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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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haben wir es im vorliegenden Fall mit starken Persönlichkeiten zu tun, wie geschaffen, ein<br />

Amt auf einem derart exponierten Posten zu versehen. Denn, obgleich es auf den ersten Blick<br />

danach aussieht, als wenn einzig Pfr. Wuttig das Feld beherrscht, besonders viel Gutes getan<br />

habe: Zutreffender ist wohl, dass jeder der in Betracht kommenden Geistlichen darauf aus war,<br />

um welchen Preis auch immer die schwierige <strong>Frankenheim</strong>er Etappe zu meistern.<br />

Doch seien hierüber nicht die innerkirchlichen Belange ausgelassen. Vom Kirchenneubau als<br />

Zeichen einer lebendigen Gemeinde, seiner Symbolmächtigkeit, die immer noch von der großen<br />

Zeit der gotischen Kathedralen zu profitieren sucht, über die häufigen Visitationen bis hin zur<br />

Ausgestaltung der Gottesdienste und eines sinnvollen Vereinslebens leuchtet in diesem<br />

ungewöhnlichen Protokoll eine kleine, dafür umso erlebnisreichere Welt auf. Alles, versteht sich,<br />

zur Ehre Gottes und in grenzenlosem Vertrauen auf Seine Gnade und Barmherzigkeit. Wir<br />

treffen auf christliche Sorge um die Anvertrauten und gleichermaßen auf das pfarrherrliche<br />

Mühen um ein Gemeinwesen mit den aus dieser Sicht unabdingbaren Tugenden von Recht und<br />

Ordnung. Häusliche Sauberkeit wird da leicht zum Thema, löste gar Nachforschungen in den<br />

Häusern aus, die man zuvor aus purer Mildtätigkeit für Ärmere gebaut hatte. Konsequenterweise<br />

durfte eine solche Kirche weder bei den Kaiserjubiläen und großherzoglichen Festtagen noch<br />

bei den patriotischen Feiern zum Sedan-Tag abseits stehen. Sie entsprach hiermit nur der<br />

vaterländischen Begeisterung ihrer Mitglieder, wenn nicht Pfarrer, wie Otto Schultz, gar zu<br />

derartigem Patriotismus entscheidend beitrugen, gleich einem Katalysator.<br />

Alles sittlich-moralische Drängen durch die Pfarrerschaft, gerade auch da, wo alles Mühen<br />

sich im wesentlichen auf das Brandmarken der unehelichen Geburten beschränkte, muss auf der<br />

Folie damaliger Wertvorstellungen und Anforderungen gelesen werden. Das ist auch für das<br />

Trinken nicht anders. Es musste freilich in neuerer Zeit vor Ort erst in seiner Gefährlichkeit<br />

medizinisch aufgedeckt werden, bevor Exzesse dieser Art als Krankheit fassbarer wurden, um in<br />

den Jahren darauf ausgiebig mediziniert zu werden, ja zum bevorzugten Objekt vielfacher<br />

Gegenmaßnahmen zu avancieren. Nicht zuletzt sich andeutende politische Konflikte, namentlich<br />

mit der Sozialdemokratie, deren lokale Eindämmung anscheinend dem Pfarrer im Verein mit den<br />

Schullehrern überantwortet worden war, führen am Ende zu Fragen unserer Tage. Ähnlich ist es<br />

für Krieg und Frieden in einer immer noch unsicheren Welt. Gegenwart kann sich schwerlich<br />

besser aus ihrer Vergangenheit erklären lassen, als anhand dieses ungemein aufschlussreichen<br />

Berichts der Jahre zwischen 1866 und 1918. Wobei hauptsächlich an die jetzigen Bewohner der<br />

beiden Rhöndörfer gedacht ist, aber eben nicht nur an diese.<br />

6. Bücherwelten, Lebenswelten<br />

Am gedruckten Material fällt zuerst eine Trennung auf, die vom späten 19. Jahrhundert herrührt.<br />

Während damals Pfarramtsbücher und sog. Volksbibliothek voneinander geschieden wurden,<br />

versuchen wir, all das wieder in den Hauptbestand zu integrieren, was im Kaiserreich<br />

hauptsächlich für Gemeindeangehörige bestimmt war. Auch später war es nicht viel anders. Pfr.<br />

Kohlstock nahm 1943 in sein Bücherverzeichnis nur die Bibeln und Gesangbücher auf, die<br />

großen Schriften Martin Luthers und anderer Verfasser, gefolgt von praktischen und<br />

wissenschaftlichen Bibelerklärungen. Im Anschluss führte er die systematische Literatur bis hin<br />

zu den Bekenntnisschriften auf, worauf Messbücher und Kirchenordnungen folgen. Dem<br />

wiederum schließen sich Predigtbücher sowie Werke zur Kirchen- und allgemeinen Geschichte<br />

an, auch Zeitschriften und Gesetzesblätter mitsamt der anderen Texte zur verrechtlichten Welt<br />

des bürgerlichen Zeitalters. Es folgen die Schule und die Vereine. Unter Sonstiges kommt am<br />

Ende das zur Sprache, womit sich Pfr. Kohlstock anscheinend schwer tat, was er nicht einordnen<br />

konnte, obwohl oder gerade weil es ihn doch tagtäglich umgab: Arbeit und Wirtschaft, Wissen,<br />

Sport, das Militär.<br />

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