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Nr. 22 (III-2018) - Osnabrücker Wissen

Nr. 22 (III-2018) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de

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STADT- & LANDGESCHICHTEN<br />

1968: Wie kam der Protest nach Osnabrück?<br />

„Achtundsechzig“: Dieses Jahr ist bis heute mit einer unvergessenen Aufbruchstimmung verbunden,<br />

die vor 50 Jahren junge Menschen in den unterschiedlichsten Staaten eng zusammenschmiedete.<br />

Selbst das provinziell anmutende Osnabrück erwachte anno 1968 aus dem Tiefschlaf.<br />

Projektleiter Reiner Wolf und „<strong>Osnabrücker</strong> <strong>Wissen</strong>“-Mitarbeiter Heiko Schulze arbeiteten<br />

gemeinsam mit einer Fülle von Autorinnen und Autoren am Lesebuch „Protest und Aufbruch. 68<br />

in Osnabrück“.<br />

Was machte das<br />

Universelle der Revolte aus?<br />

Es geschah in Washington, an US-Universitäten<br />

wie Berkeley, auf den Straßen<br />

von Paris oder im „Prager Frühling“,<br />

Nach dem Impuls aus 68: häufige Lehrlingstreffen im Haus der Jugend (Aufnahme von 1971)<br />

der den weit über die Landesgrenzen mit<br />

Sympathie getragenen Aufbruch zum<br />

„Sozialismus mit menschlichem Antlitz“<br />

beschwor: Neue Botschaften drangen seinerzeit<br />

bis in die tiefste Provinz: Aufstand<br />

gegen selbstgefällig Regierende, gegen das<br />

wirtschaftliche und politische Establishment,<br />

autoritäre Eltern und Lehrer, für<br />

neue Inhalte in Schulen und Universitäten,<br />

für lange Haare, das Ende sexueller<br />

Verklemmtheit, last but not least das Hören<br />

frisch komponierter Rock-Musik mit<br />

Rhythmen und Texten, welche ältere Bevölkerungsgruppen<br />

zur Weißglut trieben.<br />

Hinzu kamen die Rufe nach einem Ende<br />

des Vietnamkriegs und der Hinterfragung<br />

von hochgerüsteten Militärbündnissen.<br />

Warum „APO“?<br />

Die Abkürzung für „Außerparlamentarische<br />

Opposition“ wurde allein schon<br />

deshalb gewählt, weil es mit Ausnahme<br />

der sehr wenigen FDP-Abgeordneten keine<br />

wirkliche parlamentarische Opposition<br />

gegen die erste, aus Union und SPD seit<br />

1966 gebildete „Große Koalition“ gab. Die<br />

Kontroversen wurden buchstäblich „auf<br />

die Straße“ verlegt.<br />

Lehrlingstreffen © Kurt Löckmann, Archiv Haus der Jugend, Wahlveranstaltung © Privatarchiv Wolfgang Albers, Flugblatt unten links © Reiner Wolf, Privatarchiv<br />

Der Aufbruch von 1968 zeigte sich spätestens in einem politisierten<br />

Bundestagswahlkampf des Folgejahres 1969<br />

Um was ging es<br />

in der Bundesrepublik?<br />

In der Bundesrepublik Deutschland bildeten<br />

die Große Koalition, eine aufkommende<br />

NPD, die Notstandsgesetze, die<br />

fast eingestellte Aufarbeitung der NS-Zeit<br />

und überkommene Rituale einer verspießerten<br />

Gesellschaft die wichtigsten Angriffspunkte.<br />

Die Kleidung, die Musik,<br />

aber auch die eigene Lebensgeschichte in<br />

der NS-Zeit waren Gegenstand zahlloser,<br />

zumeist lautstark ausgetragener Familiendispute.<br />

Gab es Schauplätze<br />

in Osnabrück?<br />

Insbesondere an Gymnasien wie dem<br />

Rats, dem Mädchengymnasium am Wall<br />

oder im neu benannten Graf-Stauffenberg-Gymnasium<br />

brodelte es. Pennäler<br />

begehrten gegen eine verknöchert erscheinende<br />

Lehrerschaft, gegen ihre Erziehungsmethoden<br />

und Lerninhalte auf.<br />

Redaktionen von Schülerzeitungen wie<br />

der „Rostra“ schreckten nicht vor dem erhobenen<br />

Zeigefinger ihrer Schulleitungen<br />

zurück. Ein Unabhängiger Sozialistischer<br />

Schülerbund und ein Republikanischer<br />

Club machten von sich reden. Innerhalb<br />

christlicher Gemeinschaften wie der Evangelischen<br />

Studentengemeinde wurde die<br />

Autorität der Amtskirchen in Frage gestellt.<br />

APO ohne Uni?<br />

Zugleich gab es im Schloss-Gebäude eine<br />

Pädagogische Hochschule. Dort wurden<br />

immerhin einige hundert zukünftige<br />

Lehrer ausgebildet. Eine rege studentische<br />

Vertretung besaß auch die spätere Fachhochschule<br />

als Ausbildungsstätte für Ingenieure.<br />

Mit dem Sozialdemokratischen<br />

Hochschulbund und den beiden Allgemeinen<br />

Studentenausschüssen bestanden feste<br />

Anker einer heimischen APO. Dadurch<br />

war auch für die Beteiligung an bundesweiten<br />

Aktionen gesorgt.<br />

War 68 nur „politisch“?<br />

Als politisch begriff sich restlos alles, obwohl<br />

dies nicht immer im engeren Sinne<br />

zutraf. Rock und „Beat-Musik“ schufen<br />

sich feste Foren. Das Haus der Jugend wurde<br />

zum Szene-Treffpunkt. Als progressiv<br />

empfanden es nicht wenige, Hasch oder<br />

LSD zu konsumieren. Kneipen wie das<br />

„Deutsche Haus“ begannen damit, sich zu<br />

„Szene“-Treffpunkten zu entwickeln.<br />

Wo wurde demonstriert?<br />

Demonstrationen gehörten vor 1968 keineswegs<br />

zur Tagesordnung. Sie galten<br />

vielerorts als schiere Provokation. Unzufriedenheit<br />

und Ungehorsam wurden im<br />

„Wirtschaftswunder-Deutschland“ nicht<br />

gern gesehen. Trotzdem liefen plötzlich<br />

auch in Osnabrück salopp gekleidete junge<br />

Menschen mit selbst bemalten Transparenten<br />

durch die Innenstadt und verteilten<br />

eng beschriebene, in Eigenregie auf Matrizen<br />

produzierte Flugblätter.<br />

Vom Vietnamkrieg über die Notstandsgesetze,<br />

bis zu örtlichen Fahrpreiserhöhungen,<br />

vom Pressemonopol der Neuen OZ bis<br />

zum Anti-NPD-Protest, vom Ja zum „Prager<br />

Frühling“ bis zum Fackelzug nach dem<br />

Attentat auf Rudi Dutschke: Es gab kaum<br />

ein bundesweites APO-Thema, das nicht<br />

auch in Osnabrück aufgegriffen wurde.<br />

| Heiko Schulze<br />

WISSEN KOMPAKT<br />

AUSSTELLUNGEN ZU<br />

„ACHTUNDSECHZIG<br />

Neben der Hauptausstellung<br />

im Stadtgalerie-Café<br />

(12.8.<br />

bis 7.10.) gibt es Nebenausstellungen<br />

im Haus der Jugend<br />

sowie in der Galerie<br />

„Stichpunkt“. Ergänzt<br />

wird alles mit<br />

Begleitveranstaltungen<br />

und entsprechenden<br />

Detailinformationen.<br />

Protest &<br />

Aufbruch<br />

68<br />

in<br />

Osnabrück<br />

Ausstellung und<br />

Veranstaltungsreihe<br />

12. 8. bis 7. 10. <strong>2018</strong><br />

StadtGalerieCafé/Haus der Jugend<br />

Ausstellung:<br />

Protest & Aufbruch – „68“ in Osnabrück<br />

12<br />

13<br />

1. 9. bis 18. 10. <strong>2018</strong><br />

Galerie Stichpunkt<br />

Ausstellung:<br />

Ein T-Shirt namens – „Che“ Facetten einer Ikone<br />

21. 10. bis 25. 11. <strong>2018</strong><br />

Ausstellung:<br />

Bluejeans – die Revoluzzerhose der 68er?<br />

Eintritt frei<br />

Die Ausste lung wird gefördert durch:<br />

altung: joseph design + medien, Foto: Kurt Löckmann

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