arabische halbinsel - Globetrotter

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16.12.2012 Aufrufe

Fjordlandschaft. Spektakuläres Musandam (links). Bootsfahrt. Morgenstimmung über dem Wasser, und plötzlich sind Delfi ne da (oben u. Mitte). Schmuggelware. Ein Katzensprung über die Meerenge nach Iran (unten). Gepfl egte Stadt. Muscat im Abendlicht (rechts o.). Gespräch. Über Gott und die Welt (rechts unten). kenne. Ich bin irritiert, als ich erfahre, dass er erst 23 Jahre alt ist. Seit 9 Jahren steuert er Touristenboote – langweilen tut ihn das inzwischen, gibt er zu. Vielleicht wird er sich bald einen anderen Job suchen, gutes Gehalt hin oder her. Sein Freiheitsdrang scheint unzähmbar – aber was soll man auch anderes von einem erwarten, der hier aufwuchs? Der Schule hat er nie viel abgewonnen. Mit dem Schnellboot wurde er jeweils abgeholt und nach Khasab ins Internat gefahren. Nach Hause kam er nur am Wochenende. «Immerhin hast du dort spitzenmässig Englisch gelernt, ich habe in Khasab niemand getroff en, der besser spricht», meine ich ehrlich. Mohel korrigiert mich trocken: «In der Schule? Nein, das Englisch habe ich durchs Fernsehschauen gelernt!» Als ich ihn nach seinem Lieblingsfi lm und -schauspieler frage, kommt die Antwort ohne nachzudenken, ebenso wie mein prustendes Lachen. Natürlich, Mohel fühlt sich mit Johnny Depp alias Captain Jack Sparrow von «Pirates of the Caribbean» verbunden. Dann sind sie plötzlich da, im blauen Wasser direkt neben unserer Bordwand. Delfi ne! In kleinen Gruppen tümmeln sich die Meeressäuger übermütig in den Bug- und Heck- arabische halbinsel wellen des Schiff s. Während einer Stunde paradieren wir mit dröhnendem Schiff smotor auf und ab, die Tiere immer in unserem Schlepptau. Versteckspiel mit der Familie. Von Musandam fl iegen wir ins Machtzentrum des Sultanats, nach Muscat. Die kleine Propellermaschine startet in einem engen, Palmen bestandenen Wadi, dem Tal von Khasab. Als wir endlich in der Luft sind und über die spektakuläre Bergwelt fl iegen, denke ich: Zum Glück hat «meine Familie» in Muscat keinen Wind davon bekommen, dass wir schon heute einschweben. Denn sollten sie erfahren, dass wir hier sind, haben wir keine freie Minute mehr. Verständlich, dass man uns beim ersten Be- 27

such nach acht Jahren in Beschlag nehmen wird. Also habe ich uns mit falschen Ankunftsdaten zwei freie Tage erschwindelt, in denen wir einiges erledigen können. Muscats einstöckiger Flughafen ist überschaubar, um nicht zu sagen provinziell. An einem neuen Luftdrehkreuz wird allerdings gebaut. Wir nehmen uns einen Mietwagen und rollen über grosszügigen Autobahnen durch die Stadt, vorbei an weissen zwei- und dreistöckigen Häusern, die ein mediterranes Flair verströmen. Gepflegt und weitläufig ist Muscat: Auf 60 Kilometer Länge erstrecken sich die Siedlungen der Capital-Area am Indischen Ozean. Von den rund 2,5 Millionen Omanis und der knappen Million Gastarbeiter lebt fast die Hälfte im Grossraum der Hauptstadt. In Mutrah, der Hafengegend, beziehen wir ein günstiges Quartier mit Blick auf die Uferpromenade und das Souk-Viertel. Grosse Shopping-Malls geben uns die Gelegenheit, unsere Ausrüstung für die Weiterfahrt zu ergänzen. Wir schreiben Blog-Beiträge, sichten Bilder der vergangenen Tage und erkunden den Markt von Mutrah, der alles hat, was ein Souk so braucht: einen Stoffmarkt, einen Goldmarkt, Andenkenläden, Lebensmittelgeschäfte und solche mit Parfüm und grossem Weihrauchsortiment. Schliesslich kaufen wir Blumen, omanische Süssigkeiten und andere Geschenke, lassen unsere Frisur beim indischen Barbier zähmen, parfümieren uns und werfen uns in Schale. Nun sind wir endlich bereit für den Familienbesuch. Kurz nachdem ich meine omanische Mobilnummer per SMS verschickt habe, klingelt das Handy. «Grüass Gott!». Die vertraute Stimme von Quasim begrüsst mich stilecht auf Bayrisch! Er, sein Bruder Azzan, die Frauen und Kinder warten schon ganz aufgeregt auf unser Eintreffen. Und wie freue ich mich jetzt, sie wiederzusehen! Der lange Bart von Qasim ist weisser geworden, ansonsten sieht er aus wie immer. Der gleiche Schalk sitzt ihm in den Augen. Vorwurfsvoll weist er auf einen schönen alten BMW, den er sonst als Zweitwagen benutzt: «Warum habt ihr ein Auto gemietet? Ich habe doch einen Wagen 28 GLOBETROTTER-MAGAZIN frühling 2010 Besuch in Muscat. Wie die eigene Familie (oben). Nizwa. Markt wie in biblischen Zeiten (unten). Spontane Einladung. Er ist in den Bergen verwurzelt (ganz unten). Abgelegen. Enge Wadis und schroffe Berge in den Hajar Mountains (rechts). für euch!» Die fünf Kinder von Qasim und die vier von Azzan sind gross geworden. Die ältesten Söhne tragen inzwischen mächtige Vollbärte wie ihre Väter. Aischa, Qasims Tochter, hat uns einen wunderbaren Kuchen gebacken, und eine Buchstabengirlande «Marhaba Hartmut» ziert den Eingang. Wir übergeben die Geschenke, erzählen von unseren Reiseerlebnissen und was die letzte Zeit sonst alles geschah. Dann gibt es Essen. Für Johannes hatte ich extra «Sansibar-Küche» gewünscht. Von Sansibar nach Oman. Ich habe Qasim Ar-Rawahi vor 15 Jahren in Sansibar kennengelernt, wo er – wie ich auch – zu einem Besuch weilte. Wir trafen uns seither immer wieder in grösseren Abständen, wenn ich Oman bereiste oder wenn Qasim und sein Bruder Azzan für ihren Arbeitgeber in München Fortbildungen besuchten – was seine rudimentären Bayrisch-Kenntnisse erklärt. Die Frauen der beiden begegneten mir anfangs sehr zurückhaltend. Aber als ich schliesslich als Mitglied der Grossfamilie angesehen wurde, normalisierte sich der Umgang. Über die Jahre lernte ich zumindest einen Teil meiner neuen «Verwandtschaft» kennen. Es sind viele Piloten, Ärzte, Professoren und Ingenieure darunter. Und Onkel Seif, der Kalligraph. Der Einzige, der die Schönschreiberei vom Familiengründer geerbt hat. Wegen dieser Gabe war der Urgrossvater Ende des 19. Jahrhunderts als junger Bursche als Schreiber an den Hof des Sultans nach Sansibar berufen worden. Bis zur sozialistischen Revolution Mitte der Sechzigerjahre gehörten die Ar-Rawahis zur herrschenden omanischen Schicht auf der ostafrikanischen Nelkeninsel. Sie besassen riesige Ländereien, bevor sie wegen der Revolution ins Ausland fliehen mussten und alles verloren. Nun ist auch Onkel Seif mit 85 Jahren schon ein Greis, der aber mit fester Stimme von dem Grauen dieser Tage erzählt und die Odyssee durch Ostafrika und Arabien schildert. Das Schicksal wies ihm schliesslich seinen Platz als Kalligraph am Hofe von Sultan Qaboos in Muscat zu. Erstaunlicherweise hat es Sultan Qaboos geschafft, Oman seit 1970 aus den mittelalterlichen Zuständen zu lösen und ins 21. Jahrhundert zu führen, ohne dass die moralischen und kulturellen Werte wie Familie, Gläubigkeit und Gastfreundschaft, aber auch Selbstbewusstsein, Respekt gegenüber anderen und die Weltoffenheit darunter gelitten hätten. Kein Mensch in Oman bezweifelt, dass es die Umsicht des Sultans war, die dem Land diese neue, glanzvolle Epoche und den Bürgern Freiheit, Modernität und Wohlstand beschert hat. Für Qasim ist es natürlich völlig unakzeptabel, dass wir die nächsten Tage, an denen wir immer wieder etwas gemeinsam unternehmen, im Hotel wohnen. Daher hat er bei seinem unverheirateten jüngeren Bruder Salim eine grosszügige Bleibe für uns besorgt, wo wir bis zur Abreise unterkommen. Johannes ist vom Ausmass der Herzlichkeit ziemlich überrollt, schliesslich ist er direkt in die Riege der Familie mit aufgenommen worden. Markttag in Nizwa. Nach dem Abschied von der Familie brechen wir mit einem geräumigen Geländewagen auf ins Landesinnere. Auf der anderen Seite der bis zu 3000 Meter hohen Bergkette der Hajar Mountains liegt Nizwa, die frühere Hauptstadt, die auch Sitz des Imamats und religiöses Zentrum des

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Bootsfahrt. Morgenstimmung über dem Wasser,<br />

und plötzlich sind Delfi ne da (oben u. Mitte).<br />

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Gepfl egte Stadt. Muscat im Abendlicht (rechts o.).<br />

Gespräch. Über Gott und die Welt (rechts unten).<br />

kenne. Ich bin irritiert, als ich erfahre, dass er<br />

erst 23 Jahre alt ist. Seit 9 Jahren steuert er<br />

Touristenboote – langweilen tut ihn das inzwischen,<br />

gibt er zu. Vielleicht wird er sich<br />

bald einen anderen Job suchen, gutes Gehalt<br />

hin oder her. Sein Freiheitsdrang scheint unzähmbar<br />

– aber was soll man auch anderes<br />

von einem erwarten, der hier aufwuchs?<br />

Der Schule hat er nie viel abgewonnen. Mit<br />

dem Schnellboot wurde er jeweils abgeholt und<br />

nach Khasab ins Internat gefahren. Nach<br />

Hause kam er nur am Wochenende. «Immerhin<br />

hast du dort spitzenmässig Englisch gelernt,<br />

ich habe in Khasab niemand getroff en,<br />

der besser spricht», meine ich ehrlich. Mohel<br />

korrigiert mich trocken: «In der Schule? Nein,<br />

das Englisch habe ich durchs Fernsehschauen<br />

gelernt!» Als ich ihn nach seinem Lieblingsfi lm<br />

und -schauspieler frage, kommt die Antwort<br />

ohne nachzudenken, ebenso wie mein prustendes<br />

Lachen. Natürlich, Mohel fühlt sich mit<br />

Johnny Depp alias Captain Jack Sparrow von<br />

«Pirates of the Caribbean» verbunden.<br />

Dann sind sie plötzlich da, im blauen Wasser<br />

direkt neben unserer Bordwand. Delfi ne!<br />

In kleinen Gruppen tümmeln sich die Meeressäuger<br />

übermütig in den Bug- und Heck-<br />

<strong>arabische</strong> <strong>halbinsel</strong><br />

wellen des Schiff s. Während einer Stunde paradieren<br />

wir mit dröhnendem Schiff smotor<br />

auf und ab, die Tiere immer in unserem<br />

Schlepptau.<br />

Versteckspiel mit der Familie. Von Musandam<br />

fl iegen wir ins Machtzentrum des<br />

Sultanats, nach Muscat. Die kleine Propellermaschine<br />

startet in einem engen, Palmen bestandenen<br />

Wadi, dem Tal von Khasab. Als wir<br />

endlich in der Luft sind und über die spektakuläre<br />

Bergwelt fl iegen, denke ich: Zum Glück<br />

hat «meine Familie» in Muscat keinen Wind<br />

davon bekommen, dass wir schon heute einschweben.<br />

Denn sollten sie erfahren, dass wir<br />

hier sind, haben wir keine freie Minute mehr.<br />

Verständlich, dass man uns beim ersten Be-<br />

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