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Integrationshemmnis Leiharbeit - Otto Brenner Shop

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ma nie einen Betreuer meiner Zeitarbeitsfirma.<br />

Nur am Wochenschluss muss ich den<br />

Stundenzettel unterschreiben.<br />

Das läuft sonst alles über Telefon. Ich fühle<br />

mich hier wie im Gefängnis, ich sitze hier<br />

und warte auf einen Anruf der Zeitarbeitsfirma.<br />

Seit zehn Jahren bin ich nirgendwo<br />

hingekommen. Ich habe eine Tochter, die<br />

lebt mit ihrer Mutter in Baden-Württemberg,<br />

doch die habe ich schon seit<br />

drei Jahren nicht mehr gesehen. Da ich keinen<br />

Unterhalt bezahlen kann – meine Wohnung<br />

kostet 445 Euro, ich bekomme ca.<br />

850 Euro von der Leihfirma und 165 Euro<br />

vom Jobcenter –, darf ich auch meine Tochter<br />

nicht sehen .… Ich unterhalte schon eine<br />

große Tochter, die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma.<br />

Für die Dauer des Sprachkurses fühlte ich<br />

mich integriert, aber jetzt habe ich keinen<br />

Kontakt zu anderen Deutschen. Nur in der<br />

Arbeit. Ich habe zwar viele Bekannte, aber<br />

keine Freunde, denn wenn du kein Geld<br />

hast, dann kannst du dir nichts leisten und<br />

hast auch keine Freunde. Von meinen fünf<br />

Schwestern sind noch drei ebenfalls in<br />

<strong>Leiharbeit</strong>. Bei Familienfesten wird zumeist<br />

über das Thema <strong>Leiharbeit</strong> gesprochen.<br />

Mein Schwager, der fest angestellt ist,<br />

sagt: Ich kann das Gejammer nicht mehr<br />

hören.<br />

Ich habe bei meiner letzten Arbeit mit einem<br />

jungen Deutschen zusammengearbeitet.<br />

Er hat das noch nicht oft gemacht, und<br />

er stellte sich sehr ungeschickt an. Ich korrigierte<br />

ihn, darauf beschwerte er sich über<br />

mich, weil er sich von einem Ausländer<br />

nicht bevormunden lasse. In meiner jetzigen<br />

Firma sind vor allem viele Albaner beschäftigt,<br />

weil der Chef auch Albaner ist. Er<br />

sorgt für seine Leute, das finde ich gut. Die<br />

haben immer Arbeit.“<br />

Auf die Frage, ob er nach Deutschland gekommen<br />

wäre, wenn er gewusst hätte, was ihn erwartet,<br />

steht er auf und verlässt das Zimmer.<br />

Als er wenig später wieder zurückkommt, sieht<br />

man, dass er geweint hat.<br />

6.6. Resümee<br />

Migranten sind weder auf dem ersten Arbeitsmarkt<br />

und noch viel weniger auf dem <strong>Leiharbeit</strong>smarkt<br />

mit Einheimischen gleichgestellt,<br />

da <strong>Leiharbeit</strong> durch ihre Scharnierfunktion zusätzliche<br />

Handlungs- und Entscheidungsebenen<br />

eröffnet, welche die Gefahren von strukturellen,<br />

institutionellen und interpersonalen<br />

Diskriminierungen für Migranten im Vergleich<br />

zu Einheimischen vervielfachen. Sie sind häufig<br />

aufgrund ihres Aufenthaltsstatus gezwungen,<br />

jegliche Arbeit anzunehmen, leiden unter<br />

der Nichtanerkennung ihrer mitgebrachten Abschlüsse<br />

und stoßen bei Ämtern und Unternehmen<br />

auf hohe institutionelle Barrieren. Diese<br />

berufliche Statusabwertung sowie der vorangegangene<br />

Prozess der Migration stellen für viele<br />

Betroffene eine hohe emotionale Belastung<br />

dar, die, verbunden mit der instabilen Einbindung<br />

in einen Arbeitsplatzkontext, die Gefahr<br />

einer psychischen Erkrankung erhöht.<br />

Zudem verfügen viele durch die kulturelle,<br />

arbeitsmarktpolitische und rechtliche Soziali-<br />

MIGRANTEN AUF DEM LEIHARBEITSMARKT<br />

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