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0 40 OSTFRIESISCH<br />

MULL AUS<br />

LEERHAFE<br />

Natürlich herrschte auch auf Wangerooge tiefe Enttäuschung über<br />

das frühzeitige Vorrunden-Aus der deutschen »Rumpelfußballer«<br />

bei der WM in Rußland. Zahlreiche Gäste blieben den<br />

Bildschirmen und Leinwänden fern, die in den Lokalen aufgebaut<br />

wurden. Sie verpassten die starken Leistungen von Weltmeister<br />

Frankreich, Vize Kroatien, Belgien und England.<br />

k<br />

onsequenzen nach dem historischen<br />

Debakel beim DFB zog<br />

nur ein Ostfriese aus Leerhafe:<br />

Dr. Müller-Wohlfahrt. »Ich habe<br />

mich entschlossen, als Arzt der deutschen<br />

Nationalmannschaft zurückzutreten. Darüber<br />

habe ich Oliver Bierhoff und Jogi Löw<br />

heute informiert«, entschied sich Müller-<br />

Wohlfahrt zur gleichen Stunde, als auf Wangerooge<br />

der neue Bürgermeister Marcel<br />

Fangohr vereidigt wurde.<br />

Der in München lebende Ostfriese Betonte:<br />

»Ich hatte 23 fantastische Jahre im<br />

Kreise des DFB mit großartigen Erfolgen<br />

und eindrucksvollen Erlebnissen. Es haben<br />

sich in dieser Zeit wunderbare Freundschaften<br />

entwickelt, die Atmosphäre war immer<br />

geprägt durch großes Vertrauen. Ich werde<br />

der Nationalmannschaft und dem DFB auch<br />

in Zukunft immer eng verbunden bleiben<br />

und wünsche allen viel Erfolg beim Neuanfang.<br />

Wenn mein Rat gewünscht wird,<br />

stehe ich natürlich jederzeit gerne zur Verfügung.«<br />

Größter Erfolg in der Zusammenarbeit<br />

mit Bundestrainer Löw und Teammanager<br />

Bierhoff war der Gewinn des Weltmeistertitels<br />

2014 in Brasilien. Bei seinem ersten<br />

Turnier als DFB-Arzt war Müller-Wohlfahrt<br />

1996 zudem am EM-Titelgewinn in England<br />

unter dem damaligen Bundestrainer Berti<br />

Vogts beteiligt.<br />

BEKANNTESTER OSTFRIESE<br />

NEBEN OTTO<br />

Doktor Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ist<br />

der bekannteste Sportmediziner der Welt.<br />

Die Methoden des gebürtigen Ostfriesen<br />

sind einmalig – sorgen aber auch immer<br />

wieder für Kritik. In Russland behandelte<br />

und betreute er bei der WM natürlich auch<br />

wieder die Kicker der Deutschen Nationalmannschaft,<br />

hatte dafür gesorgt, dass auch<br />

die angeschlagenen Innenverteidiger Hummels<br />

und Boateng wieder fit wurden. Doch<br />

auch der »Wunderdoktor« konnte das Debakel<br />

von Löws zahmen Löwen nicht verhindern.<br />

Dass Müller-Wohlfahrt seit Jahr zehnten<br />

– mit einer kurzen Unterbrechung – beim<br />

Meister Bayern München tätig ist und viele<br />

prominente Sportler aus aller Welt medizinisch<br />

betreut, ist hinreichend bekannt. Dass<br />

er aber ein Ostfriese ist und auch Wangerooge<br />

sehr gut kennt, wissen die meisten Deutschen<br />

nicht. Am 12. August feiert Mull, wie<br />

er genannt wird, bereits seinen 76. Geburtstag.<br />

Natürlich werden sich viele Gratulanten<br />

beim Doktor aus Leerhafe melden. Die<br />

Liste seiner prominenten Patienten ist lang:<br />

Zu Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt kommen<br />

die Größen aus dem Showbusiness und<br />

Sport. Der Doktor hat seine eigene Praxis in<br />

München und ist seit Jahren mit der deutschen<br />

Fußball-Nationalmannschaft unterwegs.<br />

Die meisten Menschen verbinden ihn<br />

aber wohl eher mit den Bayern … »In der Erkennung<br />

von Muskelverletzungen, aber auch<br />

vielen anderen Verletzungen ist er ein Genie«,<br />

wird Bayern-Präsident Uli Hoeneß im<br />

»kicker« zitiert. Ex-Nationalspieler Bastian<br />

Schweinsteiger meint: »Für mich ist er ein<br />

Phänomen.«<br />

Besonders Sprintstar Usain Bolt wird<br />

nicht müde, den Arzt seines Vertrauens zu<br />

loben. »Er ist eine faszinierende Persönlichkeit,<br />

hat ein großes Herz und ist ein wundervoller<br />

Arzt. Er hat so viel für mich getan«,<br />

betont der jamaikanische Sprinter, der sich<br />

seit seinem 18. Lebensjahr von »Mull« behandeln<br />

lässt. Sein Olympia-Gold widmete<br />

er Müller-Wohlfahrt, seine Weltrekordschuhe<br />

schenkte er ihm auch.<br />

ARZT ODER PFARRER<br />

Müller-Wohlfahrt wird am 12. August 1942<br />

während eines Luftangriffs in Leerhafe geboren,<br />

das heute Stadtteil von Wittmund ist.<br />

»Ich bin Ostfriese und stolz drauf«, unterstreicht<br />

der wohl bekannteste Sportmediziner<br />

der Welt. Sein Vater Diedrich ist Pfarrer<br />

und wünscht sich, dass der jüngste seiner<br />

drei Söhne eines Tages seine Gemeinde in<br />

Ostfriesland übernimmt – mit allem, was<br />

dazu gehört. »Es war für mich unbegreiflich,<br />

wie der sich eingesetzt hat«, sagte Müller-Wohlfahrt<br />

dem NDR Sportclub.<br />

Das Nesthäkchen will allerdings lieber<br />

Arzt werden und verfolgt seine Pläne –<br />

auch wenn der Vater diesen Wunsch nach<br />

schlechten Erfahrungen mit den »Göttern<br />

in Weiß« ablehnt und den Sohn während<br />

des Studiums in Kiel und Innsbruck nicht<br />

unterstützt. »Heute verstehe ich ihn, alles<br />

wunderbar. Aber damals war ich enttäuscht<br />

und böse«, blickt er zurück. Noch bevor sich<br />

der Sohn als Arzt beweisen kann, erliegt der<br />

Vater seinem dritten Herzinfarkt.<br />

Die Karriere des Jüngsten nimmt<br />

schnell Fahrt auf. Er absolviert eine Ausbildung<br />

zum Facharzt für Orthopädie am Rudolf-Virchow-Krankenhaus<br />

in Berlin und ist<br />

von 1975 bis 1977 Mannschaftsarzt bei Hertha<br />

BSC, bevor ihn die Bayern abwerben.<br />

»Das war in den erfolgreichen 70er-Jahren,<br />

wer kann da widerstehen?», fragt Müller-<br />

Wohlfahrt und macht sich schnell einen Namen.<br />

Hoeneß, der 1979 Manager beim FCB<br />

wird, braucht für seine ehrgeizigen Pläne<br />

auch eine sehr gute medizinische Abteilung<br />

und vertraut dem »Mull« blind: »Von der<br />

Syndesmose hatte ich vorher nie gehört. Ich<br />

hatte das Gefühl, der Müller-Wohlfahrt hat<br />

die erst erfunden.« Das Besondere an dessen<br />

Untersuchung von Muskulatur und Sehnen<br />

ist, dass er sich mit geschlossenen Augen<br />

auf seine Hände verlässt: »Ich sehe und<br />

höre nichts, und konzentriere mich ganz<br />

auf die Fingerkuppen. Ich vertraue meinen<br />

Händen mehr als dem Kernspin oder dem<br />

Ultraschall.« Der Arzt hat aus der Not eine<br />

Tugend gemacht, schließlich gibt es auf dem<br />

Spielfeld auch keine Geräte, »und trotzdem<br />

muss ich Trainer, Manager und Spieler immer<br />

sofort sagen können, was der Spieler hat<br />

und wie lange es dauert, bis er wieder spielen<br />

kann«.<br />

ÄRGER MIT ROBBEN<br />

Doch in der Branche wird Müller-Wohlfahrts<br />

Arbeit auch kritisch gesehen. Das<br />

liegt zum Einen daran, dass sich seine Diagnosen<br />

mit den medizinischen Geräten nicht<br />

beweisen lassen. »Ich habe Dinge gefunden,<br />

die im Röntgen, Kernspin und Ultraschall

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