Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach
Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach
Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Frankenheim</strong> verirren und in einem furchtbaren Schneesturm erfrieren, wird existenzielle<br />
Not greifbar.<br />
Immer wieder ist vom überaus harten Leben die Rede, von Hungerlöhnen und von schwerster<br />
Arbeit, sei es beim Ausheben der Drainagegräben, am häuslichen Webstuhl oder in der<br />
Bürstenfabrik, nicht zu reden vom Zerkleinern von Basaltbrocken zu Pflastersteinen im Umfeld<br />
eines kirchlich geförderten Hilfsprogramms für die Ärmsten. Nur zu oft kommt die Sprache auf<br />
die außergewöhnlich hohe Kindersterblichkeit und jene fatale, hohe Anfälligkeit für Krankheiten<br />
jeder Art. Gemeinsames Feiern wird deswegen nicht übergangen. Die Pfarrer gehen im Laufe der<br />
Jahre durchaus auch hierauf ein, stets jedoch aus der mahnenden Perspektive dessen, der jegliche<br />
Maßlosigkeit verabscheut, einzig und allein um das Seelenheil seiner Gemeindeglieder besorgt<br />
ist.<br />
Von Anfang bis Ende hat man einen Report vor sich, der – wenngleich aus nur einem<br />
Blickwinkel geschrieben – eine außerordentliche Fülle verschiedenartigster Informationen<br />
bündelt. Der ungewöhnliche Einsatz für eine Sache ohne Vergleich schärfte bei den hiesigen<br />
Pfarrern in zunehmendem Maße den Blick, ließ Kleinstbeobachtungen notieren und keine<br />
Anstrengung scheuen, möglichst alles für sich und die Nachfolger festzuhalten. Geheimhaltung<br />
war dabei Ehrensache.<br />
Hingewiesen sei zudem auf die wirtschaftlichen Reformen und insofern vornehmlich auf die<br />
heutzutage leicht unterschätzte Grundstückszusammenlegung um 1890. Wie zu erfahren,<br />
verlangte die Separation ihrerseits wiederum nach Ablösung von jahrhundertealten Rechten, die<br />
mittlerweile zumeist in bürgerliche Hände übergegangen waren. Mit dieser neuen Anordnung<br />
der <strong>Frankenheim</strong>er und Birxer Flur wie über die kirchlich veranlasste Gründung einer<br />
Raiffeisen-Darlehnskasse, dafür ist <strong>Frankenheim</strong> sogar überörtlich bekannt, wurde vom Prinzip<br />
her an jenen großen Hoffnungen fortgeschrieben, die einer bereits seinerzeit allerorts<br />
verkündeten Chancengleichheit aufruhten und sich in jederzeit verfügbarem Eigentum zu äußern<br />
versprachen. Eigentum muss man sich freilich erst einmal verdienen; ohne eigene Leistung wäre<br />
auch da nichts zu machen – wurde im selben Moment ganz ungeschminkt bedeutet.<br />
Noch deutlicher wird an diesem Stoff allerdings jenes schier unaufhaltsame Eindringen der<br />
modernen Arbeitswelt und der mit ihr einhergehenden Spannungen, wenn nicht Zerreißproben.<br />
Diese hatten, so nicht alles täuscht, im Extremfall wie seit Jahrhunderten immer noch zuallererst<br />
kirchlich aufgefangen zu werden. Zu denken ist beispielsweise an das Jahr 1906, als Pfarrer<br />
Schultz einerseits die rapide wachsenden Einlagen bei der örtlichen Raiffeisenkasse begrüßte,<br />
andererseits die Familien der sog. Westfalengänger bedauerte; ihr immer längeres Ausbleiben<br />
lasse ungeachtet des besseren Verdienstes allen familiären Zusammenhalt in erschreckendem<br />
Maße schwinden, heißt es an derselben Stelle. Im gleichen Zusammenhang sei noch zusätzlich<br />
gefragt, was es wohl für diese, angesichts des allenthalben triumphierenden Fortschritts doch<br />
recht hilflose Bevölkerung besagte, mit einer quasi krakenhaft ausgreifenden, aber eben auch<br />
helfenden Medizin erstmalig in Kontakt zu kommen. In diesem Punkt bieten sich<br />
zugegebenermaßen verschiedenartige Lesarten an. Im Augenblick steht nur fest, dass ohne<br />
vertiefte Kenntnisse über den Organisationsgrad und die effektive Vermarktung ärztlichen<br />
Wissens nicht auszukommen ist, folglich auch die Umgebung der <strong>Frankenheim</strong>er Ereignisse zu<br />
untersuchen wäre.<br />
Bleiben die vielen Angaben zur Neugestaltung des ländlichen Raumes. Umweltfragen und ihre<br />
damaligen Lösungen werden von den Chronisten an den unterschiedlichsten Stellen aufgegriffen<br />
und auf ihre Weise um(ge)schrieben. Doch sind etwa Waldschutzstreifen genau genommen nie<br />
Selbstzweck, verweist ein derartiges Bemühen viel eher auf die sich häufenden<br />
gesellschaftlichen Probleme wie auf ein neues Wirtschaften, bei dem jeder seinen Mann zu<br />
stehen hat, will er nicht vorzeitig ins Abseits geraten. In Gestalt des jeweiligen Ortspfarrers<br />
versuchte die Kirche in den Jahren vor 1918 selbst daran mitzugestalten. Allem Dafürhalten nach<br />
40