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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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Erstes Resultat war ein fünf Punkte umfassender Maßnahmenkatalog, der heute unschwer<br />

in der Kirchen-Chronik nachgelesen werden kann. 50 Angesetzt wird in diesem Plan bei der<br />

Sanierung der Dorfstraßen und der ärztlichen Versorgung für Arme, auch materielle Hilfe für die<br />

Wöchnerinnen ist vorgesehen. Als Letztes geht es um eine bessere Düngung, noch zählte die<br />

Landwirtschaft unbestritten zu den zentralen Themen. Hier sollten nun Prämien Anreize<br />

schaffen. Vorher ging es allerdings unter Punkt 4 um eine sog. Volksbibliothek. Ihre Verwaltung<br />

wurde dem Pfarrer übertragen, für den von Anfang an feststand, darüber die „Ortsbevölkerung<br />

geistig und sittlich-religiös anzuregen und ihren Gesichtskreis zu erweitern“.<br />

Für die damaligen Bücherverzeichnisse und Ausleihlisten, aber auch für die Zuwendungen sei<br />

insgesamt auf Karton 058 des neuen Pfarrarchivs hingewiesen. Wie an derselben Stelle der<br />

Kirchen-Chronik zu lesen, stützte man sich von Beginn an weitgehend auf Spenden, hatte<br />

namentlich „Ihre Königliche Hoheit, die Frau Großherzogin, die Gnade, der Gemeinde eine<br />

Sammlung trefflicher Schriften zu verehren“. Und „Herr Justizamtmann Schwanitz zu Ilmenau“<br />

habe „den Verein für Volksbildung“ angeregt, „dem Orte (= <strong>Frankenheim</strong>, JMS) 100 Bändchen<br />

meist recht guter volksthümlicher Erzählungen (zu schenken)“. Was mit dieser Bücherei<br />

angestrebt war, auf welche Allgemeinbildung Pfr. Wuttig neben allem Nützlichen und<br />

Unterhaltenden abzielte, wird aus bis ins Einzelne gehenden Plänen ersichtlich, die Wuttig bei<br />

derselben Gelegenheit bekannt gab. Seiner Meinung nach dürfe es nicht bei den Büchern<br />

bleiben. Vielmehr müssten eine Reihe von Abendvorträgen hinzutreten. Dabei würde es Wuttig,<br />

so die Idee, um „geschichtliche, ethnographische, naturwissenschaftliche und kirchlich-religiöse“<br />

Themen gehen.<br />

Die Leihbücherei ist deswegen aber nicht zwangsläufig in allen Bereichen gleich bestückt.<br />

Auffälligerweise tritt das kirchlich-religiöse Moment in den Hintergrund, es sei denn, man zählt<br />

die vielen moralisierenden Bändchen hinzu, die vom Titel her eigentlich schöngeistige Literatur<br />

in einer volkstümlichen Fassung versprechen. Auch kündigen die Herausgeber der einen oder<br />

anderen hier vertretenen Schriftenreihe schon vom Namen her gutes christliches Schrifttum an.<br />

Doch aufs Ganze gesehen bildet das Erste Hauptstück von Luthers Kleinem Katechismus oder<br />

Wilhelm Löhes Rosenmonate heiliger Frauen die Ausnahme. Vorherrschend ist anderes. Die<br />

gefragtesten Schriftsteller, etwa Ferdinand Schmidt oder W. Oertel mit dem Künstlernamen W.<br />

O. von Horn, hatten sich gezielt auf gemeinverständliche Darstellungen spezialisiert. Ihre Arbeit<br />

setzte bei der großen Literatur an. Lessings Emilia Galotti im Original, als Reclam-Bändchen, ist<br />

so gesehen eher ein Kuriosum. Bezeichnender für die <strong>Frankenheim</strong>er Volksbücherei ist es, dass<br />

zum Beispiel J. W. von Goethes Gesamtwerk zu einem „Lebensbild“ verarbeitet wurde.<br />

Die Oertel oder Schmidt waren es auch, die dem „Volke“ große Erfindungen und hehre<br />

Gestalten aus eigentlich völlig fremden Bereichen nahe brachten, beispielsweise Benjamin<br />

Franklin oder Alexander von Humboldt. Kühn wagte man sich daran, einzelne Länder, ja ganze<br />

Erdteile auf wenigen Seiten zu präsentieren. Analog dazu verraten große Teile des fraglichen<br />

Bestandes eine durch und durch patriarchalische Führung. Wie das Leben zu meistern sei oder<br />

die moderne Welt aussieht, wusste allem Anschein nach derjenige am besten, der sich die<br />

Auswahl der Bücher vorbehalten hatte. Der Ortspfarrer lastete sich wahrscheinlich sogar das<br />

Signieren, die Aufstellung und den Ausleihdienst auf.<br />

Daneben vermitteln die eher populären Schriften neben einer schier uneinholbaren Kaisertreue<br />

eine nicht kleinzubekommende Kriegsbegeisterung. Vor allem erweist sich dieser Bestand als<br />

eine ungemein gut bestückte Lehrbibliothek. Selbsthilfe durch Fortbildung, hieß die Devise.<br />

Schriften wie Das Heimchen am Herde (Dickens), Tantchen Rosmarin (Zschokke) oder<br />

romantisierende Liebesgeschichten und andere Jungmädchen-Literatur sind untypisch, gemessen<br />

an den zahlreichen Texten vergleichsweise hochrangiger Experten, die verbesserte<br />

50 Kirchen-Chronik der Parochie <strong>Frankenheim</strong> mit Birx, 1866-1918, S 13-14 (Pfarrarchiv <strong>Frankenheim</strong>/Birx, K<br />

001/660*).<br />

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