Karrierewege und Rekrutierungsmuster bei Regierungsmitgliedern ...
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kannten elitären Bildungsstätten, welche Rekrutierung mit politischer Sozialisation verbinden, vorhanden. Im Gegensatz dazu hat Klaus von Beyme den Versuch gemacht, das Konzept der politischen Klasse aus Sicht der Parteienforschung abzugrenzen: „Der Ausdruck ‚politische Klasse’ muss im Gegensatz zu Mosca und Pareto den Aspekt der Parteiorganisation ins Zentrum stellen“ (Beyme 1993: 25). Beyme sieht das ‚gemeinsame Karriereinteresse’ bei der politischen Klas- se als entscheidendes Kriterium an. In das Zentrum der Betrachtung rückt damit das Interesse der Politiker an der eigenen politischen Karriere und der Beeinflussung der Institutionen des politischen Systems, an dem sich dieses Interesse manifestiert: „Die Politische Klasse [...] ist selbstreferentiell in des Wortes wörtlichster Bedeutung angelegt. Sie ist innerhalb der politi- schen Führungskräfte gleichsam eine Interessengruppe für sich selbst“ (Beyme 1993: 31). Die politische Klasse gewinne diese Autonomie durch Eingriffe zu ihrer Existenzsicherung (Diä- tengesetze, Parteienfinanzierung) und durch den Ausbau der eigenen Machtposition in ande- ren Bereichen der Gesellschaft (Verwaltung, Medien, Wirtschaft). In Beymes Konzept der politischen Klasse spielen die Parteien bei der Durchsetzung der Karriereinteressen die ent- scheidende Rolle: Die gemeinsame Klammer der politischen Klasse sei der Parteienstaat. Damit rücken Fragestellungen bezüglich der Rekrutierung der Politiker, ihrer finanziellen und karrieretechnischen Absicherung in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Beide Ansätze, jener der politischen Klasse und jener der politischen Elite thematisieren nach Beyme faktisch durchaus die gleiche Personengruppe (Beyme 1993: 32). Damit umschließt die politische Klasse auch Akteure, die eben nicht primär an den politischen Entscheidungsprozessen betei- ligt sind; Spitzenpositionen in der kommunalen Verwaltung und der kommunalen Wirtschaft sowie Aufsichtsräte in Rundfunkanstalten (Beyme 1993: 58ff.). Dies versucht Beyme an dem Beispiel der ‚Durchdringung’ der öffentlichen Institutionen durch den „Parteienstaat“ aufzu- zeigen. Für das politische System in Deutschland ist dies naheliegend, weil hier die politische Rekrutierung nahezu ausschließlich über die politischen Parteien verläuft. Beyme differen- ziert die politische Klasse, in dem er die Hinterbänkler mit einbezieht: „Die politische Klasse umfasst auch Hinterbänkler, die an politischen Entscheidungen nur peripher beteiligt sind, wohl aber teilhaben an den Privilegien“ (Beyme 1993: 31). 3 Genau an diesem Punkt schließen die Überlegungen von Jens Borchert und Lutz Golsch an (Borchert/Golsch 1995). Für die vergleichende Forschung habe die Fokussierung auf den Par- teienstaat Nachteile. Politische Systeme wie die USA mit schwachen Parteien würden von 3 Diesen Versuch der Definition von politischer Klasse nimmt er allerdings später wieder zurück (vgl. Beyme 1997: 42). 11
vornherein „aus der Reichweite des Konzepts“ (Golsch 1998: 33) entfernt. Deswegen emp- fehlen die beiden Autoren eine Zentrierung auf die Mitglieder der Parlamente: „Sie entschei- den über Wahlrecht, Finanzierung, Ressourcen oder den organisatorischen Zuschnitt der eige- nen Institution“ (Golsch 1998: 33). Borchert und Golsch gehen davon aus, dass das nationale Parlament für Berufspolitiker das entscheidende Berufsziel ist. Dafür werden folgende Grün- de angeführt: Erstens bedinge dessen zentrale Funktion im politischen System sowohl den Zielpunkt als auch die Ausgangsposition politischer Laufbahnen. Zweitens sei das Parlament der ‚Kristallationspunkt’ der politischen Klasse, weil sich dort die eigenen Interessen der poli- tischen Akteure am besten durchsetzen ließen. Wie auch bei Beyme – aber mit stärkerer Betonung – wird der Anspruch erhoben, die Karrie- rewege von Politikern mit der Frage des Wandels der institutionellen Rahmenbedingungen zu verbinden. Darin liege das besondere Potential des Konzeptes der politischen Klasse. In An- knüpfung an die Bemerkungen Moscas bezüglich des eigenen „Lebensunterhalts“ (Mosca 1950: 53) wird ein Verständnis von politischer Klasse propagiert, das diese als eigenständig agierenden Akteur zur Sicherung der eigenen Interessen sieht (vgl. Borchert 1999a: 10). In einem weiteren Schritt stecken Borchert/Golsch den wissenschaftlichen Gesamtrahmen ab: Die konkurrierenden Forschungsperspektiven eines historisch-institutionellen und eines indi- viduell-longitudinalen Ansatzes sollen miteinander verbunden werden (vgl. Borchert/Golsch 1995: 616ff.; vgl. auch Herzog 1993b: 112). Das Ziel des historisch-institutionellen Ansatzes ist die Analyse des Prozesses, der die Entste- hung des eigenständigen Berufsfeldes ‚Berufspolitiker’ ermöglichte: Historisch gesehen wur- den Amateurpolitiker in der Regel als Honoratioren bezeichnet, welche von ihrem eigenen Vermögen lebten und Politik nicht zum Lebensunterhalt betrieben. Berufspolitiker dagegen streben ein Verbleiben im politischen Betrieb an und sind auf eine Alimentierung durch Diä- ten angewiesen. Die große Stärke dieses Ansatzes liegt in der Beachtung struktureller Verän- derungen, die sich auch im Parlamentsbetrieb bemerkbar machen. Das Ziel des individuell- institutionellen Ansatzes ist die Analyse des Karriereweges des einzelnen Politikers: Jedes politische System gibt einen gewissen institutionellen Rahmen vor, in dem sich die Karriere- möglichkeiten der Politiker bewegen. Es entstehen Karrieremuster, die sich typologisieren lassen (Herzog 1975, 1993b: 118f.). Dieser Ansatz von Herzog tendiert nach Borchert/Golsch zu einer ahistorischen Sichtweise und sehe die Struktur des Parlamentes als weitgehend sta- tisch an. Die historisch-institutionelle Sichtweise wiederum sei durch einen strukturalistischen Determinismus geprägt, in dem sich politischer Wandel ohne Akteure vollziehe (vgl. Bor- chert/Golsch 1995: 617). Diese Schlussfolgerung ist jedoch so originell nicht, denn bereits 12
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kannten elitären Bildungsstätten, welche Rekrutierung mit politischer Sozialisation verbinden,<br />
vorhanden.<br />
Im Gegensatz dazu hat Klaus von Beyme den Versuch gemacht, das Konzept der politischen<br />
Klasse aus Sicht der Parteienforschung abzugrenzen: „Der Ausdruck ‚politische Klasse’ muss<br />
im Gegensatz zu Mosca <strong>und</strong> Pareto den Aspekt der Parteiorganisation ins Zentrum stellen“<br />
(Beyme 1993: 25). Beyme sieht das ‚gemeinsame Karriereinteresse’ <strong>bei</strong> der politischen Klas-<br />
se als entscheidendes Kriterium an. In das Zentrum der Betrachtung rückt damit das Interesse<br />
der Politiker an der eigenen politischen Karriere <strong>und</strong> der Beeinflussung der Institutionen des<br />
politischen Systems, an dem sich dieses Interesse manifestiert: „Die Politische Klasse [...] ist<br />
selbstreferentiell in des Wortes wörtlichster Bedeutung angelegt. Sie ist innerhalb der politi-<br />
schen Führungskräfte gleichsam eine Interessengruppe für sich selbst“ (Beyme 1993: 31). Die<br />
politische Klasse gewinne diese Autonomie durch Eingriffe zu ihrer Existenzsicherung (Diä-<br />
tengesetze, Parteienfinanzierung) <strong>und</strong> durch den Ausbau der eigenen Machtposition in ande-<br />
ren Bereichen der Gesellschaft (Verwaltung, Medien, Wirtschaft). In Beymes Konzept der<br />
politischen Klasse spielen die Parteien <strong>bei</strong> der Durchsetzung der Karriereinteressen die ent-<br />
scheidende Rolle: Die gemeinsame Klammer der politischen Klasse sei der Parteienstaat.<br />
Damit rücken Fragestellungen bezüglich der Rekrutierung der Politiker, ihrer finanziellen <strong>und</strong><br />
karrieretechnischen Absicherung in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Beide Ansätze,<br />
jener der politischen Klasse <strong>und</strong> jener der politischen Elite thematisieren nach Beyme faktisch<br />
durchaus die gleiche Personengruppe (Beyme 1993: 32). Damit umschließt die politische<br />
Klasse auch Akteure, die eben nicht primär an den politischen Entscheidungsprozessen betei-<br />
ligt sind; Spitzenpositionen in der kommunalen Verwaltung <strong>und</strong> der kommunalen Wirtschaft<br />
sowie Aufsichtsräte in R<strong>und</strong>funkanstalten (Beyme 1993: 58ff.). Dies versucht Beyme an dem<br />
Beispiel der ‚Durchdringung’ der öffentlichen Institutionen durch den „Parteienstaat“ aufzu-<br />
zeigen. Für das politische System in Deutschland ist dies naheliegend, weil hier die politische<br />
Rekrutierung nahezu ausschließlich über die politischen Parteien verläuft. Beyme differen-<br />
ziert die politische Klasse, in dem er die Hinterbänkler mit einbezieht: „Die politische Klasse<br />
umfasst auch Hinterbänkler, die an politischen Entscheidungen nur peripher beteiligt sind,<br />
wohl aber teilhaben an den Privilegien“ (Beyme 1993: 31). 3<br />
Genau an diesem Punkt schließen die Überlegungen von Jens Borchert <strong>und</strong> Lutz Golsch an<br />
(Borchert/Golsch 1995). Für die vergleichende Forschung habe die Fokussierung auf den Par-<br />
teienstaat Nachteile. Politische Systeme wie die USA mit schwachen Parteien würden von<br />
3 Diesen Versuch der Definition von politischer Klasse nimmt er allerdings später wieder zurück (vgl. Beyme<br />
1997: 42).<br />
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