe Gartenkamp 19 • 49492 Westerkappeln « Eintrittskarte des Arbeiterbildungsvereins Osnabrück 23 E-Mail: kontakt@kreativkompass.de Telefon: 0 54 04 / 95 750 20

WIRTSCHAFT & TECHNIK<br />

Tabakarbeiter in einem Manufakturbetrieb - Gemälde von<br />

Johannes Marx aus dem Jahre 1889<br />

Wann gab es die ersten<br />

<strong>Osnabrücker</strong> Gewerkschaften?<br />

Gewerkschaften besitzen auch in Osnabrück eine lange Geschichte. Jahrzehnte bevor sie sich,<br />

wie heute, in einzelnen Wirtschaftsbereichen organisierten, prägte zuerst der jeweilige Berufsverband<br />

den Alltag.<br />

Auch in der Hasestadt bestanden unter<br />

jungen „wandernden“ Handwerkern sogenannte<br />

Gesellenbruderschaften, die sich in<br />

selbstverwalteten Herbergen versammelten.<br />

Derartige, mit Handwerkstolz geschmiedete<br />

Zusammenschlüsse erkämpften sich<br />

feste Regelungen über Arbeitsvergütungen,<br />

Kündigungsbestimmungen bis hin zu<br />

frei gewählten „Altgesellen“. Im Jahre 1801<br />

wurde ein Streik von <strong>Osnabrücker</strong> Handwerksgesellen<br />

– es gab zehn Tote - brutal<br />

von hannoverschen Soldaten niedergeschlagen.<br />

Die Folgejahre waren auch außerhalb<br />

Osnabrücks von einem massiven Abbau der<br />

Gesellenrechte gekennzeichnet.<br />

Wer organisierte<br />

sich zuerst?<br />

Als auch im wirtschaftlich rückständigen<br />

Königreich Hannover im Zuge der<br />

1848er-Revolution das freie Vereinigungsund<br />

Versammlungsrecht verkündet wurde,<br />

schossen erste Formen gewerkschaftlicher<br />

Interessenvertretung in die Höhe. Besonders<br />

eng war der Zusammenhalt unter den Zigarrenarbeitern.<br />

Sie stellten um 1848 herum<br />

den größten Berufsstand. Die Gesamtzahl<br />

bemaß sich auf bis zu 600. Ihr Zusammenschluss<br />

nannte sich seit Ende Juli 1848 „Cigarrenmacher-Vereinigung<br />

zu Osnabrück“,<br />

die schon 1850 rund 110 Mitglieder organisierte.<br />

Konkurrenz im eigenen Lager entstand<br />

durch die “ Cigarrenarbeiter-Assoziation“.<br />

Die <strong>Osnabrücker</strong> Buchdrucker wollten<br />

den Tabakverarbeitern in nichts nachstehen<br />

und gründeten den „Gutenbergbund“.<br />

Osnabrück vor der industriellen Revolution – Gemälde im <strong>Osnabrücker</strong> Rathaus<br />

Gab es einen <strong>Osnabrücker</strong><br />

Gründungsvater?<br />

Besonders bekannt wurde der Tischlergeselle<br />

Johann Heinrich Schucht, der 1849 nach<br />

Osnabrück kam und eine Art Dachorganisation<br />

aller Arbeitervereinigungen schuf. Der<br />

von ihm gegründete Arbeiterbildungsverein<br />

(ABV) besaß Grundzüge einer Gewerkschaft.<br />

Zugleich kam auch so etwas wie ein<br />

Partei-Charakter zum Tragen. Insbesondere<br />

Zigarrenarbeiter, Buchdrucker und Handwerksgesellen<br />

aller Gewerke schlossen sich<br />

dem ABV an, der überregional der „Allgemeinen<br />

Deutschen Arbeiterverbrüderung“<br />

beitrat. Das erste Statut des Vereins benannte<br />

die „Vertretung von Arbeiterinteressen“<br />

als zentrales Ziel. Vor allem sollten auch<br />

„Arbeiterinteressen in öffentlichen Versammlungen“<br />

besprochen werden.<br />

Wer musste<br />

vertreten werden?<br />

Zigarrenarbeiter gab es um 1850 etwa 500<br />

bis 600, was angesichts einer Einwohnerzahl<br />

von rund 12.000 beachtlich war. Rund<br />

200 waren als Knappen auf dem Piesberg<br />

mit dem Kohleabbau befasst. Die Textilfabrik<br />

Wilhelm von Gülichs zählte rund 150<br />

Beschäftigte. Carl Goslings diverse Produktionsstätten<br />

für Seife, Branntwein, Ziegel<br />

oder Mineralwasser etwa 100. In Quirlls<br />

Papiermühle dürften – ebenso wie in der<br />

Papiermühle Siegfried Gruners – jeweils gut<br />

100 Arbeiter ihren Lohn bekommen haben.<br />

Hinzu kamen die wachsenden Belegschaftszahlen<br />

der Weymannschen Eisengießerei<br />

und rund 450 Handwerksgesellen.<br />

Bilder © privat, Buchcover © Geest-Verlag<br />

Welche Rolle spielten Handwerker?<br />

Die ersten Industriearbeiter, deren Zahl sich im wirtschaftlich<br />

rückständigen Osnabrück ohnehin erst allmählich steigerte,<br />

waren aufgrund ihrer schweren Arbeit und Arbeitszeiten<br />

von bis zu 12 Stunden kaum für gewerkschaftliche Arbeit zu<br />

gewinnen. Bei Handwerkern war dies anders: Hier herrschte<br />

gemeinhin ein gewisser „Handwerkerstolz“, was gepflegte Rituale<br />

bis hin zum Liedgut ausdrückten. Eine besonders wichtige<br />

Funktion besaßen „Vorleser“: Wenn in einer Stube sechs für<br />

sieben arbeiteten, wurde der siebte Kollege dazu abgestellt, den<br />

Arbeitsprozess durch Lesen interessanter Schriften erträglicher<br />

zu machen. Sobald zur Lektüre auch demokratische und sozialistische<br />

Schriften gehörten, entstanden hier die Grundlagen<br />

der Arbeiterbildung.<br />

Was hemmte die<br />

gewerkschaftliche Betätigung?<br />

Die Obrigkeit, aber auch zahllose Unternehmer wachten mit<br />

Argusaugen über die Aktivitäten der spärlich entlohnten Beschäftigten.<br />

Seit den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden<br />

Arbeiterorganisationen systematisch zerschlagen. Eine unrühmliche<br />

Rolle spielte dabei auch Johann Carl Bertram Stüve.<br />

Der <strong>Osnabrücker</strong> Bürgermeister und preußische Innenminister<br />

zeigte sich immer wieder als vehementer Gegner von Demokraten<br />

und Arbeitervereinen.<br />

Erst in den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es<br />

zarte Versuche, Gewerksgenossenschaften zu gründen. Nach<br />

der Reichsgründung von 1871 setzte Kanzler Otto von Bismarck<br />

aber das „Sozialistengesetz“ durch, wonach sozialdemokratische<br />

wie gewerkschaftliche Betätigung von 1878 bis 1890<br />

bei Strafe verboten war. | Heiko Schulze<br />

WISSEN KOMPAKT<br />

OSNABRÜCKER GEWERKSCHAFTS-<br />

PIONIER ALS ROMANFIGUR<br />

Die Frühgeschichte der <strong>Osnabrücker</strong><br />

Gewerkschaften<br />

steht im Mittelpunkt von<br />

Heiko Schulzes Roman „Mit<br />

Feder und Hobel. Johann<br />

Heinrich Schucht und die<br />

<strong>Osnabrücker</strong> Arbeiterverbrüderung<br />

1849 – 1851“.<br />

Das Buch ist 2009 im Geest-<br />

Verlag erschienen, weiterhin<br />

lieferbar und kostet<br />

12,50 EUR.<br />

VERSTÄRKE UNSERE<br />

KREATIV-CREW!<br />

Mit unseren Kunden brechen wir immer wieder zu<br />

spannenden Marketing- & Content-Expeditionen auf.<br />

Unsere Magazinleser schicken wir auf lehrreiche und<br />

unterhaltsame Entdeckungsreisen.<br />

Für bevorstehende neue Abenteuer & Ziele erweitern<br />

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MEDIENGESTALTUNG<br />

Während der mind. 6 bis 12 Monate in unserem<br />

Team lernst Du vor allem, wie (Print-)Magazine<br />

und andere coole Drucksachen professionell<br />

erstellt werden.<br />

Auch für Onlineprojekte wirst Du tätig. idealerweise<br />

hast Du bereits grafische Vorerfahrungen<br />

und Basiswissen. Spätere Übernahme in Teiloder<br />

Vollzeitanstellung ggf. möglich.<br />

(FREIE) REDAKTEURE<br />

für wissenswerte Storys sowohl in Print- als auch<br />

Onlinewelten. Gerne auch als Jahrespraktikum<br />

von unserem Basiscamp in Westerkappeln aus<br />

(inkl. Social-Media-Aktivitäten).<br />

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Hast Du Lust, mit uns ein neues Geschäftsfeld<br />

zu erschließen und als Pioneer der ersten Stunde<br />

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Erfahrungen im Filmen, Schneiden und Vertonen<br />

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