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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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mangelnden Solidarität im Gefolge einer allgemeinen Individualisierung Vorschub. Und<br />

dennoch konnte und kann sich die Kirche vor Ort nur dank einer effizienten, meist ehrenamtlich<br />

übernommenen Verwaltung halten. Dafür erwiesen sich über die Jahrhunderte gerade die<br />

Finanzen mehr und mehr als Dreh- und Angelpunkt.<br />

Von dieser Zwiespältigkeit zeugt ein Schreiben der Kircheninspektion Ostheim vom 19. Juni<br />

1903; Adressat war der Kirchgemeindevorstand von Birx; Zweck eine vorschriftsmäßige<br />

Rücksendung und dementsprechende Archivierung, nachdem der Vorgang erledigt schien. Die<br />

zahlreichen Ausfertigungen, Belege und sonstigen Schriftstücke, die dem Kirchrechnungsführer<br />

auf diesem Wege zugefertigt werden, wie es in klassischem Beamtendeutsch heißt, sind von der<br />

Mahnung begleitet, künftig Prüfungsbefund und Wertpapiere nicht nur vom Vorsitzenden des<br />

Kirchgemeindevorstandes bestätigen zu lassen. Hinzuziehen seien der Kirchrechnungsführer und<br />

die übrigen Mitglieder des Kirchgemeindevorstands. Dies gelte für beide<br />

Rechnungsausfertigungen. Widerspruch dagegen war kennzeichnenderweise ausgeschlossen.<br />

Schon der Sache wegen ließ dieser Ton Zweifel gar nicht erst aufkommen. 42<br />

Davon abgesehen: Kirchrechnungen reichen weit über das hinaus, was man landläufig hierbei<br />

erwartet, nämlich ein simples Abrechnungsverfahren, welches angesichts der doch eher banalen<br />

Inhalte im folgenden Jahr schon vergessen ist. Und dabei zeigt und realisiert sich auch an diesår<br />

Schnittstelle bei näherem Zusehen Geschichte, ablesbar bereits daran, wie im Einnahmen-<br />

Kapitel III der Birxer Kirchrechnung von 1908 immer noch Erbzinsen und Lehngelder<br />

mitgeschleppt werdenl folglich auf mittelalterliche bzw. altkirchliche Prozeduren<br />

zurückgegriffen wird. <strong>Frankenheim</strong> weist unter deróelben Rubrik für die Jahre zwischen 1921<br />

und 1923, demnach bis in die Inflationsjahre, das sog. Opfergeld mit rund 600 Einzahlern aus,<br />

daneben äen Opferstock, Letzteres in der`Sache wohl zu Uîrecht.<br />

Die riesige Zeitspanne,`die mit solchen Relikten in Erinnerung gerufen wird und Anfang der<br />

eben erwähnten zwanziger Jahòe anscheinend nur noch bedingt in ihrer vollen Tragweite<br />

begriffen wurde, weist indirekt auf eine Fülle von Informationen hin, welche über die eigentliche<br />

Kirchrechnung hinaus mittransportiert werden. Zum Beleg sei auf das Jahr 1807/1808<br />

zurückgegriffen. Dort ist gegen Schluss der Kirchòechnung ein Inventar der in der Birxer Kirche<br />

uîd ihrer Schule verwendeten „Geräthschafften“ aufgeführt, bis hin zu einer Lade, die im<br />

Oberweider Pfarrhaus gestanden haben soll. Ihr Inhalt, gerichtlich ausgefertigte Obligationen,<br />

hätte das Geld, das der hiesige Kirchenfonds nach der Art eines Darlehns verliehen hatte, zu<br />

bezeugen gehabt. Doch nicht genug damit. 1807/1808 folgt ein genaues, selbst Ort und<br />

Erscheinungsjahr nicht auslassendes Verzeichnis der Bücher, „welche in der Kirche und Schul<br />

vorhanden sind“. So die Weimarer Kirchenordnung und mehrere Predigtpostillen, verschiedene<br />

Ausgaben der Bibel und des Katechismus, alles zwischen 1652 und 1772, nebst drei neuer<br />

<strong>Eisenach</strong>er Gesangbücher von 1776. Gesondert hervorgehoben sei hier nur eine Christliche<br />

Lehrtabelle (1768), vor allem Thomas Riedels Kurzer Unterricht vor die Hebammen (<strong>Eisenach</strong><br />

1774). Daran manifestiert sich modernes Wissen, eine Medizin, die für das flache Land kaum<br />

vermutet wird. Man erinnere sich nur einer gerade an <strong>Eisenach</strong>er Verhältnissen der ersten Hälfte<br />

des 18. Jahrhunderts durchgeführten Untersuchung, in der es Barbara Duden um die alte,<br />

vormedizinische Zeit gegangen war. 43<br />

Dass in den kommenden Jahren weiôere Bücher hinzugekauft wurden, insbesondere auf dem<br />

schulischen und Gesundheitssektor, soll bei allem persönlichen Interesse für<br />

wissenschaftsgeschichtliche Fragen nicht etwa davon abhalten, auf den Hauptinhalt der<br />

Kirchrechnungen zu sprechen zu kommen. Ém wesentlichen geht es da um Einnahmen und<br />

Ausgaben. Hinzu tritt die Rechnungsprüfung, die 1808 beispielsweise öom Fürstlich-<br />

Säãhsischen Oberconsistorial-Amt in Kaltennordheim vorgenommen und durch ein<br />

42 Kirchrechnung Birx 1902, fol. 41r-41v (Pfarrarchiv <strong>Frankenheim</strong>/Birx, K 140/817).<br />

43 Barbara Duden, Geschichte unter der Haut. Ein <strong>Eisenach</strong>er Arzt und seine Patientinnen um 1730, Stuttgart 1987.<br />

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