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SUGGESTIONEN Ausgabe 2018

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18 Mit Gedanken zaubern<br />

Mit Gedanken zaubern 719<br />

Heute schon mit den<br />

Gedanken gezaubert?<br />

Autorin: Annalisa Neumeyer<br />

Wer zaubern kann, hat in der Therapie schon halb gewonnen.<br />

Gerade bei Null-Bock-Jugendlichen und Kindern fallen Zauberkünste auf<br />

fruchtbaren Boden. Und lassen sich hervorragend mit hypnotherapeutischen<br />

Ansätzen verknüpfen.<br />

Zaubern und verzaubert zu<br />

werden bedeutet einzutauchen<br />

in eine andere Welt.<br />

Durch Zaubern wird scheinbar<br />

Unmögliches möglich.<br />

Therapeutisch eingesetzt ist<br />

das Zaubern deshalb ein faszinierendes<br />

Medium, um mit<br />

Kindern, Jugendlichen und<br />

Erwachsenen in Kontakt zu<br />

kommen und in quasi magischer<br />

Atmosphäre Lösungsprozesse<br />

in Gang zu setzen<br />

und psychische Symptome<br />

und Probleme zu behandeln.<br />

„Der Zauberstab ist mir<br />

gegeben. Ich muss ihn nur zu<br />

gebrauchen wissen“, schrieb<br />

schon der Schriftsteller Leo<br />

Tolstoi in sein Tagebuch.<br />

Therapeutisches Zaubern® ist<br />

eine Kombination aus Zaubern<br />

und Hypnotherapie, oder anders<br />

ausgedrückt, eine Kombination<br />

aus dem Zaubern mit Materialien<br />

und dem Zaubern mit Gedanken.<br />

Mit dem Therapeutischen Zaubern<br />

können Kinder und Jugendliche –<br />

die Hauptklientel meiner Praxis<br />

sind sogenannte Null-Bock-Jugendliche<br />

– positiv zum Staunen<br />

gebracht werden. Es entsteht<br />

wieder Hoffnung. Menschen erfahren<br />

konkret, dass sich Dinge<br />

verwandeln lassen und sie erhalten<br />

ihre Würde zurück. Diese Erfahrung<br />

unterbricht ein Muster:<br />

Da passiert etwas, das bisher für<br />

unmöglich gehalten wurde. Aus<br />

einem sogenannten Problemkind<br />

wird meist schon nach der ersten<br />

Therapiestunde ein Zauberkind,<br />

das die Eltern mit seinen neuen<br />

Fertigkeiten begeistert. Manche<br />

Kinder und Jugendlichen erleben<br />

zum ersten Mal, wie stolz ihre Eltern<br />

auf sie sind. Und sie sehen<br />

den besonderen Glanz in den Augen<br />

der Eltern. Therapeutisches<br />

Zaubern lässt positive Metaphern<br />

und Lösungsbilder visuell wahr<br />

werden und macht Imaginationen<br />

und Vorstellungen erlebbar.<br />

Ungewöhnliche Methoden brauchen<br />

ungewöhnliche Einstiege.<br />

Die erste Therapiestunde beginnt<br />

beim Therapeutischen Zaubern<br />

in der Regel mit dem Satz: „Hier<br />

ist alles anders – hier wird gezaubert.“<br />

Und mit einem zentralen<br />

Hinweis an die Patienten oder<br />

Klienten: „Hier gilt das Gesetz der<br />

Ungehorsamkeit. Das heißt, alles,<br />

was für dich nicht stimmt, nimmst<br />

selt. Die Jugendlichen spüren das<br />

Anliegen, dass man bereit ist, für<br />

sie genau den richtigen Weg zu<br />

finden und sie arbeiten mit.<br />

Fallbeispiel<br />

Ein 12-jähriger Junge kam mit<br />

dem Problem des Bettnässens<br />

in die Praxis. Wir begannen mit<br />

dem Sammeln von Ressourcen:<br />

Ich fragte ihn, ob er gleichaltrige<br />

Freunde habe. Die Antwort lautete:<br />

„Ja.“ „Das ist also wie bei<br />

einem 12-Jährigen“, sagte ich.<br />

„Und wie bist du in der Schule?“<br />

„Mittelmaß“, sagte er. Ich erwiderte:<br />

„Das ist also auch wie bei einem<br />

12-Jährigen. Und machst du<br />

vielleicht Sport?“ „Ja, ich bin im<br />

Fußballverein.“ Meine Reaktion:<br />

„Das ist also auch wie bei einem<br />

12-Jährigen.“ Mit weiteren gezielten<br />

Fragen stellten wir fest, dass<br />

viele Dinge genau wie bei einem<br />

12-Jährigen sind – nur die Blase<br />

war die eines Kindes. Wichtig war,<br />

dass der Junge bereits in der ersten<br />

Stunde ein Kartenkunststück<br />

erlernte. Dieses präsentierte er<br />

stolz zu Hause nicht nur der Mutter,<br />

sondern auch der Großmutter,<br />

die nebenan wohnte. Wie sich im<br />

Gespräch herausstellte, hatte die<br />

Großmutter über ihren sehr engen<br />

Kontakt zur Mutter und ihr permanentes<br />

Nachfragen, ob es mit<br />

dem Bettnässen immer noch nicht<br />

besser geworden sei, das Problem<br />

zwar nicht ausgelöst, aber<br />

über längere Zeit verstärkt. Als<br />

der Junge dann ein Zauberkunststück<br />

vorführen konnte, war die<br />

Großmutter begeistert und fragte<br />

ihn fasziniert: „Wie machst du das<br />

nur?“ Der Zauber war in die Familie<br />

gebracht: Die Großmutter hatte<br />

erstmals die Chance, ihren Enkel<br />

jenseits des gängigen Musters<br />

zu erleben. Plötzlich war sie stolz<br />

auf ihn. In den weiteren Stunden<br />

überlegten wir dann gemeinsam,<br />

wie wir aus der „Kinderblase“ die<br />

Blase eines 12-jährigen Jungen<br />

machen können. Die Lösung fand<br />

der Junge fast von alleine: Als wir<br />

erarbeitet hatten, wie viele Stundu<br />

nicht an. Versprichst du mir<br />

das?“ Auch Jugendliche, die ursprünglich<br />

nicht kooperativ sind,<br />

sind über das „Gesetz der Ungehorsamkeit“<br />

(dieser Satz stammt<br />

von Hanne Seemann) meist dazu<br />

zu bewegen, mitzuarbeiten. Anschließend<br />

kann man mit dieser<br />

Suggestion fortfahren: „Wenn wir<br />

genau das Richtige für dich finden,<br />

dann geht die Entwicklung ganz<br />

schnell. Aber wir müssen für dich<br />

das Richtige finden. Das heißt,<br />

du musst mir sagen, wenn etwas<br />

nicht stimmig ist. Versprichst<br />

du mir das?“ Falls keine Antwort<br />

kommt, ist es wichtig, nochmals<br />

nachzufragen: „Versprichst du mir<br />

das?“ Das Nicken und die Antwort<br />

„Ja“ sollte der Therapeut abwarten.<br />

Vom No-Set – dem äußeren<br />

oder „inneren Kopfschütteln“ –<br />

wird damit zum Yes-Set gewechden<br />

er es nachts im Bett aushielt,<br />

ohne einzunässen, meinte er:<br />

„Dann stelle ich mir eben einen<br />

Wecker und stehe rechtzeitig auf.<br />

Danach schlafe ich dann einfach<br />

weiter.“ Beim Therapeutischen<br />

Zaubern wirken ritualisierte Aussagen<br />

zusammen mit dem „Bild“<br />

eines Zauberkunststücks, dem<br />

Handlungsablauf und der magischen<br />

Atmosphäre als positive<br />

Suggestion. Diese können die Autosuggestionen<br />

eines Menschen<br />

ergänzen und verändern. Ins<br />

Yes-Set gelangen Kinder auch,<br />

wenn man ihnen Fragen stellt, wie<br />

„Möchtest du zum Beispiel, dass<br />

du am Abend länger aufbleiben<br />

darfst?“ Auf das „Ja“ hin kann<br />

man gemeinsam überlegen, mit<br />

welchen positiven Veränderungen<br />

und Verhaltensweisen das Kind<br />

die Eltern dazu bringen kann, dies<br />

zu erlauben. Mit der Übung „Das<br />

stärkste Kind der Welt“ (vgl. Neumeyer,<br />

2016, S. 154 ff.) folgt eine<br />

Suggestion, die die Zuversicht<br />

vermittelt, dies auch wirklich zu<br />

schaffen. Wenn Kinder und Eltern<br />

trotz dieser Vorgehensweise das<br />

Gefühl haben, nicht schnell genug<br />

vorwärts zu kommen, hilft man ihnen<br />

mit der Rückfall-Prophylaxe,<br />

die ich immer mit einer Zeichnung<br />

verdeutliche: Wer steil nach oben<br />

steigen möchte, kann auch genauso<br />

steil abstürzen. Besser ist<br />

es sich, spiralförmig und in kleinen<br />

Schritten nach oben zu bewegen.<br />

Fällt man dann, so geht es nur ein<br />

kleines Stückchen wieder bergab.<br />

Man kann es gut damit vergleichen,<br />

wie man schwimmen lernt.<br />

Am Anfang hat man das Gefühl,<br />

das schaffe ich nie. Durch Übung<br />

und die richtige Technik wird es<br />

schließlich zur Selbstverständlichkeit.<br />

Der nächste Schritt:<br />

Die positiven Entwicklungsschritte<br />

zu sammeln, oder wie es im<br />

Therapeutischen Zaubern heißt:<br />

„Die eigenen inneren Diamanten<br />

zu sammeln“. Das ist Zaubern auf<br />

>>

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