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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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sittlich-religiöse Befunde, nicht minder aber über ihre nähere Umwelt und die sich<br />

abzeichnenden politischen Wechsel alljährlich Buch zu führen. 49 Während beim Staat die ersten<br />

statistischen Beschreibungen moderner Art für mehr Transparenz und hierüber für die Effizienz<br />

etwaiger Eingriffe zu sorgen hatten, kam es – mitnichten so weit entfernt, wie es scheint – bei<br />

den zeitgenössischen Kirchenchroniken erklärtermaßen auf ein planmäßiges Sammeln nützlicher<br />

Daten an.<br />

Parallel zu den beim Jahre 1817 einsetzenden Chroniken etwa im nahen Urspringen oder<br />

Ostheim, sollten noch Jahre später die <strong>Frankenheim</strong>er Aufzeichnungen im Grunde den Prediger<br />

befähigen, seinen Vortrag zu individualisieren, wie es 1819 wortwörtlich heißt. Abstraktes<br />

Moralisieren, mit einigen Bibelstellen verbrämt, war von da an zu meiden, ähnlich wie<br />

schöngeistige Floskeln oder kurzsichtiges, weil rationalistisches Spekulieren. Lokale Bezüge,<br />

jederzeit verfügbare Erfahrungen im Amt wie auch mit dessen weltlichen wie kirchlichen<br />

Vernetzungen, würden – so die Hoffnung – der evangelischen Kirche wieder aufhelfen. Sie hatte<br />

bekanntlich schwere Verluste hinzunehmen gehabt. Das mag Jahrzehnte später nicht mehr so<br />

bewusst gewesen sein, längst hatten Routinen gegriffen. Gleichwohl erhellt aus dem<br />

geschichtlichen Rückgriff auch für das hiesigee Beispiel die besondere, an sich reformfreudige<br />

und im Kern identitätsstiftende Perspektive, aus der heraus derartige Jahresberichte verfasst<br />

werden.<br />

Eines steht jedenfalls fest: Die jährlichen Beobachtungsprotokolle aus der Hohen Rhön<br />

nehmen eine Sonderstellung ein. Ob das für die Jahre nach 1950 gilt, mag dahingestellt bleiben.<br />

Richtig ist es zunächst für die Zeit des Dritten Reiches. Zwischen 1936 und 1940 gliederte sich<br />

Pfr. Kohlstock mit kirchlichen Nachrichten aus <strong>Frankenheim</strong> und Birx in die Heimatglocken des<br />

Kirchenkreises Ostheim ein, vergleichbar dem, was sein Vorgänger, Pfr. Schultz, getan hatte, als<br />

er auf die Kirchenchronik rekurrierte, um seinen Beitrag für die Heimatglocken der Jahre nach<br />

1909 aufzufüllen. Das Evangelische Gemeindeblatt für <strong>Frankenheim</strong> und Birx, wie die kleine,<br />

nach Art der Dorfkirchenbewegung stilisierte Zeitschrift im Untertitel heißt, lebte geradezu von<br />

derlei Informationen.<br />

Wie zu Anfang des letzten Jahrhunderts wird davon nachweislich ein Ersatz für jene Predigt<br />

erhofft, mit der man die große Zahl der längst Abseitsstehenden nicht mehr erreicht. Dann ist es<br />

aber umso bemerkenswerter, dass laut Heft 2 gleich 260 von ca. 350 <strong>Frankenheim</strong>er und Birxer<br />

Haushalten die erste Nummer abnahmen. Offenbar hatte man 1936 den Ton getroffen, was<br />

freilich auch für die deutsch-christliche Haltung zu gelten hat, die alltenhalben durchscheint.<br />

Über alle fünf Jahrgänge hin wird vorgeführt: Es war für diese Kirche offensichtich miteinander<br />

vereinbar, evangelisch und deutsch gleichzusetzen, neben das Führerbild und Artikel über die<br />

Entjudung der Thüringer Kirche zu stehen zu kommen und dennoch gegenüber dem<br />

Nationalsozialismus, wenn auch noch so zögerlich, mit viel Bedacht, leicht auf Distanz zu gehen.<br />

Dabei mag die Masse der Daten zu den jüngsten Taufen oder etwa Hochzeiten geholfen haben,<br />

Kohlstocks auf den ersten Blick unverfängliche, neutrale Chronik, genauso wie seine<br />

demonstrative Flucht in die Geschichte, jene noch heute überaus aufschlußreiche Serie edierter<br />

Texte zur <strong>Frankenheim</strong>-Birxer Kirchengeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts.<br />

Unsere Hochschätzung bezieht sich aber in erster Linie auf die Kirchenchronik der Jahre 1866<br />

bis 1918, ein Glanzstück dieses Archivs. Gemessen an anderen Jahresübersichten dieser Art<br />

49 Vgl. hierzu wie zum Folgenden das Reskript des Großherzoglichen Oberconsistoriums (<strong>Eisenach</strong>) vom 13.2.1819,<br />

handschriftlich übertragen in die Kirchen-Chronik der Parochie Oberweid, angefangen im Jahr 1817 von Heinrich<br />

August Blättner, damaligen Pfarrer daselbst, fol. 1r-2r (Pfarrarchiv Oberweid), ebenfalls anzutreffen in einer leicht<br />

variierten Kopie im Aktenband des Kirchgemeindevorstandes zu Urspringen vor der Rhön. Verordnungen 1814-<br />

1831, S. 144-150 (Pfarrarchiv Urspringen); zur Nachbesserung dieses Reskripts durch dasselbe Oberconsistorium<br />

(7.9.1827) vgl. den Text in den Akten des Pfarramtes zu Urspringen v. d. Rhön. Ortschronik 1817- …: Kirchen-<br />

Chronik der Parochie Urspringen (im Großherzoglich Sächsischen Amte Lichtenberg), S. 33 (Pfarrarchiv<br />

Urspringen).<br />

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