Karrierewege und Rekrutierungsmuster bei Regierungsmitgliedern ...

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Auch hier – wie im Modell von Hartmann – wird darauf verwiesen, dass die Privilegien der Professionen auf „Bewertungen und Prioritäten der Gesamtgesellschaft“ (Goode 1972: 159) beruhen: Dadurch entsteht zwischen der Gesellschaft und den Berufsorganisationen der Pro- fessionen eine wechselseitige Beeinflussung und auch Abhängigkeit. In Fragen der sozialen Kontrolle ist davon auszugehen, dass die Professionen zwar im Prinzip ihre günstige Situation ausbeuten können, es aber in der Regel nicht tun, weil dadurch das gesellschaftliche Ansehen gemindert werde und ein solches Verhalten somit kontraproduktiv wäre. Diese Sichtweise ist kritisiert worden, weil die Negativseiten der kapitalistischen Ordnung ausgeblendet worden seien (vgl. Larson 1977, 1990). Aus dieser Kritik entstand dann das Machtmodell der Professionalisierung: „Es geht von einer Ideologiekritik der strukturfunktio- nalistischen Professionssoziologie aus. Professionen sind danach Ergebnis eines erfolgreich durchgeführten „Mittelschicht-Projekts“ der Mitarbeiter von vermarktbarer Expertise. Durch Kontrolle der entsprechenden Märkte ist es ihnen gelungen, Einkommen, Prestige, Autonomie und Selbstverwirklichung in ihrer Tätigkeit zu erreichen“ (Daheim 1992: 23). Betont wird also folglich das ‚eigenständige’ Handeln der besagten Berufsgruppe. Die Fortschritte dieses Models gegenüber der strukturfunktionalistischen Sichtweise lägen „in der Thematisierung der gesellschaftlichen Aspekte der Professionalisierung wie auch in der historischen Perspek- tive“ (Daheim 1992: 24). Mit der Konzeption des „professional project“ (Larson 1977: 40ff; 60ff.) wird eine Verbin- dung zur Geschichte der höheren Bildung hergestellt. Der Gesamtvorgang der Professionali- sierung stellt dabei „eine komplexe Mischung von ideologischen, organisatorischen, erziehe- rischen, politischen und wirtschaftlichen Ressourcen dar, die für die einzelnen Berufe und in verschiedenartig strukturierten Gesellschaften unterschiedliche Formen annimmt“ (Rüsche- meyer 1980: 324). Einhergehend mit dieser Feststellung attestiert Daheim, „dass die Entwick- lung des Machtmodells den ersten Schritt der Generalisierung des angelsächsischen Professi- onsmodells darstellt“ (Daheim 1992: 24). Zusammengefasst hat der Professionsbegriff nach Wilensky folgende Kriterien zu erfüllen: 12 1. Die Tatsache, dass ein bestimmter Tätigkeitskomplex als Hauptberuf die Existenz sichert. 2. Die Berufsausbildung, repräsentiert durch eine spezifische Schule, Disziplin, etc., wobei bei den alten Professionen die Universitätsausbildung der Entstehung der Berufsverbände vorausging, bei den neuen hingegen ist es oft umgekehrt. 12 Wodurch Professionen bestimmt sind, ist in der Forschung umstritten. Im Prinzip jedoch beziehen sich die meisten weitergehenden Definitionen auf die dargelegten Basiskomponenten von Wilensky (1964: 142ff.). 19

3. Berufsverbände, die das Tätigkeitsfeld definieren und abgrenzen gegenüber Nachbarberu- fen und Außenseitern. 4. Maßnahmen zum Schutz und zur Werbung für den Beruf wie staatliche Lizenzen, Konzes- sionen, Titel, etc. 5. Die Formulierung der Berufsethik, die bei alten Professionen häufig die Vollendung der Entwicklung darstellt, während Berufe, die erst Professionen werden wollen, damit oft begin- nen. Die Begrifflichkeit ‚Professionalisierung’ kann dabei insgesamt drei Fragestellungen betref- fen: Erstens – wie oben behandelt – die Frage der vorhandenen oder nicht vorhandenen Pro- fession für ein Berufsfeld; zweitens die gesonderte Frage der Verberuflichung und drittens die Frage der Karrieremuster. Erstaunlicherweise äußert sich die Berufssoziologie nicht direkt zum an sich doch sehr inte- ressanten Feld der Professionalisierung von Politik (vgl. Hohm 1987: 80f.). Einzig Daheim stellt am Rande allgemeiner Bemerkungen fest: „Verberuflichung im eigentlichen Sinne meint den Übergang von nichtberuflichen [...] ehrenamtlichen Formen der Arbeit zu beruf- lich-betrieblichen. Politik als Beruf ist ein Beispiel für eine Veränderung dieser Art, die sich im übrigen auf die gesellschaftliche Ebene bezieht, wo sie sich als Ergebnis des Handelns vieler individueller und kollektiver Akteure sozusagen ‚naturwüchsig’ durchsetzt“ (Daheim 1982: 381). Damit bezieht er sich ganz explizit auf den Begriff der ‚Verberuflichung’. Im politikwissenschaftlichen Kontext haben die berufssoziologischen Kategorien nur sehr begrenzte Anwendung gefunden. Dies kann bei den schwierig zu bestimmenden definitori- schen Abgrenzungen nicht verwundern. In der Literatur wird eigentlich immer von ‚Profes- sionalisierung’ gesprochen und nicht von ‚Verberuflichung’ (vgl. Borchert 2003: 150; Herzog 1975: 183ff., 1993b: 112ff.; Rebenstorf 1991: 226f.). Über die Frage, ob der Begriff der Pro- fessionalisierung für das Berufsfeld Politik die geeignete Kategorie ist, entstehen jedoch kon- troverse Meinungen: Im Folgenden wird man sich im deutschen Forschungskontext vor allem mit den Positionen von Herzog (1975, 1993b) und Wiesendahl (2001) auseinanderzusetzen haben. Wodurch Professionen bestimmt sind, ist auch „nach jahrzehntelanger berufssoziologischer Debatte“ (Wiesendahl 2001: 152) – wie schon festgestellt wurde – nicht eindeutig geklärt. Damit beginnt auch schon die Problematik. Wiesendahl stellt in diesem Zusammenhang fest, dass „Verberuflichung, also die dauerhafte und vollzeitliche Inanspruchnahme und Bezahlung politischer Tätigkeit“ für eine Begriffsbestimmung nicht viel hergebe, weil „sich hierdurch 20

Auch hier – wie im Modell von Hartmann – wird darauf verwiesen, dass die Privilegien der<br />

Professionen auf „Bewertungen <strong>und</strong> Prioritäten der Gesamtgesellschaft“ (Goode 1972: 159)<br />

beruhen: Dadurch entsteht zwischen der Gesellschaft <strong>und</strong> den Berufsorganisationen der Pro-<br />

fessionen eine wechselseitige Beeinflussung <strong>und</strong> auch Abhängigkeit. In Fragen der sozialen<br />

Kontrolle ist davon auszugehen, dass die Professionen zwar im Prinzip ihre günstige Situation<br />

ausbeuten können, es aber in der Regel nicht tun, weil dadurch das gesellschaftliche Ansehen<br />

gemindert werde <strong>und</strong> ein solches Verhalten somit kontraproduktiv wäre.<br />

Diese Sichtweise ist kritisiert worden, weil die Negativseiten der kapitalistischen Ordnung<br />

ausgeblendet worden seien (vgl. Larson 1977, 1990). Aus dieser Kritik entstand dann das<br />

Machtmodell der Professionalisierung: „Es geht von einer Ideologiekritik der strukturfunktio-<br />

nalistischen Professionssoziologie aus. Professionen sind danach Ergebnis eines erfolgreich<br />

durchgeführten „Mittelschicht-Projekts“ der Mitar<strong>bei</strong>ter von vermarktbarer Expertise. Durch<br />

Kontrolle der entsprechenden Märkte ist es ihnen gelungen, Einkommen, Prestige, Autonomie<br />

<strong>und</strong> Selbstverwirklichung in ihrer Tätigkeit zu erreichen“ (Daheim 1992: 23). Betont wird<br />

also folglich das ‚eigenständige’ Handeln der besagten Berufsgruppe. Die Fortschritte dieses<br />

Models gegenüber der strukturfunktionalistischen Sichtweise lägen „in der Thematisierung<br />

der gesellschaftlichen Aspekte der Professionalisierung wie auch in der historischen Perspek-<br />

tive“ (Daheim 1992: 24).<br />

Mit der Konzeption des „professional project“ (Larson 1977: 40ff; 60ff.) wird eine Verbin-<br />

dung zur Geschichte der höheren Bildung hergestellt. Der Gesamtvorgang der Professionali-<br />

sierung stellt da<strong>bei</strong> „eine komplexe Mischung von ideologischen, organisatorischen, erziehe-<br />

rischen, politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Ressourcen dar, die für die einzelnen Berufe <strong>und</strong> in<br />

verschiedenartig strukturierten Gesellschaften unterschiedliche Formen annimmt“ (Rüsche-<br />

meyer 1980: 324). Einhergehend mit dieser Feststellung attestiert Daheim, „dass die Entwick-<br />

lung des Machtmodells den ersten Schritt der Generalisierung des angelsächsischen Professi-<br />

onsmodells darstellt“ (Daheim 1992: 24).<br />

Zusammengefasst hat der Professionsbegriff nach Wilensky folgende Kriterien zu erfüllen: 12<br />

1. Die Tatsache, dass ein bestimmter Tätigkeitskomplex als Hauptberuf die Existenz sichert.<br />

2. Die Berufsausbildung, repräsentiert durch eine spezifische Schule, Disziplin, etc., wo<strong>bei</strong><br />

<strong>bei</strong> den alten Professionen die Universitätsausbildung der Entstehung der Berufsverbände<br />

vorausging, <strong>bei</strong> den neuen hingegen ist es oft umgekehrt.<br />

12 Wodurch Professionen bestimmt sind, ist in der Forschung umstritten. Im Prinzip jedoch beziehen sich die<br />

meisten weitergehenden Definitionen auf die dargelegten Basiskomponenten von Wilensky (1964: 142ff.).<br />

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