Es müssen nicht immer teuerste Hightech-Gerätschaften sein - Jaxida
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SEGELFLUG<br />
38<br />
<strong>Es</strong> <strong>müssen</strong> <strong>nicht</strong> <strong>immer</strong> <strong>teuerste</strong><br />
<strong>Hightech</strong>-<strong>Gerätschaften</strong> <strong>sein</strong><br />
685 km mit der altehrwürdigen Ka 2b – 318 km mit dem Banjo<br />
Dass es für große Strecken keiner teuren Superorchideen aus dem<br />
sechsstelligen Preissegment bedarf, das haben im Mai zahlreiche<br />
deutsche Segelflieger erneut unter Beweis gestellt. Allen voran: Uli<br />
Schwenk, der schon des öfteren recht eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit<br />
<strong>sein</strong>er alten Ka 2 b demonstriert hat und sich diebisch freut,<br />
wenn er <strong>sein</strong>en Flug ins OLC hochlädt und jeder sieht, was man aus<br />
einer „alten Holzkiste“ alles „rauskitzeln“ kann.<br />
Der 28. Mai 2012 war wieder einmal so ein Tag. Zusammen mit<br />
Opa Peter (81) auf dem Rücksitz hat das „Schwenk-Team“ souverän<br />
„die Alb geschrubbt“. Bereits um 08:03 UTC starteten Vater &<br />
Sohn auf dem Heimatflugplatz Münsingen-Eisberg in südwestlicher<br />
Richtung. Kurz vor Blumberg war der erste Wendepunkt des Tages.<br />
Auf dem zweiten und längsten Schenkel führte der Weg in Gegenrichtung<br />
bis Mündling, nördlich Donauwörth, dem zweiten Wendepunkt<br />
des Tages. Noch dreimal ging es auf der gleichen Achse hin<br />
und her, bis sie auf dem sechsten Schenkel die Heimreise antraten<br />
und geschafft aber zufrieden um 16:49 UTC wieder in Münsingen-<br />
Eisberg gelandet sind. Nach einer Flugzeit von 08:45 Stunden hatten<br />
sie eine Gesamtstrecke von 684,89 km auf dem Tacho, die sie<br />
mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80,5 km/h zurückgelegt<br />
hatten. Respekt Team Schwenk – beachtliche Leistung! Wobei zu<br />
fragen wäre, welches hierbei wohl die größere Leistung war. Ein<br />
Flug von 685 km oder das Durchhaltevermögen und Sitzfleisch von<br />
Opa Peter, der überaus tapfer fast neun Stunden eingepfercht auf<br />
dem rückseitigen Holzbrett ausgehalten hat. Wie auch <strong>immer</strong>, der<br />
Flug ging als Platz 9 in die weltweite Tageswertung ein.<br />
Natürlich war auch anderen Piloten die Chance dieses Tages <strong>nicht</strong><br />
verborgen geblieben. Bereits eine halbe Stunde zuvor war Rainer<br />
Cronjäger von der SG Kronaueramt in Hausen am Albis in der<br />
Schweiz mit einer SF 27 MA unterwegs. Mit 726 km flog er in 09:34<br />
Stunden zwar weiter als das Schwenk-Team aus Münsingen, doch<br />
auf Grund des um 10 Punkte höheren Index (86) gegenüber der<br />
Ka 2b (76), brachte er es mit <strong>sein</strong>em Flug „nur“ auf den 21. Platz.<br />
Davor, dazwischen und dahinter – wen wundert´s – Plastikgerät<br />
in allen Varianten, Spannweiten, Leistungs- und Preisklassen. Erst<br />
auf Platz 125 erscheint mit Stefan Faulhaber vom AC Braunschweig<br />
in einer Ka 6 erneut ein Oldie aus Holz, der mit 471,76 km in die<br />
Wertung eingegangen ist.<br />
Höchst interessant ist in diesem Zusammenhang aber ein Blick auf<br />
die Oldtimer Wertung 2012. Die „hightech-bereinigte Weltrangliste“<br />
spiegelt unverfälscht die Leistungsfähigkeit alter und sehr alter<br />
Banjo von Werner Metzger; Foto: Klaus Burkhard<br />
Uli Schwenk mit <strong>sein</strong>er Ka 2b, Foto: Uli Schwenk<br />
(kostengünstiger) Flugzeuge wider. Insgesamt 1.150 Piloten sind<br />
dort gelistet. Die große Anzahl der Oldtimer-Enthusiasten zeigt,<br />
dass der Anteil betagter Segelflugzeuge auch heute noch eine sehr<br />
große Anhängerschaft hat. Schließlich kann man die Oldies zum<br />
Schleuderpreis von meist weit unter 10.000 € erwerben; mehr Flugspaß<br />
für so wenig Geld kann man wirklich <strong>nicht</strong> haben.<br />
Mit 721 gemeldeten Piloten stellen die deutschen Flieger den<br />
Hauptteil der internationalen Oldie-Gemeinschaft. Kein Wunder,<br />
denn hier ist ein historisch gewachsenes Know-how bei der Holz-<br />
und Kunststoffverarbeitung vorhanden, so dass fällige Reparaturen<br />
und Überholungen kostengünstig in Eigenleistung oder im Verein<br />
durchgeführt werden können.<br />
In der Deutschland-Wertung führte zu Redaktionsschluss Hans-<br />
Jürgen Krause von der FSV Eisenhüttenstadt mit SZD 30 Pirat und<br />
einem souveränen Punktestand von 3.716 Zählern, gefolgt von<br />
René Kernbach von der FSV Reinheim in <strong>sein</strong>er SB 5e mit 2.860<br />
Punkten. Ihm gelang bereits eine Woche zuvor, beim V-Leitwerktreffen<br />
auf dem Stillberghof bei Donauwörth auf der Schwäbischen<br />
Alb, mit einem Bestflug von 549,5 km, <strong>sein</strong>en Listenplatz weiter<br />
nach vorne zu treiben.<br />
An dieser Stelle würde es sicher den Rahmen sprengen, wenn man<br />
auf alle Piloten und deren bemerkenswerte Streckenerfolge mit ihren<br />
betagten Fluggeräten eingehen würde, schließlich kann jeder<br />
der sich dafür interessiert, die Wertungstabellen im OLC selbst einsehen<br />
und sich darüber eine eigene Meinung bilden.<br />
Erwähnenswert erscheint dem Autor allerdings noch eine andere<br />
Flugzeug-Spezies, nämlich die der Ultraleicht 120 kg-Klasse. Auch<br />
diese Fluggeräte sind von einfacher Bauart und kostengünstig zugleich,<br />
wobei man selbst hier auf den Streckenflug <strong>nicht</strong> verzichten<br />
muss. Die Rede ist von Ultraleicht-Segelflugzeugen wie zum Beispiel<br />
dem tschechischen „Banjo“, das man fabrikneu zum Preis von ca.<br />
16.000 € erwerben kann.<br />
Gelistet wird das Banjo in der Club-Klasse mit einem Index von<br />
76, also wie die Ka 2b. Herausragendes Beispiel ist hier Werner<br />
Metzger von der LG Hotzenwald im südlichen Schwarzwald. Mehrfach<br />
hat Metzger mit <strong>sein</strong>em Banjo gezeigt, dass man mit „so einem<br />
leichtgewichtigen Dingsda“ <strong>nicht</strong> an den Platztrichter gefesselt ist,<br />
sondern durchaus und erfolgreich Strecken jenseits der 300-km-<br />
Marke fliegen kann.<br />
LuftSport August/September 2012
Am 28. Mai war auch Metzger mit <strong>sein</strong>em Banjo im Schwarzwald<br />
unterwegs, allerdings erst zweieinhalb Stunden später als Schwenk<br />
auf der Alb. Nach 5:48 Stunden ist er mit 317,9 km im Logger wieder<br />
zuhause gelandet. Glücklich wer so unabhängig ist, dass er sich<br />
an einem Montag dem Arbeitsalltag entziehen und fl iegen gehen<br />
kann. Ein fast identischer Flug, mit einer um lediglich 1,5 km geringeren<br />
Gesamtstrecke, gelang ihm bereits am darauffolgenden<br />
Tag. Weltweit waren am Dienstag 575 OLC-Piloten unterwegs, 380<br />
davon waren in Deutschland gestartet. Als einziger Pilot, der an<br />
diesem Tag mit einem Ultraleicht-Segelfl ugzeug der 120 kg-Klasse<br />
Heinz Scheidhauer<br />
16. August 1912 Harbinghorst/Westfalen -<br />
18. Oktober 2006 Bad Krozaingen<br />
Heinz Scheidhauer und Horten Nurfl ügel-Flugzeuge scheint ein<br />
untrennbares Begriffspaar zu <strong>sein</strong>. Scheidhauers Bekanntheit und<br />
Reputation als Flugzeugführer beruht aber auch auf <strong>sein</strong>em fl iegerischen<br />
Können als Pilot eines der Lastensegler DFS 230 bei dem<br />
spektakulären Überraschungsangriff auf das belgische Fort Eben<br />
Emael am 10. Mai 1940. Für die Segelfl ieger ist Heinz Scheidhauer<br />
der Nurfl ügel-Pilot überhaupt, mit einem unerreichten Gespür für<br />
die Eigenschaften und deren Beherrschung dieser besonders das<br />
Gemüt ansprechenden schönen schwanzlosen Segler. 1938 überlebte<br />
er während des Rhön-Wettbwerbs einen schweren Unfall in einem<br />
der sehr seltenen, heute Superzellen genannten, schweren Gewitter,<br />
als <strong>sein</strong>e Horten H III durch Hagel schwer zerstört wurde und<br />
er in der Wolke aussteigen musste. An den Folgen der Erfrierungen<br />
litt er <strong>sein</strong> ganzes Leben. Aber schon 1939 fl og er wieder auf der<br />
Rhön, <strong>sein</strong>e Fluglehrer-Tätigkeit in Köln-Ostheim unterbrechend.<br />
Während des Krieges erprobte er die meisten der neuen Nurfl ügel,<br />
vor allem die schlanke Horten IV mit 10m und die super-schlanke<br />
H VI mit 24m Spannweite, die 2-mot H VII und den antriebslosen<br />
Versuchsgleiter für die 2-strahlige H IX. Nach dem Krieg folgte er<br />
Dr. Reimar Horten nach Argentinien und blieb bis zum Ende der<br />
Horten‘schen-Entwicklungsprogramme 1960 <strong>sein</strong> wichtigster Testpilot,<br />
für die Segler wie das Delta I.Ae 37. Zu <strong>sein</strong>en Segelfl ug-<br />
Glanztaten gehört die am 30. Oktober 1956 gelungene erstmalige<br />
Überquerung des Andenhauptkamms von Argentinien nach Chile<br />
in einer Horten H XVc I.Ae. 41 „Urubu“, dem auch in Deutschland<br />
in dieser Zeit in Einzelstücken gebauten Doppelsitzer mit nebeneinander<br />
liegenden Sitzen. Nach 1960 lebte Heinz Scheidhauer<br />
vom Agrarfl ug, bis er ab den 70er Jahren zunehmend länger nach<br />
Deutschland zurückkehrte und schließlich ganz hier blieb. Das Segelfl<br />
ugmuseum mit Modellfl ug auf der Wasserkuppe verdankt Heinz<br />
Scheidhauer eine große Spende aus <strong>sein</strong>em Nachlass.<br />
Peter F. Selinger; alle Fotos: Deutsches Segelfl ugmuseum<br />
mit Modellfl ug, Wasserkuppe<br />
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SEGELFLUG<br />
unterwegs war, errang Metzger Platz 76 in der Rangliste. Davor und<br />
dahinter, mit nur wenigen Ausnahmen, schweres, schnelles und vor<br />
allem teures Gerät.<br />
Die Beispiele zeigen, dass es an erster Stelle wohl <strong>nicht</strong> so sehr<br />
auf die Gleitzahl, den Preis oder den Namen des Flugzeugherstellers<br />
ankommt, sondern auf die Leistungsfähigkeit (Pilotenfaktor)<br />
des einzelnen Piloten, gepaart mit gutem Wetter und einem thermisch<br />
guten Fluggebiet. Erst danach dürfte die Leistungsfähigkeit<br />
des Flugzeugs zum ausschlaggebenden Kriterium werden.<br />
Klaus Burkhard<br />
Die geliebte Horten H IV<br />
Heinz Scheidhauer vor<br />
<strong>sein</strong>em Agrarfl ugzeug<br />
Heinz Scheidhauer in der Horten H IV<br />
Passbild von Heinz Scheidhauer<br />
in der deutschen Flugsportlizenz<br />
von 1952<br />
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