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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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der Birxer Kanzelbibel nicht vor 1969 ausgewechselt wurde. Hier waren die politischen<br />

Wechsel, die unstreitig kirchliche Veränderungen mitsichgebracht hatten, wohl etwa zu schnell<br />

eingetreten. 55 Ist am Ende noch die mehrbändige Göttinger Ausgabe der Neuen Testaments vom<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts zu nennen, weil sich Johannes Weiß, aber auch Wilhelm Bousset<br />

und Wilhelm Heitmüller, eigenen Worten nach um eine Neuübersetzung bemühten, versetzt mit<br />

Erklärungen für die Gegenwart. Ihre Verwissenschaftlichung hatte sich eine Vertiefung des<br />

religiösen Lebens vorgenomen. Mit welchem Erfolg, ist allseits bekannt, hängt wohl letzten<br />

Endes aber von der Beobachterperspektive ab.<br />

Um solch einen inzwischen vollends diffusen Mittelpunkt, wie er sich in der zunehmend<br />

freien, mitunter bestenfalls noch sinngemäßen Popularisierung des Bibeltextes am Ende des 20.<br />

Jahrhunderts abzeichnet, kreisen auch die zeitgenössischen Predigtwerke und Predigthilfen. Wer<br />

heutzutage wagt, Dritten einen Überblick zur Gegenwart der evangelischen Predigt zu<br />

verschaffen, kapituliert typischerweise bald vor der „unübersichtlichen Pluriformität“ jetziger<br />

Predigten, vermag keine repräsentativen Tendenzen mehr auszumachen und wagt schon gleich<br />

keine Prognose über die künftige Art und Bedeutung der Predigt. Und nicht weniger<br />

charakteristisch sind die auch in <strong>Frankenheim</strong> in mehreren Heften vorhandenen Göttinger<br />

Predigtmeditationen, die unter H. J. Iwand auf pragmatische Hilfe verzichteten, um allenfalls<br />

dazu anzuleiten, wie am besten auf den biblischen Text „gehört“ wird. 56<br />

Die Ausgangsbedingungen waren eigentlich andere. „Ministre de la Parole de Dieu très digne<br />

et fidèle“, mit diesen Worten wurde 1750 der Pfarrherr von Oberweid, gleichzeitig Pfarrer der<br />

Filialgemeinden Unterweid, <strong>Frankenheim</strong> und Birx, im Stil der damaligen Führungsschichten<br />

vom geistlichen Untergericht in Kaltennordheim angesprochen. 57 Hinter derartigem Elitedenken<br />

verbirgt sich freilich auch die Pflicht, um jeden Preis das Wort Gottes den Seinen zu verkünden,<br />

was eine ausgefeilte Predigt angeht, aber auch nicht das Geringste zu unterlassen. Die Predigt<br />

galt und gilt als Wahrzeichen des evangelischen Christentums. Und dennoch: Bei näherem<br />

Zusehen kommt in unserem Fall eine Arbeitsteilung zum Vorschein, die scheinbar bedenkenlos<br />

eine derart vornehme Aufgabe selbst auf längere Zeit dem örtlichen Schulmeister auferlegt, ganz<br />

als hätten arme Dörfler ohnehin nichts Besseres verdient, sei fernab des eigentlichen Geschehens<br />

mehr nicht vonnöten.<br />

Doch lassen wir uns nicht täuschen. Alle derartige Über- und Unterordnung wirkte sich<br />

gleichzeitig autoritätssteigernd aus, Motive der Art einmal vernachlässigt, dass man sich auf<br />

diese Manier nur ein bequemes Leben zu machen wünschte. Dem Pfarrer von Oberweid<br />

beispielsweise war mit solch einer Abstufung für jeden sichtbar eine untergeordnete Charge<br />

beigegeben. Hiervon konnten seine Predigten nur profitieren. In seinem Ambiente der kleinen<br />

Leute mit einem eher ausgeprägten Sinn für das Praktische würde auch das dunkle Wort<br />

abgenommen werden, weil eine solche Hörerschaft bei derart geistlich versierter Autorität schon<br />

immer vertrauensvoll nach oben zu blicken pflegte. Woraus dann wiederum, allerdings in<br />

abgeschwächter Form, der Schulmeister kraft der ihm delegierten Befugnisse Nutzen zog.<br />

Besser verständlich wird dieses sozial bedingte Potenzieren auf Gegenseitigkeit an einem<br />

Streitgespräch, das sich der Birxer Schulmeister Johann Caspar Schlotz(en)hauer am 1. Juli 1743<br />

im Melpertser Gasthaus mit Pfarrer Rausch, dem katholischen Geistlichen von Wüstensachsen,<br />

55 Die Bibel oder die ganze heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung von<br />

Martin Luther. Durchgesehen im Auftrag der Deutschen Evangelischen Kirchenkonferenz, Stuttgart 1936<br />

(Pfarrarchiv <strong>Frankenheim</strong>/Birx, 061006/10).<br />

56 Albrecht Beutel, Jan Hermelink: Evangelische Predigt in der Neuzeit und<br />

Predigtvorbereitungsliteratur/Predigthilfen, in: Hans Dieter Betz und andere (Hg.), Religion in Geschichte und<br />

Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Band VI, 4. Auflage, Tübingen 2003, Sp.<br />

1588-1590 und 1608-1609.<br />

57 Dekan Johannes Martin Dünckler (Kaltennordheim) an Pfr. Lasch (Oberweid) wegen einer Kirchen- und<br />

Schulvisitation in <strong>Frankenheim</strong> und Birx, 30.6.1750 (Pfarrarchiv Oberweid, A I 6 / 106).<br />

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