CMS Magazin RADAR Nr. 5 August 2018
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Atelier Mondial<br />
Atelier Mondial<br />
DEM SONNENKÖNIG<br />
SEI DANK<br />
UND ES FUNKTIONIERT<br />
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Region tönt<br />
gut – nur hapert es seit Jahren mit der Umsetzung auf sehr<br />
vielen Ebenen. In einem Bereich aber gibt es im Schatten<br />
der Schlagzeilen schon seit Jahren eine sehr erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit: Das Künstleraustauschprogramm Atelier<br />
Mondial, das die Christoph Merian Stiftung (<strong>CMS</strong>) initiiert<br />
hat und managt, wird von starken Partnern in der Region<br />
engagiert mitgetragen und mitfinanziert: von den Kantonen<br />
Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Solothurn sowie<br />
von unseren Nachbarn ennet der Landesgrenze, der Stadt<br />
Freiburg im Breisgau und dem Territoire Alsacien. Warum<br />
diese Zusammenarbeit so wertvoll ist?<br />
Darum: Antworten von den Atelier-Mondial-Partnern.<br />
FREIBURG IM BREISGAU/D<br />
«Grenzüberschreitende bi- oder trinationale kulturelle<br />
Zusammenarbeit im Dreiländereck ist aufgrund struktureller<br />
Unterschiede zwischen der Schweiz, Frankreich<br />
und Deutschland oft wenig nachhaltig. Mit zwei Ausnahmen:<br />
dem von der trinationalen Oberrheinkonferenz<br />
initiierten Museumspass und dem weltweiten Austauschprogramm<br />
Atelier Mondial, dessen Funktionieren und<br />
Qualität alle Partner der professionellen Steuerung durch<br />
die <strong>CMS</strong> verdanken. In keiner anderen deutschen Region<br />
gibt es für Bildende Künstlerinnen und Künstler eine<br />
vergleichbare Chance zu mehrmonatigen Arbeitsaufenthalten<br />
in aller Welt. Zahlreiche Freiburger Künstlerinnen<br />
und Künstler durften sich über Atelier Mondial international<br />
vernetzen, ihre Horizonte erweitern und<br />
verdanken Atelier Mondial nicht selten entscheidende<br />
und nachhaltige Impulse für ihre künstlerische Entwicklung.<br />
Deshalb sind wir glücklich und stolz, Mitträger<br />
von Atelier Mondial zu sein.»<br />
Auslandstipendien für Kunstschaffende gehen zurück bis ins 17. Jahrhundert.<br />
Heute dienen sie freilich nicht mehr dem Glanz der Grande Nation,<br />
sondern sind ein anerkanntes und bewährtes Kulturförderinstrument.<br />
Das der Christoph Merian Stiftung angegliederte Residency-Programm<br />
Atelier Mondial ermöglicht Kunstschaffenden mit seinem umfangreichen<br />
Austauschangebot Networking, individuelle Weiterentwicklung und<br />
Karrieren – und trägt den Kulturstandort Basel ganz nebenbei auch in die<br />
Welt hinaus.<br />
Sie war eines der vielen schillernden Kinder des Sonnenkönigs: die Idee,<br />
jungen, talentierten Kunstschaffenden durch einen Aufenthalt im Ausland<br />
neue Impulse und vielversprechende Kontakte zu ermöglichen. 1666<br />
wurde am Hof von Louis XIV der renommierte Prix de Rome ins Leben<br />
gerufen. Kunstschaffende erhielten die Möglichkeit zu einem Aufenthalt<br />
in Rom; zuerst in Trastevere, ab 1803 dann in der Villa Medici und unter<br />
Aufsicht der Académie des Beaux Arts. In jenen Zeiten ohne Fotografie<br />
und Reproduktionstechniken sollten Kunstschaffende vor allem die damals<br />
schon berühmten Kunst- und Bauwerke in Rom studieren, kopieren<br />
und technisches Know-how und Kontakte in die französische Metropole<br />
transferieren. Um Paris noch mehr glänzen zu lassen.<br />
Der Prix de Rome war das erste erfolgreiche Residency-Modell mit<br />
Langzeitwirkung. Doch als ein beliebtes Tool der Kulturförderpraxis haben<br />
sich Auslandstipendien erst in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts<br />
im Zuge der Globalisierung etabliert. Dann aber gründlich und heftig und<br />
mit anderen Zielen als noch zu Zeiten des französischen Absolutismus.<br />
Seither sind internationale Residency- und Austauschprogramme zu<br />
einem bewährten und anerkannten Förderinstrument im Kulturbereich<br />
geworden. Nicht zuletzt, weil ihr Nutzen auch in entsprechenden Evaluationen<br />
und Wirkungsmessungen nachgewiesen werden kann. Auch wenn<br />
die einzelnen Residency-Programme weltweit unterschiedliche Schwerpunkte<br />
haben, so ist man sich international über die Ziele und Erwartungen<br />
einig, die an einen Aufenthalt im Ausland geknüpft werden: Residencies<br />
bieten Künstlerinnen und Künstlern eine persönliche und individuelle<br />
Weiterentwicklung in ihrem Schaffen und, je nach Biografie und Zeitpunkt,<br />
auch den entscheidenden Karrierekick. Darüber hinaus ermöglichen Residencies<br />
Erfahrungen in einem gänzlich fremden Kulturkreis, eine wertvolle<br />
Auszeit für die Produktion neuer Werke sowie – vor allem, wenn sie wie<br />
Atelier Mondial als Austauschprogramme angelegt sind – gegenseitige<br />
Impulse für bestehende Kunst- und Kulturszenen über die Ozeane hinweg.<br />
Welche Ziele dabei im Vordergrund stehen, hängt davon ab, ob Kunstschaffende<br />
am Anfang ihrer Karriere stehen, ob sie Impulse für eine Neuorientierung<br />
brauchen oder ob sie als bereits Etablierte eine inspirierende<br />
Atempause in ihrer Produktionsroutine nötig haben.<br />
Ob Karrieresprung, interkulturelle Begegnung, kreative Auszeit oder<br />
Wissenstransfer zwischen den Kunstszenen – das Networking stellt immer<br />
das Herzstück eines guten Austauschprogramms dar: Ausländische Gäste<br />
vernetzen sich mit der lokalen Kunstszene. Die lokale Kunstszene wiederum<br />
profitiert von den Anregungen und den internationalen Kontakten der<br />
Gäste. So entstehen künstlerische Projekte, die auch den Kulturstandort<br />
Basel bereichern.<br />
Atelier Mondial bietet jedes Jahr insgesamt sechzehn Stipendien für<br />
regionale Künstlerinnen und Künstler in den vier Disziplinen Bildende<br />
Kunst, Literatur, Mode & Textil sowie Tanz an. Einmal pro Jahr werden<br />
diese sechzehn Stipendiaten – Outgoing Artists – von einer unabhängigen<br />
Jury für einen Auslandaufenthalt in einer der elf Partnerdestinationen<br />
ausgewählt. Der Textildesigner Gwen van den Eijnde und die Künstlerin<br />
Dimitra Charamandas sind zwei von ihnen, die in diesem <strong>RADAR</strong> zu Wort<br />
kommen und auf ihren Auslandaufenthalt in Japan und Griechenland<br />
zurückblicken (vgl. S. 4/5).<br />
Im Gegenzug kommen jedes Jahr rund sechzehn Gastkünstler in die<br />
von Atelier Mondial betriebenen neun Studios (sieben befinden sich auf<br />
dem Dreispitz, eines in Mulhouse, eines in Freiburg) und werden dort<br />
vom Atelier-Mondial-Team betreut. Zu ihnen gehören die japanische<br />
Künstlerin Hanako Murakami und die libanesische Schriftstellerin Iman<br />
Humaydan (vgl. S. 8/9). Die Auswahl dieser Incoming Guest Artists wird<br />
durch die Projektpartner im Ausland gewährleistet, zum Beispiel der<br />
Pro Helvetia (Kairo, Shanghai, Südafrika), TOKAS (Japan), Residency<br />
Unlimited (New York), URRA (Buenos Aires), der Stiftung Kulturdialog<br />
(Jerevan) oder des Museo Textil (Oaxaca).<br />
Ein Stipendium über drei bis sechs Monate ohne weitere Vorgaben<br />
– sind das nicht einfach nur luxuriöse All-inclusive Ferien? Keineswegs.<br />
Residencies sind in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Ferien. Die Kunstschaffenden<br />
erhalten kostbare Zeit für die Recherche und Produktion<br />
neuer Arbeiten ausserhalb ihres gewohnten Kontextes. Und sie wissen<br />
diese Gelegenheit zu nutzen – auch wenn es vielen Künstlern am Anfang<br />
ihrer Residency schwerfällt, mit der plötzlichen Freiheit und dem Ausstieg<br />
aus dem eng getakteten Alltagsleben umzugehen.<br />
Die arrivierte libanesische Schriftstellerin Iman Humaydan hat während<br />
ihres Aufenthalts in Basel einen neuen Roman zu schreiben begonnen,<br />
in dem Basel eine Rolle spielt. Sie hat via Facebook-Posts ihre Erlebnisse<br />
am Kulturstandort Basel an ihre internationale Community kommuniziert.<br />
Hanako Murakami hat dank ihres Aufenthalts in Basel am Musée de<br />
l’Elysée in Lausanne historische Fotografietechniken recherchiert und Kontakte<br />
zur Basler Kunstszene und in die USA geknüpft.<br />
Gwen van den Eijnde, Outgoing Artist aus dem Elsass, hat auf seiner<br />
Studienreise durch Japan Kontakte geknüpft, die seine Berufung als<br />
Dozent an die renommierte Designer-Hochschule Rhode Island School of<br />
Design in den USA ermöglicht haben. Als Nachfolgerin seines Lehrstuhls<br />
in Strasbourg wurde die Künstlerin und Textildesignerin Mirjam Spoolder<br />
ausgewählt, die van den Eijnde an einer Performance bei Atelier Mondial<br />
kennengelernt und der Direktion in Strasbourg vorgeschlagen hatte.<br />
Dimitra Charamandas, die Künstlerin des Partnerkantons Solothurn, hat<br />
sich auf ihrer Reise durch Griechenland auf die Suche nach ihren Wurzeln<br />
gemacht und versucht heute, als Vermittlerin zwischen zwei Kulturen<br />
einen Kunstraum in Athen aufzubauen.<br />
Iman Humaydan, Hanako Murakami, Gwen van den Eijnde und<br />
Dimitra Charamandas sind nur vier Beispiele von Kunstschaffenden, die<br />
durch ihre Atelier-Mondial-Residencies in Basel, Japan und Griechenland<br />
die Weichen für ihre individuelle Weiterentwicklung neu und anders<br />
gestellt haben. Sie haben vom Networking profitiert, letztlich aber auch<br />
vom wertvollen Residency-Faktor Zeit, der es – gerade im Zeitalter von<br />
EasyJet und globalisierten Produktionsbedingungen – erlaubt, vollkommen<br />
in einen anderen Kulturkreis einzutauchen. Ankommen. Entschleunigen.<br />
Erfahrungen weitergeben, nicht nur in Paris wie zu Zeiten des<br />
Sonnenkönigs. Sondern in und nach Basel, Mulhouse, Tokio, Athen, Beirut.<br />
Dr. Alexandra Stäheli<br />
Projektleiterin Atelier Mondial<br />
MULHOUSE/TERRITOIRE ALSACIEN<br />
«Grâce à Atelier Mondial les artistes alsaciens ont la<br />
chance de partir dans des lieux inspirants ou de découvrir<br />
des scènes artistiques décisives pour leur carrière.»<br />
Sandrine Wymann, Directrice Kunsthalle Mulhouse/F, Territoire Alsacien<br />
Das Territoire Alsacien hat das Atelier Mondial <strong>2018</strong> mit CHF 23’000 mitfinanziert<br />
und betreibt ein Atelier in Mulhouse.<br />
KANTON SOLOTHURN<br />
«Atelier Mondial bündelt Kräfte durch Kombination<br />
und Austausch vorhandener räumlicher Strukturen<br />
mit aktiver Förderung – im Miteinander und durch Teilen<br />
entsteht so ein substanzieller Mehrwert.»<br />
Eva Inversini, Leiterin Abteilung Kultur, Kanton Solothurn<br />
Der Kanton Solothurn hat das Atelier Mondial <strong>2018</strong> mit CHF 30’000<br />
mitfinanziert und betreibt ein Atelier in Genua.<br />
Achim Könneke, Direktor des Kulturamts der Stadt Freiburg im Breisgau/D<br />
Freiburg hat das Atelier Mondial <strong>2018</strong> mit CHF 25’000 mitfinanziert und betreibt<br />
ein Atelier Freiburg.<br />
KANTON BASEL-STADT<br />
«In Zeiten der globalen Vernetzung und einer multikulturellen<br />
Gesellschaft trägt der internationale Austausch von Kunstschaffenden<br />
viel zur positiven Entwicklung der Kulturszene<br />
in der Region bei.»<br />
Dr. Katrin Grögel und Sonja Kuhn, Co-Leitung Abteilung Kultur, Kanton Basel-Stadt<br />
Der Kanton Basel-Stadt hat das Atelier Mondial <strong>2018</strong> mit CHF 99’000 mitfinanziert<br />
und betreibt Ateliers in Berlin und Paris.<br />
<strong>CMS</strong><br />
«Drei Kantone, zwei Städte, eine private Stiftung innerhalb dreier Länder stehen<br />
für die Idee von Atelier Mondial. Diese Trägerschaft ermöglicht den Austausch<br />
von rund vierzig Kunstschaffenden pro Jahr aus elf verschiedenen Ländern. Mit<br />
Atelier Mondial kommt die Welt nach Basel – direkt und indirekt. Etwas Besseres<br />
kann unserer Gesellschaft und der Kulturszene nicht passieren – eine einzigartige<br />
Initiative, zu der wir Sorge tragen müssen.»<br />
Nathalie Unternährer, Leiterin Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung<br />
Die <strong>CMS</strong> hat das Atelier Mondial <strong>2018</strong> mit einem Betriebskostenbeitrag in der Höhe von CHF 140’000 mit-<br />
finanziert und stellt sieben Ateliers und einen Ausstellungsraum (Salon Mondial) zur Verfügung. Die<br />
Zaeslin-Bustany-Scholarship, die Stiftung für Kunst & Handwerk und die Stiftung Agapanthus unterstützen<br />
durch zweckgebundene Zuwendungen an die <strong>CMS</strong> Atelier Mondial jährlich mit insgesamt CHF 126’000.<br />
KANTON BASEL-LANDSCHAFT<br />
«Atelier Mondial ist ein erfolgreiches Beispiel für eine sehr<br />
frühe Private-Public-Partnership – und dies stets mit dem<br />
gemeinsamen Ziel, Künstlerinnen und Künstlern intensive<br />
Schaffensphasen ausserhalb ihres gewohnten Netzwerkes<br />
und Arbeitsumfeldes zu ermöglichen.»<br />
Esther Roth, Leiterin kulturelles.bl, Kanton Basel-Landschaft<br />
Der Kanton Basel-Landschaft hat das Atelier Mondial <strong>2018</strong> mit CHF 40’000<br />
mitfinanziert und betreibt ein Atelier in Berlin.<br />
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