Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach
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als solche bedrohlich fortschreitender Proletarisierung im Gegenzug der „Landmann“<br />
entdeckt. Unter diesem Vorzeichen warb Kaiser für seine Predigtwerke Mitarbeiter aus den<br />
„verschiedensten evangelischen Landeskirchen des deutschen Reiches“ ein.<br />
Ihren Höhepunkt erlebte dieses Wagnis allerdings mit der Deutschen Dorfkirchenbewegung.<br />
Ihr fühlte sich unter anderem der thüringische Kirchenarchivwart Rudolf Herrmann verpflichtet,<br />
der überdies, auch so viel ist aus dem Nachruf von Reinholf Jaunernig zu erfahren, 74 bei<br />
Sohnreys Landbewegung mitarbeitete. In diesem Rahmen verfasste er einen Ratgeber für<br />
Dorftheater (1906) und gab die Dorfbühne (1909) heraus, eine Sammlung ernster und heiterer<br />
Aufführungen – so eng konnte eines beim anderen liegen. Gleich zwei Predigtsammlungen der<br />
Dorfkirchenbewegung wurden in <strong>Frankenheim</strong>/ Birx angeschafft: die erste 1915 in Birx, noch<br />
im Jahr des Erscheinens und zwar durch den Lehrer Tänzer, die zweite 1927 in <strong>Frankenheim</strong>,<br />
einmal mehr kurz nach der Veröffentlichung. Zur Hand gehen wollte Pfr. Johannes Fenner, der<br />
sich der „Mitwirkung von Freunden der Dorfkirche“ versichert hatte, dem „deutschevangelischen<br />
Landvolk“. Für dieses war sein Predigtbuch und auch die sog. Neue Folge des<br />
Predigtbuches der Dorfkirche aus dem Jahre 1927 bestimmt. Wie es „unseres Volkes Art ist“,<br />
wollte man „stillem Nachdenken“ vorarbeiten. „Klarheit, Schlichtheit und Einheit“ habe bei den<br />
Lesegottesdiensten vorzuherrschen, wird in der Vorrede von 1915 postuliert, ganz nach des<br />
„deutschen Bauern Art“ und nicht nach Manier der „Gebildeten“. Der „einfache Mann des<br />
Volkes“ wolle nicht „vielerlei Gedanken und Bilder“, so die Behauptung.<br />
Wer mehr darüber erfahren will, was es mit den angeblich einfachen Wahrheiten auf sich hatte<br />
und wohin diese führten, der mag in der hiesigen Bibliothek neben den örtlichen Heimatglocken<br />
der Jahre 1909 bis 1918 und 1936 bis 1940, nun freilich im Rahmen der Heimatglocken des<br />
Kirchenkreises Ostheim, die Jahrgänge 1925 bis 1928 der Dorfkirche lesen, der Monatsschrift<br />
für Kirche und Volkstum. Anfangs, kurz nach der Jahrhundertwende, wurde diese viel sagender<br />
untertitelt mit Illustrierte Monatsschrift zur Pflege des religiösen Lebens in heimatlicher und<br />
volkstümlicher Gestalt. Mit Hinterwäldlertum hat das nichts zu tun, wie ihr von der Zeitschrift<br />
Der Kunstwart beeinflusstes und kritisch überwachtes Layout im sog. Heimatstil anzeigt. Dafür<br />
ging es in diesen Kreisen um Höheres, unabhängig davon, welchen Artikel man sich im<br />
Einzelnen vornimmt. Durchaus auch bestimmt von der Sorge, das kirchliche Leben (wenigstens)<br />
auf dem Lande zu heben, werden hier Werte und Ansprüche in einer Weise akzentuiert, von der<br />
sich der Stettener Pfarrer Kaiser wohl allenfalls schwache Vorstellungen gemacht haben wird.<br />
Mitunter ist unverhohlen die Rede von einem stolzen deutschen Volk in einem großen deutschen<br />
Reich mit unbestreitbar legitimen Führungsansprüchen im gegenwärtigen Europa. 75<br />
Dann aber erstaunt es nicht allzu sehr, dass der Herausgeber der Dorfkirche, Superintendent<br />
Hans von Lüpke, kurz vor seinem Tod einen Aufsatz Zum Erntedankfest des deutschen Volkes<br />
auf der Titelseite einer der führenden Publikationsorgane der Deutschen Christen publizierte.<br />
Seine Erntedankpredigt besondererArt, in der er auf „die 26 Jahrgänge der Monatsschrift Die<br />
Dorfkirche“ anspielte, auf hier geleistete Liturgiearbeit an „allem sinnfällig Sprechenden“, steht<br />
drucktechnisch damit vor einem Auszug F. W. Krummachers aus dessen Die Evangelische<br />
Kirche im neuen Reich. Oberkirchenrat Krummacher hatte im selben Jahr 1934 schon in dieser<br />
bei Callwey (München) erschienenen Schrift gefolgert, da für ihn „Nationalsozialismus …<br />
Volkswerdung“ bedeute, sei die Deutsche Evangelische Kirche nicht nur Reichskirche. „Echtes<br />
Deutschtum und echtes Christentum“, „Blut und Glaube“, zwingen seiner Meinung nach einen<br />
74 Vgl. Anmerkung 2 und die dortigen Hinweise auf die vielseitige, unseres Wissens historisch nicht aufgearbeitete<br />
Aktivität Herrmanns bis in die Zeit der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg..<br />
75 Johannes Schmidt-Wodder, Wie sichern wir den Bestand unseres Volkstums?, in: Die Dorfkirche. Monatsschrift<br />
für Kirche und Volkstum 18 (1925), S. 289-294 (Pfarrarchiv <strong>Frankenheim</strong>/Birx 061031/29-P).<br />
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