Protokoll über die Herbstsitzung des Fachausschusses ... - HVG-DGG
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<strong>Protokoll</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Herbstsitzung</strong> <strong>des</strong> <strong>Fachausschusses</strong> V der <strong>DGG</strong><br />
vom 28. – 30. September 2007 in<br />
Eisenach<br />
Die Deutsche Glastechnische Gesellschaft e.V. (<strong>DGG</strong>), Offenbach, ihr Fachausschuss V<br />
„Glasgeschichte und Glasgestaltung“ unter dem Vorsitz von Frau Dr. Christina Schroeter-Herrel,<br />
Frankfurt/M., Frau Dr. Gisela Haase, Dresden, und Herr Franz X. Höller, Zwiesel, hatten <strong>die</strong> Mitglieder<br />
und Gäste <strong>des</strong> FA V zur <strong>Herbstsitzung</strong> 2007 nach Eisenach eingeladen.<br />
Nachdem Mitarbeiter <strong>des</strong> Thüringer Museums seit 2001 Eisenach kontinuierlich als Tagungsort<br />
vorgeschlagen hatten, bot sich im Elisabethjahr 2007 ein Besuch in Eisenach an. Es wurde <strong>die</strong> 3.<br />
Thüringer Lan<strong>des</strong>ausstellung mit dem Titel „Elisabeth von Thüringen – eine europäische Heilige“ auf<br />
der Wartburg organisiert, <strong>die</strong> natürlich in das Programm der <strong>Herbstsitzung</strong> integriert wurde. Nach<br />
Eisenach kamen 100 Teilnehmer, <strong>die</strong> einem interessanten Vortrags- und Rahmenprogramm folgen<br />
konnten. Wir danken allen Referentinnen und Referenten dafür, dass sie mit ihren Beiträgen zum<br />
Gelingen der Veranstaltung beitrugen. Besonders danken wir Frau Kathrin Kunze für <strong>die</strong> teilweise<br />
mühevolle Vorbereitung vor Ort, <strong>die</strong> sie parallel zu den zusätzlichen Aufgaben im Elisabethjahr<br />
leistete.<br />
1. Freitag, 28. September 2007, in Gotha und Eisenach<br />
1.1 Besichtigung (mit Führung) der Sammlungen in Schloss Friedenstein, 99867 Gotha<br />
(Beginn: 9.00 Uhr)<br />
An der kulturell reichen Städteachse Eisenach – Gotha – Erfurt – Weimar – Jena befindet sich das<br />
Schloss Friedenstein. Herzog Ernst I. (genannt der Fromme) wählte Gotha zur Residenz <strong>des</strong> durch<br />
Erbteilung neu entstandenen Herzogtums Sachsen-Gotha und ließ <strong>die</strong> größte frühbarocke<br />
Schlossanlage Deutschlands, den Friedenstein, 1643 – 1655 auf dem 311 m hohen Schlossberg<br />
erbauen.<br />
Die einzigartigen Kunstsammlungen <strong>des</strong> Schlossmuseum bestehen u.a. aus altdeutschen und<br />
niederländischen Gemälden, Plastik <strong>des</strong> Mittelalters und <strong>des</strong> Klassizismus, Antiken- und<br />
Ägyptensammlung, einem bedeutenden Münzkabinett, einem umfangreichen Kupferstichkabinett,<br />
Kunsthandwerk, Ostasiatika sowie Kunst <strong>des</strong> 20. Jh. Diese Sammlungsbereiche werden in<br />
historischen Räumen präsentiert.<br />
1
Die Gläsersammlung <strong>des</strong> Altertums reicht vom 5. Jh. v.u.Z. bis zum 4. Jh. u.Z. Sie umfasst<br />
Gebrauchs- und Kultgefäße, Schmuck und Spielsteine und gliedert sich der ägyptischen sowie der<br />
wertvollen Antikensammlung <strong>des</strong> Schlossmuseums ein. Darunter befinden sich eine syrische<br />
Glasschale und eine große, völlig intakte römische Aschenurne mit Deckel, beide aus dem 1. Jh.<br />
Venezianische, böhmische, sächsische und thüringische Gläser <strong>des</strong> 16. bis 18. Jh. sind in <strong>die</strong><br />
Dauerausstellung zur Kunstkammer im Ostvorsaal und im Großen Gobelinraum integriert. Der<br />
Bestand <strong>des</strong> 19. und 20. Jh. war zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Besuchs der FA-V-Teilnehmer nicht ausgestellt.<br />
Nach einer Begrüßung der Gäste durch den Direktor <strong>des</strong> Schlossmuseums, Herrn Bernd Schäfer, und<br />
Frau Ute Däberitz in der Schlosskirche, wurden beide durch Frau Uta Wallenstein bei den Führungen<br />
der FA-V-Teilnehmer durch <strong>die</strong> Sammlungen unterstützt. Die Besichtigung hinterließ bei den<br />
Teilnehmern bleibenden Eindruck, zumal <strong>die</strong> Sammlungen im Schloß Friedenstein den meisten völlig<br />
unbekannt waren.<br />
1.2 FA-V-Sitzung in der Aula <strong>des</strong> Martin-Luther-Gymnasiums, Predigerplatz 4, Eisenach<br />
1.2.1 Begrüßung der Teilnehmer und Eröffnung der FA-V-Sitzung<br />
(Beginn: 14:00 Uhr)<br />
Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer durch Frau Dr. Schroeter-Herrel, der Vorsitzenden <strong>des</strong><br />
FA V, Frau Desirée Baur, der Direktorin <strong>des</strong> Thüringer Museums Eisenach, und den<br />
Oberbürgermeister Matthias Doht, eröffnete Frau Dr. Schroeter-Herrel <strong>die</strong> <strong>Herbstsitzung</strong> 2007.<br />
1.2.2 Vorträge<br />
(Beginn: 14:25 Uhr)<br />
1.2.2.1 Technische Großexponate zur Glasherstellung aus der Sammlung SCHOTT<br />
Referentin: Tilde Bayer, Jena<br />
Seit Juni 2007 präsentiert <strong>die</strong> SCHOTT AG am Gründungsstandort Jena Großexponate zur<br />
Glasherstellung aus der Sammlung <strong>des</strong> Konzerns. Diese Sammlung im „Begehbaren Depot“ ergänzt<br />
<strong>die</strong> Dauerausstellung zur Produkt- und Technologiegeschichte bzw. zur 125-jährigen Geschichte <strong>des</strong><br />
Unternehmens im SCHOTT GlasMuseum und in der SCHOTT Villa, dem ehemaligen Wohnhaus <strong>des</strong><br />
Unternehmensgründers Dr. Otto Schott. Getragen wird das Museum vom „SCHOTT GlasMuseum<br />
e.V“., der seit <strong>über</strong> 10 Jahren eine rege Sammeltätigkeit entfaltet. Die Sammlung umfasst heute<br />
neben einer umfangreichen Produktsammlung auch eine große Anzahl historischer Maschinen zur<br />
Glasherstellung. Zu den ältesten Objekten gehört eine Optikknagge aus dem Jahr 1919, andere<br />
Exponate stehen stellvertretend für wichtige Meilensteine der Firmengeschichte, wie z.B. Maschinen<br />
zur Herstellung optischer Gläser aus den Anfangsjahren <strong>des</strong> SCHOTT Konzerns in Mainz, eine<br />
Lynch-Fernsehtrichterpresse und <strong>die</strong> erste CERAN © -Walzmaschine.<br />
2
Für <strong>die</strong> Präsentation der <strong>über</strong> 300 Großexponate stehen insgesamt 2000 m² Ausstellungsfläche in<br />
einem Gebäude aus dem Jahr 1898 zur Verfügung. Bei der Renovierung wurde großer Wert auf <strong>die</strong><br />
Erhaltung der historischen Gebäudehülle gelegt. Einbauten wie z.B. Rohrleitungen für verschiedene<br />
Me<strong>die</strong>n, einbetonierte Halfenschienen u.a. wurden ebenso wie Wandputze und alte Farbgebungen<br />
weitgehend erhalten. Die Präsentation von kleineren und mittleren Objekten auf unterschiedlich farbig<br />
gestalteten Euro-Paletten unterstreicht den „Industrie-Depot-Charakter“ und ermöglicht eine hohe<br />
Flexibilität im Umgang mit den Exponaten. Farben kennzeichnen <strong>die</strong> Anwendungsbereiche in der<br />
Geschichte der Glasherstellung bei SCHOTT: Glas wurde vor allem produziert für <strong>die</strong> Bereiche<br />
Elektro (z.B. Fernsehglas), Chemie/Pharmazie (Laborglas/Technische Gläser), den Bereich<br />
Hauswirtschaftsglas und den Bereich Optik. Eine Sonderstellung nehmen in der Ausstellung <strong>die</strong><br />
Glasmacherwerkzeuge und <strong>die</strong> der Infrastruktur <strong>des</strong> Spezialglasherstellers zuzuordnenden Exponate<br />
ein.<br />
Das „Begehbare Depot“ ist nur zu besonderen Terminen allgemein zugänglich. Zur „Museumsnacht “<br />
in Jena am 1. Juni 2007 konnte <strong>die</strong> Bevölkerung zum ersten Mal das neue Projekt besichtigen. Eine<br />
weitere Gelegenheit zur Besichtigung bot <strong>die</strong> „Lange Nacht der Wissenschaft“ am 16. November<br />
2007.<br />
1.2.2.2 „Rückseite: einfache Blume“ – Beitrag zur Identifizierung thüringischer Trinkgläser<br />
<strong>des</strong><br />
18. Jh.<br />
Referent: Christian Jentsch, Lübeck<br />
Obwohl im 18. Jh. bei der Gründung oder dem Ausbau von Glashütten sehr häufig thüringische<br />
Glasmacher beteiligt waren, wird als Herkunftsort von aus <strong>die</strong>ser Zeit stammenden Trinkgläsern – mit<br />
Ausnahme solcher mit pseudofacettiertem Schaft – nur selten Thüringen angegeben. Insbesondere<br />
<strong>die</strong> beliebten Spitzkelche und Perlenkelche werden oft unkritisch Lauenstein oder Hessen<br />
zugeschrieben. In thüringischen Museen befinden sich viele Trinkgläser mit einfachen volkstümlichen<br />
Schnittdekoren oder Monogrammen auf der Schauseite und einer kleinen Blume auf der Rückseite.<br />
Die Stelle der kleinen Blume kann auch eine Weintraube, ein springender Hirsch oder eine Inschrift<br />
einnehmen. Gläser <strong>die</strong>ser Art aus der Sammlung <strong>des</strong> Autors waren Gegenstand <strong>des</strong> Vortrags. Die<br />
kleine Blume findet man bei sehr unterschiedlich geformten Trinkgläsern, z.B. bei Perlenkelchen,<br />
Spitzkelchen, Danziger Kelchen, Kelchen mit pseudofacettiertem Schaft und Fadengläsern. Von all<br />
<strong>die</strong>sen Gläsertypen ist belegt, dass sie in Thüringen hergestellt worden sind. Bei Gläsern mit ähnlicher<br />
Form und ähnlichen Schnittdekoren, <strong>die</strong> nachweislich in Osterwald (Lauenstein), Altmünden oder in<br />
der königlich spanischen Hütte La Cranja de San Ildefonso hergestellt wurden, fehlt <strong>die</strong> kleine Blume.<br />
Es wird <strong>die</strong> Hypothese aufgestellt, dass Trinkgläser aus der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 18. Jh., auf deren<br />
Kuppa gegen<strong>über</strong> der Schauseite eine einfache Blume eingeschnitten ist, in Thüringen –<br />
wahrscheinlich im Umkreis von Lauscha – hergestellt wurden.<br />
3
1.2.2.3 Musterregister der Glas-Raffinerie Fritz Heckert in Hirschberg/Schlesien<br />
Referent: Eike Gelfort, Köln<br />
Für den Sammler von Kunstgläsern aus der Raffinerie Fritz Heckert besteht der Vorteil, dass <strong>die</strong><br />
Gläser konsequent signiert worden sind (Abb. 1). Neben der Abkürzung FH für Fritz Heckert wurden<br />
sie mit Nummern bezeichnet, deren Herkunft nachfolgend zum Teil erklärt werden kann.<br />
Im Jahr 1866 hatte Fritz Heckert (1837–1887) in Petersdorf (heute: Piechowice) in Schlesien eine<br />
Glas-Manufaktur gegründet [1], <strong>die</strong> er zügig zu einem anerkannten und bedeutenden Unternehmen<br />
der Glasveredelung ausbauen konnte [2]. Die Gestaltung und <strong>die</strong> Dekore der Raffinerie trafen den<br />
Zeitgeschmack, erbrachten Umsatz sowie Gewinn und führten zu einer großen Verbreitung der<br />
Kunstgläser. In der Glas-Raffinerie Heckert wurden Hohlgläser u.a. in der Epoche <strong>des</strong> Historismus<br />
bemalt; <strong>die</strong> Malvorlagen stammten aus verschiedensten Quellen. Solche Kunstgläser wurden als<br />
Repliken gekennzeichnet. Gleichzeitig <strong>die</strong>nte <strong>die</strong> Kennzeichnung dazu, Nachahmer, d.h.<br />
Konkurrenten, abzuwehren. Zum Schutz der Produkte <strong>des</strong> Unternehmens Heckert erfolgte erstmals<br />
1880 <strong>die</strong> Eintragung von 50 „Mustern für aus Glas herzustellende Waaren“ mit Zahlenkolonnen in das<br />
Musterregister beim königlichen Amtsgericht der Stadt Hirschberg (heute Jelenia Góra) in Schlesien<br />
(publiziert in der Coburger Wochenzeitschrift „Sprechsaal – Organ der Porzellan-, Glas- und<br />
Thonwaaren-Industrie“ (Abb. 2)).<br />
4
Die Eintragungen in das Musterregister erfolgten im März 1880 und August 1881 und ergaben in<br />
Summe ca. 430 Beispiele. Die Schaffgotsch’sche Josephinenhütte im benachbarten Schreiberhau<br />
(heute Szklarska-Poreba) ließ von 1886 bis 1891 gleichfalls Musternummern für Glaswaren in <strong>die</strong><br />
Musterregister der Städte Hirschberg bzw. Hermsdorf/Kynast eintragen. Der registrierte Musterschutz<br />
galt jedoch nur für drei Jahre. Ob er in <strong>die</strong>ser Weise Erfolge zeitigte, scheint fraglich, denn eine<br />
konsequente Fortführung lässt sich nicht erkennen.<br />
Dieser Beitrag <strong>über</strong> Musternummern soll zur Abgrenzung von Originalgläsern der genannten<br />
Hersteller gegen<strong>über</strong> gefälschten oder fälschlich zugeschriebenen Gläsern <strong>die</strong>nen.<br />
Literatur<br />
[1] Gelfort, E.: Die Glasfamilie Heckert. Weltkunst (2001), Heft 12, S. 1868<br />
[2] Pazaurek, G. E.: Moderne Gläser. Monographien <strong>des</strong> Kunstgewerbes. – Leipzig: Verl.<br />
Hermann Seemann Nachf., 1901, S. 28, 39.<br />
1.2.2.4 Scheckthal – <strong>die</strong> vergessene Glashütte aus der Lausitz<br />
Referent: Dietrich Mauerhoff, Ottendorf-Okrilla<br />
In der Grenzzone zwischen den ehemaligen Königreichen Sachsen und Preußen im Gebiet der<br />
Lausitz, entstand Mitte <strong>des</strong> 19. Jh. <strong>die</strong> Glasfabrik Scheckthal. Unweit von Kamenz und Hoyerswerda<br />
wurde hier <strong>über</strong> 60 Jahre lang Glas produziert. Obwohl <strong>die</strong>se Glashütte schon 30 Jahre existierte,<br />
fehlte sie im „Verzeichnis der in Deutschland befindlichen Glasfabriken mit Angabe ihrer Produktion“,<br />
das W. Boeheim 1873 zusammenstellte. Auch in modernen Publikationen zur Glashüttengeschichte<br />
der Lausitz gibt es kaum Hinweise zu Scheckthal.<br />
Scheckthal war 1842 als kleine Guts-Glashütte entstanden. Das Produktionsprofil prägten zunächst<br />
einfaches Hohl- und Flachglas. Den Energieträger Torf und den Rohstoff Sand fand man in der Nähe<br />
<strong>des</strong> Hüttenstandortes. Bis zum Jahr 1888 hatte sich <strong>die</strong> kleine Fabrik, damals unter dem vierten<br />
Besitzer, Heinrich Hildebrand, zu einem für <strong>die</strong>se Zeit modernen Glashütten-Unternehmen entwickelt.<br />
Laut „Adressbuch der Deutschen Glasindustrie“ von 1906 verfügte der mit 160 Beschäftigten große<br />
Betrieb <strong>über</strong> zwei regenerativ beheizte Hafenöfen mit 24 Häfen, Kesselhaus, Maschinenhaus und<br />
Dampf-Glasschleiferei. Die hauptsächlichen Erzeugnisse waren Beleuchtungsglas und Zubehör für<br />
Petroleumlampen. Die Abwanderung der Arbeitskräfte in leistungsfähigere Glasfabriken im<br />
verkehrstechnisch besser erschlossenen Umland sowie in Braunkohle-, Schotter- und Kiesgruben der<br />
Region beschleunigten <strong>die</strong> Stilllegung und Schließung der Glashütte nach 1906.<br />
Die besondere glasgeschichtliche Bedeutung der Scheckthaler Glasfabrik liegt in den ersten Jahren<br />
nach ihrer Gründung sowie in der Tätigkeit der Glasmacherfamilie Hirsch als zeitweiligen Pächtern.<br />
6
Der erste Besitzer der Hütte, Friedrich August Werner, ein Glasermeister aus Kamenz, wollte <strong>die</strong><br />
Glashütte als Betriebsteil einer Spiegel- und Fensterfabrik betreiben. Sein Grundgedanke für <strong>die</strong><br />
Produktion waren industriell gefertigte Endprodukte aus einer Hand. Diese damals revolutionäre Idee<br />
stieß auf Widerstand bei den Kamenzer Zunftmeistern. Werner verlor <strong>die</strong> gegen ihn angestrengten<br />
Gerichtsprozesse und verkaufte <strong>die</strong> Glashütte 1847. Scheckthal wurde um 1850 ein Beispiel für <strong>die</strong><br />
Ängste der Landbevölkerung vor der Zuwanderung Fremder und vor der Industrialisierung.<br />
Vorhandene Gerichtsakten geben u.a. Aufschluss <strong>über</strong> Beschwerden der Gemeindevorstände sowie<br />
<strong>über</strong> Herkunft und Lebensläufe der Glasmacher. Durch den zweiten Glashüttenbesitzer, Otto Gustav<br />
Israel, wurde <strong>die</strong> in der einschlägigen Fachliteratur so gut wie unbekannte Glashütte im Großraum<br />
Dresden aktenkundig als <strong>die</strong> „Glasfabrik zu Loschwitz bei Dresden“.<br />
Angehörige der Tafelglasmacher-Familie Hirsch, in zahlreichen Thüringer Glashütten im 18. Jh.<br />
nachweisbar, suchten im frühen 19. Jh. in der Lausitz eine neue Existenz. Die Brüder Johann Baptist,<br />
Franz und Vinzens Hirsch verließen 1818 mit ihren Familien <strong>die</strong> stillgelegte Tafelglashütte im<br />
thüringischen Angstedt (heute Gräfinau-Angstedt bei Ilmenau). 35 Jahre später sind ihre Söhne und<br />
Töchter sowie Franz Hirsch in Scheckthal zu finden. Als Pächter der Glashütte gehen sie <strong>die</strong> ersten<br />
Schritte in ein erfolgreiches Unternehmertum. Scheckthal wird durch <strong>die</strong> Familie Hirsch in gewisser<br />
Weise Ausgangsbasis für Gründungen von Glasfabriken in Sachsen und in der Lausitz, so z.B. in<br />
Radeberg, Pirna, Döbern und Weißwasser. Mit der Gründung einer Glashütte in Altenburg fand <strong>die</strong><br />
Familie sogar nach Thüringen zurück.<br />
1.2.2.5 Glas und Porzellan: Die Glashütte Heidelbach bei Seiffen zu Beginn <strong>des</strong> 18. Jh.<br />
Referent: Albrecht Kirsche, Dresden<br />
Die Glashütte Heidelbach bei Seiffen wurde 1488 gegründet und produzierte bis 1826. Von Beginn an<br />
bis 1714 war sie im Besitz der Familie Preußler. Nach einem Brand sah sich <strong>die</strong> Familie finanziell<br />
außerstande, <strong>die</strong> Hütte wieder aufzubauen. Käufer und damit neuer Besitzer wurde der Berg- und<br />
Kammerrat Michael Nehmitz. Er galt als Vertrauter Augusts <strong>des</strong> Starken und war von 1710 bis 1715<br />
erster Direktor der Porzellanmanufaktur Meißen. Von der Glashütte Heidelbach bezog der Bergrat<br />
Gottfried Papst von Ohain Gläser für Böttgers Versuche, Porzellan herzustellen. Auch kamen mehrere<br />
Glasschneider, <strong>die</strong> in der Porzellanmanufaktur arbeiteten von der Glashütte Heidelbach.<br />
Ausschlaggebend dafür, dass Nehmitz <strong>die</strong> Glashütte gekauft hatte, war wohl der als Alchemist<br />
bekannte Johann Gottfried Meerheim, der bereits vor dem Brand in der Glashütte tätig war. Er hatte<br />
sich dort ein Labor eingerichtet und seine Söhne als Hüttenfaktoren eingesetzt. David Konrad<br />
Meerheim erlernte in der Hütte <strong>die</strong> Glasmalerei und es ist nicht ausgeschlossen, dass er <strong>die</strong> mit 1719<br />
datierte Serie von Apothekengläsern malte. Er rühmte sich seiner Entwicklung einer Porzellanglasur<br />
und eines Blumendekors, deren Anwendungen sich jedoch in der Meißner Manufaktur als<br />
unbrauchbar herausstellten.<br />
7
Von den Funden vom Terrain der Glashütte Heidelbach wurden einige der ältesten Stücke von der<br />
Bun<strong>des</strong>anstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin analysiert. Dabei ergab sich, dass das<br />
Material als Porzellan bezeichnet werden kann. Allerdings weisen <strong>die</strong> Proben zahlreiche Inhaltsstoffe<br />
auf, <strong>die</strong> typisch für <strong>die</strong> Produkte einer Glashütte sind. Die Qualität <strong>des</strong> Meißner Porzellans wurde bei<br />
<strong>die</strong>sem Material nicht erreicht. In den Jahren 1714 bis 1721 hatte <strong>die</strong> Glashütte eine auffallend große<br />
Menge Kobalt gekauft. Das Kobalt wurde wohl außer für <strong>die</strong> Glasfärbung vor allem für <strong>die</strong><br />
„alchemistischen“ Versuche der Meerheims gebraucht. Es ist zu anzunehmen, dass sie Porzellan<br />
herstellen wollten, jedoch nie <strong>die</strong> Qualität der Meißner Erzeugnisse erreichten. Ihr Interesse galt dabei<br />
wahrscheinlich auch den vom Kurfürst gestifteten Prämien für <strong>die</strong> Entwicklung eines besseren blauen<br />
Farbtones für das Porzellan.<br />
1.2.2.6 Gläser in venezianischer Art und Scherzgläser in der Sammlung <strong>des</strong><br />
Thüringer Museums Eisenach<br />
Referentin: Kathrin Kunze, Eisenach<br />
Als Einführung zum Thema wurde ein Auszug aus dem Artikel „Wie hat Aldo <strong>die</strong>sen Kelch gemacht? –<br />
Zur Geschichte der Glasmacherkunst im venezianischen Murano“ von Maria Sorger aus der Wiener<br />
Zeitung vom 22. 08. 2007 vorgetragen. Die Eigenschaften venezianischer Gläser wie Dünnwandigkeit<br />
und Transparenz, aber auch <strong>die</strong> vielfältigen Herstellungstechniken und Dekore sind in <strong>die</strong>sem Artikel<br />
auf originelle Weise beschrieben.<br />
In der Sammlung <strong>des</strong> Thüringer Museums Eisenach befinden sich mehr als 40 Gläser in<br />
venezianischer Art aus ganz Europa. Im Rahmen <strong>des</strong> Referates wurden 13 ausgewählte Objekte<br />
beschrieben und mit Gläsern in anderen musealen Sammlungen verglichen. Regionale Unterschiede,<br />
spezifische Herstellungstechniken und Dekore spielten dabei eine besondere Rolle.<br />
Zunächst wurden zwei Gefäße vorgestellt, <strong>die</strong> sich im 17. und 18. Jh. in Spanien (Katalonien) großer<br />
Beliebtheit erfreuten. Es handelt sich dabei um einen „Cantir“, ein Gefäß für Wasser und Wein mit<br />
einer Einguss- und einer Ausgussöffnung und eine Kanne mit Kleeblattausguss und einem<br />
Fadendekor in Art eines gekämmten Federmusters. Bei einem kleinen Ringpokal mit<br />
Hohlbalusterschaft konnten <strong>die</strong> Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Ringbechern deutscher<br />
Waldglashütten aufgezeigt werden. Zu den Raritäten gehört ein Netzglas (erste Hälfte 17. Jh.) in Form<br />
eines Flötenglases mit aufgetriebener Mündung. Das Pendant befindet sich im Kunstgewerbemuseum<br />
Berlin. Ein Kelchglas für Bier oder Wein ohne jeden Schmuck ist dem Umkreis Venedigs zuzuordnen,<br />
könnte aber auch in den Niederlanden hergestellt worden sein. Für einen 16-fach strahlenoptisch<br />
gerippten manganvioletten Teller, <strong>des</strong>sen Form den wertvollen Opalglastellern Venedigs sehr ähnlich<br />
ist, konnte noch kein Vergleichsbeispiel gefunden werden.<br />
Von den Scherzgefäßen, <strong>die</strong> zum Teil im Thüringer Wald hergestellt wurden, ist ein Tischbrunnen mit<br />
einem als Teufel ausgebildeten Hohlschaft zu erwähnen. Man fertigte ihn vermutlich in der<br />
„Venezianer Hütte“ in Tambach. Diese wurde 1634 von Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar<br />
8
gegründet, <strong>die</strong> Produktion allerdings bereits 1639 wieder eingestellt. Vergleichsbeispiele befinden sich<br />
auf der Veste Coburg und im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg.<br />
Von den als Tafelzier in Venedig, den Niederlanden und am Hofe der Fugger so beliebten<br />
Glasschiffen existieren heute nur noch wenige, so im Museo Vetrario in Murano oder im<br />
Kunstgewerbemuseum Prag. Das Thüringer Museum ist im Besitz eines später entstandenen<br />
Schiffes. Eine Provenienz in Thüringen ist nicht auszuschließen. Zu den weiteren Kuriositäten gehört<br />
ein Pokal mit angeschmolzenem Deckel und beweglicher Kugel im Innern <strong>des</strong> Gefäßkörpers.<br />
Einige der vorgestellten Gläser fanden bisher keine eindeutige Zuordnung. Dazu sind weitere<br />
Vergleiche und Forschungen notwendig. Ein Bowlengefäß und ein Toiletten-Stehspiegel, der in<br />
Lauscha hergestellt worden sein soll, gehören dazu.<br />
Das nach englischen Vorbildern gearbeitete Fadenkelchglas mit der Datierung 1620 steht als Beispiel<br />
für eine Gruppe von Gläsern, <strong>die</strong> in Henriettenthal in Thüringen im 19. und 20. Jh. entstanden. Sie<br />
nehmen Elemente tra<strong>die</strong>rter venezianischer Glasmacherkunst ebenso wie einen rein thüringischen<br />
Farb- und Formenschatz in sich auf.<br />
1.2.3 Info-Kurzreferate<br />
(Beginn: 18.15 Uhr)<br />
Hinweis: Die nachfolgenden kurzen Informationstexte zu den vorgetragenen Kurzreferaten wurden<br />
dankenswerterweise von den ReferentInnen für das <strong>Protokoll</strong> zur Verfügung gestellt.<br />
Herr Uwe Claassen, Hamburg: „Nachlese zum Referat ‚Ochsenkopfgläser’ 2004 in<br />
Bischofsgrün“. Im Referat anlässlich der Tagung <strong>des</strong> <strong>Fachausschusses</strong> V in Bischofsgrün im Jahr<br />
2004 <strong>über</strong> <strong>die</strong> sogenannten „Ochsenkopfgläser“ hat der Referent unter anderem auch eine Reihe von<br />
Gläsern vorgestellt, <strong>die</strong> in ihrem Bildprogramm eine Christusdarstellung, einen leicht bekleideten,<br />
bekrönten Mann und zum Teil auch einen Ofen mit lodernden Flammen, in denen ein Auge Gottes<br />
schwebt, enthalten. Inzwischen hat der Referent <strong>die</strong>ses ihm damals noch verschlossene<br />
Bildprogramm einordnen können. Es entstammt der verklausulierten alchemistischen Bildsprache. Der<br />
Vortrag liegt inzwischen in einer <strong>über</strong>arbeiteten Fassung gedruckt vor, in der auch <strong>die</strong> oben<br />
geschilderten Motive in ihren Kontext eingeordnet sind. Er ist erschienen im Bayerischen Jahrbuch für<br />
Volkskunde 2006,<br />
S. 73 – 85.<br />
***<br />
Herr Georg Goes, Baruth: „Information zum Ausstellungsprojekt 2008: „Produzierende Provinz-<br />
Handelsmetropolen – Das Glas der Weltausstellungen im 19. Jh.“. Im Rahmen <strong>des</strong><br />
Brandenburger Kulturlandjahres 2008 unter dem Motto „Provinz und Metropole“ beteiligt sich das<br />
Museum Baruther Glashütte mit einer Sonderausstellung. Vor dem Hintergrund der erfolgreichen<br />
9
Teilnahme der Baruther Glashütte an Weltausstellungen in London, Paris und Wien wird <strong>die</strong><br />
Bedeutung internationaler Märkte und städtischer Händler für <strong>die</strong> in der Provinz produzierenden<br />
Glashütten diskutiert. Die Handelsmetropolen vermitteln Moden und Produktstile zwischen<br />
Konsumenten, Großhändlern und Produzenten. Die Ausstellung versucht, einen Beitrag zur speziellen<br />
Konsumgeschichte von Tafel- und Gebrauchsgläsern im 19. Jh. zusammenzustellen. Das Museum<br />
Baruther Glashütte sucht Leihgeber zu Objekten wie Gläsern <strong>des</strong> 19. Jh., Produktkatalogen u.a.<br />
***<br />
Herr Bernd Krämer, Grünenplan: „Planungsstand GlasForum Grünenplan“. Der Bau <strong>des</strong><br />
Glasforums wurde immer wieder verschoben. Professor Krämer kämpft seit neun Jahren für <strong>die</strong>sen<br />
Neubau. Aspekte der Wirtschaftlichkeit seien noch offen und Fragen <strong>des</strong> Marketings ungeklärt. Eine<br />
Förderung <strong>des</strong> Projektes ist erst wieder seit 2008 möglich unter Voraussetzung einer realistischen<br />
Planung und Kalkulation.<br />
Frau Anja Kregeloh, Hamburg: „Vorstellung <strong>des</strong> Dissertationsprojektes: „Glas als Material der<br />
bildenden Kunst seit 1960““. Ausgehend von den besonderen Eigenschaften <strong>des</strong> kunsthistorisch<br />
kaum vorbelasteten Materials wird <strong>des</strong>sen Verwendung und Funktion als Bedeutungsträger in der<br />
zeitgenössischen bildenden Kunst untersucht.<br />
***<br />
Nach einer systematischen Untersuchung der durch Künstler in Plastiken, Installationen und Aktionen<br />
inszenierten Materialeigenschaften gilt es herauszufinden, warum gerade Glas das geeignete Material<br />
ist, um bestimmte Ideen umzusetzen.<br />
***<br />
Frau Rosemarie Lierke, Schwalbach: „Unbekanntes Glasobjekt“. Frau Lierke stellte ein geformtes<br />
kleines Glasobjekt mit unbekannter Verwendung vor und bat um Hinweise von den Teilnehmern <strong>des</strong><br />
FA V.<br />
Frau Katrin Nawroth, Wertheim-Bronnbach: „Oberflächen- und Tiefenrisse – Das<br />
Schadensphänomen <strong>des</strong> Craquelés an Glasmalereien“. Im Rahmen der Kurzpräsentation wurde<br />
das Schadensphänomen <strong>des</strong> Craquelés an Glasfenstern vorgestellt, das in allen Epochen der<br />
Glasmalerei auftritt. Die geschädigten Gläser werden von verschiedenartigen Risssystemen<br />
oberflächlich oder auch in Form von zahlreichen Brüchen durchzogen. Dieses momentan<br />
hochaktuelle Thema wirft bislang viele Fragen bezüglich möglicher Ursachen und konservatorischer<br />
Maßnahmen zur Erhaltung auf.<br />
***<br />
10
***<br />
Frau Susanne Netzer, Berlin: „Lieselotte Oehring-Hoehne. Glas (1944 – 1980)“. Frau Netzer stellte<br />
15 verschiedene Gläser, Vasen, Krüge und Schalen der Künstlerin vor, <strong>die</strong> sie in der Zeit von 1944 bis<br />
1958 fertigte.<br />
***<br />
Frau Clementine Schack von Wittenau: „Ein neues Glasmuseum in der Rosenau“. Im Park von<br />
Schloss Rosenau in Rödental, vis-à-vis vom Glasmuseum in der Orangerie, entsteht zurzeit das<br />
Europäische Museum für Modernes Glas. Es wird von einer Stiftung errichtet, <strong>die</strong> der Coburger<br />
Unternehmer und Kunstmäzen Otto Waldrich ins Leben gerufen hat. Das neue Glasmuseum hat eine<br />
Gesamtnutzfläche von 2000 m 2 und eine Ausstellungsfläche von ca. 1000 m 2 , es ist damit etwa<br />
dreimal so groß wie das alte. Erklärtes Ziel ist, dort <strong>die</strong> größte Präsentation von Studioglas und<br />
Neuem Glas in Europa zu bieten. Die Eröffnung ist für Herbst 2008 geplant. Die Referentin ging auf<br />
das Ausstellungskonzept ein, auf künftige museumsdidaktische Maßnahmen und auch auf den<br />
Kronleuchter-Wettbewerb. Im Zentrum <strong>des</strong> Museums soll nämlich ein „Kronleuchter“ hängen, der<br />
zugleich Leuchtkörper im Raum und Kunstwerk aus Glas ist.<br />
***<br />
Herr Helmut A. Schaeffer, Berlin: „Vorstellung <strong>des</strong> neuen Ban<strong>des</strong> „Flachglas“ zur Glasabteilung<br />
<strong>des</strong> Deutschen Museums, München“. Als Reihe von mehreren Bänden wird der Ausstellungsführer<br />
„Glastechnik“ von W. Glocker aus dem Jahre 1992 neu aufgelegt, aktualisiert und erweitert. Geplant<br />
sind sechs Bände (in Deutsch und Englisch). Im August 2007 ist der Band „Flachglas“ erschienen, der<br />
neben den historischen Techniken der Flachglasherstellung auch das Floatglas-Verfahren darstellt<br />
und auf <strong>die</strong> vielfältigen Veredelungsmöglichkeiten und Anwendungen von Flachglas eingeht.<br />
1.3 Eröffnung der Ausstellung „Gläser von der Antike bis zur Gegenwart“ im Marstall <strong>des</strong><br />
Stadtschlosses, Markt 24, Eisenach<br />
Ein herausragen<strong>des</strong> Tagungsereignis war <strong>die</strong> feierliche Eröffnung der Ausstellung „Glas von der<br />
Antike bis zur Gegenwart“ im Eisenacher Stadtschloss, das nach 15jähriger Sanierung wieder im alten<br />
Glanz erstrahlte. Aus der reichhaltigen Glassammlung <strong>des</strong> Thüringer Museums wurden vor allem<br />
deutsche Waldgläser, Emailgläser, Beingläser, Gläser in venezianischer Art, außergewöhnliche<br />
Scherzgläser aus dem Thüringer Wald, Schnitt- und Schliffgläser <strong>des</strong> 18. Und 19. Jh. und moderne<br />
Gläser aus Thüringen gezeigt.<br />
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Bevor Oberbürgermeister Doth <strong>die</strong> Ausstellung eröffnete, sprachen <strong>die</strong> Direktorin <strong>des</strong> Thüringer<br />
Museums, Frau Désirée Baur, und Frau Dr. Gisela Haase aus Dresden zu den<br />
Ausstellungsbesuchern.<br />
Nachfolgend <strong>die</strong> Ansprache von Frau Dr. Haase zur Ausstellungseröffnung:<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren,<br />
dass der Fachausschuss V „Glasgeschichte und Glasgestaltung“ der Deutschen Glastechnischen<br />
Gesellschaft seine Jahrestagung 2007 in Eisenach abhält, hat verschiedene Gründe – zumal <strong>die</strong><br />
Einladung nach hier schon länger besteht. Aber in <strong>die</strong>sem Jahr lockte nicht nur <strong>die</strong> „Heilige Elisabeth“<br />
mit der ihr gewidmeten Lan<strong>des</strong>ausstellung auf der Wartburg, sondern vor allem <strong>die</strong> neu gestaltete<br />
Ausstellung „Gläser der Antike bis zur Gegenwart“, <strong>die</strong> heute im Marstall <strong>des</strong> seit 1742 unter Herzog<br />
Ernst August von Sachsen-Weimar-Eisenach erbauten Eisenacher Stadtschlosses eröffnet wird.<br />
Immerhin war <strong>die</strong>se Glassammlung <strong>über</strong> 15 Jahre nicht ausgestellt!<br />
Eisenach ist eine alte und historisch wichtige deutsche Stadt. Erstmals zwischen 1180 und 1189 als<br />
Civitas erwähnt, konnte sich <strong>die</strong>se Stadt stetig im Schatten oder besser unter dem Schutz der<br />
Wartburg entwickeln und das nicht unwesentlich gefördert von den damaligen Thüringer Landgrafen.<br />
An ihrem Hof verkehrten bekanntlich namhafte Minnesänger wie Walter von der Vogelweide oder<br />
Wolfram von Eschenbach. Hier wurde 1206 auch der sagenumwobene Sängerkrieg ausgetragen. Das<br />
Wirken der Landgräfin Elisabeth in Thüringen und auf der Wartburg einschließlich <strong>die</strong> weit <strong>über</strong> <strong>die</strong><br />
thüringischen Grenzen gehende Verehrung als Heilige Elisabeth dokumentiert ausführlich <strong>die</strong><br />
erwähnte Lan<strong>des</strong>ausstellung.<br />
Drei Jh. nach Elisabeth gelangten Eisenach und <strong>die</strong> Wartburg erneut in das Visier deutscher<br />
Geschichte. Martin Luther besuchte hier nicht nur von 1488 bis 1501 <strong>die</strong> Georgenschule, <strong>die</strong> heute<br />
nach ihm benannt ist und in deren Gebäude unser Fachausschuss tagt, sondern auf Veranlassung<br />
<strong>des</strong> sächsischen Kurfürsten Friedrich III., genannt der Weise, fand er vom Mai 1521 bis März 1522 als<br />
Junker Jörg auf der Burg Schutz vor seinen Feinden und Widersachern. An <strong>die</strong>sem Ort <strong>über</strong>setzte<br />
Luther das Neue Testament aus dem Griechischen in <strong>die</strong> deutsche Sprache – übrigens galt damals<br />
'Sächsisch' als hochdeutsche Sprache! Der Überlieferung nach soll Junker Jörg bei den<br />
Übersetzungsarbeiten in seinem Burggemach sogar den Teufel mit dem Tintenfass bekämpft haben.<br />
Auch später weilte der Reformator verschiedentlich - wie er selbst formulierte - „in seiner lieben Stadt“.<br />
Mit Eisenach verbunden sind noch andere bedeutende Deutsche wie zum Beispiel Johann Sebastian<br />
Bach, der in <strong>die</strong>ser Stadt 1685 das Licht der Welt erblickte und ebenfalls in der Georgenschule<br />
lernte. Nicht zu vergessen ist aber auch zu Beginn <strong>des</strong> 19. Jh. das Aufbegehren der studentischen<br />
deutschen Jugend, <strong>die</strong> mit ihren kämpferischen Forderungen nach nationaler deutscher Einheit am<br />
18. Oktober 1817 auf der Wartburg ihr erstes Burschenschaftsfest beging. An <strong>die</strong>ses wichtige Ereignis<br />
12
deutscher Einigkeitsgeschichte erinnert noch heute das weithin sichtbare, 1902 errichtete<br />
Burschenschaftsdenkmal hoch oben auf der Göppelskuppe.<br />
Drei Jahr zuvor – am 21. Juni 1899 – wurde das Thüringer Museum gegründet, das sich seit 1931<br />
auch im Eisenacher Stadtschloss präsentierte. Schwerpunkte der Sammlung waren zunächst nicht<br />
<strong>die</strong> Malerei, sondern vor allem mittelalterliche Plastik und Gegenstände der angewandten Künste aus<br />
dem Thüringer Raum wie bäuerliche Keramik, Fayencen, Porzellan, Schmiedeeisen und natürlich<br />
Glas, das uns ja alle besonders interessiert. Von den am Museum tätigen Direktoren möchte ich nur<br />
den späteren Direktor <strong>des</strong> Leipziger Grassimuseums Fritz Kämpfer (1950-1963 in Eisenach tätig) und<br />
seinen Nachfolger Helmut Scherf erwähnen. Beiden ist unter anderem der Erwerb moderner<br />
Glasgestaltungen für das Museum zu verdanken.<br />
Die Sammlung umfasst heute <strong>über</strong> 900 Gläser sowohl aus der Spätantike als auch aus dem frühen<br />
und späten Mittelalter bis hin zum 20. Jh. und dar<strong>über</strong> hinaus. Hinzu kommen eine Reihe sehr<br />
schöner Flachglasscheiben mit Malereien und ein umfangreicher Bestand an Apothekergläsern <strong>des</strong><br />
18. und 19. Jh. Im Mittelpunkt steht natürlich das Glas aus Thüringen: diverse Gebrauchsgläser und<br />
kunstvolle Gefäße unter anderem mit Emailmalerei, Schliff und Schnittdekor. Die modernen<br />
Glasgestaltungen stammen hauptsächlich von bekannten Künstlern aus Lauscha – so von Otto<br />
Schindhelm, Albrecht Greiner-Mai, Günther Knye, der Familie Precht, Walter Bäz-Dölle, Hubert Koch,<br />
Albin Schaedel aus Arnstadt und vielen anderen.<br />
Glas aus Thüringen ist für viele zumeist nur mit den Produkten <strong>des</strong> Jenaer Glaswerks Schott oder mit<br />
dem vor der Lampe geblasenen Christbaumschmuck verbunden, der in verschiedenen Formen seit<br />
dem 19. Jh. von Lauscha aus den weihnachtlichen, bis heute ungebrochenen Siegeszug antrat. In der<br />
2. Hälfte <strong>des</strong> 18. Jh. entwickelte sich hier <strong>die</strong> Lampenglasbläserei als Heimarbeit. Die Glasmacherei<br />
begann aber im waldreichen Thüringen schon viel eher. Im Jahre 1196 wird eine erste Glashütte bei<br />
Klosterlausnitz genannt. Die meisten der hiesigen Glashütten entstanden jedoch im 16. Jh.:<br />
beispielsweise 1525 in Langenbach bei Schleusingen, 1564 in Fehrenbach oder 1597 <strong>die</strong> Mutterhütte<br />
in Lauscha, gegründet von den Glasmeistern Christoph Müller und Hans Greiner-Schwab aus<br />
Langenbach. Die zahlreichen Hütten- und Familiengeschichten <strong>die</strong>ser bedeutenden deutschen<br />
Glasregion publizierte 1935 Herbert Kühnert in seinem „Urkundenbuch zur Thüringischen<br />
Glashüttengeschichte“. Das wichtige und heute noch un<strong>über</strong>troffene Werk zur deutschen<br />
Glashüttengeschichte ist zusammen mit anderen Aufsätzen Kühnerts zum Thüringer Glas 1973<br />
erneut aufgelegt worden – unter anderem auch mit Unterstützung der Deutschen Glastechnischen<br />
Gesellschaft!<br />
Typisch für das Glas aus Thüringen sind aber nicht nur unterschiedliche Gebrauchsgefäße aus mehr<br />
oder weniger entfärbtem Waldglas, vielfältig ausgeziert mit Nuppen, Fäden und anderen Dekoren wie<br />
mit Emailmalerei, sondern auch Flaschen und Kelchgläser mit Schliff und Schnitt von hoher Qualität.<br />
Die wissenschaftliche Erschließung <strong>die</strong>ser Glasschöpfungen ist vor allem Annegret Janda zu danken.<br />
Sie promovierte 1962 <strong>über</strong> den „Thüringer Glasschnitt im 17. und 18. Jh.“ an der Universität Leipzig.<br />
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Leider liegt <strong>die</strong>se wichtige Arbeit noch immer nur in Maschinenschrift vor. Vielleicht könnten sich – wie<br />
bei der Neuauflage der Kühnert’schen Veröffentlichung – auch wieder einige Sponsoren finden, um<br />
<strong>die</strong> Arbeit Annegret Jandas zusammen mit den neuen Thüringer Glasforschungen zu publizieren!<br />
Das Thüringer Schnittglas mit seinen unterschiedlichen Formen und Dekoren lässt sich weniger mit<br />
bekannten Hütten als vielmehr mit namentlich fassbaren Glasschneidern und zumeist fürstlichen<br />
Auftraggebern identifizieren. Dabei sind Einflüsse und Vorbilder aus Nürnberg, Potsdam und auch aus<br />
Sachsen festzustellen. Nennen möchte ich nur <strong>die</strong> Glasschneider am Hofe von Sachsen-Gotha:<br />
Caspar Creutzberg, der hier 1689 bis 1691 tätig war, und Georg Ernst Kunckel. Er arbeitete von 1721<br />
bis zu seinem Tode 1750 für Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha. Natürlich gab es noch weitere<br />
wichtige Glasschneider in <strong>die</strong>ser Gegend. Inwieweit Gläser aus <strong>die</strong>ser Periode der Thüringer<br />
Glaskunst in der hiesigen Sammlung zu sehen sind, wird uns Frau Kathrin Kunze vom Thüringer<br />
Museum anschließend in der Ausstellung erläutern.<br />
Verschweigen möchte ich jedoch nicht, dass <strong>die</strong> Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische<br />
Glashütte zu Dresden ihr bleihaltiges englisches Glas vor allem mit den Kenntnissen <strong>des</strong><br />
Glasmachers Wolfgang Adam Müller aus Lauscha hat herstellen können – und das relativ früh in<br />
Deutschland! Vor seinem Arbeitsantritt auf der Dresdner Hütte im Jahre 1713 ist Müller in der<br />
Eisfelder „englischen Stuhlglashütte“ nachweisbar und heiratete <strong>die</strong> Witwe <strong>des</strong> hier tätig gewesenen<br />
englischen Glasmachers Thomas Hill. In dem Zusammenhang kam Müller an <strong>die</strong> Rezeptur eines<br />
englischen Glassatzes, das heißt Glas mit Bleizusatz. Abgesehen von den Nachweisen in den<br />
Dresdner Archivalien basiert <strong>die</strong>se Tatsache ebenfalls auf den Forschungen von Herbert Kühnert zur<br />
Eisfelder Hütte und dann – 1984/85 - auf den chemisch-analytischen Untersuchungen von Dresdner<br />
Gläsern durch unser <strong>DGG</strong>-Mitglied, Herrn Dr. Dietrich Arnold, der damals bei Schott in Jena tätig war.<br />
Zum Schluss meiner Ausführungen zum Thüringer Glas möchte ich noch Theodor Fontane zu Wort<br />
kommen lassen. Er schrieb am Ende <strong>des</strong> 19. Jh. an seinen Freund: „... am meisten beeindruckt hat<br />
mich auf meiner Reise der Besuch in der hiesigen Glashütte. Ich hatte mir <strong>die</strong> Glasherstellung etwas<br />
anders vorgestellt. Jedenfalls habe ich <strong>die</strong> größte Hochachtung vor <strong>die</strong>sen Leuten, <strong>die</strong> einen so<br />
unentbehrlichen Stoff herstellen. Ich war schon immer der Ansicht, dass es Wichtigeres gibt als Gold.<br />
Glas zum Beispiel halte ich für viel nützlicher.“ Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herrn,<br />
wir alle geben Theodor Fontane Recht. Denn heute erleben wir, sehen wir, ertasten wir – das aber<br />
bitte nur in Gedanken – viele alte und moderne Glasschöpfungen, <strong>die</strong> schöner sind als der<br />
alleredelste Stein. Ich wünsche Ihnen dabei ergötzliche Freude!<br />
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2. Samstag, 29. September 2007, Eisenach und Thüringer Wald<br />
2.1 FA-V-Sitzung in der Aula <strong>des</strong> Martin-Luther-Gymnasiums, Predigerplatz 4, Eisenach<br />
2.1.1 Vorträge<br />
(Beginn: 9.00 Uhr)<br />
2.1.1.1 Zur Geschichte der Lampenarbeit<br />
Referentin: Rosemarie Lierke<br />
Da Dr. Ricke verhindert war, seinen angekündigten Vortrag <strong>über</strong> Lampenarbeit zu halten, sprang<br />
Rosemarie Lierke ein. Sie lieferte einen sehr persönlich gefärbten Bericht, der sich besonders den<br />
möglichen Spuren der Lampenarbeit in der Antike widmete.<br />
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass in vorchristlicher Zeit etwa mithilfe eines Röhrchens und einer<br />
Fettlampe eine gezielte heiße Flamme erzeugt und z. B. für <strong>die</strong> Perlenproduktion eingesetzt wurde.<br />
Aber es gibt im 5. Jh. v. Chr. winzige Appliken, <strong>die</strong> offenbar in kontrollierter Nahsicht gefertigt und<br />
anschließend auf einen noch heißplastischen Perlenkorpus appliziert wurden. Es ist anzunehmen,<br />
dass <strong>die</strong> Appliken - wie auch <strong>die</strong> Perlenkörper selbst - <strong>über</strong> einem kleinen forcierten Feuer hergestellt<br />
wurden. Dabei könnte es sich um ein spontan mit lokalem Material röhrenförmig ummanteltes Feuer<br />
gehandelt haben, bei dem Luftlöcher an der Basis für eine forcierte Luftzufuhr sorgten. Ein<br />
historischer japanischer Perlenofen oder <strong>die</strong> moderne japanische „Lampe“ der Glasbläser erscheinen<br />
als logische Weiterentwicklung <strong>die</strong>ser Vorstellung. In bestimmten römerzeitlichen Gefäßdekoren und<br />
in geblasenen Perlen <strong>des</strong> 9. Jh. lassen sich Spuren von „Lampenarbeit“ erkennen, <strong>die</strong> durchaus auch<br />
mit der gezielt abgelenkten Flamme einer Fettlampe erklärt werden könnten.<br />
Literarisch belegt ist <strong>die</strong> Lampenarbeit seit dem 15./16. Jh. Noch vor Kunckels erster<br />
wissenschaftlicher Beschreibung (1679) zeigt sie sich durch <strong>die</strong> großen florentinischen Thermometer<br />
als voll entwickelte Kunst. In der Folge wird sie bei der Herstellung gewickelter und geblasener Perlen,<br />
Miniaturen, Figuren, künstlicher Augen und seit der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jh. auch für<br />
Christbaumschmuck angewandt. Verbesserte Voraussetzungen, z. B. <strong>die</strong> Gaslampe, heute der<br />
Sauerstoffgebläsebrenner, erweitern zunehmend <strong>die</strong> möglichen Anwendungen. In Historismus und<br />
Jugendstil entstehen eindrucksvolle Ziergläser. Bis heute ist Lampenarbeit <strong>die</strong> Methode der Wahl für<br />
viele wissenschaftliche Apparaturen. Botanische und zoologische Modelle von außergewöhnlicher<br />
Präzision und Schönheit schufen Leopold und Rudolf Blaschka.<br />
Immer wieder wurde versucht, mit künstlerischer Lampenarbeit einen zeitgemäßen Ausdruck zu<br />
finden. Neben den Künstlern <strong>des</strong> Thüringer Wal<strong>des</strong> waren das in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 20. Jh. vor<br />
allem <strong>die</strong> Tschechin Vera Liskova und <strong>die</strong> Amerikaner Paul Stankard und Ginny Ruffner. Sie<br />
repräsentieren mit ihren Werken drei verschiedene Tendenzen. Der Vortrag schloss mit einer<br />
persönlichen Reverenz für drei weitere Pioniere der Lampenarbeit: Albin Schaedel, Kurt Wallstab und<br />
Pavel Molnar, <strong>die</strong> mit ihrem unermüdlichen Streben nach technischer und künstlerischer Perfektion<br />
15
oder ihrer sensiblen kreativen Gestaltung zum Maßstab und Vorbild für viele wurden – auch für <strong>die</strong><br />
Vortragende selbst.<br />
2.1.1.2 Vom Handwerk zur Kunst – Kunstglasbläser im Thüringer Wald nach 1945<br />
Referent: Uwe Claassen, Hamburg<br />
In den 1970er und 80er Jahren gab es in Lauscha im Thüringer Wald neun Glasbläser, <strong>die</strong> Mitglieder<br />
im Verband bildender Künstler der DDR (VbK-DDR), Sektion Formgestaltung und Kunsthandwerk,<br />
waren. Hinzu kamen weitere vier, <strong>die</strong> den Kandidatenstatus für <strong>die</strong> Aufnahme in den VbK-DDR hatten.<br />
Die Protagonisten durften international ausstellen und wurden mit ihren Arbeiten in der östlichen wie<br />
westlichen Hemisphäre wahrgenommen. Sie waren Teil der in <strong>die</strong>ser Zeit von den USA, aber auch<br />
von der Tschechoslowakei und den skandinavischen Ländern ausgehenden, <strong>über</strong>aus erfolgreichen<br />
Studioglasbewegung, in der sie eine Sonderrolle einnahmen. Während <strong>die</strong> internationale<br />
Studioglasbewegung durch <strong>die</strong> Arbeit vor dem Glasofen bzw. durch Gießtechniken dominiert wurde<br />
und inhaltlich zur freien abstrakten Skulptur ten<strong>die</strong>rte, war Lauscha, von wenigen Ausnahmen<br />
abgesehen, das Zentrum der Arbeit vor der Lampe. Kennzeichen der Lauschaer Glasgestalter sind<br />
eine handwerkliche Ausbildung und <strong>über</strong>wiegend <strong>die</strong> Erlangung <strong>des</strong> Meistertitels. Ende der 1960er<br />
Jahre wandten sie sich von der ausgeübten figürlichen Gestaltung (zumeist Tierfiguren) ab und<br />
erlangten mit der neu erarbeiteten Gefäßgestaltung nationale und internationale Anerkennung.<br />
Eine grundlegende Voraussetzung für <strong>die</strong>se Entwicklung ist, dass Lauscha immer eine<br />
Glasbläserstadt geblieben ist, in der heutzutage noch etwa <strong>die</strong> Hälfte der Familien vom Glas lebt.<br />
Neben zwei Industrieglashütten gab es im Jahr 2005 dort 70 in der Handwerksrolle eingetragene<br />
Kunstglasbläsereien, <strong>die</strong> vor allem figürliche Arbeiten, Gefäße, Christbaumschmuck und Kunstaugen<br />
fertigten. Die oben erwähnten Glasbläser, <strong>die</strong> Mitglieder <strong>des</strong> VbK-DDR waren, sind <strong>die</strong> qualitative<br />
Spitze eines in Lauscha breit angelegten Kunsthandwerks. Bereits zu Beginn der 1930er Jahre und<br />
erneut seit den 1950er Jahren gab es vonseiten der Wirtschaftspolitik und der Hochschulen für<br />
Gestaltung Bestrebungen, <strong>die</strong> in Lauscha lange Zeit dominierende Fertigung von Saisonartikeln (vor<br />
allem Christbaumschmuck) und figürlichen Arbeiten zurückzudrängen und durch anspruchsvolle<br />
Gebrauchsartikel im Gefäßbereich zu ersetzen. Der erste Glasbläser im Thüringer Wald, der sich<br />
konsequent und mit Erfolg seit 1952 dem Gefäß zuwandte, war Albin Schaedel (1905−1999) aus<br />
Arnstadt. Er erhielt vor allem für seine Übertragungen venezianischer Glashüttenarbeiten, von Fadenund<br />
Farbgläsern in das Lampenglas, große internationale Anerkennung. Voraussetzung dafür war <strong>die</strong><br />
Perfektionierung der spießversetzten Montage. Vorbereitete Gläser werden hierbei zusammengefügt<br />
und durch das mehrfache Versetzen <strong>des</strong> Spießes (<strong>des</strong> Rohres, mit dem das entstehende Objekt <strong>über</strong><br />
der Flamme gehalten und durch das Luft hineingeblasen wird) mit Dekoren versehen, <strong>die</strong><br />
hüttentechnisch nicht zu erzielen sind. So konnte sich Schaedel eine eigenständige Formensprache<br />
im großen Universum venezianisch geprägter Glasgestaltungen erarbeiten. Zahlreiche Glasbläser in<br />
Lauscha folgten dem Vorbild Schaedels. Die Besten unter ihnen (Walter Schwarz, Günter Knye, Otto<br />
Schindhelm, Albrecht Greiner-Mai, Walter Bäz-Dölle) konnten sich Dekore mit eindeutigem<br />
Wiedererkennungswert erarbeiten. Doch es gelang ihnen nicht, sich konsequent mit originären<br />
16
gestalterischen Leistungen von den Werken Albin Schaedels abzusetzen. Nur Hubert Koch<br />
erarbeitete mit seinen Emailgläsern, bei denen er oft undekorierten Flächen Naturformen<br />
gegen<strong>über</strong>stellt, eine im internationalen Vergleich völlig eigenständige Formensprache, <strong>die</strong> höchste<br />
Anerkennung erfahren hat.<br />
Einen anderen Weg zum Gefäß fand Volkhard Precht (1930–2006). Er wollte zu Beginn der 1960er<br />
Jahre <strong>die</strong> Tiergestaltung durch größere Formate weiterentwickeln. Doch erhielt er als selbstständig<br />
arbeitender Glasgestalter keine Möglichkeit, in der Lauschaer Glashütte zu arbeiten. So errichtete er<br />
im Keller seines Wohnhauses eine Glashütte en miniature. Mit <strong>die</strong>sem ersten Studioofen in Europa<br />
wurde Precht zu einem Pionier der internationalen Studioglasbewegung – auch wenn man wegen der<br />
Teilung der Welt in Ost und West erst in den 1970er Jahren voneinander erfuhr. Mit der Arbeit am<br />
Studioofen wechselte auch Precht zum Gefäß. Grund dafür war unter anderem, dass er <strong>die</strong><br />
Mitgliedschaft im VbK-DDR anstrebte und <strong>die</strong>se mit Tierfiguren nicht zu erreichen war. Zunächst<br />
wurden neben Schalen und Vasen vor allem fantasievolle Flaschen zu seinem Markenzeichen. Seit<br />
den 1970er Jahren entwickelte er Techniken <strong>des</strong> Aufschmelzens von Glasfolien, <strong>die</strong> zum Teil mit<br />
feuerfesten Porzellanfarben bemalt waren. So kam er zu grafischen Dekoren für seine Gefäße, von<br />
denen vor allem Landschaftsmotive große Bekanntheit erlangten. Er selbst sah sich als Maler, der<br />
sich in das Glas „verlaufen“ habe. Auch <strong>die</strong>sem Vorbild folgten Glasgestalter aus der Region.<br />
Aufgrund der hohen Kosten und <strong>des</strong> Aufwan<strong>des</strong>, <strong>die</strong> ein Studioofen bedeutet, sind es jedoch nur<br />
wenige. Sie konnten aber stärker als <strong>die</strong> Lampenglasbläser, <strong>die</strong> Albin Schaedel folgten, ein<br />
eigenständiges gestalterisches Profil ausbilden. Insbesondere ist Hartmut Bechmann mit seinen<br />
Netzdekoren in einer von ihm entwickelten Kombinationstechnik aus Lampen- und Hüttenglas zu<br />
nennen. Auch Günter Knye erzielte in seinen Studioarbeiten mit aufgeschmolzenen Chiffren, <strong>die</strong> an<br />
asiatische Schriftzeichen erinnern, eigenständigere Ergebnisse als mit seinen Lampenglasarbeiten.<br />
Zu nennen ist auch Renate Precht, <strong>die</strong> Frau von Volkhard Precht, <strong>die</strong> mit ihrem Mann <strong>über</strong> Jahrzehnte<br />
bei der Arbeit am Glasofen ein Team bildete und in eigenen Arbeiten feinsinnige, oft humorvolle<br />
Bilderfindungen entwickelte.<br />
Bei Albin Schaedel und bei Volkhard Precht ist ein Wechsel im Bewusstsein ablesbar: Als<br />
Tiergestalter führten sie kleine Betriebe und beschäftigten Glasbläser, <strong>die</strong> ihre Entwürfe in Serie<br />
umsetzten. Mit dem Übergang zur Gefäßgestaltung entwickelten sie ein künstlerisches<br />
Selbstverständnis der permanenten Suche nach neuen Ausdrucksformen, <strong>die</strong> als signierte Unikate<br />
<strong>die</strong> Tierproduktion für einen breiten Markt ablösten.<br />
Die Glasbläser der jüngeren Generationen mit einem höheren gestalterischen Anspruch, meist Kinder<br />
der hier schon genannten „Altmeister“, stu<strong>die</strong>rten mehrheitlich an der Hochschule für industrielle<br />
Formgestaltung Halle. Während <strong>die</strong> ältere, vom Handwerk ausgehende Generation ihr kreatives<br />
Potenzial zumeist aus technischen Verfahren und vom Material her ableitete, geht es ihnen darum,<br />
erst eine künstlerische Ausgangsbasis zu erarbeiten, <strong>die</strong> dann <strong>über</strong> bestimmte Materialien und<br />
Techniken ihre Ausprägung findet. Aber auch hier ist zu beobachten, dass <strong>die</strong> Vertreter der jüngeren<br />
Generation, wie Ulrich und Susanne Precht, Henry Knye oder (ohne ein Studium) André Gutgesell<br />
und John Zinner in der Mehrzahl wieder zum Gefäß als Grundform und zu gegenständlichen Motiven<br />
17
gefunden haben. Die Thüringer Glaskunst hat sich in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 20. Jh. stark verändert –<br />
und ist <strong>über</strong>wiegend doch ihren regionalen Traditionen treu geblieben.<br />
2.1.1.3 Wilhelm Braun-Feldweg (1908 – 1998) und das deutsche Glas<strong>des</strong>ign in den 1950er und<br />
1960er Jahren<br />
Referentin: Xenia Riemann, Frankfurt/M.<br />
Der Designer Wilhelm Braun-Feldweg gehörte neben Wilhelm Wagenfeld und Heinrich Löffelhardt zu<br />
den wichtigen Glas<strong>des</strong>ignern <strong>des</strong> süddeutschen Raums in der Nachkriegszeit. Braun-Feldweg war<br />
nach Walter Dexel von 1967 bis 1972 Leiter <strong>des</strong> <strong>Fachausschusses</strong> V der <strong>DGG</strong>.<br />
Walter Lochmüller holte 1948 Wilhelm Braun-Feldweg als Metallspezialisten von der Gewerbeschule<br />
Geislingen nach Schwäbisch Gmünd an <strong>die</strong> Fachschule für Edelmetallgewerbe. Zum Glas<strong>des</strong>ign kam<br />
Braun-Feldweg 1950. Er erhielt den Auftrag, am Aufbau der neuen Glasabteilung mitzuwirken und<br />
ihren Lehrplan zu erstellen [1]. Die neue Einrichtung sollte im südwestdeutschen Raum den gesamten<br />
Nachwuchs für Glasveredelung ausbilden. Die Glasklasse verstand sich als Nachfolgeinstitution der<br />
Wilhelm von Eiff-Klasse an der Kunstgewerbeschule in Stuttgart [2]. Nach 1945 ist <strong>die</strong> als Gold- und<br />
Silberstadt geltende Stadt Schwäbisch Gmünd zu einem wichtigen Zentrum der Glasherstellung<br />
geworden. Die Stadt hatte etwa 2000 Vertriebene aus dem sudetendeutschen Raum aufgenommen<br />
und <strong>die</strong> meisten Zwangsausgesiedelten waren Glasfachleute aus dem nordböhmischen Isergebirge<br />
oder dem schlesischen Riesengebirge.<br />
Den bekanntesten Teil seines Glasœuvres schuf Braun-Feldweg im Zeitraum von 1950 bis 1958, als<br />
er im Rahmen der schwäbischen Fachschule mit ortsansässigen und auswärtigen Glashütten in<br />
Kontakt kommen konnte. Zu den wichtigsten lokalen Kooperationen kam es mit der Graf<br />
Schaffgotsch’sche Josephinenhütte (ca. 1950−1955) und der Wiesenthalhütte der Firma Ludwig Breit<br />
(1957−1958) in Schwäbisch Gmünd sowie der WMF in Geislingen/Steige (1955−1961). Für <strong>die</strong><br />
Firmen Peill + Putzler in Düren (ca. 1959−1961) und Doria-Werk in Fürth (1961−1978) gestaltete er<br />
zahlreiche, sehr strenge Leuchten. Am intensivsten arbeitete Braun-Feldweg aber mit dem<br />
Kristallglaswerk Hirschberg zusammen, das ursprünglich aus dem schlesischen Hirschberg stammte<br />
und nach 1945 in Essen, dann im hessischen Stadtallendorf bei Marburg ansässig wurde. Braun-<br />
Feldweg prägte als Chef<strong>des</strong>igner nicht nur <strong>die</strong> neue Glasgestaltung, sondern entscheidend auch das<br />
moderne Erscheinungsbild der Firma von 1954 bis 1968.<br />
Stilistisch unterschied sich Braun-Feldweg früh von seinen im nächsten Umkreis wirkenden Kollegen<br />
wie Wilhelm Wagenfeld, Heinrich Löffelhardt, Klaus Breit, Hans Theo Baumann oder H. H. Engler. Er<br />
entwickelte eine eigene Formensprache, <strong>die</strong> den Einfluss aus dem nordeuropäischen Raum zeigte<br />
und durch ihren Funktionalismus eindeutig den Zeitgeist der Guten Form widerspiegelte. Braun-<br />
Feldwegs Stil durchläuft eine Entwicklung, <strong>die</strong> bei Designern in Ost- und West-Deutschland<br />
gleichermaßen zu finden ist: Das dynamische, runde, optimistische Formenvokabular im Glas wird im<br />
Zuge der politischen wie wirtschaftlichen Konsoli<strong>die</strong>rung der beiden jungen Staaten von einer<br />
strengen sachlich-geometrischen Gestaltung abgelöst.<br />
18
In der Biografie Braun-Feldwegs bedeutete das Jahr 1958 einen großen Einschnitt. Obwohl das<br />
Kultusministerium Baden-Württemberg versucht hatte, Braun-Feldweg im Lande zu halten – er erhielt<br />
1958 den Professorentitel − entschied er sich noch im selben Jahr für das schwierige Unterfangen, an<br />
der Staatlichen Hochschule der Künste in West-Berlin <strong>die</strong> neue Designklasse aufzubauen. Dort wirkte<br />
er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1973.<br />
Literatur<br />
[1] Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd, Personalakte Dr. Braun: Kultministerium an Gewerbl.<br />
Berufsschule Schwäbisch Gmünd, 31.01.1950; Kultministerium Stu<strong>die</strong>nrat an Dr. Wilhelm<br />
Braun, 03.04.1951: Betreff Stoffplanentwurf für Glasberufe.<br />
[2] BF-Archiv, Berlin, A 34: Zur Begründung der Glasklasse an der Staatlichen Fachschule in<br />
Schwäbisch Gmünd, undatiert [ca. 1955]; Karl Seyfang, der Nachwuchs in der künstlerischen<br />
Glasveredelung. In: Glas im Raum, 2 (1954) 1, S. 8.<br />
2.1.1.4 Glasgestaltung an der Burg Giebichenstein<br />
Referentin: Claudia Zachow, Halle<br />
Die Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle wurde 1915 gegründet. Im Laufe der<br />
1920er Jahre entwickelte sie sich zu einem bedeutenden Zentrum der angewandten Kunst in<br />
Mitteldeutschland. Bis 1965 gab es dort jedoch keine speziellen Glaswerkstätten bzw. -klassen.<br />
Dennoch sind erste Entwurfsaufträge für Beleuchtungskörper nachweisbar: so für das Haus von Peter<br />
Behrens auf der Werkbundausstellung 1927 in Stuttgart oder für das Flughafenrestaurant von Hans<br />
Wittwer auf dem Flugplatz Halle-Leipzig 1931.<br />
1925 erhielt Gerhard Marcks den Ruf an <strong>die</strong> Burg. Seine – im Auftrag von Erich Schott erfolgte –<br />
legendäre Entwicklung einer Kaffeemaschine ging 1928 im Jenaer Glaswerk Schott & Genossen in<br />
Serie. Gemeinsam mit Charles Crodel wurden in den 1920er und 1930er Jahren erste signifikante<br />
Glasentwürfe für <strong>die</strong> industrielle Serie geliefert. Nennenswert seien an <strong>die</strong>ser Stelle <strong>die</strong> Dekorentwürfe<br />
von Crodel für <strong>die</strong> berühmte Entwurfswerkstatt Wilhelm Wagenfelds in den Vereinigten Lausitzer<br />
Glaswerken (VLG). Die sogenannten Crodel-Filigranbecher der VLG stellen wie <strong>die</strong> Sintrax-<br />
Kaffeemaschine von Marcks Glanzleistungen der frühen Gebrauchsglasgestaltung im Umfeld von<br />
Bauhaus und Burg dar.<br />
Zwischen 1958 und 1966 erfolgte eine staatlich gelenkte Neustrukturierung und Profilierung der Burg<br />
auf dem Gebiet der industriellen Formgestaltung. Es wurden u.a. spezialisierte Designfachgebiete<br />
gegründet und z.T. auch aus den Werkstätten für angewandte Kunst herausgelöst. So entstand 1966<br />
das Fachgebiet Gefäßgestaltung. Die angesehene Kunsthandwerkerin Ilse Decho erhielt <strong>die</strong> erste<br />
Berufung auf den neuen Lehrstuhl für Glasgestaltung. Zusammen mit Hans Merz und Hubert Petras<br />
gab sie dem Fachgebiet Profil und Struktur. Mit Dechos Namen war <strong>die</strong> Etablierung der<br />
19
Glas<strong>des</strong>ignausbildung an der Burg fest verbunden; Halle blieb in der DDR <strong>die</strong> einzige universitäre<br />
Stu<strong>die</strong>nmöglichkeit für Glas<strong>des</strong>ign. Von 1975 bis zu ihrem Tod 1993 leitete Brigitte Mahn-Diedering<br />
das Fachgebiet. Sie erweiterte das Ausdrucksspektrum auch in den Bereich der kunsthandwerklichen<br />
Kleinserie. Mithilfe der Glashütte Derenburg ebenso wie mit anderen DDR-Glasfirmen entstanden<br />
Stu<strong>die</strong>n- und Diplomarbeiten, <strong>die</strong> oft <strong>über</strong> das gängige Designniveau der Industrie hinauswiesen und<br />
mit internationalen Standards wetteiferten. Wesentliche Themenfelder der 1970er und 1980er Jahre<br />
waren komplette Geschirrprogramme, Behälterglas für Küche und Haushalt sowie Beleuchtungsglas.<br />
Im Jahr 1993 <strong>über</strong>nahm der ehemalige Absolvent Hubert Kittel <strong>die</strong> Leitung <strong>des</strong> Fachgebietes.<br />
Gemeinsam mit der Hochschullehrerin Helga Raupach gelang <strong>die</strong> Überführung in neue<br />
Hochschulstrukturen innerhalb <strong>des</strong> Stu<strong>die</strong>nganges Industrie<strong>des</strong>ign als Fachrichtung Keramik-<br />
/Glas<strong>des</strong>ign an der Hochschule. Entscheidend für <strong>die</strong> Fortsetzung <strong>des</strong> Stu<strong>die</strong>nschwerpunktes<br />
Glas<strong>des</strong>ign ist <strong>die</strong> seit 1992 bestehende Bindung <strong>des</strong> Glas<strong>des</strong>igners Michael Böhm an <strong>die</strong><br />
Fachrichtung. Weitere exzellente Impulse und praxisbezogene Erfahrungen vermittelte zwischen 2002<br />
und 2006 <strong>die</strong> Hochschullehrerin Heike Philipp-Prechtel. Sie war u.a. verantwortlich für den<br />
gestalterischen Neuauftritt der Marke Jenaer Glas.<br />
2.1.1.5 Lampenglas – ein verkanntes Material<br />
Referentin: Susan Liebold, Schneidemühle<br />
Die Referentin sammelte als Kind erste Erfahrungen mit dem Werkstoff Lampenglas in der elterlichen<br />
Werkstatt. Nach dem Abitur war sie als selbstständige Glasgestalterin im eigenen Unternehmen tätig<br />
und entwickelte ihre handwerklichen Fähigkeiten weiter. Seit 2002 stu<strong>die</strong>rt sie an der Burg<br />
Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle und ist nebenbei im eigenen Café-Atelier tätig.<br />
Während <strong>des</strong> Studiums realisierte sie verschiedene Projekte mit dem Werkstoff Glas. Sie entwickelte<br />
innovative Glasprodukte infolge der gesammelten Erfahrungen gestalterischer Prozesse und neuer<br />
Materialkombinationen. Durch zeitgemäße Produkte sicherte sie erfolgreich den Fortbestand <strong>des</strong><br />
eigenen Unternehmens. Als Beispiele für Stu<strong>die</strong>nprojekte nennt sie Glas-Porzellanverschmelzungen,<br />
Schmuck-Kombinationen aus Glas, Filz und Silikon sowie Blütenobjekte für den Interieurbereich.<br />
Lampenglas bietet ein einzigartiges Potenzial für <strong>die</strong> Gestaltung <strong>des</strong>ignorientierter Produkte. Die<br />
filigrane Formensprache ist nicht mit maschinellen oder Hüttenglas-Techniken zu erreichen. Die<br />
manuelle, traditionelle Handwerkstechnik lässt sich nicht maschinell imitieren. Das Lampenglas gehört<br />
zum Kulturgut unserer Gesellschaft. Zeitgemäße Lampenglasprodukte bedeuten eine ästhetische<br />
Bereicherung gemäß dem Bedarf nach emotional ansprechenden, individuellen Produkten. Das<br />
gestalterische Ziel für Lampenglas ist <strong>die</strong> Entwicklung von Objekten für Interieur, Innenarchitektur und<br />
Mode, <strong>die</strong> sich abheben vom „Nippes-Kitsch-Klischee“, der manchen Erzeugnissen <strong>die</strong>ses Handwerks<br />
anhaftet.<br />
20
2.1.1.6 Glas<strong>des</strong>ign – Aspekte einer Gebrauchskultur<br />
Ein Gespräch zwischen Frau Dr. Schroeter-Herrel, Frankfurt/M., und Professor Michael Böhm, Berlin.<br />
Nachfolgend <strong>die</strong> Gedanken von Böhm zu obigem Thema:<br />
Definition<br />
Es geht um Glas-Design, um den Beruf <strong>des</strong> Glas-Designers im Verhältnis zum Glas-Künstler. Es geht<br />
um Gebrauchskultur, Gebrauchsglas, Alltagskultur, Festkultur, um <strong>die</strong> menschlichen Aspekte der<br />
Gestaltung, um Glasgestaltung in den Lebensbereichen. Das Spektrum umfasst sowohl industriell,<br />
maschinell als auch manuell hergestellte Produkte in Serie, gelegentlich auch limitierte Reihen oder<br />
Einzelstücke.<br />
Glas-Design ist kein Handwerk, wenngleich seine Herkunft aus dem gestaltenden Handwerk von<br />
Vorteil ist. Die Fähigkeit zur Gestaltung sowie <strong>die</strong> Kenntnis <strong>des</strong> Materials und seiner Herstellung oder<br />
auch <strong>des</strong> Wissens um <strong>die</strong> Anwendungsbereiche, wie Getränkekultur, Floristik, Licht und Ambiente,<br />
Küche und vieles Andere machen den Designer zu einem kompetenten Partner zwischen Produkt-<br />
Management und Technik. Es geht um Erfolg, es geht um Marken, es geht aber auch um persönliche<br />
Handschrift und Unverwechselbarkeit im Design.<br />
Glas-Design heute<br />
Es ist bekannt, dass sich <strong>die</strong> Glasindustrie, der Glasmarkt und das Kundenverhalten seit Jahren in<br />
einem dramatischen Wandel befinden. Der Untergang ganzer Glaslandschaften mit dem Verlust von<br />
Arbeitsplätzen hat zu großen wirtschaftlichen Einbußen geführt. Die großen etablierten Glasfirmen in<br />
Europa konnten sich behaupten und durch Zukauf ihre Kostenstrukturen verbessern. Neben <strong>die</strong>sen<br />
Firmen sind viele neue entstanden, <strong>die</strong> in der Mehrzahl Handelsgesellschaften sind und ein sehr<br />
spezialisiertes Angebot haben. Design in strengem Sinne ist in der Minderheit. Auch firmenbezogenes<br />
Kunstglas reduziert sich auf einzelne arrivierte Hütten in Schweden und Italien. Die große Dominanz<br />
liegt im Bereich Tradition und Dekoration. Das ist nicht neu. Was ist <strong>über</strong>haupt Glas-Design? Da der<br />
Begriff Design nicht geschützt ist: alles was entworfen ist. Alles, was Designer, oder wer sich dafür<br />
hält, tun. Das macht eine Beurteilung nicht einfacher. Für Glassammler, <strong>die</strong> sich auf Design<br />
spezialisieren, extrem schwierig. Museen sind ratlos, angesichts eines Messebesuchs <strong>die</strong> richtige<br />
Auswahl für Ankäufe zu treffen. Es gibt nur wenige Museen, <strong>die</strong> sich um Design oder Alltagskultur<br />
kümmern. Viel einfacher ist eine Auswahl im Bereich Kunsthandwerk, daher <strong>die</strong> Dominanz der<br />
Einzelstückästhetik im Museum.<br />
Aber auch für Design gibt es schlüssige Kriterien für besondere Qualität. Am einfachsten sind<br />
natürlich große Namen. Aber es gibt auch immer Wegweisen<strong>des</strong> zu erkennen, im Bereich Technik<br />
oder Erscheinung. Für Philip Rosenthal war es <strong>die</strong> Echtheit <strong>des</strong> Zeitausdrucks „Das Echte unserer<br />
Zeit“. Immer wieder ist man <strong>über</strong>rascht und berührt, wenn Aktualität auf den Punkt gebracht wird. Ob<br />
es jedoch seine Bewährung in der Zeit besteht, ist fraglich. Manches wird zu Ikonen seiner Zeit,<br />
Zeitgeist, manches <strong>über</strong>dauert in seiner Bedeutung und wird Standard. Mancher Riese <strong>des</strong> Erfolgs ist<br />
eine kümmerliche Erscheinung. Der globale Wandel ist zunächst ein europäischer. Reisen nach<br />
Osteuropa erscheinen wie Zeitreisen in unsere Vergangenheit. Hütten mit tausenden von<br />
21
Glasmachern, quietschenden Schleifereinen und Gravursäle, nelkenölgetränkte Malerabteilungen,<br />
Buchhalter und Hüttenmeister in korrekten Anzügen. Alles wie in den 1960er Jahren. Nichts Neues<br />
unter der Sonne. Alles beginnt irgendwo neu und kommt vielleicht auch zurück. In Wahrheit sind <strong>die</strong><br />
Möglichkeiten heute viel größer als früher, wo nur das Können der Glasmacher vor Ort maßgeblich<br />
war. Die Kollektionen heute können viel reichhaltiger sein was Technik, Funktion und Material<br />
anbelangt. Die Zeit erfordert <strong>die</strong>s. Für das Glas-Design in Europa ist eine völlig neue Situation<br />
entstanden. Vom Untergang kann nicht <strong>die</strong> Rede sein. Der Bedarf an Glas ist riesig, Glas ist<br />
erfolgreich und braucht Gestalter. Ein weltweiter Markt braucht allerdings einen anderen Typ von<br />
Designer. Das hat mit äußeren Faktoren zu tun: Die Auftraggeber heute sind weniger Glashütten, <strong>die</strong><br />
es bei uns größtenteils gar nicht mehr gibt, sondern Handelsgesellschaften, Verlage oder Marken, <strong>die</strong><br />
ein Glassortiment führen. Das Bedarfsspektrum ist sehr groß und reicht von Handelsriesen wie<br />
Tchibo, <strong>die</strong> leicht Marktführer sein können, <strong>über</strong> Großmarktfloristen in den Niederlanden oder<br />
Gastronomie-Ausstattern im Billigsektor bis hin zu etablierten Marken der Glas-, Porzellan-, Besteck-,<br />
Beleuchtungs- oder Möbelbranche im mittleren Bereich. Aber auch im gehobenen- und Luxus-<br />
Element sind große Chancen für Glas, das betrifft vor allem den Bereich Mode, Schmuck und<br />
Accessoires.<br />
Es gibt eine Trennung zwischen Handel und Herstellung. Vertrieb und Organisation haben sich schon<br />
vor vielen Jahren von der Produktion getrennt. Weltweite Zuliefersysteme kooperieren mit globalen<br />
Vertriebsstrukturen. Das hat auch gravierende Auswirkungen auf das Berufsbild <strong>des</strong> Glas<strong>des</strong>igners,<br />
der früher oft angestellt war, oder – wenn er freiberuflich tätig war – durch einen Exklusiv-Vertrag an<br />
eine Marke gebunden war. Das gibt es noch, ist aber nicht mehr <strong>die</strong> Regel, sondern <strong>die</strong> Ausnahme.<br />
Der Beruf Glas<strong>des</strong>igner heute ist hoch spezialisiert und setzt besondere Kenntnisse <strong>über</strong> Glas voraus.<br />
Kenntnisse <strong>über</strong> Gastronomie, Floristik, Licht und Ambiente, neuer Trends und Techniken. Es ist klar,<br />
dass <strong>die</strong>se <strong>über</strong>lebensnotwendigen Kenntnisse nicht in einer Ausbildung erlernt werden können, sei<br />
es nun eine Fach- oder Hochschulausbildung, sondern aus dem individuellen und unternehmerischen<br />
Interesse während der Berufspraxis. Da ich selbst an einer Hochschule als Professor Glas<strong>des</strong>ign<br />
unterrichte, versuche ich Verantwortung für eine neue Generation zu <strong>über</strong>nehmen. Um all <strong>die</strong><br />
individuellen Fluchtpunkte, um mit der Sprache der Perspektive zu sprechen, auszuloten, braucht es<br />
einen weiten Horizont, Begabung und unbedingte Liebe zum Material als Voraussetzung. In <strong>die</strong>sem<br />
Punkt hat sich zu früher nichts geändert, wohl aber in den zusätzlichen Fähigkeiten und<br />
Kenntnissen,<strong>die</strong> in besonderen Fallstu<strong>die</strong>n angeregt werden. Im Laufe <strong>die</strong>ser Ausbildung werden sich<br />
einige auch für einen künstlerischen Weg entscheiden, besonders wenn sie eine Ausbildung als<br />
Glasmacher hatten und einige Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich Studioglas erworben haben. An<br />
<strong>die</strong>sem Punkt entsteht Artist-Designer oder freies Kunsthandwerk.<br />
Am Anfang steht immer freies Gestalten im Hüttenbereich, Experimente, Unikate, um ein eigenes<br />
Gefühl, eine eigene Interpretation <strong>des</strong> Glases zu ermöglichen. Wichtiger als ein Vortrag ist <strong>des</strong>halb<br />
ein spannender Workshop. Aber es soll nicht bei Unikaten, bei Einzelstück-Ästhetik-Objekten bleiben.<br />
Es geht weniger um das Serielle <strong>des</strong> Einzelnen, sondern um systematisches, diszipliniertes Gestalten<br />
einer Kollektion als Einheit. Hier trennen sich <strong>die</strong> Temperamente und Perspektiven. Für einen<br />
22
Designer bleibt das Experiment am Ofen mit einem Team guter Glasmacher der nötige Weg zum<br />
unbekannten Erfolgsprodukt.<br />
Faszination Glas<br />
Glas ist wie geformtes Licht, eines der schönsten Materialien. Es ist mein Bestreben, Menschen von<br />
der Schönheit <strong>des</strong> Glases zu begeistern. Aus der Inflation und Fülle langweiliger, billiger und banaler<br />
Alltäglichkeiten geht es darum, das Besondere, das Faszinierende <strong>des</strong> Glases wieder zu erkennen<br />
und in Dingen zu verwirklichen, <strong>die</strong> uns bereichern. Das ist einfach und schwierig zugleich.<br />
Ausgangspunkt ist immer <strong>die</strong> Faszination und der Mythos Glas. An seinem Ursprung, in der<br />
Glashütte, erlebt man es jeden Tag, wie aus Erde Licht wird. Durch feurige Energie wandelt sich<br />
Sand, Soda und Pottasche in leuchten<strong>des</strong>, transparentes Kristallglas. Glas macht Licht sichtbar, Glas<br />
macht Licht nutzbar, Glas scheint unsichtbar, Glas transzen<strong>die</strong>rt Farben. Der Entwurf von Glas bleibt<br />
aus dem persönlichen Erleben bestimmt. So standen und stehen am Anfang meiner Arbeit oft<br />
Versuche und Experimente am Ofen, um der Wesenhaftigkeit <strong>des</strong> Materials nachzuspüren und eine<br />
eigene Ästhetik <strong>des</strong> Glases zu entwickeln. Scheinbar ganz aus sich selbst, in der Selbstreflexion <strong>des</strong><br />
Mediums nimmt sich Glasmachen selbst zum Thema. So entstehen zunächst interessante Objekte<br />
zur Inspiration. Eine neue Technik, eine neue Wirkung, etwas Verblüffen<strong>des</strong>. Wohl gibt es erste<br />
Ideenskizzen, nach denen probiert wird. Es gibt aber nicht den Plan, etwas zu erzwingen. Der beste<br />
Freund <strong>des</strong> Designers ist das Scheitern. An den Grenzen <strong>des</strong> Machbaren tritt Neues zutage, das es<br />
zu erkennen gilt. Das unbekannte Erfolgsprodukt X entsteht nicht aus Recherchen <strong>des</strong> Bekannten,<br />
sondern aus inspirierenden Brüchen. Aber auch <strong>die</strong> Erfahrung wächst und das Wissen um das<br />
Machbare.<br />
Interpretation<br />
Mein Design orientiert sich ursprünglich an Phänomenen und Prozessen: Ausdruck der Lichtnatur <strong>des</strong><br />
Glases, Ausdruck <strong>des</strong> Prozesshaften handwerklichen oder maschinellen Tuns, Form als Ausdruck<br />
ihrer Herstellung. Die größte Gefahr liegt im Zuviel. Ein organisches Design versucht immer <strong>die</strong><br />
Wesenseigenschaften <strong>des</strong> Kristalls zu interpretieren und zu verdeutlichen. Seien es nun <strong>die</strong><br />
Augenscheinlichkeiten <strong>des</strong> Lichts oder sein fließender Charakter, der auch in der Erstarrung erhalten<br />
bleibt. Ohne Glasmacher oder Techniker gibt es kein Glas. Der Entwurf eines Glases ist auch<br />
abhängig vom Können und der Eigenart der Menschen rund um <strong>die</strong> Fertigung. Echte Glasgestaltung<br />
ist nicht vom Material getrennt, sondern wächst aus ihm heraus. Unberührt von Zukunft steht<br />
Handwerk neben Industrie und Maschine. Wir sind eine technische Zivilisation und benutzen<br />
technische Produkte, auch im Bereich Glas. Gerade <strong>die</strong> Dominanz <strong>des</strong> Technischen macht manuell<br />
gefertigte Produkte notwendig. In der Manufaktur liegt eine menschliche Dimension der Herstellung<br />
und Wirkung.Die handwerkliche Herstellung betont gegen<strong>über</strong> technischer Glätte <strong>die</strong> dosierte<br />
Unregelmäßigkeit als „natürlich“ und „menschlich“. Die technische Produktion sucht nach Lösungen,<br />
sich <strong>die</strong>sem Erfolgsmodell im Endergebnis anzupassen. Das neue Design ist den großartigen<br />
technischen Möglichkeiten wohl verpflichtet, aber nicht in einem funktionalistischen Sinn, sondern<br />
schafft und sucht sich Ausgleich und Nähe zu Natur und Mensch.<br />
23
Produktentwicklung für Marken<br />
Marke bedeutet Grenzen. In der Zusammenarbeit mit Firmen ist das klare Markenprofil der Raum<br />
meiner Inspiration. Die Grenze und <strong>die</strong> damit zusammenhängende Herausforderung gibt mir, positiv<br />
ausgedrückt, <strong>die</strong> Freiheit und den Raum der Gestaltung. Design <strong>die</strong>nt einem kommerziellen Zweck.<br />
Der Erfolg und <strong>die</strong> Kompetenz einer Marke drückt sich nicht nur im Bekanntheitsgrad aus, sondern<br />
wesentlich in der Kompetenz ihrer Produkte, <strong>die</strong> den Wert einer Marke aufrecht erhält. Es geht auch<br />
um gutes Design.<br />
Glas-Design – eigener Standpunkt<br />
Design heute ist international und setzt kosmopolitische Trends. Modern bedeutet Vielfalt von<br />
Möglichkeiten. Keine Ismen und Ideologien. Vieles erscheint möglich. Sehr oft sind gar keine<br />
Gestalter, sondern Arrangeure am Werk, <strong>die</strong> sich an der Frivolität ihrer Auswahl berauschen.<br />
Weltkultur wird als Fundgrube benutzt. Bei aller Freiheit und allen Möglichkeiten sind wir wieder da<br />
angelangt, wo Design immer neu beginnt. Bei neuer Orientierung und Reform. Die großen<br />
Designepochen waren gleichzeitig Zeiten der Reform und Neubesinnung. In der Rückbesinnung auf<br />
<strong>die</strong> vergangenen großen Reformwerke Jugendstil und Bauhaus vergegenwärtigen wir uns, was heute<br />
zu tun ist. Vergangener Wohlstand und Anpassungsprobleme, Hedonismus und Objektkultur als Kult<br />
blockieren eine Neubesinnung. Ob unsere Zeit eine Zeit der Reformen wird, bestimmen nicht allein<br />
Designer.<br />
Ich wähle den Begriff und <strong>die</strong> Position einer anspruchsvollen „Gebrauchskultur“ neu als Gegenpart.<br />
Der Begriff Gebrauchskultur fasst <strong>die</strong> früher üblichen Begriffe Alltags- und Festkultur zusammen.<br />
Gebrauchskultur heute für eine neue Generation orientiert sich an veränderten Lebensverhältnissen<br />
und Funktionen. Nicht kurzlebige Lifestyle-Trends, nicht der schnelle Wandel der Dinge ist angesagt,<br />
sondern zunehmend das Gegenteil. Ein nachhaltiges Beharren auf Lebenswerten und Lebensthemen,<br />
ganz zeitgemäß großen Entwicklungen folgend. In ständiger Produktpflege und Konzentration auf das<br />
Machbare einen eigenen Weg gehen.<br />
Insgesamt werden <strong>die</strong> Dinge heute wieder einfacher. Gebrauchskultur heute ist ideologie- und<br />
restriktionsfrei. Freie Verfügbarkeit der Weltkulturen, Vertrautheit bewährter Partituren und Modernität<br />
in der Reduzierung. Zeit zur Sensibilität in ruhiger Zurückhaltung. Das wachsende Verlangen nach<br />
Klarheit, Orientierung und Wert. Im Innehalten entdeckten wir <strong>die</strong> Poesie der Moderne. In der<br />
Rückbesinnung auf das große Reformwerk Bauhaus auch <strong>des</strong>sen andere, nicht funktionalistische<br />
Seite. Das Bauhaus hatte emotionale und rationale Strömungen. Uns interessiert bei<strong>des</strong>. Die neue<br />
Moderne ist auch weltläufig, aber weniger ideologisch, sondern mehr am Menschen unmittelbar<br />
interessiert. Mein Design heute versucht <strong>die</strong> Gegenstände einer Gebrauchskultur als Einheit zu<br />
verstehen. Die Gegenstände von innen betrachtet, als Subjekt, erscheinen als Räume. Von außen als<br />
Objekte. Räume kommunizieren, schaffen Communio – Einheit. Objekte korrespon<strong>die</strong>ren, schaffen<br />
Vielheit. Um den Gedanken der Einheit zu finden, müssen wir uns mit dem Innenleben der Dinge<br />
befassen. Haben Dinge eine Ausstrahlung, ein Eigenleben? Wenn ja, müssen wir uns mit ihnen<br />
beschäftigen. Wir müssen sie tief mit Denken durchdringen. Einen Gegenstand, wie Wagenfeld es<br />
schon tat, von Grund auf neu zu denken und uns in sein Wesen und seine Funktion einzufühlen. Dann<br />
24
entstehen keine nutzlosen Gegenstände. Die Gegenstände einer Alltagskultur oder Festkultur werden<br />
zu notwendigen Identifikationen. Das Innenleben der Dinge ist das Geheimnis wahrer Gestaltung.<br />
Arrangeure transportieren nur Erscheinungsbilder als Stilhülsen <strong>des</strong> so genannten Geschmacks.<br />
Talent und ein sicheres Stilgefühl sind selbstverständlich notwendige Voraussetzungen, ebenso gute<br />
Kenntnis der Herstellung und der Glasgeschichte und der Anwendungsgebiete, wie ich bereits<br />
ausgeführt habe. Design im klassischen Sinn ist wie ein Handwerk oder wie eine Kunst. Aus meiner<br />
Sicht ist es von der Musik und kompositorischen Techniken nicht weit entfernt. Um mich von reiner<br />
Gefallensästhetik unabhängig zu machen, habe ich <strong>die</strong> Methode einer präzisen Ästhetik entwickelt.<br />
Ganz aus der neueren Wissenschaft der Harmonik entwickelt, folgen <strong>die</strong> Proportionen und Kurven<br />
den genauen Tonzahlen und Verhältnissen einer heutigen Tonleiter mit besonderer Betonung der<br />
goldenen Schnittreihen. Es ist eine Methode ästhetischer Komplexität für Produkte mit eigener<br />
Frequenz. Eine neue, sehr eigene Methode, <strong>die</strong> Bezüge zur alten Harmonielehre der Griechen<br />
herstellt. Im Ganzen ist es eine Synergiemethode, weil sich das Endergebnis aus den Versuchen in<br />
der Glashütte und am Zeichenbrett aus System und Spontaneität ergibt. Ich arbeite dabei nicht mit<br />
dem äquidistanten Zentimetermaß, sondern mit einem perspektivischen Maßleiter- System, das den<br />
Tonfolgen in der Musik entspricht. Mit Bruchzahlen, <strong>die</strong> sich wieder auf ein Grundmaß beziehen. Im<br />
Ganzen kein quantitatives, sondern ein qualitatives Zahlensystem. Um jeden Gegenstand gibt es ein<br />
dimensionales Gerüst: Höhe, Breite, Tiefe. So wie wir ein Quadrat als Einklang unisono oder Prim<br />
logisch empfinden, so auch alle anderen Intervalle der Orthogone, <strong>die</strong> von Bedeutung sind, wobei<br />
auch Fluchtpunkte oder alle außen und innen liegenden Punkte bei Konstruktionen konsonieren.<br />
Wenn man eine Kollektion macht, versucht man alle Gegenstände in Einklang zu bringen, eine Einheit<br />
herzustellen. Das geschieht, indem <strong>die</strong> verschiedenen Größen nach wiederkehrenden Intervallen,<br />
beispielsweise Terzen, wachsen oder mindern, oder disproportionale Folgen der Weitung oder<br />
Höhung <strong>die</strong>sen Terzen folgen. Bis jetzt sind nur Punkte vorhanden. Die eigentliche Inkorporation<br />
entsteht durch <strong>die</strong> Kurvatur zwischen den Punkten, <strong>die</strong> ebenfalls aus Tonfolgen besteht.<br />
Logarithmische Spiralen, Sinuskurven oder Parabeln lassen sich auch in Tönen darstellen. Der innere<br />
Klang oder <strong>die</strong> Ton- oder Eigenart entsteht durch <strong>die</strong> Auswahl spezieller mathematischer Kurven. So<br />
lassen sich <strong>die</strong> Kurven aus dem Bereich derKegelschnitte wie Parabeln, Hyperbeln usw. gut in einer<br />
Kollektion vereinbaren, während sie nicht so gut beispielsweise zu Schwingungskurven wie<br />
Sinuskurven passen. Es gehört zu meinen Arbeitsgrundlagen, dass ich mit ganz vielen Kurvenlinealen<br />
aller Art und Größe aus Papier baue, um dann im Arbeitsprozess sehr schnell viele Artikel zu<br />
bewältigen. Der Entwurf eines Einzelgegenstan<strong>des</strong> ist auch spontan zu bewältigen. Systematische<br />
Entwürfe wie Kollektionen brauchen präzise Strukturen, sonst fallen sie auseinander. In <strong>die</strong>sem<br />
System spielen natürlich auch Farben und Oberflächen eine Rolle, <strong>die</strong> sich positiv oder negativ zu<br />
Formen verhalten. Im Ganzen eine komplette Ablehnung der vergangenen Moderne, <strong>die</strong> sich nur allzu<br />
oft der Zerstörung, der Zerrüttung, dem interessant Falschen hingibt, um Aufmerksamkeit zu<br />
bekommen. Den falschen Ton hört man besser. In der Frage, wie wir weiterleben wollen, bahnt sich<br />
ein Kulturkonflikt an.Zurück zur äußeren Erscheinung. Die Angemessenheit der Ausführung, der<br />
Aufwand positioniert einen Gegenstand, hebt ihn aber nicht aus der geschlossenen<br />
Gestaltungsabsicht, aus der Qualität der Kollektion heraus. Funktion hat als Komfort eine<br />
bereichernde Absicht. Jenseits einfacher Gefallensästhetik oder modischer Trends artikulieren sich<br />
25
<strong>die</strong> neuen Formen in ruhigen harmonischen Strukturen nach präzisen Proportionsmaßen. Nach den<br />
Zeiten der Postmoderne und <strong>des</strong> Purismus eine Rückbesinnung auf Gebrauchskultur anspruchsvoller<br />
Einfachheit. Glasqualität und <strong>die</strong> Geschlossenheit einer Standards setzenden modernen Gestaltung.<br />
Die neuen Themenkomplexe der Produktentwicklung, <strong>die</strong> neue Vielfalt der Dinge, <strong>die</strong> Rückkehr zum<br />
Gebrauchsgegenstand erfordern auch, einen Gegenstand neu sehen zu können, Überliefertes<br />
anzupassen, Variationen zu vermeiden. Ziel ist ein neuer Standard. Statt wie bisher Glasserien und<br />
Geschenkartikel zu unterscheiden, stehen Programme als gestalterische und markentypische Einheit.<br />
Lebenswelten, Lebensnähe bestimmen als Themenkomplexe <strong>die</strong> neuen Produkte. Anstatt<br />
Geschenkartikel für endlose Lifestyle-Themen wie blaue Lagune, Dschungel, Afrika, Lolly Pop, Rich<br />
Style oder China-Pop zu kreieren, sollen Produkte auch wieder aus ihrem Gebrauch definiert werden,<br />
wobei <strong>die</strong> ästhetische und praktische Funktion für verschiedene Lebensbereiche von Tischkultur und<br />
Ambiente als Komfort unser Lebensgefühl bereichern. Kollektionen nicht nur aus Kelchgläsern und<br />
Vasen machen!<br />
Qualität ist zunächst nur eine sinnliche materiale und funktionale Beschaffenheit, <strong>die</strong> sich im Erleben<br />
äußert als Komfort, Wohlgefallen, vielleicht Bereicherung. So wie sich im pythagoreischen Sinne Maß<br />
und Wert verhalten. Begehrlichkeit entsteht durch Charisma, einer inneren Qualität aus Liebe.<br />
Entscheidend ist nicht Qualität, sondern <strong>die</strong> besondere Qualität.<br />
Wege-Trends<br />
Das „Echte unserer Zeit“ wie Philip Rosenthal sagte, wird erfolgreich sein. Statt reiner Zielgruppen<br />
bestimmen Werte den Focus. Widersprüche und Paradoxien kennzeichnen neue Kunden. Das,<br />
sowohl als auch Brüche und unterschiedliche Bedürfnisse zu verschiedenen Zeiten. Überall spüren<br />
wir Veränderung, so auch hier. Der restriktive Kulinarismus um den Gourmet-Kult <strong>des</strong> späten 20. Jh.<br />
weicht einer entspannten Atmosphäre genießender Sensibilität und Einfachheit. Neue internationale<br />
Küche und Kochtrends brachten neue Produkte. Glas erobert neue Felder aus dem Bereich Porzellan<br />
und Keramik. Der Stil unserer Zeit besteht nicht mehr in einer engen Vereinbarung oder<br />
Konzentration, sondern in freier Verwendung <strong>des</strong> Reizvollen. Nicht so sehr Gestalter und Arrangeure<br />
prägen heute <strong>die</strong> Bedürfnisse.<br />
Die Kraft <strong>des</strong> Beliebigen dominiert und setzt das Design wieder dahin, wo es angefangen hat. Wenn<br />
alle Trends, Retrobewegungen und Moden sich <strong>über</strong>holt haben, ist richtige Gestaltung wieder gefragt.<br />
Design und Gestaltungsqualität<br />
Neben Funktion und Materialität schlägt <strong>die</strong> Gestaltqualität eine Brücke zur Ästhetik, ja zur Kunst.<br />
Skulpturale Qualität ist nicht nur eine Sache von Skulpturen. Mit einer einfachen Gefallensästhetik<br />
fangen wir Sympathiewerte auf, <strong>die</strong> uns neugierig machen, mehr zu erfahren. Was verbindet Design-<br />
Ästhetik mit Kunst? Im frühen 20. Jh. waren Design-Formen noch eindeutig aus Formen der Kunst<br />
inspiriert. Henry Moor, Arp, Calder oder Konstruktivistisches ließen sich leicht in profanen<br />
Gegenständen ausmachen und hatten ihrerseits Rückwirkung auf Künstler. Der Gedanke, etwas nur<br />
aus der Funktion zu gestalten, hat nie recht begeistert. Ein restriktiv ideologisches Design hat immer<br />
wieder große Bevölkerungsteile in Kitsch-Folklore und Nostalgie getrieben. Andererseits hat <strong>die</strong><br />
Intellektualisierung der Kunst in den 1970er Jahren viele Dialoge zerstört und einheitliche<br />
26
Entwicklungen verhindert. Das Ende der Utopie <strong>des</strong> Fortschritts durch Ölkrisen hat zum Aufblühen<br />
handwerklicher Entwicklungen auch im Glasbereich geführt, <strong>die</strong> in der Studioglasbewegung der<br />
1980er Jahre ihren einzigartigen Abschluss findet. In ähnlicher Weise findet auch <strong>die</strong> Kunst zurück zu<br />
traditionellen Me<strong>die</strong>n in Malerei und Plastik in Form einer „neuen wilden" Kunst. Leider hat der<br />
Gedanke <strong>des</strong> Dialogs keine besondere Aktualität mehr. Viele Glaskünstler schaffen immer noch<br />
Werke im Stil vergangener moderner Kunst, weil der Anschluss verpasst wurde. Viele Designer<br />
wenden sich ratlos Retrobewegungen zu. Dabei hat alles so gut angefangen. Das Bauhaus wollte<br />
Architekten, Techniker, Künstler, Handwerker und Designer zum gemeinsamen Werk anregen: Paul<br />
Klee und Gropius, Kandinsky und Moholy Nagy.<br />
Wir beklagen den Verlust traditioneller Ästhetik in der Kunst und flüchten uns in eine glatte<br />
Gefallensästhetik. Künstler und Designer, Handwerker und Techniker könnten viel voneinander<br />
lernen, wenn sie im Gespräch blieben. Es geht auch um Design als Gestaltqualität mit individueller<br />
Methodik und Handschrift, dem Stil unserer Zeit verpflichtet.<br />
Perspektiven<br />
Überall entsteht Neues. Nur <strong>die</strong> Hinwendung zu Werten schafft neue Vereinbarungen und Konsens,<br />
wie wir mit Europa den globalen Wettbewerb bestehen. Die Billig-Kultur ist ein Unwert, der unsere<br />
persönliche Existenz in Frage stellt oder zerstört. In Europa ist uns immer wieder etwas eingefallen.<br />
Durch große Reformen wie Renaissance und Aufklärung wurde der Erfolg Europas geschaffen. Es ist<br />
Zeit für eine neue Reform.<br />
2.1.2 Wahl <strong>des</strong> Fachausschussvorsitzenden, seiner Stellvertreter und <strong>des</strong> Schriftführers<br />
(Beginn: 11.30 Uhr)<br />
Nach der Geschäftsordnung der Fachausschüsse der <strong>DGG</strong> war <strong>die</strong> 3jährige Amtszeit der<br />
Vorsitzenden Frau Dr. C. Schroeter-Herrel, ihrer Stellvertreter Frau Dr. G. Haase und Herren F. X.<br />
Höller sowie der Schriftführerin Dipl.-Ing. A. Doms abgelaufen. Herr Dr.-Ing. U. Roger, der<br />
Geschäftsführer der <strong>DGG</strong>, <strong>über</strong>nahm für <strong>die</strong> Durchführung der Wahlen <strong>die</strong> Leitung der Sitzung. Herr<br />
F. X. Höller stand aus beruflichen Gründen für eine Wiederwahl leider nicht mehr zur Verfügung. Da<br />
ein zweiter Stellvertreter für den Fachausschuss nicht zwingend notwendig ist, bleibt <strong>die</strong>se Stelle<br />
vorerst vakant.<br />
In <strong>die</strong> Fachausschussleitung wurden einstimmig gewählt:<br />
Vorsitzende: Frau Dr. C. Schroeter-Herrel, Direktorin, Leiterin Kunstberatung Deutsche Bank AG,<br />
Frankfurt/M.;<br />
Stellvertreter: Frau Dr. G. Haase, Dresden;<br />
Schriftführerin: Frau Dipl.-Ing. A. Doms, Deutsche Glastechnische Gesellschaft, Offenbach.<br />
27
Dr. Roger wünschte der Fachausschussleitung weiterhin Erfolg und interessante Sitzungen. Frau<br />
Dr. Schroeter-Herrel bedankte sich bei Herrn Höller für <strong>die</strong> bisher geleistete Arbeit im Fachausschuss<br />
V und <strong>über</strong>reichte ein Geschenk.<br />
28
2.1.3 Verschiedenes<br />
(Beginn: 11.45 Uhr)<br />
• Frau Schroeter-Herrel gibt bekannt, dass aus Anerkennung der langjährigen Tätigkeit von<br />
Herrn Ricke als FA-V-Vorsitzender und anlässlich seiner Pensionierung im Frühjahr 2008, der<br />
Fachausschuss V vom 19. bis 21. September 2008 in Düsseldorf tagen wird. Diesem<br />
Vorschlag wird zugestimmt.<br />
• Frau Schroeter-Herrel gibt weiter bekannt, dass als Tagungsort für 2009 München<br />
vorgesehen ist. Wegen <strong>des</strong> Oktoberfestes muss der Termin bereits auf den 11. Bis 13.<br />
September 2009 gelegt werden.<br />
• Nachdem der Beirat <strong>des</strong> FAV auf seiner Sitzung im Februar 2007 beschossen hat, weitere<br />
Mitglieder für den Fachausschuss V zu benennen, wurden <strong>die</strong> Namen bekannt gegeben:<br />
Frau Benz, Glasmuseum Wertheim<br />
Frau Berg, Kulturkreis Glashütten e.V., Glashütten<br />
Frau Borgward, Bremen<br />
Herr Funk, LWL-Industriemuseum, Glashütte Gernheim<br />
Frau Kanowski, Bröhan-Museum, Berlin<br />
Herr Kittel, Hochschule f. Kunst u. Design, Halle<br />
Herr Kirsche, Dresden<br />
Frau Kunze, Thüringer Museum Eisenach<br />
Herr Mauerhoff, Ottendorf-Okrilla<br />
Frau Netzer, Kunstgewerbemuseum Berlin<br />
Herr Ohlms, Göttingen<br />
Frau Riemann, Die Neue Sammlung, München<br />
Frau Schlick-Nolte, Bad Homburg<br />
Frau Schommers, Bayer. Nationalmuseum, München<br />
Alle haben <strong>die</strong> Wahl angenommen.<br />
2.2 Exkursion nach Ilmenau und Umgebung<br />
(Abfahrt: 13.00 Uhr)<br />
2.2.1 Besichtigung der Wanderausstellung „Glastradition im Thüringer Wald“ in Ilmenau<br />
(Beginn: 14.00 Uhr)<br />
Für <strong>die</strong> Zeit von 1200 – 1500 gibt es Hinweise auf etwa 12 Waldglashütten, auch Wanderglashütten<br />
genannt. Erste Gründungen sogenannter Dorfglashütten waren 1525 Langenbach, 1564 Fehrenbach,<br />
1597 Lauscha und bis 1675 folgend Schmalenbuche, Altenfeld, Gehlberg, Stützerbach, Piesau,<br />
29
Ernstthal, Limbach und Ilmenau. In den Regionen Lauscha/Neuhaus wurden Mitte <strong>des</strong> 18. Jh. aus<br />
Glasrohren und –stäben „vor der Lampe“ Glasperlen, Glasmärbel, Glasaugen und erstmalig gläserner<br />
Baumschmuck hergestellt. Durch Übernahme der Lampenglasbläserei in den Regionen Stützerbach,<br />
Gehlberg und Ilmenau entwickelte sich dort wegen der guten chemischen Beständigkeit und<br />
Verarbeitbarkeit <strong>des</strong> Glases <strong>die</strong> Laborgeräte-, Glasinstrumente- und Thermometerfertigung. Im<br />
Rahmen einer Interessengemeinschaft stellen <strong>die</strong> beteiligten Museen, Vereine und Technischen<br />
Denkmale in einer Wanderausstellung <strong>die</strong> Tradition der Glasherstellung im Thüringer Wald dar.<br />
Diese Wanderausstellung besichtigten <strong>die</strong> Tagungsteilnehmer in der „Fischerhütte“ in Ilmenau. Die<br />
denkmalgeschützte „Fischerhütte“ ist Sitz <strong>des</strong> Ilmenauer Glastradition e.V. Im Hüttengebäude<br />
befinden sich etliche Glashüttengeräte und ein Hafenofen. Der seit mehr als 10 Jahren bestehende<br />
Verein will <strong>die</strong> Tradition der technischen Glasindustrie wahren und <strong>die</strong> Entwicklung der Glasindustrie<br />
in Thüringen weiter verfolgen. Herr Klaus Jahn hielt in der „Fischerhütte“ einen Einführungsvortrag<br />
zum Thema „Glastradition im Thüringer Wald“.<br />
2.2.2 Besichtigung (mit Führung) <strong>des</strong> Thermometermuseums in Geraberg und <strong>des</strong><br />
Glasmuseums in Gehlberg<br />
Thermometermuseum Geraberg, Plan 9, 98716 Geraberg<br />
Das erste deutsche Thermometermuseum Geraberg wurde im Januar 2002 teilweise und im Juni<br />
2004 komplett geöffnet.<br />
In dem technischen Museum werden <strong>die</strong> Anfänge der Temperaturmessung durch Galileo Galilei <strong>über</strong><br />
Berührungsthermometer (z.B. Flüssigkeitsglasthermometer wie das Fieberthermometer) bis zur<br />
heutigen technischen Temperaturermittlung durch Widerstandsthermometer, Thermoelemente und<br />
elektronische Messverfahren anschaulich dokumentiert. Die Darstellung der sozialen<br />
Lebensbedingungen der Thüringer Thermometermacher und der Thermometerherstellung ist ein<br />
wichtiger Teil der Ausstellung.<br />
Die FA-V-Teilnehmer faszinierten besonders <strong>die</strong> praktischen Vorführungen zum Anbringen der<br />
Skalierung auf Glasthermometern, das Luftthermoskop nach Galileo Galilei, das einen Vorläufer eines<br />
Thermometers darstellt, und <strong>die</strong> Abteilung der modernen Messverfahren.<br />
2.2.3 Glasmuseum Gehlberg, Glasmacherstr. 1, 98559 Gehlberg<br />
Das Glasmuseum Gehlberg, 1993 gegründet, befindet sich im Herrenhaus <strong>des</strong> ehemaligen<br />
Glashüttenkomplexes der Familie Gundelach. Das Hüttenareal steht unter Denkmalschutz. Drei<br />
Gebäude davon sind Einzeldenkmale. Dabei handelt es sich um das Herrenhaus, <strong>die</strong> Glashütte selbst<br />
und das Kesselhaus.<br />
30
Das Museum lädt zu einer Zeitreise durch 350 Jahre Glastradition ein. Die Ausstellung dokumentiert<br />
zugleich <strong>die</strong> Geschichte <strong>des</strong> Ortes und <strong>die</strong> Entwicklung der Glasindustrie, <strong>die</strong> untrennbar miteinander<br />
verbunden sind. Die ersten Röhren nach Röntgens Vorstellungen wurden in Thüringen auch in<br />
Gehlberg von der Firma Max Gundelach hergestellt. Schon 1910 wurden in Gehlberg bis zu 10<br />
verschiedene Röntgenröhrentypen sowie Braunsche- und Kathodenstrahlröhren für Schulzwecke und<br />
Hochspannungslaboratorien sowie für <strong>die</strong> ersten Fernsehversuche angeboten. Seit 1995 ist dem<br />
Museum eine Heimatstube angeschlossen, wo man nachvollziehen kann, wie <strong>die</strong> Glasmacher und<br />
Glasbläser damals gelebt haben. Während <strong>des</strong> Besuches der Fachausschuss-Teilnehmer war der<br />
Studioglasofen in Betrieb und auch ein Glasbläser war tätig.<br />
Lobenswert war, dass in beiden Museen ausreichend Personal zur Verfügung stand, das geduldig auf<br />
alle Fragen antwortete. Schließlich war es bedauerlich, dass <strong>die</strong> Zeit sehr knapp bemessen war und<br />
nicht ausreichte, um einzelne Dinge noch einmal näher zu betrachten.<br />
2.3 Geselliges Beisammensein im Schloss Fischbach, Malittenburgweg 2, 99817 Eisenach-<br />
Fischbach<br />
Im großen Festsaal <strong>des</strong> 1256 erbauten Schloss Fischbach konnten <strong>die</strong> Teilnehmer <strong>die</strong> vielen<br />
Eindrücke <strong>des</strong> Tages „verdauen“ und noch einmal Revue passieren lassen.<br />
31
3. Sonntag, 30. September 2007, in Eisenach<br />
3.1 Besichtigung (mit Führung) der Lan<strong>des</strong>ausstellung „Elisabeth von Thüringen – eine<br />
europäische Heilige“ auf der Wartburg<br />
(Beginn: 9:00 Uhr)<br />
In <strong>die</strong> Räume der Wartburg und der Eisenacher Predigerkirche waren vom 7. Juli bis 19. November<br />
2007 Stücke aus Elisabeths Besitz oder Gebrauch zurückgekehrt. Kostbarste Exponate aus dem<br />
Besitz der ungarischen Königsdynastie sowie der Thüringer Landgrafen, wie beispielsweise der<br />
Landgrafenpsalter aus Stuttgart, der Elisabethpsalter aus Cividale, Elisabeths prächtiger Rock aus<br />
Andechs oder wertvolle Gläser <strong>des</strong> Mittelalters sind Teil der Ausstellung. Einmalige Leihgaben, u.a.<br />
aus dem Vatikan, aus Assisi, Perugia, Siena, St. Petersburg, Bratislava, Budapest, Wien oder Paris,<br />
ließen den Ausstellungsteil auf der Wartburg zu einem einzigartigen Erlebnis europäischer Kunst- und<br />
Kulturgeschichte werden.<br />
3.2 Besichtigung einer Privatsammlung von Biedermeier-Gläsern in Erfurt (fakultativ)<br />
(Beginn: ab 13.00 Uhr)<br />
Im Anschluss an <strong>die</strong> <strong>Herbstsitzung</strong> bestand <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong>se Privatsammlung zu besichtigen.<br />
Herr Werner Reitz war bereit, seine Sammlung für <strong>die</strong> Teilnehmer <strong>des</strong> FA V zu öffnen. Für <strong>die</strong>sen<br />
Programmpunkt hatten sich noch 31 Personen angemeldet.<br />
Offenbach, den 15. August 2008<br />
Die Vorsitzende<br />
32<br />
Die Schriftführerin<br />
gez. Dr. C. Schroeter-Herrel gez. Dipl.-Ing. A. Doms
Anwesenheitsliste FA V in 2007 in Eisenach<br />
Anwesend waren laut umgelaufener Anwesenheitsliste:<br />
Arnold, Dr. Dietrich, Kahla<br />
Bärnighausen, Bettina,<br />
Sondershausen<br />
Bartel-Arnold, Sabine, Kahla<br />
Baur, M.A. Desirée, Eisenach<br />
Bayer, Dr. Tilde, Jena<br />
Benz, M.A. Barbara, Wertheim<br />
Berg, Ingrid, Glashütten<br />
Berg, Uwe, Glashütten<br />
Berg, Thomas, Uetersen<br />
Bigorajski, Dr. Günter,<br />
Gehrden<br />
Bigorajski, Sigrun, Gehrden<br />
Böhm, Prof. Michael, Berlin<br />
Bornfleth, Elisabeth, Nürnberg<br />
Bornfleth, Heinz, Nürnberg<br />
Claassen, Uwe, Hamburg<br />
Dethlefs, Dr. Gerd, Münster<br />
Doms, Annette, Offenbach<br />
Fleischmann, Bernhard,<br />
Offenbach<br />
Franze, Lothar, Potsdam<br />
Franze, Hannelore, Potsdam<br />
Funk, Michael, Petershagen<br />
Gelfort, Dr. Eike, Köln<br />
Goes, Dr. Georg, Baruth<br />
Götz, Dr. Wolfgang, Jena<br />
Götz, Frau, Jena<br />
Greiner, Dr. Walter, Sonthofen<br />
Groß, Renate, Gilching<br />
Günther, Karin, Frankfurt a.M.<br />
Haase, Dr. Gisela, Dresden<br />
Hamann, Dr. Bernd, Ilmenau<br />
Hamann, Frau, Ilmenau<br />
Heinemann, Dr. Wolfgang,<br />
Hanau<br />
Heinemann, Marlis, Hanau<br />
Helbig, Bernd, Eisenach<br />
Höller, Franz X., Zwiesel<br />
Horn, M.A. Helena, Frechen<br />
Jahn, Klaus, Ilmenau<br />
Jahn, Inge, Ilmenau<br />
Jentsch, Prof. Dr. Christian,<br />
Lübeck<br />
Jentsch, Christine, Lübeck<br />
Kanowski, Dr. Claudia,<br />
Berlin<br />
Keller, Sigrid, Wertheim<br />
Kessemeier, Dr. Siegfried,<br />
Münster<br />
Kessemeier, Dr. Carin,<br />
Münster<br />
Kirsche, Dr. Albrecht, Dresden<br />
Klesse, Prof.Dr. Brigitte, Bonn<br />
Klesse, Frau, Bonn<br />
Klettke, Astrid, Bad Oeyn-<br />
hausen<br />
König, M.A. Sandra, Berlin<br />
Krämer, Prof. Dr. Bernd,<br />
Grünenplan<br />
Kregeloh, M.A. Anja,<br />
Hamburg<br />
Krippendorff, Wolfgang,<br />
Verden (Aller)<br />
Kunze, Kathrin, Eisenach<br />
Kunze, Michael, Eisenach<br />
Lienemann, Bernd, Kriftel<br />
Liebold, Susan, Schneidemühle<br />
Lierke, Rosemarie, Schwalbach<br />
Lierke, Dr. Ernst Günter,<br />
Schwalbach<br />
Marschner, Dr. Hannelore,<br />
München<br />
Mauerhoff, Dietrich,<br />
Ottendorf-Okrilla<br />
Nawroth, Katrin, Wertheim<br />
Netzer, Dr. Susanne, Berlin<br />
Ohlms, Dr. Franz, Göttingen<br />
Peters, Sybille, Taunusstein<br />
Ricke, Dr. Helmut, Düsseldorf<br />
Ricke, Dr. Ute, Düsseldorf<br />
Riemann, M.A. Xenia,<br />
Frankfurt/M.<br />
Rilling, Frank, Reutlingen<br />
Roger, Dr. Ulrich, Offenbach<br />
Schack von Wittenau,<br />
Dr. Clementine, Coburg<br />
Schaeffer, Prof. Dr.Helmut A.,<br />
Berlin<br />
Schaeffer, Walburga, Berlin<br />
Schaeffer, Raimund, Essen<br />
Schaeffer, Ilsabe, Essen<br />
Schenk, M.A. Beate Nicole,<br />
Reutlingen<br />
33<br />
Schlinge, Manfred, Bad<br />
Oeynhausen<br />
Schmitt, Peter, Karlsruhe<br />
Schroeter-Herrel, Dr. Christina,<br />
Bad Homburg<br />
Schulze, Prof. Dr. Gerhard,<br />
Berlin<br />
Seibel, Dr. Fritz, Hamburg<br />
Seibel, Gabriele, Hamburg<br />
Sustmann, Hans, Köln<br />
Steger, Willi, Riedlhütte<br />
Steger, Christa, Riedlhütte<br />
Steppuhn, Dr. Peter,<br />
Lübeck<br />
Tiesler, Hartmut, Bockenheim<br />
Tiesler, Inge, Bockenheim<br />
Traa, van, Willem,<br />
Rotterdam (NL)<br />
Uhlmann, Prof.Dr. Werner,<br />
Gerbrunn<br />
Uhlmann, Erika, Gerbrunn<br />
Ungar, Horst, Heilbronn<br />
Ungar, Marianne, Heilbronn<br />
Weiler, Manfred, Gladbeck<br />
Weiler, Christa, Gladbeck<br />
Wessling, Hermann,<br />
Bad Münder<br />
Wessling, Gabriele,<br />
Bad Münder<br />
Wolf, Uwe, Stuttgart<br />
Wolf, Eva, Stuttgart<br />
Zachow, Claudia, Halle<br />
Zeymer, Bruno, Osnabrück<br />
Zeymer, Traute, Osnabrück