SUGGESTIONEN Ausgabe 2018
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
50 Quantum-Mind-Hypothese<br />
Quantum-Mind-Hypothese<br />
751<br />
verraten nicht, wie die Reize, die<br />
sie ausgelöst haben, gestaltet<br />
sind. Erst die Aufnahme der Signale,<br />
ihre räumliche Verteilung, die<br />
Kombination verschiedener Signale<br />
und ihre Einbettung in vorhandene<br />
Strukturen bilden den<br />
neuronalen Code, auf dem sensorische<br />
Wahrnehmungen basieren,<br />
sodass sie irgendwie verstanden,<br />
eingeordnet und benutzt werden<br />
können (Schlüsselbegriff: verkörperte<br />
Intelligenz).<br />
Es bleibt die Frage, wie das subjektive<br />
Verständnis (Qualia) eines<br />
neuronalen Signals genau zustande<br />
kommt und ob quantenphysikalische<br />
Prozesse an der<br />
Funktionsweise des Gehirns beteiligt<br />
sind und wenn ja, wie und<br />
in welchem Ausmaß? Die Verteilung<br />
der Spikes nach Durchlaufen<br />
eines Axons kann Eigenschaften<br />
aufweisen, die nur quantenphysikalisch<br />
erklärbar sind, wenn die<br />
parenchymischen Dimensionen<br />
eines Axons, einer Synapse oder<br />
eines Mikrotubulus für die an der<br />
Depolarisation beteiligten Ionen<br />
genügend klein sind.<br />
Die geschätzten Quanteneffektgrößen<br />
der Ionen, die an der Bildung<br />
und Fortpflanzung der obengenannten<br />
Spikes beteiligt sind,<br />
zeigen, dass mindestens ein Teil<br />
der Informationsverarbeitung in<br />
den Nervenleitungen auf quantenphysikalischen<br />
Prozessen basiert<br />
(Schmid 2016).<br />
Denkprozesse können also teilweise<br />
auf Quanteneffekte zurückgeführt<br />
werden, falls der<br />
Ort eines versteckten Beobachters<br />
anatomisch lokalisiert werden<br />
kann. Die Frage ist nun: wo<br />
steckt der versteckte Beobachter<br />
im menschlichen Organismus?<br />
Quantum-Mind Hypothese zur<br />
Entstehung des Bewusstseins:<br />
Das psychogene In vivo(?)<br />
Doppelspalt-Experiment<br />
Wenn ein Axon einen Impuls<br />
durchgibt, wird er über die Axonterminale<br />
aufgeteilt und weitergeleitet.<br />
Jedes durch das Axon<br />
geleitete Bit präsynaptischer Information<br />
(Nervenimpulse), muss<br />
sich für eine von mehreren, verzweigten<br />
Nervenendigungen des<br />
Axons “entscheiden”, bevor es in<br />
die Synapse austritt und sich wieder<br />
“entscheidet”, durch welche<br />
Synapse und in welchen der vielen<br />
Dendriten des nächsten Neurons<br />
es eintreten wird. Ich frage<br />
mich, nach welchen phänomenologischen<br />
Prinzipien diese Verteilungen<br />
bestimmt werden?<br />
Es ist umstritten, ob das Gehirn<br />
Quantenrechnungen direkt unterstützt.<br />
Damit diese auftreten,<br />
muss ein System von der thermodynamischen<br />
Umgebung zeitweise<br />
isoliert werden, da sonst Wechselwirkungen<br />
mit der Umwelt<br />
Quantensuperpositionen sofort in<br />
klassische Zustände überführen.<br />
Wie könnte das Gehirn dies ermöglichen?<br />
Die Quantum-Mind Hypothese<br />
Folgende Hypothese habe ich zur<br />
Entstehung des Bewusstseins im<br />
menschlichen Organismus postuliert<br />
(Schmid 2015c):<br />
“Der versteckte Beobachter, der<br />
sich […] im Informationsverarbeitungsnetzwerk<br />
des Organismus<br />
verbirgt, initiiert und erhält das<br />
Bewusstsein durch die Regulierung<br />
eines dynamischen Gleichgewichts<br />
zwischen Interferenz […]<br />
und Dekohärenz [...] während der<br />
[…] Übertragung von […] Signalen<br />
aufrecht.”<br />
Die «Quantum-Mind Hypothese»<br />
bietet eine anatomische Grundlage<br />
für<br />
• Interferenz oder Nicht-Interferenz<br />
zu evozieren, d. h. das<br />
wellenartige oder teilchenartige<br />
Verhalten der Signalübertragung<br />
über In vivo Quantendoppelspalt-Phänomenen,<br />
die in dynamisch interaktiven<br />
physikalischen Strukturen («it»)<br />
des Organismus stattfinden;<br />
• die Dekohärenz der Quantenwellenfunktion<br />
Ψ des Gehirns<br />
für ausreichend lange Zeiträume<br />
zu verhindern, d. h. die<br />
Kohärenz für eine ausreichend<br />
lange Zeit aufrechtzuerhalten<br />
und<br />
• ein dynamisches Gleichgewicht<br />
zwischen Interferenz (I)<br />
und Dekohärenz (II) während<br />
Übertragung von dichotomen<br />
(«bit») Signalen zu regulieren.<br />
Laut dieser Hypothese ist der<br />
Zusammenbruch von Quantenüberlagerungszuständen<br />
mit dem<br />
Auftreten eines sich selbst wahrnehmenden<br />
Bewusstseins verbunden.<br />
Ein Signal interferiert entweder<br />
mit sich selbst oder wird<br />
“gezwungen”, sich für den einen<br />
oder den anderen von mehreren<br />
möglichen Signalkanälen zu<br />
“entscheiden”:<br />
• innerhalb des Axons vor der<br />
Verzweigung in die Axon-<br />
Terminals und<br />
• innerhalb der Synapse<br />
zwischen den Axon-Terminals<br />
und den Dendriten des<br />
nächsten Neurons und<br />
• innerhalb des Zellkörpers des<br />
nächsten Neurons<br />
jenseits seiner Dendriten.<br />
Einerseits könnte ein durch das<br />
Axon vermittelter, intraneuronaler<br />
Impuls sich entscheiden, nur<br />
an einer Nervenendung und danach<br />
in der Synapse nur an einem<br />
Dendriten-Terminal des nächsten<br />
Neurons anzukommen; andererseits<br />
könnte der Impuls sich diese<br />
„Entscheidung“ irgendwie über<br />
das ihm vorliegende Nervenendungs-<br />
bzw. Dendriten-Areal verteilen<br />
(ganz zu schweigen von der<br />
interneuralen Konnektivität solcher<br />
Impulse im ganzen Gehirn).<br />
Solch ein Signal manifestiert sich<br />
entweder als “Teilchen” oder als<br />
“Welle”, abhängig davon, ob und<br />
wie ein (versteckter) Beobachter<br />
diesen Prozess begleiten kann.<br />
So lässt sich vermuten, dass der<br />
aus der Hypnotherapie wohlbekannte<br />
versteckte Beobachter<br />
letztendlich an jeder Verzweigung<br />
in den astrozytären Rezeptoren<br />
versteckt ist.<br />
So wie die Synapsen die Neuroplastizität<br />
des Gehirns und somit<br />
das Lernen wesentlich mitbestimmen,<br />
könnten die Nervenendungen<br />
von jedem einzelnen Axon,<br />
die Synapsen zwischen diesen<br />
Nervenendungen und den Dendriten<br />
des nächsten Neurons das<br />
Bewusstsein ermöglichen.<br />
Zusammengefasst lässt sich<br />
meine Quantum-Mind<br />
Hypothese wie folgt formulieren:<br />
“Durch ein quantenphysikalisches<br />
Zusammenspiel von komplexen<br />
dichotomen Entscheidungsprozessen<br />
taucht das Bewusstsein<br />
asymptotisch aus einer rekursiv<br />
konvergierenden Reihe von «versteckten<br />
Beobachtern» innerhalb<br />
der physikalischen Struktur des<br />
Organismus auf, währenddem<br />
dieser gleichzeitig zum bewussten<br />
Erleben erweckt wird.”<br />
Der aus der Hypnotherapie bekannte<br />
versteckte Beobachter<br />
wäre also letztendlich in den gliären<br />
(astrozytären) Rezeptoren versteckt,<br />
wodurch die empirische<br />
Tatsache erklärt werden könnte,<br />
dass die Selbstbeobachtung die<br />
Selbstheilung (und den psychogenen<br />
Tod) beeinflussen kann.<br />
Ausklang<br />
Wie ich gezeigt habe (Schmid<br />
2016), ist nachvollziehbar, dass<br />
ein Teil unseres Denkens sich<br />
auf Quanteneffekte zurückführen<br />
lässt.<br />
Was können wir daraus ableiten?<br />
Könnte es sein, dass eine vorwiegend<br />
quanten-physikalische Verarbeitung<br />
der Botenstoffe kaum<br />
zu erwarten wäre, da wir uns ansonsten<br />
subjektiv vorwiegend in<br />
einer Quantenwelt statt in einer<br />
klassischen Welt erleben würden,<br />
was uns in psychologischen<br />
Widerspruch zu unserem alltäglichen<br />
Erleben führen würde?<br />
Man kann zum Beispiel anhand<br />
der Glia-Entwicklung im Gehirn<br />
des Kleinkinds bis zum Alter von<br />
circa 18 Monaten argumentieren,<br />
dass die Quantenwelt die subjektive<br />
Welt des Kleinkinds ist<br />
(Schmid 2015a).<br />
Das Erlangen von Bewusstsein ist<br />
ein Prozess in der psychophysiologischen<br />
Entwicklung des Kleinkinds<br />
und konkret-operationell<br />
feststellbar.<br />
Im Sinne eines wissenschaftlich-spekulativen<br />
Erklärungsversuchs<br />
nehme ich an, dass die<br />
Quantenphysik die Basis des Bewusstseins<br />
sein muss, also notwendig<br />
für die Entstehung des<br />
Bewusstseins ist. Veränderungen<br />
der anatomischen Verhältnisse<br />
auf mikroskopischer Ebene würden<br />
eine Veränderung der „Dosis<br />
Quantenphysik“ nach sich ziehen<br />
und das Bewusstsein beeinflussen.<br />
Bewusstsein jenseits des<br />
menschlichen Körpers?<br />
Bisher gibt es keine allgemein akzeptierte<br />
Definition von Bewusstsein.<br />
Ist es die Fähigkeit, über sich<br />
selbst nachzudenken und innere<br />
Symbole für die eigene Existenz<br />
zu finden? Es ist genauso wenig<br />
ein Ding, wie die Farbe blau ein<br />
Ding ist.<br />
Es ist ein besonderer, selbstreferentieller<br />
Zustand des Körper-Geists.<br />
Könnte das Bewusstsein die<br />
Begrenzung auf das Gehirn oder<br />
den Körper überschreiten?<br />
Die Hypothese, inwiefern das<br />
im Sinne einer Art Quanten-verschränkung<br />
des Bewusstseins<br />
geschehen könnte, ist gewagt,<br />
doch berechtigt. Noch spekulativer<br />
scheinen die Behauptungen<br />
zur Aufnahmefähigkeit des Wassers<br />
für Informationen, dargestellt<br />
in unterschiedlichen Kristallbildungen,<br />
die suggerieren, Wasser<br />
könne Träger von “Bewusstsein”<br />
sein.<br />
Sicher aber ist “Bewusstsein” ein<br />
viel umfassenderer Begriff als unsere<br />
anthropozentrische Vorstellung<br />
davon.