02.08.2018 Aufrufe

FREILAUF - Magazin für Fahrradkultur - Ausgabe 2018

Für uns geht mit Freilauf ein langgehegter Wunsch in Erfüllung, ein Fahrrad-Magazin, das zeigt, das Fahrrad mehr ist als nur ein Fortbewegungsmittel. Es verbindet Menschen, es ist Sportgerät und Verkehrsmittel, es gibt uns die Freiheit lange Distanzen zu überwinden ohne Schaden zu verursachen - und wie sagte schon John F. Kennedy: „Nichts ist vergleichbar mit der einfachen Freude, Rad zu fahren.“ Printausgabe zu bestellen unter: https://www.freilauf-magazin.de

Für uns geht mit Freilauf ein langgehegter Wunsch in Erfüllung, ein Fahrrad-Magazin, das zeigt, das Fahrrad mehr ist als nur ein Fortbewegungsmittel.
Es verbindet Menschen, es ist Sportgerät und Verkehrsmittel, es gibt uns die Freiheit lange Distanzen zu überwinden ohne Schaden zu verursachen - und wie sagte schon John F. Kennedy:
„Nichts ist vergleichbar mit der einfachen Freude, Rad zu fahren.“

Printausgabe zu bestellen unter: https://www.freilauf-magazin.de

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Erstausgabe<br />

freilauf<br />

<strong>Magazin</strong> <strong>für</strong> <strong>Fahrradkultur</strong><br />

Preis: 9,80 Euro


Stau auf der Datenautobahn?<br />

PRINT IST RADFAHREN FÜR DIE SEELE


„ICH HABE FERTIG!“<br />

Dieser Satz von Giovanni Trapattoni ist fast jedem in Deutschland<br />

bekannt - nun können wir vermelden: „Wir haben fertig!“<br />

Nach einer fast drei Jahre langen Planung und Produktion, ist die<br />

Erstausgabe von „Freilauf das <strong>Magazin</strong> <strong>für</strong> <strong>Fahrradkultur</strong>“ fertig.<br />

In diesem Zeitraum haben wir unzählige Heftplanungen, Titel und<br />

Inhalte verworfen und geändert. Wärend dieser Zeit sind Mitarbeiter<br />

und Autoren des Verlags wie Tillman Lambert oder Karl Groß,<br />

zuletzt Chefredakteur bei Velototal Businness, zu anderen Verlagen<br />

oder in den Ruhestand gegangen.<br />

Wieder ein neues Fahrradmagazin und das auch noch als Printversion?<br />

Wie verrückt muss man nur sein, so wird wohl<br />

der Eine oder Andere jetzt denken. Für uns geht mit Freilauf<br />

ein langgehegter Wunsch in Erfüllung, ein Fahrrad-<strong>Magazin</strong>,<br />

das zeigt, das Fahrrad mehr ist als nur ein Fortbewegungsmittel.<br />

Es verbindet Menschen, es ist Sportgerät und Verkehrsmittel,<br />

es gibt uns die Freiheit lange Distanzen zu überwinden<br />

ohne Schaden zu verursachen - und wie sagte schon<br />

John F. Kennedy: „Nichts ist vergleichbar<br />

mit der einfachen Freude, Rad zu fahren.“<br />

Und warum Print? Weil nur mit einem gedruckten <strong>Magazin</strong> die<br />

Kunst, die Schönheit der Menschen, Landschaften und Produkte<br />

sowie die Emotionen in einer Art dargestellt werden kann, wie es<br />

<strong>für</strong> die Geschichten und Bilder in diesem <strong>Magazin</strong> sein muss.<br />

Wir haben es also gewagt, ein neues Print-<strong>Magazin</strong> an den Start<br />

zu bringen, denn wir glauben, dass es sich wie beim<br />

„Auf-der-Rolle-Fahren“ anfühlt. Man hält sich fit, es ersetzt<br />

aber nicht das überwältigende Gefühl des Radfahrens in der Natur.<br />

Ein Printmagazin in den Händen zu halten, zu lesen wo und<br />

wann man will, mit jeder Seite eine neue Überraschung erleben,<br />

gemeinsam mit Freunden über den Inhalt diskutieren,<br />

das gibt es eben nur auf Papier.<br />

Nun möchten wir uns noch bei allen bedanken, die geholfen haben,<br />

dieses <strong>Magazin</strong> auf die Beine zu stellen und euch, lieben Lesern,<br />

wünschen wir viel Spaß beim Lesen des <strong>Magazin</strong>s. Wir freuen uns<br />

auf eure Tipps und Kiritk, gerne auch ein Lob,<br />

frei dem Titel des <strong>Magazin</strong>s, lasst dem ganzen Freilauf.<br />

NICHTS<br />

IST VERGLEICHBAR<br />

MIT DER EINFACHEN<br />

FREUDE,<br />

RAD ZU FAHREN.<br />

John F. Kennedy<br />

Titelild: Lisa Espig<br />

Unser Dank gilt den Fotografen, Journalisten und Firmen die uns<br />

bei der Erstellung unterstützt haben. Carlson Reinhardt,<br />

Wolfgang Scherreiks, Mathias Kutt, Karl Groß, Tillman Lambert<br />

Kosuke Masuda, Kai Hompo, Andres Burkert, Kai Stuht, Elli<br />

Pritts, Beth Scupham, Walter Sedriks, Finchick Kyrill, Carnaval.<br />

com Studios, Blake Mc Farland, Andreas Beune und Rainer Sprehe<br />

Covadonga Verlag, MTS-Mountainbike Holidays, Urbancycling.it,<br />

Jens Stahlschmidt, Fa.Humpert, EGO Promotion<br />

JOHANN FINK, HERAUSGEBER<br />

Bild: Alessandra Caretto


INHALT<br />

O8<br />

16<br />

06 EIN BÄR FÜR HUMPERT<br />

Belegschaft schenkt der Familie Humpert<br />

Berliner Bären zum Jubiläum<br />

08 KUNST TRIFFT FAHRRAD<br />

Illustratoren verschiedenster Nationalitäten<br />

erzählen farbenfrohe Geschichten rund<br />

ums Fahrrad<br />

14 ADAM OPEL<br />

Der Gründer der heutigen Adam Opel AG<br />

stellte in seiner Manufaktur als Erster<br />

Fahrräder her<br />

16 RACE PACK<br />

Schicksale und Triumphe einer Gemeinschaft,<br />

die die Liebe zum Radfahren zusammenbrachte<br />

24 ELEGANT GEPACKT<br />

Urbanes Design und zeitlose Eleganz<br />

26 RENNTRIKOTS<br />

Der Stoff aus dem Legenden sind<br />

34 LIMITIERTE AUFLAGE<br />

Handschuh vom Lachs<br />

36 MIT LEICHTIGKEIT<br />

punktet die neueste Errungenschaft<br />

unter den Fahrradsätteln<br />

38 HEISSE REIFEN<br />

Der kalifornische Künstler Blake McFarland<br />

formt Skulpturen aus alten Fahrradreifen<br />

44 SCHMUCKSTÜCKE<br />

Räder von Ascari brillieren mit edelstem<br />

Design, Kupferverzierungen und Rubinen<br />

52 INS RAD GEMEISSELT<br />

Der japanische Mönch und Künstler Kosuke<br />

Masuda verwandelt Fahrräder mit dem<br />

Meißel in einzigartige Kunstobjekte<br />

58 MIT KÖPFCHEN<br />

Eine neue Generation der Fahrradhelme<br />

registriert per Sensor Stürze und holt Hilfe<br />

04


44<br />

90<br />

60 QUER DURCH INDIEN<br />

In faszinierenden Bildern berichtet Fotograf<br />

Kai Stuht, wie vielfältig das wichtigste<br />

Transportmittel des Landes eingesetzt wird<br />

70 FASZINIERENDE FASSADE<br />

Fahrradgeschäft mit Außenwirkung<br />

72 SONDEREDITION<br />

Bremsenset zum Jubiläum<br />

74 GEHEIMTIPP TRENTINO<br />

Fantastische Panoramen und tolle Touren<br />

abseits vom Massentourismus<br />

82 BURNING MAN<br />

Das Fahrrad ist Transportmittel Nr. 1 auf<br />

Amerikas skurrilem Kultfestival<br />

90 MOMENTAUFNAHMEN<br />

Die Faszination Mountainbike Sport in<br />

Bildern festgehalten<br />

100 FUORIPISTA<br />

Training mit Stil<br />

102 FRAU SURAJANI...<br />

Eine Geschichte über die Menschen in<br />

Bangkok und die Rolle, die das Fahrrad<br />

in ihrem Leben spielt<br />

110 BIKES AUS BAMBUS<br />

Soziales Engagement, innovatives Produkt<br />

und nachhaltiges wirtschaftliches Handeln<br />

114 WELTREKORD<br />

Liegerad am Start<br />

122 VORSCHAU / IMPRESSUM<br />

05


EIN BÄR MIT GESCHICHTE<br />

Der Buddy Bär ist ein Geschenk der Belegschaft<br />

an die Familie Humpert zum 100-jährigen Firmenjubiläum.<br />

Der Bär zeigt auf seinem Korpus<br />

die Geschichte der Firma Humpert.<br />

Entworfen und bemalt wurde<br />

er von dem Berliner Künstler Andrej<br />

Wolff. 1978 in St. Petersburg geboren,<br />

und aufgewachsen in einer Künstlerfamilie,<br />

studierte der Künstler zunächst<br />

an der Petersburger Kunsthochschule<br />

<strong>für</strong> Design und Architekturmalerei. Seit<br />

1996 lebt und arbeitet er in Berlin, wo er,<br />

begeistert von der dortigen Kunstszene,<br />

sein Studium der Bildenden Kunst an<br />

der Universität der Künste abschloss.<br />

Bereits während seiner Ausbildung nahm<br />

Andrej Wolff an zahlreichen Gruppenund<br />

Einzelausstellungen in Deutschland<br />

teil. Ab 2005 folgten Atelieraufenthalte<br />

an verschiedenen alternativen Berliner<br />

Kunststandorten sowie ein dreijähriger<br />

Atelieraufenthalt im Kunsthaus Tacheles.<br />

Im Juni 2012 erfolgte ein Umzug auf<br />

das RAW-Gelände in Friedrichshain. Seit<br />

vielen Jahren organisiert der engagierte<br />

Künstler gut besuchten Kunstunterricht<br />

und setzt sich <strong>für</strong> den Erhalt alternativer<br />

Berliner Kunststandorte ein.<br />

07


KUNST TRIFFT FAHRRAD<br />

CLARISSA<br />

CORRADIN<br />

Clarissa Corradin ist eine junge, freischaffende<br />

Künstlerin aus Ivrea, die an der Accademia Albertina,<br />

der staatlichen Kunsthochschule in Turin,<br />

Malerei und Illustration studiert hat.<br />

Die Reihe von Arbeiten, die wir vorstellen, stammt<br />

aus dem Buch „Le Tour de Jean“ der französischen<br />

Schriftstellerin Domitille Hatuel. Diese erzählen<br />

die Geschichte des Protagonisten, Jean, der an der<br />

ersten <strong>Ausgabe</strong> der Tour de France teilnimmt.<br />

„Ein großes Abenteuer beginnt. Jean ist ein junger<br />

Fahrradfan, der auf dem Land lebt. Kurz vor dem<br />

Start der Tour de France bietet man ihm an, an<br />

dieser teilzunehmen. Dies ist der Beginn der „Grande<br />

Boucle“, der großen Schleife, des Rennens, das<br />

später zum Mythos wird, und zugleich zu einem<br />

riesigen Abenteuer <strong>für</strong> Jean. Seine Tour wird von<br />

Begegnungen, Entdeckungen und Freundschaften<br />

geprägt…“<br />

Jeans Abenteuer mit dem Rad und kuriose Situationen,<br />

unterstrichen durch eine besondere<br />

Atmosphäre und prägnante Farben, bringt Clarissa<br />

Corradin mit ihrem außergewöhnlichen Talent zum<br />

Ausdruck.<br />

08


KUNST TRIFFT FAHRRAD


STEVEN<br />

SCOTT<br />

Der Künstler und Illustrator Steven Scott lebt<br />

und arbeitet in London und ist ein Meister beim<br />

Mixen von frischen, modernen, häufig mit Retro-Akzenten<br />

versetzten Bildern. Seine Arbeiten<br />

erinnern an die Atmosphäre der 60er Jahre und<br />

sind aufgrund der Originalität der Charaktere,<br />

der schönen Farben und einer Fülle von äußerst<br />

interessanten Details sehr packend.<br />

Die in diesem Artikel vorgestellte Serie von<br />

Illustrationen stammt aus einer im Jahr 2016<br />

erschienenen <strong>Ausgabe</strong> des britischen <strong>Magazin</strong>s<br />

„Cycling Plus“.<br />

Im Laufe seiner Karriere arbeitete er <strong>für</strong> viele<br />

namhafte Unternehmen, wie zum Beispiel<br />

Nokia, Sony Ericsson, Volvo, Led Zeppelin,<br />

Channel 4 und Wired <strong>Magazin</strong>e.<br />

Steven Scott war schon im Guggenheim Museum<br />

in New York zu Gast und hat am Pictoplasma<br />

Festival in Berlin teilgenommen.<br />

011


KUNST TRIFFT FAHRRAD


SEAN<br />

LONGCROFT<br />

Der Illustrator, Karikaturist und Grafikdesigner,<br />

Sean Longcroft lebt und arbeitet als freier<br />

Künstler in Brighton in Großbritannien, wo er seit<br />

Jahren <strong>für</strong> große Verlage und Unternehmen der<br />

Branche arbeitet.<br />

Er macht Comics <strong>für</strong> Doctor Who, Judge Dredd,<br />

Roy Of the Rovers, McFly und Christina Aguilera;<br />

Zeichentrickfilme <strong>für</strong>: DC Thomson, Egmont,<br />

Rugrats, TES, Total Film und die BBC; Illustrationen<br />

<strong>für</strong>: Oxford University Press, MacMillan,<br />

Pearson, Cambridge University Press und Hodder;<br />

Künstlerische Werbekampagnen <strong>für</strong>: Virgin, IBM<br />

und den British Council.<br />

Seine witzigen und coolen Kunstwerke sind<br />

leuchtend und bunt, er bedient sich einer breiten<br />

Auswahl an Stilrichtungen, <strong>für</strong> jeden Geschmack<br />

und jedes Alter, die bei einem großen Publikum<br />

Anklang finden.<br />

„Cycledelic“ ist der Titel dieser Reihe von farbigen<br />

Illustrationen von Sean Longcroft, die er <strong>für</strong><br />

eine Buchveröffentlichung zum Thema Fahrrad<br />

realisierte. Seine geistreichen und detaillierten<br />

Arbeiten verdienen es, mit Sorgfalt betrachtet zu<br />

werden, damit man auch kleinste Details erkennt.<br />

Text und Bilder: urbancycling.it<br />

013


014


„Bei keiner anderen Erfindung<br />

ist das Nützliche mit dem<br />

Angenehmen so innig verbunden<br />

wie beim Fahrrad.“<br />

Adam Opel<br />

Adam Opel war der Gründer der heutigen „Adam Opel AG“, der in seiner Manufaktur Nähmaschinen<br />

(ab 1862) und Fahrräder (ab 1864) herstellte und damit den Grundstein <strong>für</strong> den<br />

nach seinem Tod von seinen Söhnen geformten Automobilkonzern legte.


RACE PACK<br />

Diese Männer sind über 70 und noch immer auf<br />

ihren Rennmaschinen unterwegs. Sie fahren<br />

nicht mehr gegen die Uhr und doch gegen die<br />

Zeit. Ihre Geschichten handeln von Triumphen,<br />

der Gemeinschaft, menschlichen Katastrophen<br />

und der unbeirrten Rückkehr aufs Rad.<br />

Hier kommt das Race Pack.<br />

Das Bistro „Am kleinen Anger“ in Güterfelde<br />

kam der Berliner Runde gerade recht. Denn<br />

dort gibt es Hausmannskost, und die Preise<br />

sind moderat. Draußen an den Biertischen<br />

wird stets die Tafel <strong>für</strong> sie gedeckt. Unter der<br />

Junihitze verdichtet sich der Eindruck: Hier steht die Zeit.<br />

„Vor ein paar Jahren waren sie plötzlich da“, verrät Regina,<br />

die Wirtin. „Nicht immer kommen alle, aber Bolle ist auch<br />

bei Schnee und Eis da.“ Im Winter, als viel jüngere Radsportler<br />

wieder einmal an Malle, Rolle oder Winterschlaf<br />

dachten, ließ Dieter ‚Bolle‘ Mehlitz trotzig über seine Website<br />

wissen: „Ich gebe jedem einen Kaffee aus, der mit dem<br />

Fahrrad zum ‚Anger‘ kommt.“ Notfalls kam er eben mit dem<br />

Mountainbike. Der 77-Jährige ist die zentrale Figur dieser<br />

Ausfahrergruppe.<br />

Jeden Dienstag und Donnerstag, exakt um 10.00 Uhr,<br />

startet man am Berliner S-Bahnhof Grunewald. Dann<br />

rauscht die mehrheitlich weißhaarige Equipe mit einem<br />

30er Schnitt ganz unaufgeregt über den Asphalt. Bedacht<br />

werden Ansagen und Handzeichen bis zum Schlussmann<br />

durchgereicht. Man grüßt entgegenkommende Radler, lädt<br />

ein, doch mitzufahren, gestikuliert gegenüber Autofahrern:<br />

mal warnend, mal ironisch.<br />

Am Etappenziel haben sie etwa die Hälfte ihrer Strecke<br />

absolviert. Vor dem Bistro brechen sie mit den Rechten von<br />

Stammgästen ein. Sofort geht es lebhaft zu, es wird laut.<br />

Darunter die Stimme von Bolle: „Schnell fahren tut keiner.<br />

Mal so richtig, ich meine wirklich richtig schnell fahren!“<br />

Und nach einer Pause: „Ich war Sprinter.“ Darauf folgt das<br />

sopranhafte Kichern, mit dem viele seiner Sätze ausklingen.<br />

Bei schönem Wetter kann die Runde schon mal auf 20<br />

Fahrer anwachsen. Auch Frauen gehören dazu. Den harten<br />

Kern bilden die Alten. Während sich die einen bescheiden<br />

als „Quereinsteiger“ bezeichnen, zählt Bolle hier zu den<br />

„Profis“. Seine Sportkarriere begann in den 50er Jahren:<br />

„Ich war mit meinem Onkel zum Radrennen auf der<br />

Neuköllner Radrennbahn. Weil ich gerade zuvor die Steher<br />

gesehen hatte, habe ich eine kesse Lippe riskiert und gesagt,<br />

so schnell wie die bin ich auch. Da hat mich mein Onkel<br />

1952 zum „Erster Schritt-Rennen“ angemeldet.“<br />

„Wir hatten uns schon wie die Sieger gefühlt“<br />

Für die 35 Kilometer im Buckower Dreieck setzte er sich auf<br />

das Fahrrad seines Vaters. Mit Schwalbenlenker, abmontierten<br />

Schutzblechen und dicken Wulstbombenreifen. „Ich<br />

hatte kein Trikot, trug kurze Cordhose und Polohemd. Ich<br />

bin nie zuvor ein Rennen gefahren und hatte keine Ahnung.<br />

Wir haben eine Drei-Minuten-Vorgabe gekriegt vor denen,<br />

die eine richtige Rennmaschine hatten. Zusammen mit<br />

einem anderen bin ich allen davongefahren. Wir hatten uns<br />

schon wie die Sieger gefühlt. Am Schluss haben uns die Fahrer<br />

mit den Schlauchreifen eingeholt und abgebürstet. Es<br />

war Herbst, es hatte geregnet, einige sind gestürzt, und ich<br />

beinahe drüber. Aber ich bin 15. geworden, und im zweiten<br />

Lauf 7.“<br />

Anschließend kamen die Vereine auf ihn zu. Doch Namen<br />

wie RV „Panne“ oder „Defekt“ gefielen dem ambitionierten<br />

Jungsportler nicht gerade. „Die Sieger des Erster-Schritt-<br />

Rennens kamen vom ‚Pfeil Charlottenburg’, dem heutigen<br />

RC Charlottenburg. Also bin ich dort eingetreten.“ Anders<br />

als heute mussten die 14-Jährigen gegen die 18-Jährigen<br />

antreten. „Für mich war das motivierend. Jedenfalls war ich<br />

gut genug, dass ich mithalten konnte.“ Zwar gab es weder<br />

spezielle Trainingsprogramme noch Ernährungspläne. Aber<br />

schon damals traf sich Bolle dienstags und donnerstags zum<br />

Training mit einem Kumpel. Das musste ausreichen.<br />

016


» Viele von denen, die damals<br />

eingeschmissen haben, leben heute<br />

nicht mehr «<br />

Internationale Sportveranstaltungen wie die Tour de France<br />

kannte er nur aus der Zeitung. Er wusste auch, wer gerade<br />

das Regenbogentrikot hatte und Weltmeister war. Aber<br />

der eigene Gesichtskreis blieb immer lokal. Im Berliner<br />

„Radsport“ veröffentlichten die Vereine ihre Rennen. Und<br />

Bolle war stolz, wenn er las: „Der talentierte Dieter Mehlitz<br />

ist Achter geworden.“ Jeden Sonntag fanden Radrennen<br />

in West-Berlin statt: auf der Bellermann und der Afrikanischen<br />

Straße im Wedding, am Unionsplatz in Moabit. Und<br />

natürlich das Rollbergrennen.<br />

„In Neukölln waren die Preise nicht gerade lukrativ. Damals<br />

sind die Vereine hausieren gegangen, an der Strecke in den<br />

Läden. In der Karl Marx Straße haben sie im Bekleidungshaus<br />

Knaack geschnorrt. Und der hat seine Ladenhüter<br />

rausgegeben. Für den zweiten Platz ein Oberhemd, Größe<br />

46. Und das als Jugendfahrer!“<br />

Indessen zogen die honorigen Vereinsvorsitzenden die<br />

Kneipe vor. Ab und zu lugten sie hinaus, um rasch eine Anfeuerung<br />

anzubringen. Dann waren sie wieder verschwunden.<br />

„Die waren an die 60 und sind in den Dreißigerjahren<br />

Rennen gefahren. Ich bin heute zwar älter, aber damals<br />

kamen sie mir sehr alt vor.“ Obgleich Bolle hier Respektsperson<br />

ist und dank seiner Vereinsarbeit auch berlinweit<br />

bekannt, hielt seine Karriere nur wenige Jahre: „1955<br />

war ich deutscher Jugendmannschaftsmeister im Vierer-<br />

Mannschaftsfahren. Ich war 99 Mal unter den ersten 10 und<br />

habe 25 Radrennen gewonnen. Aber ich musste sehr früh<br />

heiraten und meine Familie ernähren, so hatte ich keine<br />

Zeit mehr zum Trainieren.“<br />

Die Zeitungsfahrer empfand er als die größten Konkurrenten.<br />

„Die Berliner Zeitungsfahrer waren gegenüber uns immer<br />

im Vorteil. Sie hatten einen Stapel Zeitungen hinten auf dem<br />

018


Gepäckträger und haben die an den Kiosken abgeschmissen.<br />

Das ging schon morgens um vier Uhr los. Früher gab es mehrere<br />

<strong>Ausgabe</strong>n täglich. Und wenn du dann noch eine Familie<br />

hattest, konntest du dem Druck nicht standhalten.“<br />

Aber die waren in der Konkurrenz und haben alles da<strong>für</strong><br />

getan. Wenn es sein musste, so Bolle, auch mit einer Pille.<br />

„Viele von denen, die damals eingeschmissen haben, leben<br />

heute nicht mehr. Zum Beispiel Achim Holz, mit dem ich<br />

trainiert habe, der als Profi Steherrennen gefahren ist. Der<br />

hat reichlich eingeschmissen. Er war schwer nierenkrank<br />

und musste schon vor zwanzig Jahren zur Dialyse. Dann ist<br />

er auf die schiefe Bahn gekommen und hat sich sein Leben<br />

so richtig versaut: Zigarettenlaster geklaut. Später ist er<br />

elendig verreckt.“<br />

Plötzlich holt Bolle selbst eine Pille hervor: „Ich nehme<br />

jetzt eine Wassertablette, das ist kein Doping.“ Sprach´s,<br />

schluckte die Tablette und spülte sie mit einem Glas Wasser<br />

hinunter.<br />

Mit den Lifestyle-Alten, die dir in jugendlichen Klamotten<br />

auf Rollerblades entgegenbrettern, hat Bolles heutige<br />

Mannschaft wenig am Hut. Besser trifft es die neu variierte<br />

britische Formel: „Keep calm and ride your bike.“ Ihre wöchentliche<br />

Routine lebt von einer sportlichen Nüchternheit,<br />

die sich auf Wesentliches konzentriert, dem Vereinssport<br />

entspringt und nicht immer gut auf die Eventkultur heutiger<br />

Jedermannrennen zu sprechen ist.<br />

Biografisch bildet die Gruppe so etwas wie die letzte Enklave<br />

West-Berlins. Beruflich könnten sie ohnehin einen kleinen<br />

Staat aufmachen: Ehemalige Techniker, Kaufleute, Verkäufer,<br />

Richter und Polizeibeamte sind darunter.<br />

Gerhard Mailahn, 77, war Chemiker. Er trägt zwei Spitznamen.<br />

Der eine niedlich, der andere Furcht einflößend:<br />

„Duracell-Hase“ und „Zerstörer“. Duracell-Hase, weil<br />

er vom ersten bis zum letzten Tritt, bergauf, bergab den<br />

gleichen runden Rhythmus hält. Nur will der in letzter Zeit<br />

nicht mehr so ganz gelingen: „1987 hat mich ein VW-Bus<br />

019


» Die Charlottenburger haben<br />

nur auf Zerstören gearbeitet «<br />

gerammt, ich bin mit einem Oberschenkelhalsbruch <strong>für</strong> ein<br />

Dreivierteljahr ins Krankenhaus gekommen. Beim letzten<br />

Mal zog eine Dame beim Baumblütenfest in Werder panisch<br />

die Vorderbremse, stürzte in mein Rad und ich mit ihr.<br />

Dabei habe ich mir das Schlüsselbein gebrochen. Aber ich<br />

schätze noch drei, vier Mal mitfahren, dann bin ich wieder<br />

vorne.“<br />

Der Name „Zerstörer“ geht auf alte Zeiten zurück. „Ich war<br />

bei Schering. Dort hatte mich jemand auf Radsport angesprochen.<br />

Zwei Jahre habe ich gebraucht, um mithalten zu<br />

können. Die Charlottenburger sind alle Rennfahrer gewesen<br />

und haben nur auf Zerstören gearbeitet. Als wir den „Willi“,<br />

also den Grunewaldturm, hochgefahren sind, sagte Bolle<br />

zu mir: „Pass mal auf, du fährst solange Hinterrad, bis ich<br />

zu dir sage, jetzt kannst du. Zwei Monate später konnte ich<br />

also. Und ich habe mir jeden Einzelnen vorgenommen. Deshalb<br />

hat man mich selbst dann „Zerstörer“ genannt. Aber<br />

so wurde ich ein guter Fahrer. Das hat mir Spaß gemacht.<br />

Wenn ich die Hörner angespitzt habe, wussten alle Bescheid:<br />

Jetzt geht es los!“<br />

Gerhard gehört zum harten Kern der vereinsübergreifenden<br />

Truppe und erinnert sich an den Beginn. „Eigentlich fingen<br />

die Berliner Bären damit an, dann haben wir vom RC Charlottenburg<br />

gesagt, warum sollen wir da nicht mitfahren?<br />

Dienstags und donnerstags, das hat sich vor Jahren so eingebürgert,<br />

und ohne dem geht heute nichts mehr. Wir sind<br />

nun einmal alte Haudegen, und wir können nichts anderes<br />

mehr, außer Radfahren.“<br />

Der „Zerstörer“ besitzt auch eine soziale Ader, die den<br />

Teamgeist der ganzen Truppe widerspiegelt. Kommen<br />

neue Leute hinzu, werden sie kollegial aufgenommen: „Der<br />

Achim konnte nicht mal Reifen wechseln. Den habe ich unter<br />

meine Fittiche genommen. Wenn er einmal nicht mehr<br />

so konnte, dann hat er hinten bei mir drangehangen.“<br />

Achim Kunze, 70, Verwaltungsrichter a. D., Quereinsteiger<br />

und seit fünf Jahren dabei, räumt unverblümt ein: „Ich<br />

gehöre zu denen, die im Windschatten hinterherfahren. Ich<br />

bin also eine Lusche, wie man unter uns sagt. Die anderen<br />

sind eine andere Klasse. Aber <strong>für</strong> mich ist der Radsport ein<br />

wunderbarer Ausgleich. Gut zweihundert Kilometer fahre<br />

ich jetzt schon in der Woche.“<br />

Achim glaubt, dass sich der soziale Status beim gemeinsamen<br />

Radfahren nivelliert. Abgesehen von den Frotzeleien,<br />

die er zu ertragen habe, weil er einmal Richter war. „Letz-<br />

020


tens als ich zurückfiel, hat mich jemand wieder herangeholt.<br />

Dann ist er nach vorne und verkündete: Das Gericht ist wieder<br />

da.“ Tatsächlich kommt es vor, dass er laut den Einzug<br />

der Fahrerlaubnis fordert, wenn Bolle sich auf der Strecke<br />

nicht mehr <strong>für</strong> die rote Ampel interessiert.<br />

Ein bisschen hält er auch die Rolle des Philosophen inne,<br />

der verkündet: „Das Leben ist ein stetiger Beginn. Ich bin<br />

ständiger Anfänger. Bolle war mit 18 Jahren Deutscher<br />

Meister. Und heute ist er gefahren, als wäre er 16 und müsste<br />

da<strong>für</strong> trainieren. Danach kam ich nicht mehr ran. Das<br />

macht er mit Absicht.“ Damit wendet er sich direkt an Bolle:<br />

„Um es gehoben zu sagen: Altruismus ist nicht deine Stärke.<br />

Aber als Philosoph muss man darüber stehen.“<br />

Zu den ehemaligen Rennfahrern zählt Horst Laukait, 75,<br />

der im Verein Iduna Schöneberg begann und heute deren<br />

Vorsitzender ist. Nach seinem schweren Unfall kehrte er<br />

einem Wunder gleich zur Gruppe zurück. Als er 2002 auf<br />

einer Ausfahrt von Berlin nach Garmisch-Partenkirschen<br />

unterwegs war, kam ihm auf der Landstraße ein Pkw entgegen,<br />

der einen anderen überholen wollte. Was er weiter vom<br />

damaligen Unfall erzählt, kennt er nur aus den Geschichten<br />

anderer.<br />

Bei dem Manöver, nicht die Leitplanke zu treffen, geriet<br />

der Pkw ins Schleudern. Ein Mitfahrer schlug auf der Seite<br />

des Wagens auf, Laukait erst in den vorderen Radkasten.<br />

Dann wurde er über die Motorhaube weggeschleudert. Als<br />

die Mitfahrer Laukait erreichten, soll er ihnen gesagt haben:<br />

„Ist ja nicht so schlimm, gib´ mir mal das Rad her, weiter<br />

geht´s.“ Doch das Fahrrad hatte einen Totalschaden, er<br />

selbst war so schwer verletzt, dass er mit dem Hubschrauber<br />

ins Universitätsklinikum Regensburg geflogen wurde.<br />

Neben anderen schweren Verletzungen waren auch seine<br />

Beine betroffen. Noch am selben Tag wurde operiert, zahlreiche<br />

Nachoperationen folgten. Nach sechs Wochen wurde<br />

er ins Berliner Sankt Gertrauden Krankenhaus verlegt. Was<br />

sich die Radsportkollegen nach ihren Besuchen im Flur des<br />

Krankenhauses so zuraunten, verrieten sie ihm erst später:<br />

„Mit den Beinen fährt der nie wieder Rad.“<br />

Jahrelang hatte er Radsport im Schöneberger Verein Iduna<br />

betrieben, und so dachte er sich: „Das kann es ja wohl nicht<br />

gewesen sein.“ Wieder Radfahren war sein Ziel. Einfach zu<br />

erreichen war es nicht: „Man setzt sich etwas in den Kopf<br />

und sagt, das will ich jetzt machen. Aber man braucht auch<br />

die Bestätigung, wenn die Zweifel kommen.“ In dieser Zeit<br />

war der Zuspruch von Familie und Sportkollegen wichtig.<br />

„Beschönigen, Besänftigen und Kleinreden“, benennt er das<br />

Prinzip.<br />

„Irgendwann im nächsten Jahr haben mich Vereinskollegen<br />

zum ersten Mal wieder auf ein Damenrad gesetzt. Solange<br />

ich nur geradeaus fuhr, ging es. Schlimm waren das Anfahren<br />

und das Halten. Trotzdem fühlte es sich an wie neu<br />

geboren. Besonders dort in der Szene wieder aufzutauchen,<br />

» Die anderen sind eine andere<br />

Klasse. Aber <strong>für</strong> mich ist<br />

der Radsport ein wunderbarer<br />

Ausgleich «<br />

wo sich mein Unfall herumgesprochen hatte.“<br />

Heute fährt er bei fast jedem Wetter: „Jemand hat mir mal<br />

einen Hometrainer ins Wohnzimmer gestellt. Aber der steht<br />

jetzt im Keller. Schließlich musste ich ein Jahr warten, bis<br />

ich das wieder machen konnte: Frei an der frischen Luft, auf<br />

der Chaussee. Das sind doch erhebende Momente.“<br />

Angst wieder Rad zu fahren, hatte er dagegen nie. „In brenzligen<br />

Situationen kann ich ja nicht einmal sagen, das könnte<br />

wieder so wie damals werden, weil es kein Damals <strong>für</strong> mich<br />

gibt. Ich habe einfach keine Erinnerung. Nicht einmal<br />

geträumt habe ich vom alten Unfall.“ Alter Unfall bedeutet,<br />

dass es noch mehrere gab. „Alle Jahre lang passiert etwas.<br />

Etwa wenn man bei Bremsmanövern in der Gruppe stürzt.<br />

Wir lachen drüber, unter Sportskameraden.“<br />

Hartmut Schulz, 73, hatte bis zu seinem Herzinfarkt verschiedene<br />

Sportarten betrieben. Danach folgten zehn Jahre<br />

Tanzsport. „Als meine Tanzpartnerin mit mir aufgehört<br />

hat, habe ich mir gesagt, ich muss mir irgendeine andere<br />

Sportart suchen, wo ich noch richtig was machen kann. Vor<br />

sechs Jahren bin ich zum Radsportverein Iduna Schöneberg<br />

gekommen. Seitdem fahre ich in der Gruppe mit.“ Der<br />

Einstieg war nicht leicht <strong>für</strong> ihn. „Im Laufe der Jahre lässt<br />

die Muskulatur nach. Und die fahren ja doch ein anderes<br />

Tempo. Da muss man sich erst einmal wieder herankämpfen.“<br />

Meistens geht es lustig zu. Es wird immer gequatscht,<br />

ein Kalauer gerissen, sagt Hartmut.<br />

021


Doch ihre gemeinsame Fahrt zur hundertjährigen Tour<br />

de France wurde von einer Katastrophe überschattet. Es<br />

geht um einen ehemaligen Feuerwehrmann, ausgerechnet<br />

einen jüngeren. „Dass er vor zwei Jahren eine Erkältung<br />

verschleppt und sich davon nicht mehr so richtig erholte,<br />

ist natürlich nur meine Vermutung. In der letzten Zeit hatte<br />

er immer ein bisschen geschwächelt. Er hat sich hohe Ziele<br />

gesetzt, immer nebenher trainiert und es übertrieben.“ Er<br />

wollte unbedingt mit nach Paris fahren.<br />

„Es ist naheliegend, dass man<br />

in unserem Alter nicht mehr auf<br />

zehn Jahre vorausplant“<br />

„Noch am Samstag bin ich mit ihm gefahren. Am Montag hat<br />

mich Bolle angerufen und gesagt, dass Uli verstorben ist. Ich<br />

dachte er macht einen Witz, aber dann habe ich an der Stimme<br />

gehört, das war kein Witz.“ Die meisten aus der Gruppe<br />

kamen zur Beerdigung. Einen Monat später veranstalteten sie<br />

eine Gedenkfahrt nach Güterfelder. Bolle und jemand von der<br />

Feuerwehr hielten eine Rede. Über die 1000 Kilometer auf<br />

der Fahrt nach Paris haben sie oft an ihn gedacht.<br />

Und ihre Reisen müssen weitergehen. „Anfang Juli von Budapest<br />

nach Berlin. Das sind unsere nächsten Ziele. Was nächstes<br />

Jahr ist? Keine Ahnung. Es ist naheliegend, dass man in<br />

unserem Alter nicht mehr auf zehn Jahre vorausplant.“<br />

Die Haudegen von Bolles Race Pack fahren nicht gegen die<br />

Wettkampfuhr und doch gegen die Zeit. Wie unvorhersehbar<br />

die Wechselfälle des Schicksals dabei sein können, zeigt die<br />

letzte Geschichte, die Bolle erzählt. Eines Tages eröffnete<br />

ihm sein Arzt, dass er tot vom Rad fallen könne, wenn man<br />

nicht bald operiere. Drei Beipässe und ein Radfahrverbot<br />

folgten. Dem Verbot widersetzte er sich nach und nach<br />

erfolgreich. Aber die Geschichte war da noch nicht zu Ende.<br />

Jahre später erkundigte sich der Arzt seinerseits bei Bolle,<br />

wie man nach einer Herzoperation am besten mit dem<br />

Radsport anfangen könne. Er hatte gerade einen Beipass<br />

bekommen.<br />

Text: Wolfgang Scherreiks Bilder: Mathias Kutt<br />

022


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024


ZEITLOSE<br />

ELEGANZ<br />

Norco Belford City Tasche - Urbanes Design,<br />

ausgezeichnet mit dem German Brand Award.<br />

Egal, ob <strong>für</strong> den Stadtbummel, die Shoppingtour oder<br />

<strong>für</strong>s Büro, die Belford City Tasche ist ein praktischer und<br />

zugleich angesagter Begleiter <strong>für</strong> jede Gelegenheit.<br />

Die Befestigung ist mittels KLICKfix Vario Haken am<br />

Gepäckträger, mit einem Durchmesser von 6 bis 16 mm,<br />

möglich. Sie bietet mit 15 Liter jede Menge an Stauraum,<br />

mit den Maßen 43 x 38 x 12 cm und einem Gewicht von<br />

1210 g. Sie punktet mit robustem Gewebe in textiler Optik<br />

und urbanem Design. Optischen Blickfang und zugleich<br />

funktionelles Designelement stellen die formschönen<br />

Steckverschlüsse aus Aluminium dar.<br />

Die große Öffnung der Tasche erlaubt ein einfaches und<br />

schnelles Befüllen. Der mitgelieferte Regenschutz bietet<br />

auch bei widrigen Bedingungen einen guten Schutz vor<br />

Nässe. Seine gefütterte, stabile Konstruktion hält das Modell<br />

auch im leeren Zustand in Form. Mit Tragegriff und<br />

Schultergurt mutiert die Fahrradtasche blitzschnell zum<br />

unverzichtbaren Helfer <strong>für</strong> Einkauf und Co.<br />

Den Blickfang gibt es zu einem Preis von 99,90 Euro.<br />

Weitere Infos : www.asista.de<br />

025


DER STOFF,<br />

AUS DEM LEGENDEN SIND<br />

NICHT NUR DIE GROSSEN RADSPORTLER SELBST, AUCH<br />

IHRE TRIKOTS SIND IKONEN, DIE DIESEN SPORT MIT-<br />

PRÄGEN. „DAS BUCH DER RADSPORTTRIKOTS“ ER-<br />

ZÄHLT DIE GESCHICHTEN.<br />

Fast zweihundert originale Renntrikots finden sich im<br />

„Buch der Radsporttrikots“: Hemden aus Schur- und<br />

Baumwolle, Polyester und Elastan, die von großen<br />

und kleinen Meistern des Metiers getragen wurden.<br />

Leibchen von klassischer Eleganz ebenso wie solche,<br />

die Ausdruck modischer Irrwege waren. Trikots, die<br />

dennoch allesamt ganz unmittelbar Erinnerungen an<br />

außergewöhnliche Fahrer und Mannschaften, Rennen<br />

und Momente wachrufen. Allein das Register der<br />

vertretenen Teams und Träger liest sich wie ein „Who´s<br />

Who“ der Radsporthistorie: Ob Rudi Altig, Jacques<br />

Anquetil, Gino Bartali, Fausto Coppi, Laurent Fignon,<br />

Bernard Hinault, Miguel Induráin, Greg LeMond, Olaf<br />

Ludwig, Eddy Merckx, Thaddäus Robl, Kurt Stöpel, Jan<br />

Ullrich oder Erik Zabel, ob Bic, Brooklyn, Carpano, Del<br />

Tongo, Diamant, Faema, La Vie Claire, Legnano, Mapei,<br />

Salvarani, St-Raphaël oder Team Telekom – kaum ein<br />

namhafter Name fehlt. Hinzu kommen etliche Wertungstrikots<br />

diverser Rundfahrten sowie Weltund<br />

Landesmeistertrikots aus verschiedenen Epochen.<br />

Begleitende Texte erzählen jeweils die Geschichten<br />

hinter den gezeigten Textilien, beleuchten verschiedene<br />

Schwerpunktthemen und zeichnen die Evolution dieser<br />

ganz besonderen Form von Arbeitskleidung nach, die<br />

stets gleichzeitig Funktionswäsche und Proviantbeutel,<br />

mobile Litfaßsäule und Erkennungszeichen von Freund<br />

und Feind zu sein hatte.


Jahr: 1975<br />

Titel: Straßenweltmeister<br />

Fahrer: Hennie Kuiper<br />

Hennie Kuiper gehört zu einem exklusiven Dreier-Club:<br />

Neben Ercole Baldini und Paolo Bettini ist der Mann aus<br />

Limburg der einzige Radsportler, dem es gelang, sowohl<br />

Olympia- als auch WM-Gold im Straßenrennen der Männer<br />

zu erringen.<br />

Die ausgiebigen Gebrauchsspuren an seinem Regenbogentrikot<br />

von 1975 könnten den Schluss nahelegen, er sei<br />

damals damals Cross-Weltmeister geworden. Gar keine so<br />

abwegige Vorstellung (obschon Kuiper natürlich das Gros<br />

seiner Erfolge auf der Straße errang): Ihm glückte immerhin<br />

das seltene Kunststück, im Jahr des WM-Titels auch bei der<br />

Landesmeisterschaft im Querfeldeinfahren zu triumphieren.<br />

Fans und Reporter schätzten an dem Niederländer, der als<br />

sportlicher Leiter in den 1990er Jahren sowohl das Team<br />

Deutsche Telekom als auch den Motorola-Rennstall mit<br />

Lance Armstrong in die Erfolgsspur zu bringen versuchte,<br />

seine <strong>für</strong> einen Siegfahrer ungewöhnlich zurückhaltende,<br />

bescheidene Art. Was so gar nicht zu dem Merkspruch <strong>für</strong><br />

angehende Rennfahrer passen möchte, der als „Hohes Lied“<br />

auf die Zermürbungstaktik unter der Urheberschaft von<br />

Hennie Kuiper übermittelt ist: „Radrennen heißt, den Teller<br />

deines Gegners leer essen, bevor du mit deinem eigenen<br />

beginnst.“<br />

27


Jahr: 1949<br />

Team: Rabeneick<br />

Fahrer: Harry Saager<br />

Neun Fahrradwerke und zwei Freilaufnabenfabriken<br />

standen mit ihren Teams am Start der 11. Deutschland-<br />

Rundfahrt 1949. Auch Rabeneick, ein auf die Motorradund<br />

Fahrradproduktion spezialisiertes Unternehmen aus<br />

Brackwede bei Bielefeld, versprach sich von dem quer<br />

durchs Land rollenden Fahrerfeld Werbung <strong>für</strong> die eigenen<br />

Produkte. Harry Saager jedenfalls betrieb fleißig Reklame<br />

<strong>für</strong> die Firma: Er kletterte bei der vom 9. bis zum 23. Juli<br />

stattfindenden Rundfahrt aufs Siegertreppchen – der größte<br />

Erfolg des frisch gegründeten Teams.<br />

Die Rundfahrt war nach dem Kriegsende ein Versuch, trotz<br />

widriger Rahmenbedingungen ein sportliches Großereignis<br />

auf die Beine zu stellen. Der Spiegel begleitete das Rennen<br />

und staunte nicht schlecht über die Start-Verpflegung der<br />

Fahrer, die Schnitzel, Frikadellen, Weißbrote, Pumpernickel,<br />

Backpflaumen, Kekse, Obst, Schokolade und Eier mit<br />

auf den Weg nahmen – in Tüten verpackt, nicht in Trikottaschen.<br />

nicht in Trikottaschen. Saager sicherte sich auf<br />

der Etappe nach Köln das Weiße Trikot des Gesamtersten<br />

– vom wenig geliebten „Leichenhemd“ des Spitzenreiters<br />

schrieb die Presse. Der Wahlberliner hatte seinem Ausreißkollegen<br />

Steinhilb den Tagessieg überlassen, das Feld kam<br />

erst eine Stunde später ins Ziel.<br />

40 Mark pro Tag Startgeld erhielten die Fahrer – allein das<br />

Frühstück konnte schon 30 Mark kosten, das Abendessen<br />

sogar 52 Mark, wie der Spiegel notierte. Da war die Prämie<br />

von 3.000 Mark <strong>für</strong> den Gesamtsieg bei Saagers Team<br />

hochwillkommen.<br />

Saager selbst zählte nicht unbedingt zum Favoritenkreis. Er<br />

hatte kurz vor der Tour eine Pension mit einigem Renovierungsbedarf<br />

in Bayern erworben. Ohne Trainingskilometer<br />

in den Beinen stand er am Hamburger Hauptbahnhof, an<br />

dem Max Schmeling das Peloton auf die Reise schickte.<br />

„Viel essen, wenig trinken, viel schlafen, geregelten Stuhlgang“<br />

– das waren laut Spiegel Saagers Grundsätze, die ihm<br />

offenkundig nicht geschadet hatten. Sein ärgster Konkurrent<br />

war der sieben Jahre ältere Erich Bautz, der seine<br />

Karriere gerne mit einem Sieg beendet hätte. Doch an die<br />

85 Stunden, 15 Minuten und 2 Sekunden, die Saager <strong>für</strong> die<br />

2.800 Kilometer lange Rundfahrt benötigte, kam er nicht<br />

heran.<br />

Jahr: 1955<br />

Rennen: Tour de France<br />

Fahrer: Wout Wagtmans<br />

„Olijke Woutje“, „Dik Trom“, „Zoeloe“, „Clown“: Der<br />

Niederländer Wout Wagtmans sammelte in seiner Zeit<br />

Spitznamen wie andere Fahrer Arzneimittel zur Leistungssteigerung.<br />

Die „dicke Trommel“ war ein vielseitiger Fahrer,<br />

der seine Stärken auch bei der Tour de France zeigte. So<br />

war es auch im Jahr 1955, als Wagtmans, der ansonsten <strong>für</strong><br />

Locomotief-Vredestein antrat, im Trikot der niederländischen<br />

Nationalmannschaft an den Start ging.<br />

Zwei Tage lang trug er das Gelbe Trikot, zudem konnte er<br />

sich auch vorübergehend das Grüne Trikot des Punktbesten<br />

sichern, das in jenem Jahr als dezenten Blickfang einen<br />

staubgrauen Kragen aufwies. In der Gesamtpunktewertung<br />

landete er schließlich hinter Stan Ockers auf dem zweiten<br />

Platz.<br />

Die Wertung beruhte in jenem Jahr darauf, dass es <strong>für</strong><br />

jeden Platz bei einer Etappe einen (Minus-)Punkt gab. Mit<br />

22 Etappensiegen in Serie wäre also die Optimalpunktzahl<br />

von 22 Punkten erreichbar gewesen. Ockers kam nach der<br />

Schlussetappe auf 322 Punkte, Wagtmans hatte 399. In der<br />

Gesamtwertung wurde er 19., das niederländische Team<br />

rangierte in der Länderwertung hinter Frankreich, Italien<br />

und Belgien auf dem vierten Platz.<br />

Insgesamt neun Mal nahm Wout Wagtmans an der Tour<br />

de France teil, wobei ihm vier Etappensiege gelangen. 1953<br />

belegte er in der Gesamtwertung den fünften Platz – sein<br />

bestes Resultat. Das Gelbe Trikot trug er mehrfach, 1954<br />

sechs Tage lang, 1956 waren es drei Tage.<br />

Berühmtheit erlangte er auch in anderen Gefilden. Zusammen<br />

mit Wim van Est nahm er die Single „Tour de France!“<br />

auf. Auf der B-Seite pries Rennfahrerkollege Gerrit Voorting<br />

im Duo mit seiner Frau ein bekanntes Textil: „De Gele<br />

Trui“.<br />

29


Jahr: 1967<br />

Team: Peugeot - BP - Michelin<br />

Fahrer: Tom Simpson<br />

Mochten Renntrikots zuallererst als Bekleidungsstück<br />

dazu dienen, die sportliche Betätigung auf einem Fahrrad<br />

zumindest nicht zu behindern, so folgte mit der Zunahme<br />

von Fernsehübertragungen eine weitere wichtige Funktion:<br />

Das Oberteil der Fahrer sollte <strong>für</strong> die Zuschauer<br />

vor dem TV-Gerät eine gewisse Wiedererkennbarkeit<br />

gewährleisten.<br />

Das Design des Peugeot-Klassikers mit dem von Zielflaggen<br />

und Rallyestreifen im Automobilrennsport bekannten<br />

Schachbrett-Dekor ist auf diesen Wunsch zurückzuführen.<br />

1963 wurde es eingeführt, um sich dergestalt vom<br />

restlichen Fahrerfeld abzuheben. Durch das markante<br />

Muster fielen die Trikots im weit verbreiteten Schwarz-<br />

Weiß-Fernsehen trefflich auf. Das Design blieb bis zum<br />

Ende des Teams 1986 erhalten, auch wenn mittlerweile<br />

das Farbfernsehen die Wohnstuben erobert hatte.<br />

Zahlreiche Klassefahrer trugen das Peugeot-Trikot,<br />

darunter Eddy Merckx oder Tom Simpson. Der britische<br />

Straßenweltmeister von 1964 hatte in der Saison 1967 bereits<br />

Etappen bei der Vuelta und Paris–Nizza gewonnen,<br />

ehe er bei der Tour de France – im Trikot der britischen<br />

Nationalmannschaft – wenige Kilometer vor dem Gipfel<br />

des Mont Ventoux kollabierte und kurz darauf verstarb.<br />

Das französische Team Peugeot blieb in den folgenden<br />

Jahren eine Mannschaft, die Fahrer aus dem angelsächsischen<br />

Raum anzog. Phil Anderson, Robert Millar, Stephen<br />

Roche und Sean Yates trugen im Schachbrett-Look<br />

ihren Teil dazu bei, dass Peugeot bis heute als eines der<br />

erfolgreichsten Teams in der Radsportgeschichte gilt.<br />

Jahr: 1958<br />

Team: Carpano<br />

Fahrer: Fred De Bruyne<br />

Der Belgier Fred De Bruyne gewann 1958 Paris–Nizza<br />

und Lüttich–Bastogne–Lüttich im Trikot des italienischen<br />

Teams Carpano – einer Aperitifmarke, die sich von<br />

1956 bis 1964 als Sponsor einer gleichnamigen „groupe<br />

sportif“ engagierte.<br />

Wichtigster Werbeträger war zunächst Fausto Coppi,<br />

der nicht nur als Fahrer zum Aufgebot zählte, sondern<br />

mit der nach ihm benannten Fahrradmarke auch als<br />

Co-Sponsor auftrat. Erst nach der Rückkehr des „Campionissimo“<br />

zu Bianchi erhielten die bis dato komplett<br />

weißen Carpano-Hemden zur Saison 1958 ihr markantes<br />

Aussehen, das sie zum Klassiker unter den Renntrikots<br />

machte.<br />

Schwarze Längsstreifen auf weißem Grund, das war<br />

eine deutliche Reverenz an die andere Sportgröße aus<br />

der Heimat des Sponsors. Wie die „alte Dame“ Juventus<br />

gehörte auch Carpano zu den Aushängeschildern von<br />

Turin, der Metropole des Piemonts. Hier war es, wo<br />

Antonio Benedetto Carpano im Jahre 1786 in seinem<br />

Weingeschäft an der Piazza Castello den ersten Bitter-<br />

Aperitif auf Wermut-Basis erfand.<br />

31


Jahr: 1964<br />

Team: Mercier - BP - Hutchinson<br />

Fahrer: Raymond Poulidor<br />

Raymond Poulidor und Mercier gehörten seinerzeit<br />

zusammen wie die Beatles und die Spitzenplätze der<br />

Verkaufscharts. Während seiner gesamten Profikarriere<br />

blieb Poulidor diesem einen Sponsor treu. 1964 war er<br />

Kapitän der französischen Mannschaft, die ihren Siegeshunger<br />

unter dem Namen Mercier-BP-Hutchinson<br />

stillen wollte. Hauptsponsor Cycles Mercier war ein<br />

Radhersteller aus Saint-Étienne, der sich seit den<br />

1930er Jahren im Profibereich engagierte. Seit 1954 gab<br />

es diese Sponsorenkonstellation mit Reifenhersteller<br />

Hutchinson und der British Petroleum Company, die bis<br />

1969 andauern sollte. Mercier selbst blieb bis 1983 dem<br />

Profiradsport verbunden. Poulidors Teamchef war der<br />

ehemalige Tour-Sieger Antonin Magne, der früher selbst<br />

<strong>für</strong> dieselbe Fahrradmarke in die Pedale getreten hatte.<br />

Violett lackierte Rahmen waren das Markzeichen der<br />

Renn-, Sport- und Alltagsräder von Mercier (die sich ungeachtet<br />

der gewagten Farbwahl ungemeiner Beliebtheit<br />

auf dem Heimatmarkt erfreuten); die Kombination lilagelb<br />

wurde folgerichtig auch das Erkennungszeichen des<br />

Teams Mercier (dessen Fahrer aufgrund der gewagten<br />

Farbwahl zumindest immer einfach im Peloton auszumachen<br />

waren). In diesem schrillen Trikot gelangen dem<br />

»Ewigen Zweiten« Poulidor zwar keine Tour-de-France-<br />

Siege, da<strong>für</strong> aber eine Vielzahl beachtlicher Erfolge, die<br />

gerne mal unter den Tisch fallen (was ihn bei seiner<br />

Selbstvermarktung als Pechvogel auch nicht weiter störte).<br />

1964 beispielsweise siegte er bei der Vuelta, zudem<br />

gewann er die Jahreswertung „Super Prestige Pernod“,<br />

den Vorläufer des Weltcups. Im kollektiven Gedächtnis<br />

ist indes eher das berühmte Ellbogenduell am Puy de<br />

Dôme bei der Tour de France 1964 haften geblieben. Die<br />

Rundfahrt beendete er auf dem zweiten Platz. „Während<br />

an Lance Armstrong die Dopingvorwürfe hängen wie<br />

der frühe Lucky Luke an der Zigarette, klebt der Donald<br />

Duck am Raymond Poulidor und macht den (…) Franzosen<br />

mit dem ›Poulidorsyndrom‹ unsterblich“, schrieb<br />

die österreichische Zeitung Standard rückblickend auf<br />

Poulidors Karriere.<br />

Jahr: 1971<br />

Team: Bic<br />

Fahrer: Luis Ocaña<br />

Seit 1967 war das Männchen mit dem Tintenkleckskopf<br />

ein fester Begleiter im Peloton. Der kleine aufrechte, aber<br />

gesichtslose Kerl war das Symbol des französischen<br />

Unternehmens Bic, das zunächst vor allem <strong>für</strong> seine<br />

Füllfederhalter und Druckbleistifte bekannt war. Später<br />

wurde das Produktportfolio um Schreibwaren und Feuerzeuge<br />

erweitert. Bis 1974 leistete sich Bic ein Profiteam,<br />

dessen Erkennungszeichen das orange-weiße Trikot mit<br />

dem Werbeschriftzug und Logo war. So alltäglich die Bic-<br />

Produkte waren, so außergewöhnlich waren die Fahrer<br />

des Teams. Jacques Anquetil, Rolf Wolfshohl oder Luis<br />

Ocaña zählten zu dem illustren Kreis. 1971 fuhren Charly<br />

Grosskost, Jean-Marie Leblanc oder Johnny Schleck an<br />

der Seite von Ocaña, der mit seinem Sturz im Gelben<br />

Trikot zum großen Unglücksraben der Tour de France<br />

avancierte. Kleiner Trost: Seine Teamkollegen konnten<br />

die Mannschaftswertung <strong>für</strong> sich entscheiden. Und dem<br />

in Frankreich aufgewachsenen Spanier, der von 1970 bis<br />

1974 <strong>für</strong> Bic fuhr, glückte schließlich zwei Jahre später<br />

dann der Triumph in Frankreich.<br />

Sein sportlicher Leiter 1971 war der legendäre Maurice<br />

De Muer, nicht umsonst als „kleiner Napoleon“ verschrien.<br />

„Es war eine Erfahrung, De Muer beim Start<br />

der Rennen zu sehen“, erinnerte sich der spätere Tourde-France-Direktor<br />

Jean-Marie Leblanc. „Sein Team<br />

hatte er wie ein Armeegeneral um eine Michelin-Karte<br />

geschart, auf der er die Etappenroute, die Windrichtung<br />

und die Stellen eingezeichnet hatte, an denen seine<br />

Fahrer attackieren sollten.“ De Muer wechselte später<br />

zum Peugeot-Team, mit dem er ebenfalls große Erfolge<br />

feierte.<br />

33


034


ZUM MENÜ<br />

GIBT ES EINEN<br />

HANDSCHUH VOM LACHS<br />

Bilder: Chiba<br />

Diese Chiba Handschuhe aus Lachsleder werden in Handarbeit<br />

in der eigenen Manufaktur hergestellt.<br />

Chiba, einer der führenden Hersteller von Sporthandschuhen,<br />

achtet bei diesem Handschuh, neben der hohen Qualität der<br />

Materialen und Ausführung der Arbeit, besonders auch auf<br />

alle wichtigen Faktoren bezüglich Funktion und anatomischer<br />

Konstruktion.<br />

Der Handschuh hat eine Polsterung aus Poron Gel (einem<br />

hochfunktionellem Gel, das auch bei Motorradbekleidung<br />

eingesetzt wird und die Aufprallenergie absorbiert) , die entsprechend<br />

der Anatomie der Hand so konstruiert ist, dass sie<br />

die Bewegungsfreiheit nicht einschränkt. In den Fingern sind,<br />

<strong>für</strong> eine perfekte Passform, Stretchbereiche eingearbeitet und<br />

die Oberhand wurde so konstruiert, dass sie an den Knöcheln<br />

zusätzlichen Schutz bietet, gleichzeitig aber perfekt belüftet ist.<br />

Lachsleder wird in Island hergestellt und ist aus mehreren<br />

Gründen besonders umweltfreundlich:<br />

- die Lachshaut ist ein Nebenprodukt der Fischindustrie<br />

und müsste sonst entsorgt werden<br />

- die Gerberei arbeitet ausschließlich mit Hydro- oder<br />

Thermalenergie<br />

- Fischleder ist wegen der Struktur der Fasern besonders<br />

haltbar.<br />

Der Handschuh wurde in einer limitierten Auflage von 100<br />

Paar zum Preis von 189,00 Euro pro Paar hergestellt.<br />

035


036


DIE LEICHTIGKEIT<br />

DES SEINS<br />

Nach langjähriger Entwicklungszeit präsentiert tune eine<br />

Weltneuheit von unglaublich geringem Gewicht mit<br />

Topwerten <strong>für</strong> Stoßfestigkeit und Lebensdauer.<br />

Bilder: Tune<br />

Brandaktuell und pünktlich zum Eurobike Award schickt tune<br />

eine Top-Neuheit ins Rennen. Nur unglaubliche 69 Gramm<br />

soll das neue Entwicklungsprojekt wiegen, das so frisch ist,<br />

dass es noch nicht einmal einen Namen da<strong>für</strong> gibt. Auf den<br />

ersten Blick sieht das Modell aus wie ein weiterer Leichtbausattel<br />

mit einer Aussparung. Aber spätestens wenn man den<br />

Sattel in der Hand hält, lässt sich erahnen, dass es sich hier<br />

nochmal um etwas ganz anderes handelt. Aber was macht die<br />

entscheidenden Unterschiede aus? Fünf Jahre Entwicklungszeit,<br />

einiges an Fördergeldern und erprobte Luftfahrtechnik<br />

stecken in dem Projekt, das in einem völlig neuen Herstellungsverfahren<br />

aus einem Stück gefertigt wird. Laut Hersteller<br />

soll es zehnmal so stark sein wie geklebte Modelle und eine<br />

bis zu viermal höhere Stoßfestigkeit ohne Schwachstellen besitzen.<br />

Verwendet wird dazu kohlenverstärktes Material einer<br />

völlig neuen Generation, das zu hundert Prozent aus wiederverwertbarem<br />

Recycling-Material besteht. Obwohl nicht mehr<br />

als einen Millimeter dick, erfüllt es die Sicherheitsanforderung<br />

nach ISO 42109. Tüpfelchen auf dem i der neuen Schöpfung<br />

ist die individuelle Gestaltungsmöglichkeit des Sattels: Die<br />

Farbe der Nase kann aus den erhältlichen tune-Farben ausgewählt<br />

werden.


038


REIFENKUNST<br />

Reifen Kunstwerke macht<br />

Blake McFarland, der Mann, der aus


Blake McFarland stammt aus dem<br />

schönen San Jose in Kalifornien, wo<br />

er auch aufwuchs. Er schätzt es besonders,<br />

seine Kunstwerke in heimatlichen<br />

Gefilden auszustellen.<br />

Schon in seiner High-School-Zeit war er ein Topsportler.<br />

Blake erhielt ein Stipendium <strong>für</strong> die San Jose State University<br />

<strong>für</strong> Baseball und wurde dort als „Rookie of the Year“<br />

(Aufsteiger des Jahres) sowie als „First Team all WAC<br />

conference pitcher“ ausgezeichnet. Er verließ das College im<br />

Jahr 2011 mit einem Abschluss in Psychologie, erhielt viele<br />

sportliche Auszeichnungen und war auf der Ehrenliste des<br />

Präsidenten. Im Juni 2011 begann Blake seine Profi-Baseball-Karriere<br />

bei den Toronto Blue Jays.<br />

Blake McFarland, der Künstler, der viel mit Recyclingmaterial<br />

arbeitet, verwendet gebrauchte Gummireifen, um<br />

seine großartigen, sehr lebensecht wirkenden Skulpturen zu<br />

erschaffen. Jede dieser Skulpturen besteht aus planmäßig<br />

platzierten Reifen, die derart miteinander verflochten und<br />

gesichert werden, dass sie schließlich wie verblüffend muskulöse<br />

Tiere wirken. McFarland ist jeweils ungefähr einen<br />

Monat lang damit beschäftigt, eines dieser Kunstwerke fertigzustellen.<br />

Dann aber begeistern die vollendeten Artefakte<br />

mit erstaunlichem Detailreichtum.<br />

040


McFarland ist sehr glücklich über die Tatsache, dass seine<br />

zu hundert Prozent aus Recycling reifen bestehenden Skulpturen<br />

auch einen Umweltaspekt erfüllen. Aber bis man dazu<br />

die Gelegenheit bekommt, sie in Gänze zu bewundern, vermitteln<br />

auch Fotos mit den abgebildeten Skulpturen einen<br />

guten Eindruck von der Arbeit dieses Künstlers.<br />

Seine künstlerische Karriere begann Blake McFarland allerdings<br />

als Maler. Er bildete bevorzugt Szenen am Meer in<br />

Acryl ab. Ein paar Jahre später verlangte es ihn nach etwas<br />

Spannenderem. So kombinierte er eine seiner besonderen<br />

Leidenschaften, das Surfen, mit Kunst, indem er lokale Bay-<br />

Area-Szenen auf Surfboards malte.<br />

Blake verwendet übrigens auch noch anderes Recyclingmaterial<br />

<strong>für</strong> sein künstlerisches Gestalten: recyclte Weinkorken<br />

(100 Prozent Natur), mit denen er sehr detaillierte Wandbilder<br />

in Schrift und Bild gestaltet. Der Künstler verwendet<br />

zwischen 200 bis 4.000 Weinkorken <strong>für</strong> jedes dieser Werke.<br />

Die Bilder fühlen sich angenehm natürlich an und machen<br />

sich großartig in jeder Art von Umgebung.<br />

Erst im Jahr 2013 ereilte ihn seine Berufung zum Reifenkünstler.<br />

Seine Reifenskulpturen sind die besten, detailliertesten<br />

und durchdachtesten Schöpfungen seiner noch<br />

jungen Karriere und die wichtigsten Werke seiner Künstlerlaufbahn.<br />

Für die Fertigstellung eines jeden seiner größeren<br />

Reifen-Werke braucht er etwa einen Monat Arbeitszeit.<br />

Blake freut sich nicht nur über die inzwischen sehr hohe<br />

Anziehungskraft seiner Kunstwerke, sondern auch über die<br />

Tatsache, dass die Artefakte nicht nur <strong>für</strong>s Auge attraktiv<br />

sind, sondern auch einen gewissen Öko-Bonus aufweisen:<br />

Jeder <strong>für</strong> seine Kunstwerke verwendete Reifen wird ja<br />

recycelt.<br />

Bilder: Blake McFarland<br />

Text: Karl Groß<br />

043


Das<br />

Adler-<br />

küken<br />

45


A<br />

Als junger Mann lebte er seine<br />

Kreativität aus mit antiken<br />

Pistolen und Schwertern,<br />

Silberschmuck und Skulpturen,<br />

Oldtimern und Häusern, vor allem<br />

aber mit Mode. Helio Ascari<br />

baute ein Design-Fahrrad <strong>für</strong> eine<br />

Modefirma, zog von Rio de Janeiro<br />

nach Sao Paolo, Mailand, München und Amsterdam,<br />

absolvierte in Oregon eine Lehre als Rahmenbauer, ließ<br />

sich einen Hipster-Bart wachsen und baut heute in New<br />

York Custom-Bikes. Mit selbstgeschweißten Rahmen,<br />

Gabeln, Vorbauten. Und seinem Partner, dem Rahmenbauer<br />

Gary Mathis. Sie veredeln die Räder mit Kupferschmuck,<br />

sägen, feilen und schleifen Rahmenschalthebel<br />

aus Holz und setzen Rubine ins Emblem. So ist<br />

das Modell King in diesem Artikel ein wenig wie guter<br />

Wein: Wenn es nur lange genug herumsteht, wird es<br />

wertvoll. Zu abgefahren, um es zu fahren. Umso besser<br />

lässt es sich anschauen. Oder hinstellen. Ins Wohnzimmer<br />

etwa. Ferraris kommen da<strong>für</strong> ja nicht mehr infrage.<br />

Klimawandel und so. Ein Ascari-Fahrrad schon. Da<br />

47


taugen sogar Luftpumpe, Ventilkappen und Seitenständer<br />

zum Angeben: alles handgemacht. Zugekaufte Teile<br />

sind meist entweder exklusiv (italienische Holzfelgen)<br />

oder getunet (handverzwirbelte Federn am Brooks) und<br />

nur in Ausnahmefällen Serienware (Schwalbe-Reifen<br />

von der Stange).<br />

Markantestes Extra aber sind die Lederwickel am<br />

Sitzrohr und an der Gabel. Diese Technik hatte er sich<br />

von seinem Vater abgeschaut, der hat Korbgriffe so<br />

dekoriert. Ascari lederumwickelt nicht nur Sitzrohre,<br />

sondern auch die Bügel von Sonnenbrillen und sogar<br />

Sicherheitsnadeln.<br />

Das alles unter dem Motto „Nach hinten schauen, um<br />

vorwärts zu kommen.“ Das meint Ascari vielleicht nicht<br />

nur im ästhetischen Sinne, sondern auch technisch –<br />

Rahmen und Gabel sind aus Chrom-Molybdän-Stahl,<br />

dem besten Material der frühen 90er Jahre. „Chromo-<br />

49


ly“, wie Liebhaber sagen, wiegt relativ wenig und rostet<br />

nicht so schnell wie billiger Stahl. Konifizierte Rohre, also<br />

mit verstärkten Enden und schlanker Mitte, sind nur wenige<br />

hundert Gramm schwerer als die leichtesten Aluminiumrohre<br />

und Stahlrahmen dämpfen äußerst komfortabel<br />

im Gegensatz zu den Steifigkeit/Gewichts-Testsiegern<br />

der Nuller-Jahre aus Aluminium. Je nach Einsatzgebiet<br />

kann Stahl also das bessere Rad sein. Ob ein Ascari also<br />

rückwärtsgewandte oder moderne Technologie bietet, ist<br />

eine philosophische Frage. Aber allzu moderne Technik<br />

unterstellen wir Herrn Ascari lieber nicht.<br />

Text: Tillman Lambert<br />

Fotos: Ascari<br />

51


ZWISCHEN KÜNSTLER UND MÖNCH<br />

KUNST AM RAD<br />

Japanisches Können mal ganz anders: Kosuke Masuda, der sich selbst als<br />

eine Person bezeichnet, die gern zwischen den Welten schwebt, graviert<br />

Fahrradlenker und andere Komponenten. Die jahrhundertealte Lehre des<br />

Buddhismus und High Tech-Materialien sind <strong>für</strong> ihn kein Widerspruch.<br />

Kosuke Masuda ist Künstler und Buddhistischer<br />

Mönch zugleich. Geboren 1978 in<br />

Yokohama, Japan, widmete er sich zunächst<br />

der Kunst, die ihn nach Neuseeland auf die<br />

Auckland University führte. Danach studierte er<br />

in Japan ‚Mikkyou‘ einen esoterischen Zweig des<br />

Buddhismus, den er auch heute noch praktiziert.<br />

Heute lebt der Vater von zwei Kindern, der sich<br />

selbst als eine Person ‚zwischen Künstler und<br />

Mönch‘ bezeichnet in einem Kloster. Seine Kunst<br />

ist vielseitig: Neben der darstellenden Kunst,<br />

bearbeitet Kosuke Masuda Fahrradkomponenten.<br />

Begeistert von den scharfen und klaren Linien<br />

des Meißels, folgte der Künstler vor einigen Jahren<br />

dem Rat eines fahrradbegeisterten Freundes,<br />

der ihm vorschlug Fahrradlenker zu gravieren.<br />

Der Künstler ließ sich auf die Idee ein, denn die<br />

Oberfläche der Komponente schien ihm bei genauerer<br />

Betrachtung selbst schon ein Kunstwerk<br />

zu sein.<br />

„Ich realisierte, dass Lenker Fahrradkomponenten<br />

sind, aber zugleich selbst schon ein wun-<br />

053


derbares Kunstwerk. Seitdem liebe ich es, mit<br />

dieser herrlichen Komponente zu arbeiten. Seine<br />

endlose Oberfläche inspiriert meine meditative<br />

Schaffenskraft.“<br />

Kosuke Masudas bevorzugtes Material ist Campagnolo,<br />

ein Material, auf das er sich hundertprozentig<br />

verlassen kann. Gefragt nach der Art<br />

und Weise, wie seine Kunstwerke entstehen,<br />

erklärt der Künstler in einem Interview: „Es<br />

gibt keine Regeln und keine fixe Arbeitsweise<br />

<strong>für</strong> mich. Manchmal sitze ich auf dem Boden,<br />

manchmal arbeite ich draußen, auf dem Balkon.<br />

Ich plane nicht. Auch eine Meditation kann man<br />

nicht planen. Ich halte die Komponente so lange<br />

in meinen Händen, drehe und wende sie, bis mir<br />

eine Idee kommt. Alles andere ist eine Meditation<br />

zwischen der Komponente und meinem<br />

Inneren. Normalerweise beginne ich mit einem<br />

zarten Punkt, mache ihn fester und arbeite<br />

weiter so, wie es sich gut anfühlt. Es ist wie das<br />

Zeichnen einer Linie, jede Linie besteht letztendlich<br />

aus Punkten.“ Kosuke Mazudas künstlerisches<br />

Werk ist tiefgründig und immer Ausdruck<br />

seiner Philosophie und seines Innersten. Sie ist<br />

054


055


eng verbunden mit seinem gelebten Buddhismus<br />

und führt dem Betrachter das ganz Kleine und<br />

das ganz Große zugleich vor Augen. Es verlangt<br />

viel Vorstellungskraft, aber auch innere Ruhe,<br />

um sich einzulassen auf die Vielzahl von in<br />

sich verwundenen und schier endlosen Linien<br />

und winzigen Punkten. In seinen Kunstwerken<br />

lassen sich Blumen, Blätter, Berge, Wellen,<br />

Sterne und sogar das Weltall erkennen und doch<br />

sind es immer nur Linien und Punkte, die ihre<br />

ganz eigenen Harmonien und Erscheinungsformen<br />

bilden. Kosuke Masuda meint dazu: „Ein<br />

Punkt kann ein Stern sein oder nur ein Punkt,<br />

es kommt darauf an, wie man ihn betrachtet<br />

oder welche Vorstellung man sich selber von all<br />

diesen Linien und Punkten macht. Die Wahrheit<br />

liegt nicht im Kunstwerk oder in der Natur. Die<br />

Wahrheit ist in unseren Seelen und Herzen,<br />

in dem, was wir Japaner ‚Kokoro‘ nennen. In<br />

meiner Arbeit zieht ein Punkt einen anderen<br />

nach sich und eine Linie die nächste bis schließlich<br />

die Konzentration von Punkten und Linien<br />

die Wahrheit unseres ‚Kokoro‘ ans Licht bringt.<br />

Es gibt keinen Anfang und keine Ende. Alles ist<br />

Harmonie und Vorstellungskraft.“ Auf die Frage,<br />

welches sein bisher schönstes Werk ist, gibt der<br />

Mönch zur Antwort: „Ich glaube, ich habe noch<br />

kein schönstes Werk. Als ich jedoch von meinem<br />

Freund hörte, dass sein gravierter Lenker rostig<br />

wurde vom Schweiß und vom Regen, fühlte<br />

ich, dass das Schönste die Vergänglichkeit der<br />

Schönheit ist. Sie wird niemals ausgestellt, sie<br />

tritt nur zutage, wenn meine Kunst ein Teil des<br />

Fahrrades wird und verwendet wird.“<br />

Text: Cornelia Bubb Bilder: Kei Hompo,Kosuke Masuda<br />

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SYSTEM MIT<br />

ZUKUNFT<br />

Der integrierte Crash-Sensor des neuen Helms von Cratoni<br />

registriert Stürze und informiert hinterlegte Kontaktpersonen.<br />

Die clevere App ist dabei nur eines von vielen durchdachten<br />

Features.<br />

Der SmartRide System-Helm bietet umfangreiche Funktionalitäten<br />

und beschreitet ganz neue Wege in der Systemintegration.<br />

Das revolutionäre Helmkonzept könnte schon bald den<br />

Alltag eines jeden Fahrradfahrers positiv verändern, denn ein<br />

wichtiger Pfeiler des SmartRide ist der „Crash-Sensor“, eine<br />

eigens entwickelte Cratoni-APP sowie die Fernbedienung,<br />

über die zahlreiche Funktionen wie zum Beispiel die integrierten<br />

Blinker und das Rücklicht gesteuert werden können. Der<br />

„Crash-Sensor“ registriert einen Aufprall und meldet - nach<br />

einer eingebauten Sicherheitsphase, in der man den Vorgang<br />

noch deaktivieren kann - einen eventuellen Sturz an die hinterlegten<br />

Kontaktpersonen zusammen mit einer exakten Standortbestimmung<br />

per GPS-Koordinaten. Trotz dieser Features wiegt<br />

der SmartRide nur 450 Gramm und ist mit seinen neun Ventilationsöffnungen<br />

sehr gut belüftet. Darüber hinaus verfügt er<br />

über Active Vent mit Schieber, so dass man die Belüftung mit<br />

einem simplen Handgriff selbst regulieren kann. Dadurch ist<br />

der SmartRide über das ganze Jahr hin ein idealer Kopfschutz.<br />

Dank „LFS best fit“-System bietet er einen hohen Tragekomfort<br />

und besitzt eine Gurtbandführung <strong>für</strong> vereinfachtes Aufsetzen.<br />

Im Lieferumfang enthalten sind auch die APP und die<br />

Fernbedienung. Zusätzlich sind ein Helmbeutel, das Steplock<br />

Schloss mit Kinnpolster und das abnehmbare Visier mit Feinarretierung<br />

dabei. Neben dem montierten Visier sind optional<br />

noch weitere Visiere erhältlich. Den Cratoni SmartRide gibt es<br />

in zwei verschiedenen Größen: Die kleinere Variante in S-M<br />

(Kopfumfang 54-58 cm) und in einer größeren Variante in M-L<br />

(58-61 cm). Preis: 349,95 Euro. www.cratoni.de<br />

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VON GÖTTERN<br />

UND FAHRRÄDERN<br />

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Hautnah die ungebremste<br />

Energie Indiens erfahren<br />

- Fotograf Kai Stuht reiste<br />

mehrere Monate auf einer<br />

alten Royal Enfield, dem<br />

Urbegriff eines indischen<br />

Motorrades, durch das Land<br />

der Gegensätze und Extreme. Nirgendwo sonst<br />

auf der Welt herrscht soviel Chaos und nirgendwo<br />

ist soviel Bewegung. Indiens Straßen bieten den<br />

Schauplatz <strong>für</strong> eines der letzten Abenteuer der<br />

Welt, sie sind die pulsierenden Schlagadern dieses<br />

Landes und seiner Menschen. Alles scheint sich<br />

von früh morgens bis spät in die Nacht zu bewegen,<br />

tausende LKWs, überfüllte Kleintransporter,<br />

Reisebusse vollgestopft mit 100 Menschen und<br />

noch 30 auf dem Dach. Familien mit fünf Personen<br />

auf dem Motorrad, der Mann mit Helm - wie<br />

es in Indien Pflicht ist - die Frau im Damensitz<br />

mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm hinten<br />

auf dem Motorrad und zum guten Schluss der<br />

älteste Spross auf dem Tank, alle natürlich ohne<br />

Helm. Genauso überladen wie die LKWs und<br />

Motorräder sind auch die Fahrräder. Was irgend<br />

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möglich ist, wird transportiert und wenn sich<br />

das Bike knirschend und ächzend kaum noch<br />

bewegt, dann schieben hinten zwei Helfer den<br />

Turm mit haufenweise Ware und ein bisschen<br />

Fahrrad durch Delhis Innenstadt. Es herrscht<br />

ein permanenter, ohrenbetäubender Lärm von<br />

laufenden Motoren und Hupen, die Luft ist so<br />

dick, dass man sie schneiden kann, verstaubt<br />

von den hunderttausenden sich bewegenden<br />

Reifen. Jeder Millimeter zwischen Rikscha<br />

und Luxus-Limousine, zwischen dem Lkw<br />

neben dem guten alten Ochsenkarren und<br />

umherspringenden Fußgängern wird ausgenutzt.<br />

Wer das Theater eine Weile beobachtet,<br />

stellt sich unwillkürlich die Frage,<br />

ob System in diesem Chaos steckt, oder<br />

ob schlicht und einfach alle reif <strong>für</strong> die<br />

Klapsmühle sind. Vielleicht ist daraus<br />

die Meditation entstanden, die Fähigkeit<br />

der Yogis zum völligen Abschalten.<br />

Anders ist nur schwer vorstellbar,<br />

wie der Tumult auf Dauer zu ertragen<br />

ist. Unser Fotograf jedenfalls<br />

fiel jeden Abend nur noch völlig<br />

erledigt ins Bett und fragte sich,<br />

wie er es geschafft hatte, den Tag<br />

zu überleben. Dabei waren Tage,


an denen er in einem Bett lag, das sauber war, gute<br />

Tage. Es kam auch vor, dass er das Bett nur nutzte,<br />

um darauf seine Isomatte und seinen Schlafsack<br />

auszubreiten. Und wenn sich nachts doch einmal<br />

eine Ratte auf sein Bett verirrte, dann schüttelte er<br />

innerlich nur den Kopf und schlief weiter. Denn<br />

nur im Traum ließen sich die vorbeiziehenden<br />

Bilder der langen Tage verarbeiten, die <strong>für</strong> ihn<br />

und sein Team bereits um 6.00 Uhr morgens<br />

begannen und täglich mindestens zehn<br />

Stunden auf dem Bike bedeuteten. Bunt, laut,<br />

schnell, schön, hässlich, abstrakt, all diese<br />

Worte reichen nicht aus, um die Verrücktheit<br />

und die Schönheit Indiens zu beschreiben.<br />

Es sind die unwiederbringlichen Momente<br />

und bewegenden Bilder, die sich tief in das<br />

Gedächtnis eingraben: Das nette Mädchen,<br />

das mit seinem Chicken-Bike vor der Kamera<br />

schüchtern posiert, am Fahrrad 50<br />

lebende, auf dem Kopf hängende Hühner<br />

festgebunden, die darauf warten, auf den<br />

nächsten Markt gefahren zu werden.<br />

Transporträder, wohin das Auge reicht.<br />

Alles wird auf das Fahrrad gepackt,<br />

es ist immer noch ein entscheidendes<br />

Transportmittel. Ohne Fahrrad geht in<br />

Indien gar nichts - und die Luft wäre<br />

noch viel schlechter.<br />

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Der Fotograf<br />

Kai Stuht hat sich auf das Fotografieren von VIPs,<br />

Promis und Modegrößen spezialisiert. Als Fotograf<br />

ch mit einer und Creative Director ist er ein weithin anerkannter<br />

internationaler Trendsetter, der seinen ganz<br />

mit Leica 12 mm<br />

2,5 mm objektiv eigenen Stil der Bildsprache entwickelt hat.<br />

en die Kamera 1964 geboren in Hamburg, begann er in den<br />

r zu stellen. 90er Jahren professionell zu fotografieren.<br />

Seine fotografische Entwicklung ging sehr<br />

schnell von der Actionfotografie über die<br />

Inszenierung von Sportlern als „Stars“ und<br />

Portraits bis hin zu Mode- und Kampagnen-<br />

Fotografie.<br />

1999 gründete er gemeinsam mit Tina<br />

Weisser die Kreativagentur <strong>für</strong> Foto und<br />

Konzept.<br />

Seit 2004 ist er Herausgeber und Chef-<br />

Redakteur des <strong>Magazin</strong>s „USELESS –<br />

Fashion vs. Athletes“ und „USELESS<br />

— The Red Flag“.<br />

2008 erfolgte die Aufnahme in die<br />

renommierte Fotoagentur „Contour<br />

by Getty Images“ als dritter deutscher<br />

Fotograf.<br />

Kai Stuht lebt und arbeitet als<br />

freier Künstler in Berlin.


Seine Camera, die LUMIX G9 von Panasonic, setzt neue Profi-<br />

Maßstäbe. Mit ihren vielfältigen Aufnahmefunktionen, extrem<br />

schnellen Reaktionszeiten und solider, kompakter Bauweise<br />

empfiehlt sie sich besonders <strong>für</strong> Reportage-, Action-, Sport- und<br />

Wildlife-Fotografie. Sie verfügt über Autofokus im Höchsttempo,<br />

Dual I.S. Bildstabilisator, großen OLED Sucher, 6K Fotofunktion<br />

und ist der ideale Begleiter <strong>für</strong> jedes Abenteuer.<br />

LUMIX G9<br />

VON PANASONIC<br />

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070


FAHRRADHOF<br />

ALTLANDSBERG<br />

Die Häuserfronten mit den<br />

hängenden Fahrrädern<br />

In einem macht der Fahrradhof Altlandsberg keiner was<br />

vor: Das ist die Außenwirkung. Weltweit ist er bereits in<br />

den Medien, egal ob print- oder online-mäßig, präsent<br />

gewesen.<br />

Dieses Bild mit den beiden Häuserfronten hatten<br />

bestimmt alle einigermaßen fahrradaffinen Menschen<br />

schon mal vor Augen, da über sie in den überregionalen<br />

Medien, von Calgary über Kapstadt nach Amsterdam<br />

bis nach Athen und sogar in Saudi-Arabien, berichtet<br />

wurde. Auch ein japanisches Fernsehteam war schon<br />

vor Ort und drehte Aufnahmen zur Einzigartigkeit des<br />

Fahrradgeschäfts.<br />

So wie diese Gebäudefronten wirkt auch das komplette<br />

Geschäft und der Mann, der hinter dem Ganzen steckt.<br />

Einzigartig und irgendwie krass ungewöhnlich, so wie<br />

die Geschichte und die Ideologie von Peter Horstmann,<br />

dem Geschäftsführer.<br />

1999 begann alles mit dem Ausbau einer ehemaligen<br />

Brauerei in Altlandsberg zum heutigen Fahrradhof.<br />

Zunächst verkaufte er auf nur 50 qm, heute sind es<br />

inzwischen 1.500 qm Ausstellungsfläche.<br />

Darauf bietet er über 1.000 Fahrräder zum Test und<br />

Kauf an.<br />

www.fahrradhof-altlandsberg.de<br />

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EINE BREMSE<br />

ZUM JUBELN<br />

Die MAGURA MT1893 Jubiläumsbremse<br />

gebaut als limitierte Sonderedition.<br />

Bilder: Magura<br />

Magura hat 125 Firmengeschichte hinter sich, anlässlich<br />

des Jubiläums, spendieren die Bad Uracher ihren Fans<br />

und Sammlern das Sondermodel MT1893.<br />

Das besondere Bremsenset der MT1893 Version basiert<br />

auf der MT7. Die Vier-Kolben Bremspower, in edler<br />

Chrom-Optik ist mit dem 1-Finger HC3 Hebel ausgestattet.<br />

Der in Zusammenarbeit mit Danny MacAskill entwickelte<br />

Bremshebel ist individuell einstellbar. Graviert<br />

mit dem Gründungsjahr-Logo und Seriennummer setzt<br />

die Jubiläumsedition auf ein besonders zeitloses Design.<br />

Im Lieferumfang sind zudem zwölf Blenden in unterschiedlichen<br />

Farben sowie eine edle Transportbox aus<br />

Holz enthalten. Die Stückzahl ist auf 1893 Sets limitiert.<br />

Das Erinnerungsstück kann von Fans und Sammlern<br />

zum Preis von 499,90 Euro erworben werden.<br />

Angestoßen durch das Feedback von Kunden und Athleten<br />

stellt das Traditionsunternehmen Ergonomie und<br />

Individualisierbarkeit in den Vordergrund. Sie sind die<br />

treibenden Themen der kommenden Saison. In diesem<br />

Zusammenhang bietet MAGURA <strong>für</strong> 2019 insgesamt<br />

vier verschiedene Bremshebel mit unterschiedlichen<br />

Ergonomien als Nachrüstoptionen an. Komplettiert<br />

wird das Produkt-Programm mit einer großen Auswahl<br />

farbiger Konfigurationsmöglichkeiten.<br />

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Auf den Spuren


der Kaiserjäger<br />

Wer zum Biken ins Trentino fährt, landet meistens am berühmten<br />

Gardasee oder genauer gesagt, in Riva oder Torbole.<br />

Nur wenige kennen die Bike-Region im Valsugana in der<br />

Gebirgskette Dolomiti Lagorai. Genau das macht auch den<br />

Charme dieser Region aus: traumhafte Touren und Trails abseits<br />

vom Massentourismus.<br />

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Zimmer mit Aussicht<br />

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Flow im Abendlicht


Atemberaubende Ausblicke<br />

Forte Verle, Forte Tenna und Forte Belvedere Gschwendt<br />

sind Befestigungsanlagen aus dem Ersten Weltkrieg, die<br />

sich zu einer einzigartigen Mountainbike-Tour verbinden<br />

lassen. Diese Forts wurden damals von den österreichischungarischen<br />

Kaiserjägern erbaut und markierten die<br />

Grenzlinie zu den Italienern. Wo damals erbitterte Stellungskriege<br />

stattfanden, verbirgt sich heute eines der<br />

schönsten und geschichtsträchtigsten Bike-Reviere der<br />

Alpen.<br />

ATEMBERAUBENDE AUSBLICKE UND HIS-<br />

TORISCHE HIGHLIGHTS<br />

Das erste Highlight der Tour zum „Sentiero della Pace“<br />

steht gleich zu Beginn auf dem Programm. Die berühmte<br />

Kaiserjägerstraße, eine schmale Straße, die während des<br />

Ersten Weltkriegs in den Berg gesprengt wurde, schlängelt<br />

sich acht Kilometer und 800 Höhenmeter am Hang empor.<br />

Erleichtert werden die Strapazen des Aufstiegs durch die<br />

einzigartigen Ausblicke über den Caldonazzo- und Levicosee.<br />

Die Straße ist gut asphaltiert und <strong>für</strong> den Verkehr<br />

freigegeben. Am Ende der Kaiserjägerstraße angekommen,<br />

erreichen wir das Hochplateau Altopiano di Vezzana.<br />

Endlich geht es Offroad weiter und die Steigung lässt etwas<br />

nach. Vorbei am Forte Verle zweigen wir bald auf einen<br />

Wanderweg ab, der uns auf rauem Untergrund kräfteraubend<br />

die letzten 250 Höhenmeter zum Gipfel führt. Oben<br />

eingetroffen klettern wir noch die letzten Meter über die<br />

Überreste der Befestigungsanlage Forte Cima di Vezzena<br />

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zum Gipfel auf 1.908 Meter Seehöhe. Ein atemberaubendes<br />

Panorama mit Blick über die südlichen Dolomiten bis hin<br />

zur Adamello Gruppe entschädigen <strong>für</strong> den anstrengenden<br />

Aufstieg.<br />

DER GEBÜHRENDE ABSCHLUSS<br />

Mit dem guten Gefühl, dass bereits 80 Prozent des Aufstiegs<br />

geschafft sind, geht es wieder hinunter auf die Hochebene.<br />

Hügelig und gespickt mit einigen Trails führt nun die<br />

Strecke auf den „100 Kilometri dei Forti“, einer ausgeschilderten<br />

Mountainbike-Strecke, nach Lavarone. Dort gibt<br />

es dann auch die lang ersehnte Cappuccino-Pause und ein<br />

Panino mit Speck und Käse aus der Region. Diese Stärkung<br />

braucht es dann auch <strong>für</strong> die letzten 200 Höhenmeter, die<br />

uns sanft ansteigend zum Startpunkt unseres heutigen<br />

Singletrails „Sentiero della Pace“ führen. Ein schmaler Trail,<br />

der technisch nicht zu anspruchsvoll, aber an manchen Stellen<br />

etwas ausgesetzt ist, erwartet uns nun. Bis auf zwei kurze<br />

Tragepassagen über Treppen ist der Trail gut fahrbar. Die<br />

Ausblicke auf das Valsugana sind wirklich beeindruckend.<br />

Leider bleibt bei diesem traumhaften Trail viel zu wenig<br />

Zeit, das Panorama zu genießen. Nach knapp 20 Minuten<br />

Fahrspaß, inklusive einiger Fotostopps, spuckt uns der Trail<br />

in Caldonazzo wieder aus, ehe es am Radweg gemütlich<br />

durch Apfelplantagen zurück nach Levico geht.<br />

Mountain Bike Holidays<br />

www.bike-holidays.com<br />

und historische Highlights


BURNING<br />

MAN<br />

Wo gibt es die verrücktesten<br />

Fahrräder zu sehen? Ganz sicher<br />

auf dem Burning Man, dem exzentrischen<br />

und weltweit einzigartigen<br />

Kultfestival der Hippies<br />

und Freaks. Jedes Jahr im Sommer<br />

findet das Event in der Wüste<br />

von Nevada statt.<br />

Zum 32. Mal jährt sich <strong>2018</strong> das skurrile Megafestival<br />

in der Black Rock Wüste im US-Bundesstaat<br />

Nevada. 70 000 Menschen kommen<br />

zusammen, um die lebensfeindliche Staubwüste<br />

<strong>für</strong> acht Tage lang in ein pulsierendes Zentrum der<br />

Kunst und Phantasie, der Freaks und Selbstdarsteller<br />

zu verwandeln. Nomen est Omen der Veranstaltung:<br />

Höhepunkt und Kern des extraordinären<br />

Happenings ist das Verbrennen einer menschlichen<br />

Statue, die jedes Jahr neu gestaltet wird und unter<br />

einem speziellen Motto steht. Ins Leben gerufen<br />

wurde das Ganze 1986 von einem Mann namens<br />

Larry Harvey. Angeblich aus Liebeskummer verbrannte<br />

er zusammen mit einer Gruppe von Freunden<br />

zur Sonnenwende eine Figur aus Holz. Fand<br />

das Feuerspektakel damals noch am Baker Beach in<br />

San Francisco statt, so wurde es schon wenige Jahre<br />

später in die Wüste von Nevada verlegt.<br />

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Zum einen wegen der stetig steigenden Teilnehmerzahlen,<br />

zum anderen, weil das Verbrennen<br />

der Holzfigur, die sich mittlerweile von 2,40<br />

Meter auf zwölf Meter gemausert hatte, verboten wurde.<br />

Heute ist das kultige Festival zugleich abgefahrene<br />

Kunstausstellung, Massenmagnet und Megabühne<br />

<strong>für</strong> Selbstdarsteller aller Art. Berühmt ist der Burning<br />

Man auch <strong>für</strong> seine besonders phantasievoll und ausgeflippt<br />

gestalteten Art Cars, die sogenannten ‚Mutant<br />

Vehicles’. Die einzig weiteren zugelassenen Fahrzeuge<br />

auf dem Gelände sind Fahrräder, die in ihren kunstvollen,<br />

exzentrischen und detailverliebten Designs<br />

den Art Cars in nichts nachstehen. Mountainbikes<br />

eignen sich am besten, um auf dem Wüstenstaub, der<br />

fein wie Puderzucker ist, vorwärtszukommen.<br />

Zeltstadt in der Wüste<br />

Mit 70 000 Menschen – das entspricht der Bevölkerungszahl<br />

einer mittelgroßen deutschen Stadt – hat<br />

das Festivain den letzten Jahren ein Maximum an Besuchern<br />

erreicht. Dabei übersteigt die Nachfrage nach<br />

Tickets schon lange das Angebot. Für die Dauer des<br />

Events entsteht auf dem Gelände eines ausgetrockneten<br />

eiszeitlichen Sees ‚Black Rock City’. Die Zeltstadt<br />

in der Wüste mausert sich in den Tagen des Burning<br />

Man zur drittgrößten Stadt im US-Bundesstaat Nevada<br />

mit Krankenhaus, Ordnungshütern, Feuerwehr<br />

und vielem mehr. Angeordnet in der charakteristischen<br />

Form eines C laufen ihre Straßen sternförmig<br />

zu auf die Statue des Burning Man, den geografischen<br />

wie symbolischen Mittelpunkt des Spektakels. Nach<br />

Beendigung des Festivals wird die Anlage Jahr <strong>für</strong><br />

Jahr komplett wieder abgebaut, denn keine Spuren<br />

auf dem Wüstenboden zu hinterlassen ist eines der<br />

Grundprinzipien der Veranstaltung.<br />

Lebt vom Mitmachen<br />

Auf die Beine gestellt wird das Mega-Event in der<br />

Hauptsache von einer Tausendschaft von freiwilligen<br />

Helfern und es lebt von der Kreativität der Teilnehmer.<br />

Freilich gibt es die BMO, eine Gruppe von<br />

„Vollzeit-Visionären“, wie die offizielle deutsche Webseite<br />

des Burning Man schreibt, die die Stadt plant,<br />

die Straßen anlegt und Toiletten sowie ein zentrales<br />

Camp und die Figur des Burning Man zur Verfügung<br />

stellt. Für alles andere ist jeder Teilnehmer selbst<br />

verantwortlich, denn radikale Selbstständigkeit ist ein<br />

weiteres Prinzip der Veranstaltung. Für die Inhalte<br />

des Spektakels sorgen ebenfalls die Besucher, es gibt<br />

keine bezahlten Künstler, die klassische Unterscheidung<br />

‚Zuschauer - Darsteller‘ existiert nicht.


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Wer kommt, sollte sich überlegen, was er zum<br />

Event beitragen kann, interaktiv, innovativ,<br />

so ausgefallen wie möglich, es gibt keine<br />

Beschränkungen. Jeder Teilnehmer bringt sich nach<br />

seinen Fähigkeiten ein, egal ob als Künstler, Eisverkäufer,<br />

freiwilliger Helfer oder Sanitäter. Daraus entsteht<br />

ein großes Team, eine homogene Gemeinschaft und ein<br />

tolles Gefühl der Zusammengehörigkeit.<br />

Survival Camp<br />

Die gesamte Verpflegung muss selbst mitgebracht werden,<br />

zu kaufen gibt es nur Eiswürfel und Kaffee. Getreu<br />

dem Motto ‚leaving no trace‘ müssen auch sämtlicher<br />

Müll und sogar die Abwässer wieder mitgenommen<br />

werden. Wer nicht genügend Wasser <strong>für</strong> die acht<br />

Tage mitbringt, wird gar nicht erst eingelassen. Eine<br />

Anleitung, wie man den Aufenthalt in der Wüste bei<br />

staubtrockenen Temperaturen von über 40 Grad nicht<br />

nur überlebt, sondern sogar angenehm verbringt, findet<br />

sich im Internet. Auf Werbung und Sponsoring wird<br />

weitgehend verzichtet. Mit einem Teil der Einnahmen<br />

aus dem Ticketverkauf werden die Planung des Events,<br />

Platzmiete und große Kunstwerke finanziert.<br />

Sexy Burner Girls<br />

Nackt sein gilt als völlig normal in der Hitze der Wüste,<br />

wird aber in der Mehrheit nicht so häufig praktiziert.<br />

Umso mehr stechen die minimalistischen und oft sehr<br />

heißen, crazy Outfits der Burnergirls ins Auge. Überhaupt:<br />

Kleidung ist auf dem exzentrischen Kultfestival<br />

von allergrößter Bedeutung. So innovativ und kreativ<br />

wie möglich soll sie sein. Und natürlich dem Gedanken<br />

der Selbstverwirklichung entsprechen.<br />

Am sechsten Tag erreicht das Spektakel seinen Höhepunkt<br />

mit dem Verbrennen der Statue und endet nach<br />

acht Tagen dann immer am ersten Montag im September,<br />

dem amerikanischen Labor Day.<br />

Magnetische Anziehungskraft<br />

Was genau den Geist von Burning Man ausmacht, lässt<br />

sich nur schwer beschreiben. Es gibt weltweit kein<br />

Event, das mit dem Burning Man vergleichbar wäre.<br />

Ist es der archaische, auch ein bisschen martialische<br />

Akt des ‚burning a man‘, bei dem auch eine esoterische<br />

Komponente eine Rolle spielt? Der lebensfeindliche,<br />

beinahe außerirdisch anmutende Schauplatz in<br />

der Staubwüste, der einen krassen Gegenpol zu dem<br />

lebensfrohen Festival bildet? Oder die kultig-kreative


088


Atmosphäre, sozusagen die letzte Bastion der<br />

Hippies und ihrer Philosophie, die ganz bewusst<br />

– soweit möglich – auf Konsum verzichtet<br />

und immaterielle Aspekte wie Kreativität,<br />

Individualismus, Selbstbestimmung, Freiheit<br />

und nicht zuletzt den Umweltgedanken in den<br />

Vordergrund stellt? Vermutlich macht es die<br />

Mischung einer Vielzahl von Komponenten, die<br />

sich <strong>für</strong> jeden der 70 000 Teilnehmer individuell<br />

zusammensetzen. Was allen Besuchern<br />

gemeinsam ist, ist die Trauer um Larry Harvey,<br />

einen der Gründer des Festivals, der im Alter<br />

von 70 Jahren verstorben ist und ohne den das<br />

Festival in diesen Jahr zum ersten Mal auskommen<br />

muss. Was aber weiterlebt, ist seine<br />

grandiose Idee, die Jahr <strong>für</strong> Jahr die Menschen<br />

magnetisch anzieht.<br />

Cornelia Bubb<br />

Fotos: Carnaval.com Studios, Ellie Pritts, Beth<br />

Scupham, Walter Sedriks, Finchick Kyrill


DER KLICK IM RICHT


IGEN AUGENBLICK<br />

Spannung gehört zum Sport:<br />

Manchmal ist es gar nicht der Kampf um den Sieg, der den Sport <strong>für</strong> die<br />

Zuschauer so interessant macht. Hier kämpfen Thomas Litscher und<br />

Manuel Fumic verbissen um den zehnten Platz beim World Cup in Nove Mesto.<br />

091


092


Fasination Mountainbikesport,<br />

er kann die<br />

Massen bewegen, hat<br />

Schnelligkeit, Dynamik,<br />

und neben Ausdauer und<br />

Durchhaltevermögen,<br />

braucht es in so mancher<br />

Situation auch eine gehörige<br />

Portion Mut. All<br />

das wäre schnell wieder<br />

vergessen, wären da nicht<br />

die Fotografen, die uns<br />

mit ihren fantastischen<br />

Bildern diesen Sport <strong>für</strong><br />

die Zukunft festhalten.<br />

Seit vielen Jahren ist Armin Küstenbrück mit<br />

seinem Team von EGO-Promotion auf den<br />

Veranstaltungen dieser Welt unterwegs, um<br />

uns diesen hochklassigen Sport, mit all seinen<br />

Facetten, wie packenden Zweikämpfen, Regenschlachten,<br />

unglaublichen Massen an Zuschauern,<br />

tragischen Zwischenfällen aber auch<br />

lustigen und glücklichen Momenten zu zeigen.<br />

Die nächsten Seiten sollen eine Hommage an<br />

all die Fotografen sein, die uns mit ihrem Einsatz<br />

rund um die Welt diesen außergewöhnlichen<br />

Sport näherbringen.


094


096


097


Machen sie sich selbst ein Bild von der unglaublichen Atmosphäre,<br />

von der Leidenschaft und dem Kampf ums Podium. Erleben<br />

sie beim Weltcup-Finale Ende August in La Bresse Frankreich<br />

und Anfang September bei der WM in Lenzerheide Schweiz,<br />

Armin M. Küstenbrück<br />

Seit 2001 fotografiert Armin M. Küstenbrück<br />

(Jahrgang 1970) professionell die deutsche<br />

und internationale Mountainbike-Szene und<br />

hat sich vor allem durch seinen Fokus auf<br />

das Cross-Country-Renngeschehen einen<br />

Namen gemacht. Zu seinen Kunden zählen<br />

neben Mountainbike-Zeitschriften im In- und<br />

Ausland vor allem die großen Profiteams wie<br />

Scott-SRAM, Cannondale Factory Racing<br />

oder BMC. Aber auch junge Nachwuchsmannschaften unterstützt der<br />

schwergewichtige Autodidakt. Heute reist er mit bis zu fünf Mitarbeitern<br />

von Februar bis Oktober dem Cross-Country-Zirkus folgend<br />

durch die Welt. Seit 2008 vermarktet er die Bilder unter dem von ihm<br />

gegründeten Label „EGO-Promotion“.<br />

Thomas Weschta<br />

Der 1990 geborene<br />

Franke ist<br />

selbst aktiver<br />

Rennfahrer und<br />

studierte Design<br />

an der Hochschule<br />

Nürnberg:<br />

das drückt sich<br />

vor allem in der<br />

künstlerischen Umsetzung der Rennbilder<br />

aus. Seit 2011 immer wieder mal dabei,<br />

ist er mittlerweile zu einem der tragenden<br />

Pfeiler von EGO-Promotion geworden.<br />

098


welch große Leistungen die Sportler, aber auch die Veranstalter und<br />

nicht zu vergessen die Fotografen und Berichterstatter vollbringen.<br />

Mit ein wenig Glück, können sie eventuell den einen oder anderen<br />

Fotografen/in dieser Bilder treffen.<br />

Andreas Dobslaff<br />

2014 bis 2017 fotografierte<br />

Andreas<br />

Dobslaff (*1981)<br />

<strong>für</strong> das Team von<br />

EGO-Promotion<br />

und prägte dessen<br />

Stil ganz erheblich<br />

mit. Mittlerweile<br />

ist der in Köln<br />

lebende Fotograf wieder eigenständig<br />

im Auftrag von <strong>Magazin</strong>en, Teams und<br />

Sponsoren in der Mountainbike-Szene<br />

unterwegs.<br />

Lynn Sigel<br />

studiert<br />

Politikwissenschaften<br />

und Geographie<br />

an der<br />

Universität in<br />

Freiburg. Ihr<br />

Ziel ist aber<br />

der Journalismus.<br />

Gut, dass sie dabei auch gut<br />

mit der Kamera umzugehen weiß<br />

und Emotionen und Action gemeinsam<br />

in einer neuen Bildsprache<br />

„rüberbringen“ kann.<br />

Max Fuchs<br />

Noch ist der<br />

erst 17-Jährige<br />

von der Schwäbischen<br />

Alb<br />

Schüler, doch<br />

seine Photos<br />

drücken bereits<br />

heute eine<br />

hohe Professionalität<br />

aus: als ehemaliger Cross-<br />

Country-Fahrer hat er ein Gespür <strong>für</strong><br />

die Action im Rennen und ein Auge<br />

<strong>für</strong> die Szenen daneben.<br />

099


100


FUORIPISTA<br />

ERGOMETER<br />

Sport und Design vereint in einem Traum<br />

aus Holz, Glas und Metall zum Preis von<br />

14.000,- Euro.<br />

Bilder: Elite<br />

Das in Italien hergestellte Fuoripista ist ein Interaktives Fahrrad<br />

mit Ergometer und verleiht der Fitness-Übungswelt einen<br />

Hauch von Flair: Adriano Design – Gewinner mehrerer internationaler<br />

Auszeichnungen – entwickelte <strong>für</strong> Elite ein ikonisches<br />

Rad, das skulpturale und architektonische Schönheit mit<br />

bemerkenswerter Funktionalität verbindet und Trainingseinheiten<br />

ermöglicht, die ein echtes Straßenrennen originalgetreu<br />

nachstellen. Durch seinen besonderen Style wird das stationäre<br />

Fahrrad zu einem „Fitness-Accessoire“ und zum Eyecatcher <strong>für</strong><br />

jede Wohnung: Fuoripista ist aus Holz, Glas und verchromtem<br />

Aluminium gefertigt und mit Brooks-Leder überzogen. Das<br />

imprägnierte Holz wird so behandelt, dass es sogar Schweißflecken<br />

und Spritzern von Energy-Drinks standhält.<br />

Der Großteil des „Straßengefühls“ <strong>für</strong> den Biker kommt vom<br />

20 Kilo-Schwungrad - der gigantischen Glasscheibe vorne. Das<br />

macht es zu einem der größten physikalischen Schwungräder<br />

im Indoor-Trainingsraum. Außerdem verfügt das Fahrrad über<br />

eine verstellbare Höhe der Sattelstütze mit einer verdeckten<br />

Klemme und eine verstellbare Position des Lenkers, um beim<br />

Einpassen zu helfen. Technische Features sind ein integrierter<br />

Powermeter mit +/- 2,5 Prozent Genauigkeit und eingebauten<br />

„virtuellen Shiftern“, die den Widerstand des seidenweichen<br />

(und leisen) Fahrens erhöhen oder verringern.<br />

Trainierende können die stylische Fitness-Traummaschine<br />

entweder im Stand-alone-Modus fahren oder aus einer Vielzahl<br />

von virtuellen Trainingsprogrammen auswählen.<br />

0101


FRAU<br />

SURAJANI<br />

FÄHRT FAHRRAD<br />

IN BANGKOK<br />

TEXT UND BILDER: ANDREAS BURKERT<br />

103


des Stadtzentrums. Wer jemals den Straßenverkehr<br />

der Millionenmetropole mit eigenen<br />

Augen gesehen hat, weiß, dass weder die<br />

Regeln <strong>für</strong> den Spurwechsel noch die <strong>für</strong> die<br />

zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten<br />

werden. Zwar gelten die ThailänderInnen als<br />

sichere AutofahrerInnen. Nicht aber, wenn<br />

sie übermüdet, betrunken oder aber jung und<br />

männlich und damit übermütig sind.<br />

Das weiß Frau Surajani auch. Und sie fährt<br />

auch deshalb generell auf dem Bürgersteig.<br />

Weil Frau Surajani ihr Leben<br />

liebt, meidet sie - wie<br />

der Teufel das Weihwasser<br />

- die Fahrradwege in Bangkok. Vor 15<br />

Jahren hat sich die heute 62-Jährige ein<br />

einfaches Fahrrad leisten können. Ein<br />

Damenrad unbekannter Herkunft. Mit<br />

dem radelt sie nun täglich die Thanon<br />

Sathu Pradit entlang. Eine vielbefahrene,<br />

mehrspurige Straße, irgendwo am Rande


Gehwegen montiert haben, normalen Fußgängern<br />

zum Verhängnis werden kann, dann<br />

ist die Gefahr <strong>für</strong> die Radfahrer noch um<br />

einiges größer. „Mai pen rai“, erklärt mir Frau<br />

Surajani. „Passt schon!“<br />

Bike for Dad zu Ehren Königs Bhumibol<br />

Das Fahrrad erfreut sich im Königreich immer<br />

größerer Beliebtheit. Immerhin setzte<br />

sich auch Thailands König Bhumibol Adulyadej<br />

oft aufs Zweirad, wie zahlreiche Bilder aus<br />

Allerdings soll an dieser Stelle nicht verschwiegen<br />

werden, dass auch diese Alternative<br />

nicht ungefährlich ist. Von eiligen<br />

Motorradtaxis abgesehen, die entgegen der<br />

Fahrtrichtung auch den Bürgersteig nutzen,<br />

um sich einen Umweg zu ersparen, erfordert<br />

der Zustand des Gehwegs größte Aufmerksamkeit.<br />

Wenn wacklige Gehplatten,<br />

hervorstehende Metallstützen und das, was<br />

übereifrige Bewohner sonst noch so auf den<br />

105


seinem Nachlass zeigen. Und als das Land<br />

am 5. Dezember 2015 den 88sten Geburtstag<br />

des Monarchen feierte, ehrten ihn auch<br />

mehr als eine halbe Millionen Menschen mit<br />

einer ausgiebigen Fahrradtour. Angeführt<br />

wurde das Bike-for-Dad-Event vom Kronprinzen<br />

und heutigen König Maha Vajiralongkorn.<br />

Der ist im Übrigen ein begeisterter<br />

Radsportler. Im bayerischen Tutzing<br />

nutzt der neue König von Thailand seine<br />

Freizeit unter anderem auch, um dort mit<br />

einem seiner Söhne die bayerische Landschaft zu<br />

erkunden.<br />

In Thailand führt er dagegen jedes Jahr am<br />

5. Dezember die radelnden Massen an. Darunter<br />

zahlreiche Ausländer, Botschafter und Diplomaten<br />

aus 24 Ländern. Dass diese Veranstaltung in<br />

allen 77 Provinzen des Landes stattfand, auch in<br />

der von Gewalt beherrschten südlichen Region,<br />

ist bemerkenswert. Und selbst in Metropolen<br />

von 52 Ländern setzten sich viele Thais aufs Rad.<br />

Während in Bangkok knapp über 100.000 Radler


aller Altersklassen mitfuhren, fanden sich<br />

zur längsten Tour, die rund 129 Kilometer<br />

von Trat nach Klong Yai verlief, nur 400<br />

Radfahrer zusammen.<br />

Thailands Radler haben ein<br />

Faible <strong>für</strong> Moulton<br />

Die 432 Mitglieder, die der Moulton Bicycle<br />

Club Thailand mittlerweile aufweist, sind<br />

eingefleischte Fans der eigenartigen britischen<br />

Fahrradmarke Moulton. Das Faltrad<br />

mit den auffällig kleinen Rädern und der<br />

besonderen Gitterrohrrahmen-Konstruktion<br />

passt mit seinem Very-british-Design<br />

zur Eigenart der thailändischen Mobilität.<br />

„Auf die Straße würde ich damit jetzt nicht<br />

fahren wollen“, erzählt mir Thanud Ruchdaponkul,<br />

der den Moulton Bicycle Club<br />

Thailand leitet und der mir <strong>für</strong> einen Tag<br />

eines seiner Moulton-Räder zur Verfügung<br />

stellt. Mit dem Hinweis, dass es mit einem<br />

Moulton auch gelingt, Geschwindigkeits-<br />

107


ekorde aufzustellen und Langstrecken zu<br />

bewältigen.<br />

Das traue ich mir nicht zu. Wegen der Kondition,<br />

aber auch wegen der Busse, der Taxis<br />

und vor allem wegen der Motorradfahrer.<br />

„Die drängeln sich oft mit hoher Geschwindigkeit<br />

seitlich an den Fahrzeugen vorbei<br />

und nehmen dabei auch schlimme Unfälle<br />

in Kauf“, erzählt er mir später am Nachmittag.<br />

Ein Clubmitglied wurde so im vergangenen<br />

Jahr schwer verletzt. Deshalb fährt nun<br />

auch Thanud auf Gehwegen. Außer an den<br />

Wochenenden. Da trifft er sich mit einigen<br />

Vereinsmitgliedern und radelt „außerhalb“<br />

der Stadt. Dort nämlich haben die Behörden<br />

in den vergangenen Jahren gut ausgebaute<br />

Radwege angelegt. Ein in hellem Blau angelegter<br />

Fahrradweg nahe des alten Flughafens<br />

Don Mueang (DMK), rund 24 Kilometer<br />

nördlich von Bangkok, führt mehrere Kilometer<br />

durchs Land. Ein beliebtes Ziel <strong>für</strong><br />

Familienausflüge und sportliche Radler.


Foto: fotolia/Robert Kneschke<br />

Eine Herausforderung mit dem Fahrrad anzunehmen,<br />

bei der die Aussicht auf Erfolg gering ist,<br />

macht das Ganze erst interessant,<br />

denn nur dann kannst Du das Gegenteil beweisen.<br />

Wir nehmen die Herausforderung an:


110


MY VOLTA GATES<br />

URBAN BAMBUS<br />

E- BIKE<br />

Bilder: myBoo<br />

my Boo fertigt gemeinsam mit seinem Partner „Yonso Project“,<br />

einem sozialen Projekt in Ghana, das my Volta Gates,<br />

ein Elek-trorad mit einem Rahmen aus Bambus.<br />

Jedes my Volta Gates ist prinzipiell ein Unikat und wird in<br />

etwa 80 Stunden Handarbeit gefertigt. Das my Volta Gates ist<br />

ein urbanes Elektrorad <strong>für</strong> die Stadt. Ausgestattet mit leichter<br />

Starrgabel und dem Shimano Mittelmotor E6000.<br />

Dazu verbauen sie den wartungsarmen und zuverlässigen<br />

CDX-Zahnriemen von Gates, mit hochwertigen und besonderen<br />

Komponenten, wie einem Brooks Flyer aged Ledersattel,<br />

Birkenrindengriffe, Schwalbe Little Big Ben Reifen, Nexus 8<br />

Gang Nabenschaltung und hydraulische Scheibenbremsen<br />

von Shimano.<br />

Optional kann die Schaltung frei konfiguriert werden, z.B. mit<br />

einer Alfine 11-Gang oder Rohloff 14-Gang Nabenschaltung.<br />

Das My Volta Gates gibt es in den Größen:<br />

48, 52, 55, 58, 61 cm, mit einem Diamant- oder Trapezrahmen<br />

aus Bambus.<br />

Mit einem Gewicht von ca. 25 Kilogramm, einer Reichweite<br />

von ca.120 km, reiht sich das Urbane Trekking Elektrorad<br />

dann bei den Guten ein, der Preis von 4.499 Euro, ist allerdings<br />

auch kein Pappenstiel.<br />

111


DIE KOMBI AUS NATUR<br />

UND TECHNIK<br />

NACHHALTIG. SOZIAL. EINZIGARTIG.<br />

DAS IST DAS ZIEL UND DIE PHILOSOPHIE, DIE HINTER MY BOO STEHT.<br />

Das Kieler Social Start Up my Boo fertigt, gemeinsam<br />

mit seinem Partner „Yonso Project“, einem<br />

sozialen Projekt, in Ghana Bambusfahrräder und<br />

verbindet dabei erfolgreich konkretes soziales<br />

Engagement, ein innovatives Produkt und<br />

nachhaltiges wirtschaftliches Handeln! Jedes Bambusfahrrad ist<br />

nicht nur sozial wie ökologisch nachhaltig, sondern einzigartig<br />

und wird in liebevoller Handarbeit gefertigt. Herzstück aller<br />

Bambusfahrräder ist der in Ghana hergestellte Fahrradrahmen<br />

aus Bambus, der sich durch seine natürlichen Eigenschaften als<br />

perfektes Material <strong>für</strong> Fahrradrahmen auszeichnet.<br />

NACHHALTIG PERFEKT<br />

Bambus ist eine der am schnellsten nachwachsenden Pflanzen<br />

der Welt. Nach der Ernte wächst er innerhalb von 2 Jahren<br />

wieder auf die Höhe nach, die <strong>für</strong> den Bau eines Fahrradrahmens<br />

benötigt wird. Dabei bindet er außerdem noch extrem viel CO2.<br />

Durch einzelne Kammern und eine dicke Außenwand ist der<br />

ghanaische Bambus extrem stabil, steif und gleichzeitig leicht -<br />

perfekte Eigenschaften <strong>für</strong> Fahrräder.<br />

DER JUGEND EINE PERSPEKTIVE GEBEN<br />

Grundgedanke des Konzeptes ist es, dass jedes my Boo Bambusfahrrad<br />

nachhaltig etwas Gutes in Ghana bewirkt. Deswegen arbeitet<br />

my Boo mit dem Yonso Project zusammen, einem sozialen<br />

Projekt, das vor allem die Jugendarbeitslosigkeit vor Ort in Ghana<br />

bekämpft. Alle Gewinne, die in Ghana über das Yonso Project<br />

gemacht werden, fließen in verschiedene Bildungsprojekte. Ein<br />

Großteil des Geldes finanziert Schulstipendien in der Region.<br />

Inzwischen baut my Boo gemeinsam mit dem Yonso Project<br />

eine eigene Schule in direkter Nähe zum Workshop Gebäude.<br />

Zusätzlich erhalten mittlerweile rund 35 Ghanaer einen festen<br />

Arbeitsplatz mit fairem Lohn und Perspektive. Eine Sicherheit,<br />

die nur wenige junge Menschen in der Ashanti Region erlangen.<br />

EINZIGARTIG UND INDIVIDUELL<br />

Ein kleines Team baut die Rahmen in liebevoller Handarbeit im<br />

ländlichen Mampong District in Zentral-Ghana. Bisher konnten<br />

so schon mehr als 50 junge Menschen ausgebildet und ihnen<br />

eine bessere Zukunft ermöglicht werden! Ebenso konnte durch<br />

die Unterstützung von my Boo ein neues Workshop-Gebäude<br />

entstehen, das deutlich besser zum Bau von Fahrradrahmen<br />

geeignet ist. Jeder Rahmen ist absolut einzigartig, gefertigt in 80<br />

stündiger Handarbeit.<br />

Die Bambusrahmen sind von einem renommierten deutschen<br />

Prüfinstitut auf Herz und Nieren nach den EN-Normen <strong>für</strong><br />

Fahrräder getestet. Eine hochwertige Lackierung in Deutschland<br />

schützt die Rahmen vor Wind und Wetter. In der eigenen Manufaktur<br />

in Kiel werden die Rahmen von ausgebildeten Zweiradmechanikern<br />

zu individuellen Rädern endmontiert und europaweit<br />

über rund 80 Fahrradfachhändler vertrieben. Dabei werden ausschließlich<br />

zuverlässige und hochwertige Marken-Komponenten<br />

verbaut. Es entsteht eine einzigartige Kombination aus einem<br />

Naturrohstoff und technischer Raffinesse.<br />

DIE IDEE<br />

Die Idee, Bambusfahrräder auf sozial und ökologisch nachhaltige<br />

Weise auf dem deutschen Markt zu etablieren, entstand bereits<br />

im Sommer 2012. Durch einen Zufall sind die beiden Gründer<br />

Maximilian Schay und Jonas Stolzke während des Studiums auf<br />

den Rohstoff aufmerksam geworden. Ein Freund hatte während<br />

seines freiwilligen sozialen Jahres in Ghana ein ähnliches Bambusfahrrad<br />

gesehen.<br />

Seitdem arbeiten die beiden an der Idee, aus der heute ein Social<br />

Business geworden ist. Seit April 2014 verkaufen sie die optisch<br />

einzigartigen Bambusfahrräder. Doch wichtiger bleibt nach wie<br />

vor die Geschichte hinter den Bambusfahrrädern. Ihr sozialer<br />

Ansatz bei der Bambusfahrrad-Produktion ist weltweit einmalig.<br />

113


24 STUNDEN LEIDEN<br />

NICOLA WALDE UND IHRE LEIDENSCHAFT<br />

FÜRS EXTREMRADELN<br />

Nie zuvor ist es einem Menschen gelungen, aus eigener Kraft mehr als<br />

1219 Kilometer weit zu kommen. Erst der Rekord-Fahrradathlet Christian<br />

von Ascheberg konnte vor acht Jahren diese beachtliche Leistungsgrenze<br />

setzen. Und nun also will eine Frau den Rekord. Nicola Walde ist da<strong>für</strong><br />

prädestiniert. Sie ist athletisch, hat Ehrgeiz und konnte Opel von ihrem<br />

Vorhaben überzeugen. Der Automobilhersteller war einst größter Radproduzent<br />

der Welt. Ihr Dank aber geht vor allem an Daniel Fenn. Der<br />

hat das Liegerad entwickelt, mit dem sie im Opel Test Center in Rodgau-<br />

Dudenhofen Geschichte schreiben wird.<br />

114


© Opel


Das Velomobil wiegt nur 14 Kilogramm und wurde von Daniel Fenn konstruiert. © Opel<br />

Das Leiden der Nicola Walde wird irgendwann<br />

in den frühen Morgenstunden ihren Höhepunkt<br />

finden. Das weiß auch sie nur zu gut.<br />

„Es ist ein verdammt schmerzhaftes Vorhaben“,<br />

erzählt sie uns im Interview, wenige<br />

Stunden vor ihrem Martyrium, dass sie selbst gewählt hat,<br />

auf dass sie sich aber minutiös mit ihrem Partner vorbereitet<br />

hat. Innerhalb von nur 24 Stunden will sie mit ihrem<br />

Liegerad mehr als 1219 Kilometer weit fahren. Das wäre ein<br />

Weltrekord. Allerdings keiner wie viele andere.<br />

Im August 2010 schaffte es nämlich der Rekord-Fahrradathlet<br />

Christian von Ascheberg die 1219 Kilometer innerhalb<br />

von genau 24 Stunden abzuradeln. Als Gefährt nutzte er ein<br />

Milan-Dreirad, gekapselt und stromlinienförmig verkleidet.<br />

Damit erreichte er eine Durchschnittsgeschwindigkeit von<br />

50,8 km/h. Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit<br />

gelang es einem Menschen, aus eigener Kraft eine Entfernung<br />

von 1219 Kilometer an einem Tag zurückzulegen. Jetzt<br />

probiert es Nici Walde - das Duell Frau gegen Mann geht in<br />

die finale Runde.<br />

DANIEL FENNS<br />

GENIAL LEICHTE KONSTRUKTION<br />

In diesen aerodynamisch geformten 1,44 Kubikmeter also<br />

soll das bisher Unmögliche zu schaffen sein. Das aus Carbon<br />

gefertigte 257 Zentimeter lange, 64 Zentimeter breite<br />

und 88 Zentimeter hohe Gefährt hat Daniel Fenn konstruiert.<br />

Das Modell M des Velomobilkonstrukteurs musste<br />

allerdings <strong>für</strong> die 24 Stunden in allen Belangen optimiert<br />

werden. Die Wahl der 29-Zoll-Reifen, die er im Angebot<br />

von Schwalbe (Variante Big One) fand, war da nur eine<br />

Frage der Abwägung zwischen Geschwindigkeit und Trägheitsmoment.<br />

Bei den anderen Komponenten gewann jenes<br />

Teil, das bei maximaler Steifigkeit das geringste Gewicht<br />

vorweisen konnte.<br />

So wiegt etwa die Lenkeinheit plus Querlenker nur 330<br />

Gramm. Inklusive aller anderen Bauteile, die am Velomobil<br />

verbaut wurden, summiert sich das Gewicht des vollgekapselten<br />

Liegerads auf nur 14 Kilogramm. Damit sind laut<br />

ersten Messungen gerade einmal 100 Watt notwendig, um<br />

auf einer Ebene eine Dauergeschwindigkeit von etwa 56 bis<br />

116


-57 Kilometer pro Stunde zu halten. „96 Watt sind <strong>für</strong> mich<br />

kein Problem“, erzählt Nici uns kurz vor dem Start. „Aber 102<br />

Watt sind auch drin“. Bleiben also nur noch die Schmerzen.<br />

Über die reden wir auch noch.<br />

IN DER NACHT KOMMEN DIE SCHMERZEN<br />

„Irgendwann in der Nacht werden sie da sein“, ist die Athletin<br />

sich sicher. Vor allem der direkte Kontakt zum Fahrrad wird<br />

schmerzhaft sein. Dann erzählt sie, wie sich beim Training<br />

der Nerv unter der Fußsohle entzündet hat. Den Muskelkater<br />

Einen schlecht passenden Sitz spürt man nämlich sofort.<br />

Damit Nicola Walde nicht nach der Halbzeit am Sitz verzweifelt,<br />

wurde die Sitzschale mehrmals mit Gips bestrichen, auf der die<br />

Sportlerin sich dann mehrmals setzen musste, um einen getreuen<br />

Abdruck zu hinterlassen. Das Liegerad wurde damit peu-apeu<br />

der zierlichen Sportlerin maßgeschneidert angepasst. Erste<br />

Fahrversuche stimmten beide zuversichtlich. Nun war es an der<br />

Zeit, eine ebene, <strong>für</strong> solch einen Weltrekord geeignete Fahrbahn<br />

zu finden. Das Opel Test Center in Rodgau-Dudenhofen wurde<br />

durch eine glückliche Fügung gefunden. Dazu später mehr.<br />

Die beiden oberen Bilder zeigen die Oberschale in der Form, daneben die Unterschale. Wegen der geringen Wandstärke von nur 0,8 mm<br />

erhält die Konstruktion seine Stabilität erst mit dem Zusammenbau. Die unteren beiden Bilder zeigen den Einbau des Freilaufs.<br />

Dieser wird direkt an an die CFK-Verkleidung angebracht. (c) Daniel Fenn<br />

<strong>für</strong>chtet sie nicht so sehr. Auch deshalb hat Daniel Fenn viel<br />

Engagement in der ergonomisch korrekten Konstruktion der<br />

Sitzschale investiert. Da er selbst Ausdauersportler ist, weiß<br />

er nur zu gut, dass einem ein mittelmäßig guter Sitz erst nach<br />

vielen hundert Kilometern den letzten Nerv rauben wird.<br />

DIE UNGEWÖHNLICHE KARRIERE<br />

DER NICOLA WALDE<br />

Es sind immer die Zufälle, die das Leben schreiben. Bei<br />

Nicola Walde aber scheinen es auch die außergewöhnlichen<br />

Umstände wenn nicht gar Katastrophen zu sein, die ihren


Ein heftiger Regenschauer bremst die Jagd auf den 24-Stunden-Weltrekord aus. © Opel<br />

Weg vorherbestimmen. „Ungeplant, geboren bei Sturmflut<br />

am Rande von Hamburg an einem dieser Ökowochenenden<br />

im Dezember 1973 mit autofreiem Sonntag“, fasst sie <strong>für</strong><br />

uns in einem Satz ihren Werdegang bis zur Einschulung<br />

zusammen. Später verlief ihr Leben selbstbestimmter.<br />

Aufgewachsen in Hamburg, machte sie dort 1993 ihr Abitur<br />

und schlug anschließend beruflich eine musikalische Karriere<br />

ein, die zugleich mit mehreren Ortswechseln einherging.<br />

Zum Musikstudium zog Nici Walde zunächst nach Berlin<br />

und anschließend nach München.<br />

Seit 1999 ist sie als Profi-Fagottistin unterwegs, war unter<br />

anderem an der Staatsoper, am Theater Augsburg, beim<br />

Münchener Kammerorchester und der Philharmonie der<br />

Nationen engagiert. Dazu ging es mit Konstantin Wecker<br />

und der Mozartband auf Tour, bis sie schließlich ihre eigene<br />

Rockband gründete. Und seit 2004 ist sie unverzichtbares<br />

Mitglied beim Polizeiorchester Bayern. Der Ausdauersport<br />

aber ließ sie nicht los. Schon in der Jugend entdeckte<br />

sie ihre Begeisterung <strong>für</strong> die Langstrecke, Fünf-<br />

Kilometer-Läufe, Zehn-Kilometer-Läufe – hier holte sie<br />

die Teammedaille im Zehn Kilometer-Straßenlauf bei den<br />

Deutschen Meisterschaften – und Triathlon-Erfahrungen<br />

in der Regionalliga waren der nur 1,51 Meter großen<br />

Sportlerin nicht genug. Dann kam ihr das Schicksal dazwischen.<br />

SUCHE FRAU FÜR 24 STUNDEN<br />

Zu einer Zeit, als die gebürtige Hamburgerin bereits<br />

zahlreiche Leistungen <strong>für</strong> sich verbuchen konnte, wollte<br />

sie mehr. Nur da<strong>für</strong> fehlte ihr ein passendes Rad. Und<br />

dem bayerischen Velomobil-Entwickler Fenn fehlte <strong>für</strong><br />

seine Konstruktion eine geeignete Athletin, in dem von<br />

118


ihm selbst konstruierten und in Handlaminat gefertigten<br />

Velomobil einen Weltrekord fahren könne. Das Ganze im<br />

Übrigen unter dem Post: „Suche Frau <strong>für</strong> 24 Stunden“.<br />

Nicola Walde meldete sich. Kurz darauf ging es gemeinsam<br />

auf den Lausitzring.<br />

Zwölf Stunden trat Walde mit durchschnittlich knapp<br />

49 km/h in die Pedale. Gut 585 Kilometer später stieg sie<br />

mit dem Weltrekord aus. So ist sie bereits seit 2015 im<br />

Besitz des so genannten 12Stunden-HPV-Weltrekordes<br />

chen Erfolgs- wurde zugleich auch eine Lovestory.<br />

ERST BREMST DER REGEN,<br />

DANN HEU IM RADKASTEN<br />

Die Tage um den 28. Juli <strong>2018</strong> waren sehr heiß. Die<br />

kreisrunde, ohne jeglichen Makel angelegte Fahrbahn<br />

im Opel Test Center in Rodgau-Dudenhofen bot also<br />

beste Voraussetzungen. Motiviert beginnt Nicola Walde<br />

die Fahrt mit rekordverdächtigen 53 km/h, nimmt dann<br />

Oben Links: Neben der Fahrerin war noch Platz <strong>für</strong> die Verpflegegung. (c) Kay Tkatzik Oben Rechts: Der Lenker ist spartanisch und gewichtsoptimiert. (c) Kay Tkatzik<br />

Unten Links: Die Klingel ist natürlich nur zur Erprobung angebracht. (c) Daniel Fenn Unten rechts: Die Wandstärke des Modell M beträgt nur 0,8 mm. (c) Daniel Fenn<br />

(Human Powered Vehicles e.V.) <strong>für</strong> Damen. In den vergangenen<br />

Jahren knackte sie weiter fleißig Bestmarken:<br />

2016 stellte sie eine Weltbestleistung über 24 Stunden sowie<br />

über 1.000 Kilometer auf und wurde 2017 zum dritten<br />

Mal Weltmeisterin im vollverkleideten Liegerad. Seitdem<br />

immer an ihrer Seite: Daniel Fenn. Denn aus der sportliin<br />

der 13. Runde weiter Tempo auf und schafft es bis<br />

18. Runde auf 55 km/h. Während die Beobachter unter<br />

der Hitze litten, zog sie wie ein Uhrwerk ihre Runden<br />

mit nahezu konstanter Geschwindigkeit. Nach knapp<br />

vier Stunden hatte sie bereits 230 Kilometer zurückgelegt.<br />

Zwei Stunden später waren es 320 Kilometer. Die


DER MOTOR SIND DEINE BEINE<br />

UND DER TREIBSTOFF DEIN HERZ<br />

© Opel<br />

Unterstützer fingen an zu kalkulieren.<br />

Bei dem Tempo, das sie bis dahin gehalten hat, dürfte<br />

sie den Weltrekord irgendwann am frühen Morgen brechen.<br />

Etwa eine Stunde vor Ablauf der offiziellen Zeit.<br />

Wären da nicht die Gewitterwolken, die gegen 17 Uhr<br />

die Strecke flutete und der Fahrerin die Sicht nahm.<br />

Die Geschwindigkeit fiel auf 30 km/h, eine Weile gar<br />

auf 12 km/h ab. Erst eine Stunde später schaffte sie<br />

wieder ihr vorgegebenes Tempo von rund 50 km/h.<br />

Noch immer bremste die regennasse Fahrbahn, später<br />

loses Stroh zwischen den Radkästen. Nach 131 Runden,<br />

kurz vor Mitternacht, nutzten die Betreuer dann die 35<br />

Minuten Pause, um mehrere Hände voll Heu aus den<br />

Radkästen zu holen. Das alles kostet Kraft.<br />

EIN NEUER WELTREKORD IST GESCHAFFT<br />

Der Wiederantritt gelingt mit einem merkbar niedrigeren<br />

Gesamtschnitt von etwa 46 km/h. Nach 14 Stunden hat sie<br />

so erst 670 km absolviert. Dann kommt mit der Sonne und<br />

einem kurzen Frühstück die Kraft wieder. Bis kurz vor Sonnenaufgang<br />

schafft sie die 900 km Marke. Um 7:50 kratzt<br />

sie am aktuellen Weltrekord von Petra von Fintel (1011km).<br />

Nicola Walde aber bleiben noch 2 Stunden 40 Minuten.<br />

Nach 1000 Kilometer will sie es nun wissen und erhöht das<br />

Tempo von 46 auf 51 km/h. Dann stellt sie um 8:47 den<br />

neuen Weltrekord auf. 1088 Kilometer in 24 Stunden.<br />

Eine besonderen Dank geht an Opel, der das ehrgeizige<br />

Projekt fördert, „weil Anspruch und Haltung von Nici Walde<br />

auch den Geist der Marke und des Unternehmens widerspiegeln“,<br />

erzählt uns ein Unternehmenssprecher.<br />

Text: Andreas Burkert<br />

120


Für die gesamte Konstruktion waren mehr als 400 Arbeitsstunden erforderlich. Erst dann passte das Velomobil perfekt zur Fahrerin.<br />

Die Bilder zeigen die aus Carbon gefertigte Unterschale mit dem integrierten Fahrwerk. (c) Daniel Fenn<br />

DIE 24-STUNDEN-MUSKELKRAFT-REKORDFAHRTEN<br />

Weltrekorde mögen das Opel Test Center in Rodgau-<br />

Dudenhofen. Vom Wald umgebenen und damit recht windunanfällig,<br />

bietet die Hochgeschwindigkeits-Rundbahn<br />

beste Bedingungen <strong>für</strong> Fahrrad-Rekordversuche.<br />

Im August 1999 stellt sich Radsportler Lars Teutenberg<br />

mit seinem vollverkleideten Liegerad „White Hawk“ an<br />

die Startlinie. Das aerodynamisch optimierte, 90 Zentimeter<br />

niedrige und nur 46 Zentimeter breite Rad verfügt<br />

über Kohlefaserverkleidung und rahmen. Bei idealen<br />

Wetterbedingungen um 20 Grad Celsius tritt der Kölner<br />

in die Pedale seines 18,5 Kilogramm leichten Gefährts.<br />

Während der Fahrt beschleunigt er zwischenzeitlich auf<br />

fast 90 km/h – und legt als erster Mensch aus eigener<br />

Muskelkraft mehr als 80 Kilometer in einer Stunde<br />

zurück.<br />

Doch das ist dem ehrgeizigen Radrennfahrer nicht genug:<br />

Im ständigen sportlichen Wettkampf mit dem Kanadier<br />

Sam Whittingham verbessert Teutenberg am 27. Juli<br />

2002 seinen eigenen Weltrekord auf 82,6 Kilometer in<br />

60 Minuten. Genau zwei Jahre und vier Tage später, am<br />

31. Juli 2004, hat wiederum Sam Whittingham die Nase<br />

vorn – ebenfalls in Dudenhofen. Der Kanadier schafft auf<br />

der Rundbahn in der gleichen Zeitspanne nochmal 1,62<br />

Kilometer mehr und hebt die Messlatte auf 84,22 gefahrene<br />

Speedbike-Kilometer pro Stunde an.<br />

Einen weiteren Weltrekord im Liegerad nimmt sich 2010<br />

der erfolgreiche Trondheim-Oslo-Fahrer Axel Fehlau<br />

vor. Er legt am 9. Oktober im Opel Test Center auf seiner<br />

„Speedhawk“ in sechs Stunden 426,8 Kilometer zurück.<br />

Damit übertrifft er die alte Rekordmarke deutlich um<br />

mehr als 50 Kilometer. Die Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

schraubt er so von vormals 65 auf über 71 km/h hoch.


GEHT MIT UNS<br />

DEN NÄCHSTEN SCHRITT<br />

Der Name des <strong>Magazin</strong>s ist Programm:<br />

Wir lassen dem Projekt freien Lauf.<br />

Wann, wo und mit welchen Themen<br />

die nächste <strong>Ausgabe</strong> erscheinen wird, steht<br />

zum jetzigen Zeitpunkt noch in den Sternen.<br />

Lasst euch überraschen!<br />

Verlag<br />

VeloTotal GmbH<br />

Münchberger Straße 5<br />

D-93057 Regensburg<br />

Tel.: +49 (0)9 41/7 96 07-0<br />

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Herausgeber<br />

Johann Fink<br />

Chefredaktion<br />

Johann Fink<br />

Redaktion<br />

Ulrich Fillies, Andreas Burkert,<br />

Gerda Obermeier, Cornelia Bubb,<br />

Michael Wagner. Urban Cycling,<br />

Wolfgang Scherreiks<br />

Grafik<br />

VeloTotal GmbH<br />

Brigitte Kraus, Lisa Espig<br />

Fotos<br />

Lisa Espig<br />

Anzeigenleitung<br />

Michael Wagner<br />

Tel.: +49 (0)9 41/7 96 07-44<br />

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per ISDN: +49 (0)9 41/7 96 07-67<br />

Vertrieb<br />

Griebsch & Rochol Druck GmbH<br />

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Druck<br />

Griebsch & Rochol Druck GmbH<br />

59069 Hamm<br />

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Für unverlangt eingesandte Manuskripte,<br />

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wird keine Haftung übernommen!


Die höchste Form des Glücks ist<br />

ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit


Die besten<br />

Trails der<br />

Alpen<br />

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