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Eva, Sphinx und Amazone - KOBRA

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zuprangern, mit der sie angeblich<br />

ihre neugeborenen Söhne töteten<br />

<strong>und</strong> ihre rechte Brust dem Kampfgeist<br />

im Bogenschießen opferten.<br />

Trotzdem sind die beiden Frauen<br />

durchaus feminin; ihre langen Haare<br />

<strong>und</strong> faltenreichen Röcke konstituieren<br />

einen reizvollen Gegensatz<br />

zum knielangen Waffenrock <strong>und</strong><br />

betonen eine fremde <strong>und</strong> doch in<br />

vielem vertraute Weiblichkeit. Wären<br />

nicht die Beschreibung des<br />

grausamen Handeins <strong>und</strong> die militante<br />

Bewaffnung, so könnte die<br />

zierliche Schönheit durchaus auf<br />

geordnete höfische Lebensformen<br />

deuten.<br />

Versehrte Karper<br />

Doch fremde Frauen konnten sich<br />

offensichtlich nur profilieren, wenn<br />

sie ihr Geschlecht mit männlich<br />

konnotiertem Verhalten überspielten.<br />

Verb<strong>und</strong>en war dies häufig mit<br />

der Versehrtheit des Frauenkörpers.<br />

Befähigte also speziell das<br />

Fehlen einer Brust zur Wahrnehmung<br />

männlicher Aufgaben? Zumindest<br />

korrespondierte die Abweichung<br />

in Sitten <strong>und</strong> Gebräuchen<br />

nicht selten mit körperlicher<br />

Signifikanz. Ranulf Higden erwähnte<br />

in der Mitte des 14. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

neben dem männlichen<br />

Kampfstil insbesondere das Fehlen<br />

der rechten Brust als typisches<br />

Kennzeichen der in Asien angesiedelten<br />

<strong>Amazone</strong>n. Daneben stellte<br />

er noch die Hermaphroditen, die<br />

als Kreaturen beiderlei Geschlechts<br />

denselben körperlichen Defekt aufweisen<br />

würden. In der Herefordkarte<br />

gehören diese doppelgeschlechtlichen<br />

Wesen zu den Erdrandvölkern<br />

in Äthiopien.<br />

Das Welterleben der <strong>Amazone</strong>n<br />

Trotz der wachsenden Skepsis der<br />

Kartographen besiedelten die<br />

<strong>Amazone</strong>n bis zum 15. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

die mappaem<strong>und</strong>i. Die Borgia-Karte<br />

(um 1430) bildete diese militanten<br />

Weiber nicht nur im Nordosten ab,<br />

sondern rechnete sie auch unter die<br />

berühmten Frauen, namentlich die<br />

Kämpferin Pentesilea, die jeden mittelalterlichen<br />

Trojaroman bereicherte.<br />

Der Salzburger Benediktiner<br />

Andreas Walsperger verwies<br />

in seiner nach arabischem Vorbild<br />

gesüdeten Weltkarte von 1448 die<br />

<strong>Amazone</strong>n mit einem kurzen Text<br />

<strong>und</strong> ohne Illustration in die Weiten<br />

Asiens auf halber Strecke zwischen<br />

Jerusalem <strong>und</strong> dem Paradies. Und<br />

in gewisser Entfernung davon<br />

nennt er einen anderen spektakulären<br />

Frauentyp, die auf einer<br />

Halbinsel im Indischen Ozean lebenden<br />

bärtigen Frauen, von deren<br />

Existenz die klassischen Autoren<br />

<strong>und</strong> der Hamburger Geschichtsschreiber<br />

Adam von Bremen berichteten.<br />

Selbst der überaus kritische<br />

Fra Mauro konnte nicht vermeiden,<br />

die Provinz der <strong>Amazone</strong>n<br />

gewissenhaft, obwohl sehr bescheiden<br />

zu verzeichnen.<br />

Noch im Katalanischen Weltatlas<br />

(1375) erschien die Region der<br />

Frauen ( Regio Femnarum) als ein<br />

isoliertes Frauenreich in Ceylon,<br />

genannt lila fana, auf der eine langhaarige<br />

weibliche Herrschergestalt<br />

thront, die durch das übergroße<br />

Schwert in der Rechten an eine<br />

<strong>Amazone</strong>nkönigin erinnert (Abb.<br />

12). Ansonsten figuriert sie majestätisch<br />

in mittelalterlich europäischem<br />

Stil mit einer goldenen<br />

Krone auf dem Haupt, einem<br />

Reichsapfel in der Linken <strong>und</strong> einem<br />

faltenreichen Gewand in<br />

prunkvollen Farben.<br />

Die Vorstellung vom <strong>Amazone</strong>nland<br />

als Umkehrung der eigenen<br />

kulturellen <strong>und</strong> sozialen Geschlechterordnung<br />

prägte nahezu<br />

alle mittelalterlichen Weltkarten<br />

vom 12. bis zum 15. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

Im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden die<br />

streitbaren Frauen gleichsam als<br />

bleibende Gefahr für die europäische<br />

Ordnung nach Südamerika<br />

transferiert. Was waren die Gründe<br />

für diese kontinuierliche Versetzung?<br />

Die Kartographen verschoben<br />

die <strong>Amazone</strong>n in drei Schritten:<br />

zuerst zu den barbarischen Völkern<br />

im Norden Europas, dann in die<br />

Steppen Asiens oder Afrikas <strong>und</strong><br />

zuletzt nach Südamerika an den<br />

Amazonas. Ein solcher Transfer<br />

folgte der literarischen Tradition,<br />

die gleichsam die Existenz solcher<br />

Weiber garantierte, <strong>und</strong> dem aktuellen<br />

Erfahrungshorizont Verblüfft<br />

hatte man das Phänomen der<br />

Kämpferinnen bei den zentralasiatischen<br />

Steppenvölkern der Mongolen<br />

wahrgenommen, deren recht eigenständige<br />

Frauen an der nomadischen<br />

Kriegführung teilnahmen<br />

<strong>und</strong> die europäischenBeobachter<br />

durch herausragendeFähigkeiten<br />

im<br />

Bogenschießen<br />

<strong>und</strong> Reitenüberraschten.<br />

Das<br />

spätere Pendant<br />

in Südamerika,<br />

ein<br />

Gefecht mit<br />

eingeborenen<br />

kriegerischen<br />

"<strong>Amazone</strong>n",<br />

beschrieb vor<br />

allem Gaspar<br />

de Carvajal,<br />

Teilnehmer<br />

an der Amazonas-Expedition<br />

von<br />

1542. Die persönlicheErfahrung<br />

der<br />

Berichterstatter<br />

bestimmte<br />

also die geographische<br />

Verortung.

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