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Typographie der Natur - Lahor Jakrlin

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Schriften und ihre Lesbarkeit<br />

Als Präzisionsteile eines höchst empfindlichen Instrumentariums haben sich<br />

die Buchstaben unseres Alphabets durch Jahrhun<strong>der</strong>te langen Gebrauch einan<strong>der</strong><br />

angeglichen und gegeneinan<strong>der</strong> ausgewogen. Sie ermöglichen es heute,<br />

durch bewusstes Zusammensetzen <strong>der</strong> sechsundzwanzig Figuren Millionen von<br />

Wortgebilden lesbar zu glie<strong>der</strong>n.<br />

Eine Studie über die Formgemeinschaft <strong>der</strong>jenigen klassischen Textschriften,<br />

welche heute am meisten gelesen werden, ergab unten stehendes Diagramm.<br />

Es entstand durch das Übereinan<strong>der</strong>schichten von verschoben gerasterten<br />

Buchstabenformen verschiedener Schriftarten.<br />

Legt man die meistgelesenen Schriften <strong>der</strong> Welt – unterschiedlich schraffiert –<br />

übereinan<strong>der</strong>, ergibt sich eine Art Elementarform mit <strong>der</strong> besten Leserlichkeit.<br />

Die engen Punzen <strong>der</strong> ältesten Schrift, <strong>der</strong> Garamond, kommen klar zum<br />

Vorschein: Der horizontale Strich im e hat sich in ständiger Konfrontation zwischen<br />

Ästhetik und Lesbarkeit zur Normallage in die Mitte des Buchstabens<br />

gesenkt. Ein ähnlicher Prozess kann in <strong>der</strong> unteren Schlaufe des a verfolgt werden.<br />

Es geht aus diesem Experiment klar hervor, dass die dunkleren Werte, in<br />

welchen sich alle Figuren überdecken, eine Art Grundskelett <strong>der</strong> heutigen<br />

Schriftwerkzeuge bilden. Diese Silhouetten haben sich als eine Art Elementarform<br />

ins Unterbewusstsein des Lebens eingraviert. Wie an einer Testform lässt<br />

sich daran erkennen, innerhalb welcher Grenzen <strong>der</strong> Elementarformen sich die<br />

Gestaltung zu bewegen vermag, indem die verschiedenen Buchstabenformen<br />

am Ende <strong>der</strong> Satzproben übereinan<strong>der</strong> gedruckt wie<strong>der</strong>gegeben sind.<br />

➔ ➔<br />

Diese Skelettform ist wie ein<br />

Schlüsselloch im Erinnerungsbereich<br />

des Lesers eingraviert. Der<br />

gelesene Buchstabe ist wie ein<br />

Schlüssel, <strong>der</strong> sein Loch sucht<br />

und findet. Wenn die Fantasie des<br />

Schriftenentwerfers von <strong>der</strong> zentralen<br />

Grundform abweicht, kommt es<br />

zu einer Reibung, einer Frustration<br />

o<strong>der</strong> einer Unlesbarkeit.<br />

Die Arbeit des Schriftentwerfers<br />

gleicht <strong>der</strong>jenigen eines Couturiers,<br />

welches den unverän<strong>der</strong>ten nackten<br />

Körper bekleidet.<br />

Adrian Frutiger<br />

Im Herbst 2003, zusammengefasst für die<br />

Berner Museumsnacht 2004 im BOGA<br />

Gesetzt in Frutiger

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