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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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ausgesprochene Vielfalt der gespeicherten Informationen. Noch ist der Kirche insofern jede<br />

Ausdifferenzierung fremd. Hier stehen, um ins Detail zu gehen, die Getauften neben den<br />

Getrauten und den Verstorbenen, werden auch die Beichtenden und die Abendmahlsteilnehmer<br />

registriert. Daneben wird die Kirchrechnung aufgemacht und das Inventarverzeichnis erstellt.<br />

Hiervon war ja bereits andeutungsweise die Rede und auch davon, dass zum Schluss immer noch<br />

Platz für all das blieb, was dem Chronisten nennenswert erschien. So gleich als Erstes, demnach<br />

von besonderer Wichtigkeit, die schon zitierte Ernennung des Schulmeisters von <strong>Frankenheim</strong><br />

im Jahr 1641, als der Birxer Melchior Städler zum Schulmeister von <strong>Frankenheim</strong> gemacht<br />

worden sei, gegen den Willen der Herren von der Tann, aber mit Zustimmung des sächsischhennebergischen<br />

Konsistoriums zu Meiningen. 48<br />

Auffällt weiterhin, zumal wenn man sich der strengen Regeln von 1799 erinnert, wie<br />

vergleichsweise unsystematisch im ersten Kirchenbuch vorgegangen wird. Starren Vorschriften<br />

fühlte sich offenbar keiner verpflichtet, jeder Kirchenbuchführer suchte eher seinen eigenen<br />

Weg. Ein besonders illustratives Beispiel hierfür dürfte das Verzeichnis der Communicanten<br />

bzw. Confitenten abgeben. Ab 1692 verfliegt dort geradezu jede bisherige Übung. Derjenige, der<br />

die Einträge vornahm, glaubte sich anscheinend selbst über die jahrzehntelang praktizierte<br />

Schreibweise der Vor- und Zunamen erhaben. Dafür gewinnen die Aufzeichnungen an barocker<br />

Schönheit. Kalligraphie beherrscht das Bild. Es kommt zu einem verwirrenden Formenspiel, zu<br />

vielfältigen Ansätzen und Abschwüngen. Plötzlich treten Doppelungen und<br />

Buchstabenkombinationen auf den Plan. Fast alles scheint möglich. Ganze Seiten werden<br />

ungeachtet der an sich spröden Materie gewissermaßen überwuchert. Wildwuchs scheint sich<br />

breit zu machen. Raum greift indes letzten Endes eine Ästhetik des Sinnlichen. Hiermit<br />

wiederum korrespondiert, dass in zunehmendem Maße eine augenscheinlich gelehrte<br />

Latinisierung der Einträge Platz greift. Rubriken erhalten nunmehr sogar lateinische<br />

Überschriften. Sogar einfache Berufe, wie der des Schäfers, werden ins Lateinische übersetzt.<br />

Ähnlich ist es bis weit ins 18. Jahrhundert hinein bei den Trau- und Sterberegistern des ersten<br />

Kirchenbuches.<br />

Vieles spricht dafür, als wenn vermehrt soziale Verortung in den Mittelpunkt rückt, über das<br />

bescheidene eigene Amt hinweggreifend, doch immer von dieser Basis her. Als bleibenden<br />

Monumenten seelsorgerlichen Handelns kam insofern jegliche Arbeit an den Tauf-, Trau- und<br />

Begräbnisverzeichnissen gelegen. In Analogie dazu mühte man sich jährlich mehrmals um<br />

komplette Communicanten- und Confitentenlisten. Objektiv vermochten sich die Protagonisten<br />

so ein um das andere Mal über den Augenblick hinaus zu profilieren. Wenn sie sich nicht gar<br />

nachhaltig in Positur warfen und das schon angesichts des nächsten Visitators, der über die<br />

Karriere, den Werdegang des Pfarrers und den des gesamten Pfarrhauses mitentschied,<br />

gegebenenfalls bis in die nächste und übernächste Generation hinein. Nicht zu vergessen die<br />

Schulmeister und ihre Familien. Das engere Publikum dagegen – was derartige Subtilitäten, eine<br />

solches Raffinement betrifft, wohl eher anspruchslos – blieb allenfalls verblüfft zurück, falls<br />

überhaupt in Oberweid oder in den Filialdörfern je Einblick gewährt wurde.<br />

Vom Inhalt her fallen sofort die quer gestellten Unehelichenvermerke ins Auge, sinnfälligstes<br />

Zeichen dafür, dass nur ganz bestimmte Moralvorstellungen greifen sollten. Charakteristisch für<br />

einen ausgeprägten Konfessionalismus ist außerdem, inwieweit im Taufregister die Angaben zu<br />

den Paten umsichtig vervollständigt wurden, nachdem weitere Erkundigungen eingezogen<br />

worden waren. Wo man es für erforderlich hielt, wurden die Sünden des Bräutigams mit<br />

Nachdruck ins Gedächtnis gerufen. Passend dazu, kommt es gelegentlich zu Stoßgebeten,<br />

spezifischen Anrufungen, so im selben Jahr 1737 wie auch ein Jahr später.<br />

48 Kirchenbuch von <strong>Frankenheim</strong> und Birx, 1656-1756, fol. 344r (Pfarrarchiv <strong>Frankenheim</strong>/Birx, K 034/664*).<br />

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