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Sachwert Magazin 4-2018

DIRK MÜLLER: Machtbeben, Wie man die weltweiten Zusammenhänge in Wirtschaft und Politik erkennt ALTERSVERSORGUNG: 5 Mythen SOCIAL INVESTMENT: Geld mit gutem Gewissen RISIKO PROFILING: Welches Risiko passt zu mir?

DIRK MÜLLER: Machtbeben, Wie man die weltweiten Zusammenhänge in Wirtschaft und Politik erkennt
ALTERSVERSORGUNG: 5 Mythen
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Wissen<br />

gnetresonanztomografen sind Forscher<br />

in der Lage, Gehirnströme zu messen. Sie<br />

beobachten, welche Gehirnareale aktiviert<br />

werden.<br />

Bei einem Experiment 6 forderten Forscher<br />

Probanden auf, über sich selbst, über andere<br />

und über sich selbst in der Zukunft<br />

nachzudenken. Das erstaunliche Ergebnis:<br />

Im Gehirn läuft beim Nachdenken<br />

über uns selbst in der Gegenwart etwas<br />

anderes ab als beim Nachdenken über uns<br />

selbst in der Zukunft. Denken wir über unsere<br />

Zukunft nach, gleicht das eher dem<br />

Nachdenken über Fremde. Es fällt uns offensichtlich<br />

nicht leicht, uns mit unserem<br />

Selbst in der Zukunft zu identifizieren. Wir<br />

sind unserem Zukünftigen Selbst fremd.<br />

FAZIT: Für die Zukunft zu sparen, kostet<br />

Überwindung.<br />

2.6 Verzerrte Wahrnehmung<br />

Das Bild vom Menschen als rationalem<br />

Nutzenmaximierer (Homo oeconomicus)<br />

ist überholt. Auch die Finanzwissenschaft<br />

hat erkannt, dass psychologische Faktoren<br />

von großer Bedeutung sind. Ein eigener<br />

Zweig, genannt »Behavioral Finance«,<br />

beschäftigt sich mit dem Verhalten bei<br />

Finanzentscheidungen. Es gibt eine große<br />

Zahl an Denkfallen, die ich hier nur kurz<br />

anreißen kann:<br />

• Wir überschätzen den Wert der Dinge,<br />

die wir besitzen (Besitzstandseffekt).<br />

• Wir überschätzen die Bedeutung von Ereignissen,<br />

die gerade passiert sind im Vergleich<br />

zu früheren Ereignissen. Wir halten<br />

Dinge eher für wahr, wenn wir sie wiederholt<br />

hören. (Verfügbarkeits-Heuristik)<br />

• Wir überschätzen seltene Ereignisse<br />

(Terror, Crash) und unterschätzen schleichende<br />

Prozesse (mangelnde Bewegung,<br />

Inflation).<br />

• Wir lassen uns von der Art der Darstellung<br />

einer Sache beeinflussen (Ankereffekt,<br />

Framing).<br />

In Bezug auf Risiko bedeutet das: Unser<br />

Risikoempfinden ist stark davon geprägt,<br />

wie wir Risiko wahrnehmen. Das hält oftmals<br />

einer objektiven Überprüfung nicht<br />

stand. Wir tun gut daran, unserer eigenen<br />

Wahrnehmung zu misstrauen und ihr<br />

nicht unreflektiert zu folgen.<br />

FAZIT: Handeln Sie überlegt und betrachten<br />

Sie Ihr Risiko aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven.<br />

Wie wir gesehen haben, ist es gar nicht<br />

leicht, finanzielle Risiken richtig einzuschätzen.<br />

Eine professionelle Sicht auf Risiko<br />

ist daher nie einseitig.<br />

3 Professionelles Risikoprofiling<br />

Erst durch die Betrachtung aus verschiedenen<br />

Perspektiven ergibt sich ein Gesamtbild.<br />

Wie ein Profiler im Krimi aus<br />

einzelnen Puzzlesteinchen ein Bild zusammensetzt,<br />

so besteht auch professionelles<br />

Risikoprofiling aus mehreren Schritten.<br />

Es beantwortet die Frage: Welches Risiko<br />

passt zum Anleger?<br />

3.1 Das Risikoprofil<br />

Im Leben ist es hilfreich, ein und dieselbe<br />

Sache aus verschiedenen Perspektiven zu<br />

betrachten. Das Risikoprofil setzt sich aus<br />

vier Perspektiven zusammen. Zwei finanzielle,<br />

rechenbare Größen und zwei psychologische<br />

Faktoren.<br />

Anlageziel<br />

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass<br />

die wenigsten Anleger konkrete Finanzziele<br />

besitzen. Meist haben sie Sehnsucht<br />

nach Sicherheit, Freiheit, Unabhängigkeit<br />

oder Reichtum. Sie wünschen sich, unangreifbar<br />

zu sein, Wohlstand und weniger<br />

Stress. Es ist elementar wichtig, am Anfang<br />

jeder Anlageüberlegung ein klares<br />

Ziel zu formulieren. Nur so haben sie Orientierung<br />

und Maßstab für ihre Entscheidungen.<br />

Es lohnt sich, Zeit und Energie<br />

zu investieren, ein Ziel zu finden und zu<br />

definieren. Schon der römische Philosoph<br />

Seneca 7 wusste: »Wer den Hafen nicht<br />

kennt, in den er segeln will, für den ist<br />

kein Wind der richtige.«<br />

Erforderliches Risiko<br />

Vermögensformel<br />

Vermögen = Kapital x Rendite x Zeit<br />

Wer ein Anlageziel (Vermögen) erreichen<br />

möchte, hat drei wesentliche Stellschrauben.<br />

Steht fest, wie viel er anlegen kann<br />

(Kapital) und wie lange (Zeit), bleibt nur,<br />

an der Rendite zu drehen. Da Rendite<br />

unweigerlich mit Risiko einhergeht, stellt<br />

sich die Frage: Welches Risiko muss der<br />

Anleger mindestens eingehen, um sein<br />

Ziel erreichen zu können?<br />

Da Rendite eine Funktion des Risikos<br />

ist, müssen Anleger, die eine bestimmte<br />

Rendite benötigen, um ihr Finanzziel zu<br />

erreichen, auch ein äquivalentes Risiko in<br />

Kauf nehmen. Risiko und Renditen sind<br />

unmittelbar miteinander verknüpft. Keine<br />

Rendite ohne Risiko. Umgekehrt gilt das<br />

leider nicht. Es gibt zwar Anlagen mit null<br />

Rendite, aber keineswegs Anlagen mit<br />

null Risiko.<br />

Risikokapazität<br />

Die Risikokapazität ist eine finanzielle Kategorie.<br />

Sie beantwortet die Frage: Wie<br />

viel Risiko kann sich der Anleger leisten,<br />

ohne seine Anlageziele zu gefährden?<br />

Mancher spricht auch von Risikotragfähigkeit.<br />

Sollte Ihr erforderliches Risiko höher<br />

sein als das tragbare, sollten Sie Ihr<br />

Anlageziel überdenken. Gegebenenfalls<br />

können Sie ein Stufenkonzept verfolgen<br />

und zunächst ein Zwischenziel definieren.<br />

Anlagehorizont<br />

Der Horizont ist der Punkt, bis zu dem wir<br />

blicken können. Der Anlagehorizont ist<br />

die Dauer, für die ein Anleger gewillt ist,<br />

eine freie Kapitalsumme in eine Anlage zu<br />

investieren.<br />

Es ist nicht nur notwendig zu wissen, wie<br />

viel Euro Sie anstreben, sondern auch,<br />

bis zu welchem Zeitpunkt. Liegt der Zeitpunkt,<br />

wo Sie das Geld benötigen, noch<br />

in der Ferne, gibt Ihnen dies die notwendige<br />

Ruhe, Marktschwankungen auszusitzen.<br />

Benötigen Sie hingegen kurzfristig<br />

einen bestimmten Geldbetrag, der<br />

Marktschwankungen ausgesetzt ist, gilt<br />

es, Risiko zu reduzieren.<br />

Finanzielle Risikobereitschaft<br />

Die finanzielle Risikobereitschaft ist eine<br />

von vier verschiedenen Arten von Risikobereitschaft.<br />

Sie ist zu unterscheiden<br />

von der:<br />

– physischen Risikobereitschaft (Verletzungsrisiko)<br />

– sozialen Risikobereitschaft (sich zur<br />

Wahl stellen, auf die Bühne gehen)<br />

– ethischen Risikobereitschaft (Eingriff in<br />

die Natur)<br />

Das bedeutet, dass eine hohe Risikobereitschaft<br />

in einem anderen Bereich noch<br />

nichts über die finanzielle Risikobereitschaft<br />

eines Menschen aussagt.<br />

Die finanzielle Risikobereitschaft stellt ein<br />

relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal 8<br />

dar. Geschehen keine gravierenden, prägenden<br />

Ereignisse, bleibt sie über drei bis<br />

fünf Jahre regelmäßig konstant. Sie ist<br />

messbar in einem Persönlichkeitstest.<br />

Risikobereitschaft<br />

Risikobereitschaft ist definiert 9 als das<br />

Ausmaß, in dem eine Person bereit ist,<br />

negative Konsequenzen (Verluste) in Kauf<br />

zu nehmen, um ein angenehmes Ergebnis<br />

(Gewinne) zu erreichen.<br />

Wahrgenommenes Risiko<br />

Wie riskant eine Aktion einer Person erscheint,<br />

hängt sehr von ihrer Wahrnehmung<br />

ab und ist eine Frage der Bewertung.<br />

Wie wir Risiko wahrnehmen, wird<br />

stark beeinflusst von der Perspektive und<br />

unterliegt, wie wir gesehen haben, Verzerrungen.<br />

Wer Denkfehler vermeiden<br />

möchte, dem empfehle ich, eine Nacht<br />

über Entscheidungen zu schlafen oder<br />

bewusst gedanklich einen Schritt zurück-<br />

SACHWERT MAGAZIN 4/<strong>2018</strong> 13

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