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SUGGESTIONEN Ausgabe 2018

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10 Hypnose & Trost<br />

Hypnose & Trost 11<br />

Trost spenden am Lebensende<br />

– Hypnotherapie in der Palliativmedizin<br />

E<br />

ine Palliativsituation stellt<br />

für alle Beteiligten oftmals<br />

eine besondere Herausforderung<br />

dar:<br />

- der Patient, konfrontiert mit<br />

dem Lebensende,<br />

- das Umfeld, welches sich oft<br />

hilflos führt und<br />

Berührungsängste hat,<br />

- das Team, welches den<br />

Patienten bis zum Tode, die<br />

Angehörigen darüber hinaus,<br />

begleitet.<br />

Im Folgenden soll der Fokus auf<br />

die Bedürfnisse des Patienten gelegt<br />

werden. Die Palliativmedizin<br />

verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz<br />

und nutzt für die Definition<br />

des Leides ein vierdimensionales<br />

Verständnismodell („total pain“).<br />

Hierbei stehen die Aspekte des<br />

spirituellen, des physischen, des<br />

psychischen sowie des sozialen<br />

Leidens gleichberechtigt nebeneinander<br />

und sollten optimalerweise<br />

ganzheitlich exploriert und<br />

(hypno)therapeutisch berücksichtigt<br />

werden.<br />

Auf physischer Ebene liegen oftmals<br />

Beschwerden vor, welche<br />

teilweise erhebliche Einschränkungen<br />

nach sich ziehen. Tumorpatienten<br />

in palliativer Situation<br />

zum Beispiel beklagen insbesondere<br />

Fatigue (74 %), Schmerzen<br />

(71 %), Schwäche (60 %), Atemnot<br />

(35 %) und Übelkeit (31 %).<br />

Auch auf Grund dieser körperlichen<br />

Einschränkungen können<br />

viele Palliativpatienten nicht mehr<br />

Autorin: Dr. med. Anne Schag<br />

Hypnose hilft Patienten in der letzten Phase ihres Lebens nicht nur zur Linderung ihrer<br />

Symptome. Menschliche Nähe kann intensiv erfahren werden, die Psyche Stärkung erleben.<br />

Und nicht zuletzt ermöglicht Hypnose quasi durch die Hintertür spirituelle Erfahrungen,<br />

die ein gutes Sterben vorbereiten können.<br />

wie gewohnt am sozialen Leben<br />

teilnehmen.<br />

In Folge kommt es häufig zum<br />

Verlust sozialer Kontakte. Auch<br />

spirituelle Fragen können erneut<br />

an Bedeutung gewinnen, allem<br />

voran die Fragen nach dem Sinn<br />

des eigenen Seins und die existenzielle<br />

Frage „Warum ich?“.<br />

Schlussendlich bestehen häufig<br />

auch psychische Belastungen.<br />

Bei palliativen Patienten finden<br />

sich Anpassungsstörungen bei<br />

bis zu 30 %, Angststörungen bei<br />

ca. 5 %, Minor sowie Major Depressionen<br />

je bei bis zu 25 %.<br />

Leider werden derzeit psychische<br />

Störungen in der Palliativmedizin<br />

noch zu selten erkannt und<br />

konsequent, ggf. auch medikamentös,<br />

behandelt. Dabei steht<br />

im palliativmedizinischem Setting<br />

zumeist nicht die Aufarbeitung<br />

komplexer Lebensthemen im Mittelpunkt,<br />

hierfür verbleibt oftmals<br />

gar nicht genug (Lebens-)Zeit.<br />

Vornehmliche Ziele sind vielmehr<br />

die emotionale Unterstützung bei<br />

der Krankheitsbewältigung, die<br />

Begleitung durch Krisen sowie die<br />

Sterbebegleitung für Patient und<br />

Angehörige.<br />

Der palliative Einzelfall kann sich<br />

dabei sehr komplex darstellen.<br />

Zum Glück erfordert ein komplexer<br />

Fall nicht immer auch eine<br />

komplizierte Lösung. Auch mit<br />

vergleichsweise leicht durchzuführenden<br />

hypnotherapeutischen<br />

Techniken kann es gelingen, eine<br />

Linderung des Leidens auf allen<br />

vier Ebenen zu erreichen. Bereits<br />

eine Wohlfühlort-Hypnose kann<br />

helfen, den Patienten Emotionen<br />

spüren zu lassen, welche er für<br />

sich schon fast verloren geglaubt<br />

hatte. Allen voran steht hier oft<br />

der Wunsch nach Sicherheit und<br />

Geborgenheit. So stärken wir den<br />

Patienten psychisch und in seinen<br />

Beziehungserfahrungen.Nicht<br />

selten fühlen sich Palliativpatienten<br />

hilflos ausgeliefert – dem Personal,<br />

der Chemotherapie, dem<br />

eigenen Körper. In Trance können<br />

Patienten zum Beispiel über ihren<br />

Wohlfühlort oder eine „Wohlfühlperson“,<br />

bei der sie sich früher<br />

sicher gefühlt haben, diese fehlende<br />

Geborgenheit wieder erleben.<br />

Möglich ist auch die Trance-Rückführung<br />

in eine Zeit vor<br />

der Erkrankung des Patienten, als<br />

er noch aktiv den Berg erstiegen<br />

hat oder am Bodensee mit dem<br />

Fahrrad geradelt war. Die Realisation,<br />

dass selbst wenn diesen<br />

Aktivitäten nicht mehr nachgegangen<br />

werden kann, die begleitenden<br />

Emotionen dennoch abrufbar<br />

sind, führt oftmals zu einer Entlastung.<br />

Da viele Symptome durch<br />

körperlichen oder emotionalen<br />

Stress getriggert oder verstärkt<br />

werden, kann alleine schon die<br />

regelmäßige „Wohlfühl-Meditation“<br />

mit mentaler und muskulärer<br />

Entspannung ausreichen, um eine<br />

Linderung zu erreichen.<br />

Dabei gelten die bekannten, oft<br />

hilfreichen Wohlfühlorte auch in<br />

der Palliativmedizin. Zum Beispiel<br />

kann das Meer mit der frischen,<br />

kühlen Seeluft hilfreich sein bei<br />

Übelkeit. In Stellvertreter-Technik<br />

können hier auch gut z.B. Möwen<br />

eingebaut werden: „im Wissen um<br />

ihre eigene Kraft lassen sie sich<br />

voller Vertrauen auf den Horizont<br />

zutragen.“ Hierbei können spirituelle<br />

Erkenntnisse erfahrbar<br />

werden. Eine Patientin berichtete<br />

zum Beispiel, dass sie während<br />

der Trance sehr tröstlich in die<br />

Weite des Meeres hinausgetragen<br />

wurde. Ebenfalls in Stellvertreter-Technik<br />

können Waldspaziergang<br />

und Bäume genutzt werden:<br />

„Sie sind sicher verwurzelt in<br />

der Erde, Sie haben einen festen<br />

Stand, in ihnen gibt es etwas, das<br />

vom Sturm um sie herum unberührt<br />

bleibt, sie können entscheiden,<br />

was sie über ihre Wurzeln<br />

aus der Umgebung aufnehmen<br />

möchten und was zurückbleibt,<br />

SIE entscheiden, was ihnen guttut.“<br />

Auch für eine gezielte<br />

Symptombehandlung eignet sich<br />

die Hypnotherapie. Eine gute Datenlage<br />

gibt es zum Beispiel für<br />

die gezielte hypnotherapeutische<br />

Einflussnahme auf Schmerzen.<br />

Die wesentlichen hypnotischen<br />

Interventionstechniken zur Behandlung<br />

von Schmerzen sind<br />

dabei die Änderung des Schmerzempfindens,<br />

das „Verlassen“ der<br />

Gegenwart, die Dissoziation des<br />

Schmerzes sowie die Arbeit an der<br />

emotionalen Basis von Schmerzen<br />

(aus Bongartz & Bongartz,<br />

Hypnosetherapie, 2. Auflage).<br />

Bei der Änderung des Schmerzempfindens<br />

kann versucht werden,<br />

den Schmerz weiterhin<br />

bestehen zu lassen, aber dahingehend<br />

zu verändern, dass er für<br />

den Patienten erträglicher wird.<br />

So kann zum Beispiel ein als unerträglich<br />

erlebtes neuropathisches<br />

Brennen gegenüber einer<br />

anderen, als weniger belastend<br />

empfundenen Schmerzwahrnehmung<br />

in den Hintergrund treten.<br />

Diese wird dann in einem zweiten<br />

Schritt ebenfalls verändert, zum<br />

Beispiel kann aus dem Brennen<br />

ein Pulsieren und aus dem Pulsieren<br />

ein Kribbeln werden. Auch die<br />

Änderung der Schmerzumgebung<br />

ist möglich, zum Beispiel über die<br />

„Handschuhanästhesie“, in welcher<br />

zunächst eine Hand als unempfindlich<br />

suggeriert wird. Diese<br />

Unempfindlichkeit lässt sich dann<br />

über Berührung auf die schmerzende<br />

Region übertragen.<br />

Hilfreich ist es auch, die eige-<br />

>>

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