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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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wesentlichen ein neues Zeitverständnis beinhaltet und in der letzten Konsequenz, wie es<br />

scheint, eine generelle Beschleunigung aller Vorgänge im Kontext allgemeiner Vermarktung mit<br />

sich bringt.<br />

Selbstredend hat auf jeder Seite des neuen Kirchenbuches strengste Ordnung zu herrschen.<br />

Transparenz war 1799 anscheinend nicht mehr anders vorstellbar. Auch sind der<br />

Übersichtlichkeit wegen vorbestimmte Ränder einzuhalten und die Namen vollständig<br />

auszuschreiben, haben knappste Randvermerke die Rolle von Querverweisen zu übernehmen,<br />

um auf diesem Weg nachträgliche Schnellübersichten zu erleichtern. Artikel XIII ordnet<br />

sicherheitshalber gleich noch ein Generalverzeichnis an, mit dem das örtliche Kirchenbuch zu<br />

schließen habe. In Anbetracht der nun schon wiederholt angesprochenen Kameralwissenschaften<br />

jener Jahre kaum verwunderlich, sollen dadurch übergreifende Statistiken erstellt werden<br />

können, möglichst von einem auf den anderen Tag.<br />

Daß Pfarrer die Kirchenbuch-Originale selber zu führen haben, versteht sich angesichts der<br />

Bedeutung solcher Register eigentlich von allein. Allenfalls für Abschriften steht der „Kirchner“<br />

zur Verfügung. Ende des 18. Jahrhunderts ist an drei weitgehend identische Exemplare gedacht.<br />

Von ihnen soll aber auch jedes sicher verwahrt werden, damit ja keine Informationsverluste<br />

auftreten. Ohne einen entsprechenden Eintrag scheint das Individuum auf einmal nur noch<br />

bedingt lebensfähig zu sein, ist es doch nicht mehr voll einsatzbereit. Kurz gesagt verliert es an<br />

Wert. Und Kopien bzw. Matrikelauszüge, deren Anfertigung genauestens geregelt ist, schon um<br />

ihre Glaubwürdigkeit zu garantieren, dienen der auch sonst erstrebten Flexibilität. Ein häufiger<br />

Wohnsitzwechsel beispielsweise, größere Fluktuation, wird auf dieser Basis denkbar. Hiermit<br />

müssen von nun an nicht Unsicherheiten bezüglich der individuellen und gleichermaßen sozialen<br />

Verortung einhergehen. Dank solcher Investitionen kleinsten Ausmaßes wechselt eine<br />

ständische, im Vergleich statische Gesellschaftsformation über in eine Gesellschaft, die auf<br />

erhöhte Dynamik setzen wird, wo bezeichnenderweise Geld und jedwedes Kapital im Idealfall<br />

ständig zu zirkulieren hat.<br />

Wachsende Vermarktung gründet folglich auf Einzelheiten, die man gemeinhin nicht an<br />

Stellen wie der Reorganisation des Kirchenbuchwesens vermutet. Deswegen braucht aber an<br />

derart weite Ziele nicht gedacht worden zu sein. Intendiert wird ohnehin weniger, als gewöhnlich<br />

angenommen. Wenn überhaupt, fügen sich die Ereignisse meist erst während der<br />

Nachbetrachtung in den Gesamtzusammenhang ein. So auch für den Fall, dass das <strong>Eisenach</strong>er<br />

Oberkonsistorium in seiner Instruction von 1799 nicht einmal darauf verzichtet, mit der eigenen<br />

Sprache zu brechen. Einerseits fordert man für die Registerführung eine „nicht verbleichende<br />

Dinte“, bedient sich folglich des gesprochenen, umgangssprachlich bis heute als solches<br />

bezeichneten weichen D. Andererseits rückt das Konsistorium vom heimischen Dialekt ab. „Um<br />

aller Verwechselung und Verfälschung vorzubeugen“, verlangt es im selben Artikel VI von den<br />

Registerführern eine scharfe Trennung von B und P. Zwischen D und T ist ebenso strikt zu<br />

unterscheiden. Das Konsistorium ordnet kategorisch an, dass sich der „Prediger oder Kirchner“<br />

beim „Einzeichnen der Namen“ der „genaueste(n) Rechtschreibung“ zu befleißigen habe. Nach<br />

der „oft sehr unrichtigen Aussprache“ der Namen dürfe man sich nicht richten. So aber nahm<br />

man durch die Einführung des Wahrheitskriteriums objektiv an strukturellen Veränderungen teil,<br />

beschleunigte sie jedenfalls immer dann, wenn in Zukunft gemäß dieser Vorschrift verfahren<br />

wird.<br />

Von den Kirchenbüchern sei nur das erste herausgegriffen, da es die Zeit vor den Neuerungen<br />

vom Ende des 18. Jahrhunderts im wesentlichen abdeckt, während die Reform von 1799 schon<br />

mit den späteren, ja mit allen heutigen Kirchbüchern vertraut macht. Grundlegendes sollte sich<br />

nicht mehr ändern. Der Blick bis ins Jahr 1656 und die chronikalischen Nachrichten am Ende<br />

dieses Bandes, die iherseits bis 1813 reichen – all das läßt formal wie inhaltlich eine total andere<br />

Welt kennenlernen. Wenn etwas für das erste Kirchenbuch typisch ist, dann ist es die<br />

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