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Karrierewege und Rekrutierungsmuster bei Regierungsmitgliedern ...

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spiellos hoch entwickelte Bürokratie dem Parlament, seinen Mitgliedern <strong>und</strong> Parteien den<br />

Weg zur Exekutive versperrt <strong>und</strong> es verstanden, sie [...] fast ausschließlich auf das Gebiet der<br />

Gesetzgebung zu beschränken“ (vgl. Fraenkel 1991: 39; Fenske 1994: 107). Erst in der<br />

Schlussphase des Ersten Weltkrieges änderte sich diese Praxis.<br />

Unter dem Reichskanzler Bismarck wurde dem Parlament nur soviel Gewicht zugestanden,<br />

wie unbedingt nötig: „Denn eben diese politische Nichtigkeit des Parlaments <strong>und</strong> der Partei-<br />

politiker hatte er gewollt <strong>und</strong> absichtsvoll her<strong>bei</strong>geführt“ (Weber 1988: 313). Auch dies trug<br />

zur schleppenden politischen Professionalisierung im Kaiserreich <strong>bei</strong>.<br />

Insgesamt erhöhte sich der Anteil jener Abgeordneter, die Mitglieder von Gewerkschaften,<br />

Korporationen <strong>und</strong> Unternehmerverbänden waren, seit Reichsgründung kontinuierlich. Damit<br />

einher ging der „Funktionswandel parlamentarischer Repräsentation vom Honoratioren- zum<br />

Interessenparlamentarismus“ (Best 1989: 190). In Verbindung dazu stand auch die Beobach-<br />

tung von Max Weber, dass <strong>bei</strong>spielsweise Parteiangestellte <strong>und</strong> Gewerkschaftssekretäre sowie<br />

gerade für die Sozialdemokratie die Redakteure der parteieigenen Zeitungen gleichsam den<br />

Kern einer neuen Schicht von Berufspolitikern bildeten. Deswegen sah er auch die SPD in<br />

diesem Bereich an der Speerspitze einer neuen Entwicklung stehend: „Diesem idyllischen<br />

Zustand der Herrschaft von Honoratiorenkreisen <strong>und</strong> vor allem: der Parlamentarier, stehen<br />

nun die modernsten Formen der Parteiorganisation scharf abweichend gegenüber [...]. Die<br />

Honoratiorenherrschaft <strong>und</strong> die Lenkung durch die Parlamentarier hört auf. ‚Hauptberufliche’<br />

Politiker außerhalb der Parlamente nehmen den Betrieb in die Hand“ (Weber 1988: 532). Das<br />

wirkliche Zentrum der Macht sah Weber <strong>bei</strong> diesen „Parteibeamten“ <strong>und</strong> nicht im Parlament:<br />

„[S]ie <strong>und</strong> nicht die Parlamentsabgeordneten konstituierten für ihn den Typ des neuen Be-<br />

rufspolitikers“ (Herzog 1990: 32).<br />

Ein Instrument, die Demokratisierung des Parlaments zu verhindern <strong>und</strong> damit den Aufstieg<br />

der ersten Massenparteien mit weltanschaulichem Hintergr<strong>und</strong>, sprich SPD <strong>und</strong> Zentrum (vgl.<br />

Lösche 1992,1993: 20ff.,34ff.; Rohe 1992: 73ff.) zu bremsen, war der Versuch, die Professi-<br />

onalisierung des Parlaments durch die bis 1906 andauernde Diätenlosigkeit des Reichstages<br />

zu verzögern. Der Reichstag besaß keine Entscheidungsautonomie in dieser Frage <strong>und</strong> wurde<br />

lange Zeit vom B<strong>und</strong>esrat daran gehindert, Diäten einzuführen.<br />

Letztendlich bleibt festzuhalten, dass Webers Analysen zur Professionalisierung <strong>und</strong> seine<br />

daraus abgeleitete Annahme eines zukünftigen parteizentrierten Karrieremusters vor allem auf<br />

den Beobachtungen der zeitgenössischen Sozialdemokratie beruhten. Beispielhaft dafür war<br />

die Tatsache, dass 1920 von den 113 sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten 87 Be-<br />

rufspolitiker waren (Meyer 1992: 180). Diese Entwicklung war auch dadurch angestoßen<br />

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