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FietsPad.De – Traum Südamerika – <strong>Teil</strong> 2<br />
kommt einem zweiten Kulturschock gleich. Ich bin zwar schon so einiges von Perú und Bolivien<br />
gewohnt - aber das hier übersteigt alles.<br />
Viele Menschen, egal ob schwarz, braun oder weiß, laufen in verwahrloster Kleidung und mit<br />
grimmigem Gesichtsausdruck durch die Straßen. Ganz egal, in welchem Stadtteil, überall sind<br />
Müllsucher unterwegs. Ich ertappe mich dabei, dass mich der Anblick von hellhäutigen<br />
europäisch aussehenden Müllsuchern mehr schockiert, als der von Anderen. Man ist es in<br />
fernen Ländern einfach nicht gewohnt, dass solche Menschen ebenfalls in den unteren<br />
Schichten leben. In Bolivien und Perú bestand bis jetzt immer eine klare Grenze zwischen Arm<br />
und Reich. Die Armen waren die dunkelhäutigen Nachfahren der Indianer und die Reichen<br />
waren in der Regel hellhäutig wie ich. Dadurch konnte ich mir in meinem Inneren eine klare<br />
Grenze zwischen diesen "Untermenschen" und mir bilden, was mir erst jetzt schrecklich<br />
bewusst wird. Warum denkt man so? Warum berührt uns der Tod von 3.000 US-Amerikanern<br />
mehr, als der von 2.000.000 Afrikanern?<br />
Einfahrt nach Caracas - Tor in die Hölle?<br />
Ich lasse mich von José vor zwei Wolkenkratzern im Parque Central absetzen. Dass er mir<br />
1.000 Bolivares Wechselgeld zuviel zurückgibt, zeigt mir eindeutig, dass ich zuviel bezahlt<br />
habe. Von alleine würde das kein Südamerikaner machen! So etwas habe ich zumindest noch<br />
nie erlebt...<br />
In einem der beiden Wolkenkratzer soll es laut meinem kleinen Reiseführer eine<br />
Touristeninformation geben - diese allerdings im 37. Stock. Ich schiebe mein Rad in das<br />
darunter gelegene Einkaufzentrum und will es gerade abschließen, als mich eine Passantin auf<br />
Englisch anspricht: "Do you think it is a good idea to put the bike here? I can asure you, it will<br />
not be here anymore when you come back. People here can steal your socks without touching<br />
your shoes!"<br />
Sie macht sich wirklich Sorgen um mich und versucht mir zu helfen. Hier stehen lassen kann ich<br />
das Fahrrad auf keinen Fall. Über mein Handy ruft sie eine Freundin an und fragt sie nach<br />
einem guten Hostal. Leider ohne Ergebnis, da diese sich gerade in einem Meeting befindet.<br />
Dann fragt sie mich, ob ich vielleicht Deutsch spreche. In diesem Fall könne ich ja zur<br />
Asociación de Humboldt gehen, einer Deutschen Schule, wo man mir sicher gerne weiterhilft.<br />
Sie begleitet mich noch ein Stückchen und zeigt mir den Weg auf der Stadtkarte. Nach einem<br />
langen Anstieg durch das städtische Chaos habe ich die Schule endlich gefunden.<br />
Dummerweise ist gerade Mittagspause und außer einem Venezuelaner in der Rezeption ist<br />
niemand vor Ort. Allerdings kann er mir ein wenige hundert Meter entferntes Hotel empfehlen,<br />
welches auch nicht allzu teuer sei.<br />
Ich wundere mich dann doch etwas, dass das Hotel wie ein Hochsicherheitstrakt ausgebaut ist.<br />
Echt seltsam. Ich stehe vor einer abweisenden Stahltür und drücke auf die Klingel. Und erst,<br />
nachdem eine Frau durch ein vergittertes Fenster einen prüfenden Blick auf mich geworfen hat,<br />
werde ich hereingelassen. Ich darf für 20.000 Bolivares pro Nacht hier übernachten. Das<br />
Zimmer ist extrem sauber und hat ein vernünftiges Bad. Sofort nehme eine kühle Dusche und<br />
wasche mir den klebenden Schweiß von der Haut. Danach rufe ich über Handy den<br />
Deutschlehrer an, von dem mir die nette Señora im Einkaufszentrum die Telefonnummer<br />
gegeben hat. Ich würde gerne mehr über diese Humboldt-Schule und ihre Arbeit wissen.<br />
Außerdem brauche ich einfach mal wieder einen guten Kontakt zu anderen Menschen und<br />
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