N e w s l e t t e r - Orthopädische Praxisklinik Neuss

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16.12.2012 Aufrufe

8 OPN aktuell 05 Dieses ist durch die Erhöhung der Bruchzähigkeit, durch Zwischenlagerung homogen verteilter Zirkoniumoxidpartikel sowie durch Plättchenverstärkung der Aluminiumoxid-Matrix möglich (Abb. 2). Keramiken sind biologisch inert. Unter Metallkeramiken versteht man eine Oberflächenbeschichtung mittels Titan-Niobium-Nitrit oder Oxinium (Zirkonium 97,5 % und Niobium 2,5 %). Die Metallkeramiken zeichnen sich durch eine erhöhte Härte, Kratzfestigkeit und Benetzbarkeit, verbesserte biologische Eigenschaften gegenüber den Metall-Legierungen sowie durch eine erhöhte Bruchfestigkeit gegenüber Keramiken aus (Abb. 3). Polyethylen ist in seiner Form als U(ltra) H(igh) M(olecular) W(eight) der 2. und nunmehr auch der 3. Generation als „cross-linked“ Polyethylen erhältlich. Bei letzterem werden bereits bei der Herstellung die Molekularstrukturen Abb. 2: Verbesserung der Bruchfähigkeit von Aluminiumoxid- Matrix-Composite Keramiken mit Zwischenschalten von Zirkoniumoxidpartikeln (oberes Bild) und durch Plättchenverstärkung (unteres Bild). Hierdurch wird eine mögliche Rissausbildung (roter Pfeil) idealerweise verhindert. des Polyethylen durch Bestrahlung mit Elektronen zu einer dreidimensionalen Struktur vernetzt, die vergleichsweise gegenüber Abrieb und Verschleiß deutlich widerstandsfähiger ist. Mögliche Gleitpaarungen in der Hüftendoprothetik bestehen in der Kombination von Metall-Metall, Metall-Polyethylen, Keramik-Polyethylen, Keramik-Keramik, Metallkeramik-Metallkeramik und neuerdings von Keramik-Metall. Für eine Gleitpaarung mit einem Kopfdurchmesser von 28 mm zeigt sich der niedrigste Abrieb für die Kombination Keramik-Keramik, gefolgt von Metall-Metall, Keramik-Polyethylen. Den höchsten Verschleiß findet man in der Gleitpaarung Metall-Polyethylen (Abb. 4). Die Vorteile der Gleitpaarung von Metall- Polyethylen liegen in der vielfältigen Anwendbarkeit und der Robustheit der Paarung, auch in biomechanisch nicht optimal rekonstruierten Hüftgelenken. Der reduzierte Abrieb in der Gleitpaarung Keramik- Polyethylen – und noch sensibler in der Paarung Keramik-Keramik – wird durch die erhöhte Brüchigkeit der Keramik sowie die Abb. 3: Oberflächenbeschichtung einer Metallkeramik mit Titan- Niobium-Nitrit. Die harten Karbid partikel der darunterliegenden Metalllegie - rung sind durch die Beschichtung bedeckt, was die Ober flächenrauheit zusätzlich deutlich reduziert. eingeschränkte Möglichkeit im Revisionsfall erkauft. Für die Gleitpaarung Metall- Metall sprechen wiederum der reduzierte Abrieb, die Robustheit der Gleitpaarung und die verbesserte Revisionsmöglichkeit. Nachteilig sind hier die Anfälligkeit gegenüber „Drittkörperverschleiß“ sowie die er höhte Metall-Ionen-Konzentration im Serum. Die Gleitpaarung Metallkeramik- Polyethylen vereint die Vorteile eines geringen Abriebes mit einer hohen Robustheit des Systems. Um den immer höheren Ansprüchen der Patienten an eine aktive Lebensführung auch nach Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes von Seiten des Operateurs gerecht zu werden, gehen die Überlegungen nicht nur in die Richtung des „minimal invasiven“, oder besser ausgedrückt weichteil- und knochenschonenden Operierens mit innovativem Prothesendesign, sondern auch hin zu der Überlegung maximaler Luxationssicherheit und Bewegungsfreiheit („Range of Motion“/ROM) des operierten Gelenkes. Hier besteht nun die Möglichkeit, die bekannten Kopfdurchmesser 28 mm und 32 mm nach oben zu erweitern. So ergibt sich eine ROM von 123° bei der Verwendung eines 28 mm durchmessenden Hüftkopfes, diese kann durch die Verwendung eines beispielweise 40 mm durchmessenden Hüftkopfes auf 152° gesteigert werden (Abb. 5). Hier muss aber, unter Berücksichtigung der zuvor genannten Materialeigenschaften und unter Kenntnis des Abriebverhaltens sowie Reibungskoeffizienten, die jeweilige Gleitpaarung auch unter Respektierung der biomechanischen Rekonstruktion des operierten Hüftgelenkes kritisch ausgewählt werden. Durch die neuartige Aluminiumoxid-Matrix-Composite Keramik lassen sich aktuell Keramik-Keramik Gleitpaarungen von 36 mm Durchmesser realisieren. Der limitierende Größenfaktor ist hier die modulare Pfannenkomponente. Denn das Keramik-Inlay braucht eine gewisse Wandstärke, was ab einem Innendurchmesser größer 36 mm zu einem vergrößerten Außendurchmesser des Metallback der Pfanne führen würde, so dass dementsprechend vermehrt Knochen im Bereich des acetabulären Pfannenlagers „geopfert“ werden müsste. Ist eine maximale Luxationssicherheit, Robustheit und ROM ge-

wünscht, was mit Kopfdurchmessern größer 40 mm noch weiter erreicht werden kann, so bieten sich die Metall-Metall oder die Metallkeramik-Metallkeramik Gleitpaarungen an. Hier kann man auf die Monoblockpfannen der Oberflächenersatzprothesen zurückgreifen und diese mit den modularen Großköpfen der entsprechenden Anbieter kombinieren. Durch den schmalen Eurokonus einer stielverankernden Schaftprothese lassen sich hier ROM von nahezu 180° erreichen (Abb. 6). Bei der Auswahl der Gleitpaarung von Kopfdurchmessern größer 32 mm gilt es zu beachten, dass durch die Kombination von „Hart-Hart“ Gleitpaarungen der Abrieb deutlich reduziert werden kann. Die besten Eigenschaften bieten hier bis zu Druchmessern von 36 mm die Keramik- Keramik Gleitpaarungen bei allerdings erhöhtem Risiko von Materialbrüchen mit deutlich reduzierter Revisionsmöglichkeit. Für die Verwendung von Metall-Metall Paarungen ist vor allem, neben der bereits erwähnten Materialeigenschaft (kohlenstoffreich-/arm, geschmiedet/gegossen), die Oberflächenrauheit, das diametrale Spiel der Kopf- und Pfannenkomponente und der Reibungskoeffizient Lambda wichtig. So verbessert eine geringe Oberflä- Abb. 4: jährlicher Abrieb bei Verwen dung von 28 mm Kopfdurchmesser der einzelnen Gleitpaarungen. chenrauheit die Schmierung und reduziert entsprechend den Abrieb. Eine optimale Schmierung wird bei einem Reibungskoeffizienten von Lambda größer 3 erreicht. Hierbei kommt es zu einer Flüssigkeitsschmierung, so dass kein Kontakt zwischen den Komponenten besteht, was idealerweise zu keinem Verschleiß führt. Das diametrale Spiel zwischen Kopf- und Pfannenkomponente sollte so klein wie möglich gehalten werden. Hier ist aller- dings die Elastizität des Beckens unter Belastung zu berücksichtigen, was zwangsläufig zu einer gewissen Verformung der Pfannenkomponente führt. Dadurch besteht bei einem zu kleinen diametralen Spiel die Gefahr, dass sich die Kopfkomponente unter Belastung in der verformten Pfannenkomponente verklemmt, was biomechanisch (Abrieb, Lockerung) nicht akzeptabel ist. Ein zu großes diametrales Spiel (als Sicherheitsreserve) wiederum verbietet sich, da so die ideale Flüssigkeitsschmierung nicht zu erreichen ist, da es ständig zu einem Abriss des Flüssigkeitsfilmes kommen würde. Außerdem würde sich eine größere Kontaktbeanspruchung einstellen, was den Abrieb vermehrt. Die Pfannenkomponenten müssen somit eine gewisse Wandstärke aufweisen, um eine entsprechend ausreichende Verwindungssteifigkeit zu erreichen. Die in der Literatur nachteilig diskutierten Metall- Ionen-Konzentrationen im Serum bei Metall-Metall Gleitpaarungen können durch die Verwendung von Metallkeramiken bis auf ein Minimum reduziert werden. Die Verwendung von „cross-linked“ Polyethylen bei Kopfdurchmessern größer 32 mm ist in der aktuellen operativen Praxis noch die Ausnahme, obwohl hier in-vitro Simulatoruntersuchungen mit Metall-Polyethylen Gleitpaarungen vielversprechende Ergebnisse und deutliche Abriebreduktion auch bei geringer Wandstärke des Polyethyleninlays zeigten. Als Fazit für den klinischen Alltag lässt sich festhalten, dass bei einer gewünschten verbesserten ROM große Kopfdurchmesser Verwendung finden sollten. Die beste Biologie mit dem geringsten Abriebverhalten bieten hier die Keramik-Keramik Gleitpaarungen. Es sind aktuell Durchmesser bis zu 36 mm erhältlich. Als nachteilig sind die erhöhte Bruchgefahr der Keramiken und die eingeschränkten Revisionsmöglichkeiten zu nennen. Wird eine maximale Luxationssicherheit und ROM als Priorität gesetzt, so sind Metall-Metall oder noch besser Metallkeramik-Metallkeramik Gleitpaarungen zu wählen. Hier lassen sich Kopfdurchmesser von größer 54 mm mit einem ROM von 180° erreichen. Durch die Verwendung von Metallkeramiken lässt sich ebenfalls die Metallionen-Konzentration im Serum bis an die Nachweisgrenze deutlich reduzieren. Die Verwendung von „cross-linked“ Polyethylen (UHMWE PE der 3. Generation) spielt, trotz vielversprechender in-vitro Simulatoruntersuchungen, in der klinischen Anwendung aktuell noch keine Rolle. Die Anwendung ist aber weiterhin zu beobachten. Priv.-Doz. Dr. med. T. Mumme Literatur beim Verfasser Abb. 5: Verbesserung der ROM und der Luxationssicherheit unter Verwendung von größeren Kopfdurchmessern. Abb. 6: Kurzschaftprothese mit Eurokonus und modularem Großkopf (50 mm Durchmesser). ROM 180°. 9

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OPN aktuell 05<br />

Dieses ist durch die Erhöhung der Bruchzähigkeit,<br />

durch Zwischenlagerung homogen<br />

verteilter Zirkoniumoxidpartikel sowie<br />

durch Plättchenverstärkung der Aluminiumoxid-Matrix<br />

möglich (Abb. 2). Keramiken<br />

sind biologisch inert. Unter Metallkeramiken<br />

versteht man eine Oberflächenbeschichtung<br />

mittels Titan-Niobium-Nitrit<br />

oder Oxinium (Zirkonium 97,5 % und<br />

Niobium 2,5 %). Die Metallkeramiken<br />

zeichnen sich durch eine erhöhte Härte,<br />

Kratzfestigkeit und Benetzbarkeit, verbesserte<br />

biologische Eigenschaften gegenüber<br />

den Metall-Legierungen sowie durch eine<br />

erhöhte Bruchfestigkeit gegenüber Keramiken<br />

aus (Abb. 3). Polyethylen ist in seiner<br />

Form als U(ltra) H(igh) M(olecular)<br />

W(eight) der 2. und nunmehr auch der 3.<br />

Generation als „cross-linked“ Polyethylen<br />

erhältlich. Bei letzterem werden bereits bei<br />

der Herstellung die Molekularstrukturen<br />

Abb. 2: Verbesserung der Bruchfähigkeit<br />

von Aluminiumoxid-<br />

Matrix-Composite Keramiken mit<br />

Zwischenschalten von Zirkoniumoxidpartikeln<br />

(oberes Bild) und<br />

durch Plättchenverstärkung (unteres<br />

Bild). Hierdurch wird eine mögliche<br />

Rissausbildung (roter Pfeil)<br />

idealerweise verhindert.<br />

des Polyethylen durch Bestrahlung mit<br />

Elektronen zu einer dreidimensionalen<br />

Struktur vernetzt, die vergleichsweise gegenüber<br />

Abrieb und Verschleiß deutlich<br />

widerstandsfähiger ist.<br />

Mögliche Gleitpaarungen in der Hüftendoprothetik<br />

bestehen in der Kombination<br />

von Metall-Metall, Metall-Polyethylen,<br />

Keramik-Polyethylen, Keramik-Keramik,<br />

Metallkeramik-Metallkeramik und neuerdings<br />

von Keramik-Metall. Für eine Gleitpaarung<br />

mit einem Kopfdurchmesser von<br />

28 mm zeigt sich der niedrigste Abrieb für<br />

die Kombination Keramik-Keramik, gefolgt<br />

von Metall-Metall, Keramik-Polyethylen.<br />

Den höchsten Verschleiß findet man in der<br />

Gleitpaarung Metall-Polyethylen (Abb. 4).<br />

Die Vorteile der Gleitpaarung von Metall-<br />

Polyethylen liegen in der vielfältigen Anwendbarkeit<br />

und der Robustheit der Paarung,<br />

auch in biomechanisch nicht optimal<br />

rekonstruierten Hüftgelenken. Der reduzierte<br />

Abrieb in der Gleitpaarung Keramik-<br />

Polyethylen – und noch sensibler in der<br />

Paarung Keramik-Keramik – wird durch die<br />

erhöhte Brüchigkeit der Keramik sowie die<br />

Abb. 3: Oberflächenbeschichtung<br />

einer Metallkeramik mit Titan-<br />

Niobium-Nitrit.<br />

Die harten Karbid partikel der<br />

darunterliegenden Metalllegie -<br />

rung sind durch die Beschichtung<br />

bedeckt, was die Ober flächenrauheit<br />

zusätzlich deutlich reduziert.<br />

eingeschränkte Möglichkeit im Revisionsfall<br />

erkauft. Für die Gleitpaarung Metall-<br />

Metall sprechen wiederum der reduzierte<br />

Abrieb, die Robustheit der Gleitpaarung<br />

und die verbesserte Revisionsmöglichkeit.<br />

Nachteilig sind hier die Anfälligkeit gegenüber<br />

„Drittkörperverschleiß“ sowie die<br />

er höhte Metall-Ionen-Konzentration im<br />

Serum. Die Gleitpaarung Metallkeramik-<br />

Polyethylen vereint die Vorteile eines geringen<br />

Abriebes mit einer hohen Robustheit<br />

des Systems.<br />

Um den immer höheren Ansprüchen der<br />

Patienten an eine aktive Lebensführung<br />

auch nach Implantation eines künstlichen<br />

Hüftgelenkes von Seiten des Operateurs<br />

gerecht zu werden, gehen die Überlegungen<br />

nicht nur in die Richtung des „minimal<br />

invasiven“, oder besser ausgedrückt<br />

weichteil- und knochenschonenden Operierens<br />

mit innovativem Prothesendesign,<br />

sondern auch hin zu der Überlegung maximaler<br />

Luxationssicherheit und Bewegungsfreiheit<br />

(„Range of Motion“/ROM) des<br />

operierten Gelenkes. Hier besteht nun die<br />

Möglichkeit, die bekannten Kopfdurchmesser<br />

28 mm und 32 mm nach oben zu erweitern.<br />

So ergibt sich eine ROM von 123°<br />

bei der Verwendung eines 28 mm durchmessenden<br />

Hüftkopfes, diese kann durch<br />

die Verwendung eines beispielweise 40<br />

mm durchmessenden Hüftkopfes auf 152°<br />

gesteigert werden (Abb. 5). Hier muss<br />

aber, unter Berücksichtigung der zuvor<br />

genannten Materialeigenschaften und<br />

unter Kenntnis des Abriebverhaltens sowie<br />

Reibungskoeffizienten, die jeweilige Gleitpaarung<br />

auch unter Respektierung der<br />

biomechanischen Rekonstruktion des operierten<br />

Hüftgelenkes kritisch ausgewählt<br />

werden. Durch die neuartige Aluminiumoxid-Matrix-Composite<br />

Keramik lassen<br />

sich aktuell Keramik-Keramik Gleitpaarungen<br />

von 36 mm Durchmesser realisieren.<br />

Der limitierende Größenfaktor ist hier die<br />

modulare Pfannenkomponente. Denn das<br />

Keramik-Inlay braucht eine gewisse Wandstärke,<br />

was ab einem Innendurchmesser<br />

größer 36 mm zu einem vergrößerten<br />

Außendurchmesser des Metallback der<br />

Pfanne führen würde, so dass dementsprechend<br />

vermehrt Knochen im Bereich des<br />

acetabulären Pfannenlagers „geopfert“<br />

werden müsste. Ist eine maximale Luxationssicherheit,<br />

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