Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach
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Wir übergehen die zahlreichen, meist knappen Auskünfte zur Sozial-, Wirtschafts- und<br />
politischen Geschichte, auch die Tauf-, Trau- und die Begräbnisverzeichnisse, um etwas breiter<br />
auf die Communicantenlisten der Jahre 1656 bis 1699 eingehen zu können. Die umfangreiche<br />
Liste derer, die beichteten und zum Abendmahl gingen, gehört mit Sicherheit zum<br />
Interessantesten des ersten Kirchenbuches. Dank dieses Schlüsseltextes auf den Kleinfolios 106r<br />
bis 302v erschließt sich über fast 50 Jahre hin religiöse Praxis bis in die Familien hinein. Von<br />
den Familien aus aber formierte sich eine überschaubare Kirchgemeinschaft, ihrerseits wiederum<br />
in Außenkontakt zu den Evangelischen in erster Linie des angrenzenden Ulstertals.<br />
So erhellt Privatheit in ihrer extremsten Form wie eine alles und jeden umschließende,<br />
gleichwohl hierarchisch strukturierte Gemeinsamkeit aus einer Auflistung, welche beim<br />
ritualisierten Bekenntnis zu den letzten und höchsten Dingen ansetzt. Grund und Ausdruck des<br />
Glaubens zugleich, geben Beichte und Altarsakrament die Mitte ab. In einer noch immer<br />
weitgehend kirchlich verfassten Gesellschaft führte an beidem praktisch kein Weg vorbei.<br />
Dergestalt aber gewinnen die langen Namenslisten in dem Umfang an besonderer Aussagekraft,<br />
als sie auf existenziellen Entscheidungen gründen. Zumindest jetzt noch schied jede andere Wahl<br />
auch gesellschaftlich von vornherein aus. Eigene, erlebbare, bis zu einem gewissen Grad sichere<br />
Welt reproduzierte sich so und nicht anders. Für den Einzelnen mag das Brot zum Brot des<br />
Lebens und der Kelch zum Kelch des Heils geworden sein: Konfessionell war gleichsam<br />
Vollzug gemeldet, indem man sich in die Reihe der Communicanten möglichst auf Dauer<br />
einreihte und dies auch noch für die Nachwelt festhalten ließ.<br />
Zwischen 1656 und 1695 wurde nur zweimal jährlich zum gemeinsamen Abendmahl<br />
gegangen. Birx und <strong>Frankenheim</strong> traten dann zwar getrennt an, aber am selben Tag. In den<br />
Folgejahren blieb es nicht dabei. Nunmehr wurde viermal zum Tisch des Herrn eingeladen.<br />
Daneben gab es die Einzelkommunion, wofür allerdings besondere Umstände vorliegen mußten,<br />
wie aus der verschwindend kleinen Zahl zu schließen ist. Als insofern typisch erweist sich der<br />
Fall der Kunigunda Röll. Ihr wurde am 23. April 1660 das Abendmahl auf dem Sterbebett<br />
gereicht, ein Vorrecht, das auch das Begräbnisregister bestätigt. Krankheit und Schwangerschaft<br />
sind ähnlich einzustufen, ausnahmsweise auch der bloße Wunsch, hier und heute „privatim“<br />
nach evangelischem Ritus zu kommunizieren. Über dieses Privileg wurde streng gewacht. In die<br />
gleiche Richtung geht es, wenn andere Zusatzvermerke unmissverständlich zu verstehen geben,<br />
dass nur derjenige am Abendmahl teilnahm, der von der Kirche auch zugelassen worden war.<br />
Etwa (Sus)anna Hartmann, 1681. Sie ging erst nach ihrer„Kirchenbuß“ zum Abendmahl. Vorher<br />
war die voreheliche Schwängerung abzugelten (fol. 194v).<br />
Immer wieder erstaunlich, mit welcher Akribie die Liste geführt und im nachhinein ausgezählt<br />
wurde. Bei einer so wichtigen Materie sah man wie selbstverständlich darauf, Namen und<br />
Teilnehmerzahlen festzuhalten. Allem Anschein nach war man von Seiten der Kirche überzeugt,<br />
ein letztlich kaum nachprüfbares Glaubensleben auf diese Weise doch noch exakt vermessen zu<br />
können. Mühselige Kleinarbeit, Quantifizierung vor aller modernen Statistik, gestattete sogar,<br />
bestimmte Entwicklungen abzulesen. Während sich nämlich bei Birx relativ wenig ändert, für<br />
die Communicanten eine leichte Steigerung zu verzeichnen ist, sieht es bei <strong>Frankenheim</strong><br />
erheblich anders aus. 1673 kehrte sich beider Zahlenverhältnis geradezu um. <strong>Frankenheim</strong><br />
verzeichnet je Abendmahlsgang für die Jahre 1698/99 genau 77 Communicanten, Birx lediglich<br />
42, bestenfalls 51. 1688 zeigt <strong>Frankenheim</strong> 62 an, wogegen Birx am selben Abendmahlstag<br />
immerhin mit 35 Communicanten aufwartet. Offenbar wird der Abstand schon kleiner. Gänzlich<br />
anders zu Anfang, im Jahr 1656. Da gingen an Matthaeus fast doppelt so viele Birxer zum<br />
Abendmahl als <strong>Frankenheim</strong>er, nämlich 28. <strong>Frankenheim</strong> kam seinerzeit nicht über 16 hinaus.<br />
Und dies bei einer Jahressumme von 91, beide Ortschaften und beide Abendmahlstage<br />
zusammengenommen. Alles in allem pendelte sich die Communicantenzahl pro anno und<br />
bezogen auf beide Filiadörfer etwa zwischen anfänglich 100 und circa 210 ein, was die letzten<br />
Jahre angeht.<br />
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